Juvenile idiopathische Arthritis (JIA) wirkt sich auf die ganze Familie aus, nicht
nur auf das betroffene Kind. Zu dem Ergebnis kam die Ergotherapeutin Fiona Jones mit
Kollegen von der University of Queensland, Australien.
An der qualitativen Studie nahmen 16 Familien teil, bei denen jeweils ein Kind zwischen
8 und 18 Jahren die Diagnose JIA hatte. Anhand von strukturierten Einzelinterviews
erfragten die Forscher jeweils die Erfahrungen der Eltern und die ihrer betroffenen
Kinder mit der Diagnose. Die Ergebnisse führten zu vier Schlüsselthemen. Erstens:
Die Diagnose JIA ist emotional sehr schwer zu verarbeiten und wird von Ärzten nur
vorsichtig gestellt. Zweitens: Die Gesellschaft zeigt wenig Verständnis für diese
Krankheit. Drittens: Ärzte und Therapeuten überschütten die Eltern mit komplexen Informationen
und Anleitungen und erwarten von ihnen, dass sie sich zum Beispiel um die Medikamenteneinnahme,
das Schienentragen und die therapeutischen Übungen zu Hause kümmern. Und viertens:
Die befragten Eltern haben den Eindruck, dass die Diagnose JIA die Eltern-Kind-Beziehung
verändert. Manche berichteten, dass sie beide näher zusammengebracht habe, andere
wiederum fanden, dass das Verhältnis gelitten habe, weil sie als Eltern auch die Rolle
des Arztes oder der Therapeutin übernehmen mussten. Auch die Beziehungen zwischen
den Ehepartnern und zu den gesunden Geschwisterkindern hätten gelitten – meistens
wegen erhöhtem Stress und Zeitmangel.
Die Forscher empfehlen Ergotherapeuten, betroffene Familien anhand eines familienzentrierten
Ansatzes zu unterstützen: Ein Heimprogramm sollte individuell auf die Situation zugeschnitten
sein und weniger als 30 Minuten täglich in Anspruch nehmen. Es sollte Informationen
über die Krankheit und soziale Unterstützung bieten und den Familien ermöglichen,
selbst zu entscheiden, wie sie mit der Diagnose im Alltag umgehen.
akb
Kommentar
Die familienzentrierte Therapie ist kein neues Thema innerhalb der ergotherapeutischen
Literatur, jedoch kaum mehr als ein Lippenbekenntnis im praktischen Alltag. Die Studie
von Jones und ihren Kollegen zeigt, dass Familien darunter leiden können, wenn Therapeuten
sie weder in die Therapieplanung noch in die Zielsetzung einbeziehen. In einem familienzentrierten
– anstatt kindzentrierten – Ansatz besteht der Klient aus der ganzen Familie. Die
Therapeutin versucht, für alle Familienmitglieder praktikable Lösungen zu finden,
die ganze Familie zu stärken und gleichzeitig das Kind zu unterstützen. In dieser
Studie wünschen sich die Eltern mehr Unterstützung, mehr Einfluss auf die Therapie
und mehr Aufklärung. Nur so können sie Entscheidungen für ihr Kind mit JIA treffen.
Vermutlich wünschen sich das auch die Eltern von Kindern mit anderen chronischen Erkrankungen.
Ergotherapeuten sollten sich deshalb überlegen, wie sie generell familienfreundlich
arbeiten können. Um sich für die familienzentrierte Arbeit zu sensibilisieren, sollten
sie sich bereits während der Ergotherapieausbildung mit diesem Thema auseinandersetzen,
andernfalls benötigen sie Modelle und Fortbildungsangebote. Erst mit diesem Wissen
können sie überhaupt entscheiden, wann ein familienzentrierter Ansatz effektiv ist
und wann nicht, und in welcher Form sie diesen anbieten.
Ann Kennedy-Behr, Ergotherapeutin MOT, BAppSc(OT)
BJOT 2009; 72: 249–258