Dialyse aktuell 2009; 13(10): 578-579
DOI: 10.1055/s-0029-1245025
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Peritonealdialyse - Moderne Peritonealdialyselösungen reduzieren die Mortalität

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Publication Date:
05 January 2010 (online)

 
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Hohe Glukose- und Laktatkonzentrationen sowie ein niedriger pH-Wert reduzieren die Biokompatibilität von Peritonealdialyselösungen. Um das Peritoneum zu schonen, werden daher seit einiger Zeit moderne Dialyselösungen mit physiologischem pH-Wert oder sogar glukosefreie Dialyselösungen eingesetzt. Bislang gibt es allerdings nur wenige Untersuchungen, die relevante klinische Endpunkte wie ein Therapieversagen oder die Mortalität der Patienten berücksichtigen. Han et al. [1] konnten jetzt in einer Beobachtungsstudie eine verbesserte Überlebensrate bei Peritonealdialysepatienten nachweisen, die mit einer Peritonealdialyselösung mit einem Bikarbonat/Laktat-Puffersystem behandelt wurden.

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Design der multizentrischen Studie

An der multizentrischen Studie nahmen 2163 Patienten teil, die mit einer Peritonealdialysebehandlung begannen und über maximal 48 Monate beobachtet wurden. 1 621 Patienten erhielten zu Beginn eine konventionelle, Laktat gepufferte Dialyselösung mit Glukose als osmotisch wirksamer Substanz. Bei 542 Patienten wurde eine Dialyselösung auf Bikarbonat/Laktat-Basis (B/L-Lösung mit 25 mmol/l Bikarbonat, 15 mmol/l Laktat) mit physiologischem pH-Wert und herabgesetztem Gehalt an Glukoseabbauprodukten ("Glucose Degradation Products", GDPs) verwendet. Zusätzlich wurden die Patienten erfasst, die länger als 6 Monate mit Icodextrin haltiger Dialyselösung behandelt wurden. Primäre Zielgröße war die Mortalität; weitere Zielparameter umfassten technisches Versagen, kardiovaskuläre und infektionsbedingte Mortalität.

Die Assoziation zwischen Mortalitätsrisiko und verwendeter Dialyselösung wurde sowohl mittels ITT-Analyse (ITT: "intention to treat") als auch mit einer PS-Analyse (PS: "propensity score") ermittelt. Innerhalb des ITT-Modells wurden alle Ergebnisse den Gruppen zugeordnet, denen die Patienten zu Studienbeginn angehörten. Während der Studie eventuell vorgenommene Wechsel der Dialyselösung blieben hierbei unberücksichtigt. Hingegen wurden im Rahmen der PS-Analyse aufgrund der heterogenen Verteilung der Ausgangsparameter innerhalb des untersuchten Kollektivs 542 Patientenpaare mit vergleichbaren Ausgangsbedingungen gebildet.

Die Studienteilnehmer (53 % Männer) begannen ihre Peritonealdialysetherapie mit durchschnittlich 54,9 ± 13,6 Jahren. Hauptursache des chronischen Nierenversagens war eine diabetische Nephropathie (53,1 %), und 12 % der Patienten wiesen zu Studienbeginn kardiovaskuläre Begleiterkrankungen auf. Bei 36,5 % der Patienten kam Icodextrin länger als 6 Monate zum Einsatz.

Innerhalb des Grundkollektivs bestanden zwischen der Bikarbonat/Laktat- und der mit konventioneller Dialyselösung behandelten Gruppe keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Alters, des Anteils der Patienten mit diabetischer Nephropathie oder kardiovaskulären Begleiterkrankungen, Erfahrung des behandelnden Dialysezentrums oder des sozioökonomischen Status der Patienten. In der Bikarbonat/Laktat-Gruppe befanden sich allerdings weniger Männer, und die Zahl der Patienten, die 1-mal täglich Icodextrin einsetzten, war höher.

Für die PS-Analyse wurden Patientenpaare nach Alter, Geschlecht, Vorliegen eines Diabetes mellitus oder kardiovaskulärer Begleiterkrankungen, Verwendung von Icodextrin, sozioökonomischem Status und Erfahrungshorizont des Dialysezentrums gebildet.

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Signifikant niedrigere Mortalität unter Bikarbonat/Laktat-Lösung

Die ITT-Analyse ergab für die mit Bikarbonat/Laktat-Lösung behandelten Patienten eine signifikant niedrigere Mortalität als für die Patienten, die mit konventioneller Lösung behandelt wurden (p < 0,001; Abb. [1]). So lag die 2- bzw. 4-Jahres-Mortalitätsrate in der Bikarbonat/Laktat-Gruppe bei 12,8 bzw. 18,8 % gegenüber 18,9 bzw. 29,4 % in der mit konventioneller Lösung behandelten Gruppe. Auch nach Berücksichtigung unterschiedlicher Faktoren wie Alter, Geschlecht und Vorliegen eines Diabetes mellitus ergab sich in der Cox-Analyse ein signifikant niedrigeres Mortalitätsrisiko für die Bikarbonat/Laktat-Gruppe im Vergleich zur konventionell behandelten Gruppe (hazard ratio (HR) 0,69; 95 %-Konfidenzintervall (95 % CI) 0,53-0,93; p = 0,02). Außerdem war die Verwendung einer Icodextrin haltigen Dialyselösung signifikant mit einem verminderten Mortalitätsrisiko assoziiert (HR 0,43; 95 % CI 0,34-0,55; p < 0,001).

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Abb. 1 Vergleich der Mortalität bei Patienten, die mit der Bikarbonat/Laktat-Lösung (BL) behandelt wurden, gegenüber mit konventioneller Lösung behandelten Patienten. nach [1]

Die Kaplan-Meier-Analyse ergab für die Verwender der Bikarbonat/Laktat-Lösung eine signifikant geringere kardiovaskuläre Mortalität. In der Multivarianzanalyse erreichte dieser Unterschied keine statistische Signifikanz. Die Häufigkeit von Technikversagen und Todesfällen durch Infektionen unterschied sich zwischen beiden Gruppen ebenfalls nicht signifikant.

Auch in der PS-Analyse ergab sich für die mit Bikarbonat/Laktat-Lösung behandelten Patienten eine signifikant niedrigere Mortalitätsrate von 9,6 % gegenüber 18,9 % für die mit konventioneller Lösung behandelten Patienten (HR 0,70; 95 % CI 0,50-0,98; p = 0,04). Kein Unterschied zeigte sich zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich des technischen Versagens und infektionsbedingter Todesfälle. Hingegen war der Überlebensvorteil der Icodextrin-Verwender auch in der PS-Analyse (HR 0,40; 95 % CI 0,28-0,58; p < 0,001) nachweisbar.

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Langzeitstudie zeichnet ein genaueres Bild der Situation

Mit dieser Langzeitstudie konnte für ein großes Patientenkollektiv ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Verwendung einer Bikarbonat/Laktat-Lösung mit physiologischem pH-Wert und einer verbesserten Überlebensrate nachgewiesen werden. Sowohl die Gesamtmortalitätsrate als auch das adjustierte relative Mortalitätsrisiko lagen bei Verwendern der Bikarbonat/Laktat-Lösung signifikant niedriger als bei Verwendern der konventionellen Lösung. Dies galt sowohl für die ITT- als auch für die PS-Analyse. Dieser Mortalitätsvorteil bestätigt die Ergebnisse einer früheren Erhebung.

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Bild: Baxter Deutschland GmbH

Allerdings zeichnet sich die aktuelle Studie von Han et al. [1] durch ihre deutlich längere Beobachtungszeit, die Berücksichtigung der kardiovaskulären und infektionsbedingten Mortalität sowie die Einbeziehung aller Patienten in die Analyse - auch bei einem Wechsel in eine andere Studiengruppe - aus. Hervorzuheben ist weiterhin, dass die ITT-Analyse um eine As-treated- (AT) und Per-protocol-Auswertung ergänzt wurde, um die Ergebnisse zu überprüfen. Die darüber hinaus durchgeführte PS-Analyse, mit der die ungleiche Verteilung der Baseline-Parameter ausgeglichen und die Vergleichbarkeit der beiden Gruppen erhöht wurde, bestätigte die signifikanten Ergebnisse.

Beim Einsatz von Icodextrin zeigte sich - unabhängig von der Verwendung der Bikarbonat/Laktat-Lösung - eine Assoziation mit einer noch geringeren Mortalitätsrate, die Han et al. einer besseren Volumenkontrolle [2], einer geringeren Kohlenhydrataufnahme [3] und der verbesserten Biokompatibilität [4] von Icodextrin zuschreiben.

Die retrospektive Studie von Han et al. war nicht darauf angelegt, mögliche Ursachen für die unterschiedlich hohen Mortalitätsraten bei Verwendung verschiedener Dialyselösungen zu ermitteln. In früheren tierexperimentellen und in-vitro-Untersuchungen konnte jedoch nachgewiesen werden, dass Bikarbonat/Laktat-Lösungen mit physiologischem pH-Wert geringere inhibitorische Effekte auf die Zellfunktion haben [5] und die Struktur und Funktion des Peritoneums deutlich weniger beeinflussen als konventionelle Lösungen [6], [7]. Das ursächliche Zusammenspiel einzelner Parameter wie pH-Wert, GDP etc. und Mortalität bleiben jedoch weiterhin unklar. Die der Assoziation zwischen der Dialyselösung und der Mortalitätsrate zugrunde liegenden Mechanismen sind äußerst komplex und können sicher nicht allein auf einen niedrigen GDP-Gehalt reduziert werden. Daher müssen weitere Untersuchungen folgen.

Die Leistung der vorliegenden Beobachtungsstudie besteht im Nachweis der Assoziation zwischen Langzeiteinsatz von Bikarbonat/Laktat-Lösungen mit physiologischem pH-Wert und einem signifikant reduzierten Mortalitätsrisiko - anhand eines großen Patientenkollektivs und einer sorgfältigen statischen Analyse.

Dr. Sigrid Schwarz, Köln

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Baxter Deutschland GmbH, Unterschleißheim.

Die Beitragsinhalte wurden nach Informationen der Baxter Deutschland GmbH, Unterschleißheim, zusammengestellt.

Die Autorin ist Mitarbeiterin der FAI GmbH, Köln.

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Literatur

  • 01 Han SH . Ahn SV . Yun JY . et al . Mortality and technique failure in peritoneal dialysis patients using advanced peritoneal dialysis solutions.  Am J Kidney Dis. 2009;  54 711-720
  • 02 Davies SJ . Woodrow G . Donovan K . et al . Icodextrin improves the fluid status of peritoneal dialysis patients: Results of a double-blind randomized controlled trial.  J Am Soc Nephrol. 2003;  14 2338-2344
  • 03 Gokal R . Moberly J . Linholm B . Mujais S . Metabolic and laboratory effects of icodextrin.  Kidney Int Suppl. 2002;  81 S62-S71
  • 04 Barre DE . Chen C . Cooker L . Moberly JB . Decreased in vitro formation of AGEs with extraneal solution compared to dextrose-containing peritoneal dialysis solutions.  Adv Perit Dial. 1999;  15 12-16
  • 05 Hoff CM . In vitro biocompatibility performance of Physioneal.  Kidney Int Suppl. 2003;  88 S57-S74
  • 06 Mortier S . Faict D . Schalkwijk CG . et al . Long-term exposure to new peritoneal dialysis solutions: Effects on the peritoneal membrane.  Kidney Int. 2004;  66 1257-1265
  • 07 Mortier S . Faict D . Lameire NH . De Vriese AS . Benefits of switching from a conventional to a low-GDP bicarbonate/lactate-buffered dialysis solution in a rat model.  Kidney Int. 2005;  67 1559-1565
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Literatur

  • 01 Han SH . Ahn SV . Yun JY . et al . Mortality and technique failure in peritoneal dialysis patients using advanced peritoneal dialysis solutions.  Am J Kidney Dis. 2009;  54 711-720
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  • 04 Barre DE . Chen C . Cooker L . Moberly JB . Decreased in vitro formation of AGEs with extraneal solution compared to dextrose-containing peritoneal dialysis solutions.  Adv Perit Dial. 1999;  15 12-16
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  • 06 Mortier S . Faict D . Schalkwijk CG . et al . Long-term exposure to new peritoneal dialysis solutions: Effects on the peritoneal membrane.  Kidney Int. 2004;  66 1257-1265
  • 07 Mortier S . Faict D . Lameire NH . De Vriese AS . Benefits of switching from a conventional to a low-GDP bicarbonate/lactate-buffered dialysis solution in a rat model.  Kidney Int. 2005;  67 1559-1565
 
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Abb. 1 Vergleich der Mortalität bei Patienten, die mit der Bikarbonat/Laktat-Lösung (BL) behandelt wurden, gegenüber mit konventioneller Lösung behandelten Patienten. nach [1]

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Bild: Baxter Deutschland GmbH