Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0029-1243279
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
„Schweinegrippe“: Impfen oder nicht – ist das die Frage?
Publication History
Publication Date:
11 November 2009 (online)

Der Debatte zur Impfung gegen die sogenannte „Neue Grippe“ oder „Mexikanische Grippe“ kann sich keiner entziehen. Täglich gibt es neue Schlagzeilen: So titelte die Bild-Zeitung am 21. Oktober: „Schweinegrippe – Professor befürchtet in Deutschland 35 000 Tote“. Das tatsächliche Szenario ist bislang weniger dramatisch: Seit April haben wir hierzulande knapp 23 000 an Schweinegrippe Infizierte und 2 Tote zu beklagen. Damit dies so bleibt, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die Impfung von medizinischem Personal, chronisch Kranken und Schwangeren. Gleichzeitig weist die STIKO darauf hin, dass alle Bevölkerungsgruppen von einer Impfung profitieren können.
Die Experten, die in der Bild zum Thema „Impfen oder nicht“ zitiert werden, sind sich fast einig. Von den 10 befragten deutschen Chefärzten will die Mehrheit der Impfempfehlung Folge leisten. Nur einer will sich laut Bild zwar gegen die saisonale Grippe, wegen der noch zu geringen Erfahrungen mit den neuen Impfstoffen mit dem neuen Adjuvans nicht aber gegen die Schweinegrippe impfen lassen. Damit legt er den Finger genau auf die Wunde. Denn Bedenken wegen möglicher Nebenwirkungen der neuen Wirkverstärker haben viele – Mediziner und inzwischen auch immer mehr Bundesbürger. Viele Ärzte wollen sich daher weder impfen lassen noch sich an der geplanten Impfaktion beteiligen. Und nur jeder 3. Bundesbürger will laut einer Umfrage das Angebot zur Schweinegrippeimpfung annehmen.
Mitte des Monats heizte eine Meldung im Spiegel die Diskussion noch einmal an. Der Spiegel hatte berichtet, dass die Soldaten der Bundeswehr, die Bundesregierung, die Ministerien und die nachgeordneten Behörden einen Schweinegrippeimpfstoff ohne Adjuvans bekommen sollen. Schnell war von einer Zweiklassengesellschaft die Rede, denn für die deutsche Bevölkerung wie auch die deutschen Ärzte ist der Impfstoff mit Adjuvans vorgesehen.
Doch warum bedient man sich überhaupt adjuvanter pandemischer Influenzaimpfstoffe? Hierzu ein Rechenbeispiel des Paul-Ehrlich-Instituts aus der Ärztezeitung: Mindestens 90 μg Antigen seien bei einem „herkömmlichen“ Grippeimpfstoff pro Dosis notwendig, um einen Impfschutz zu erzeugen. Dies aber sei 12- bis 24-mal so viel wie in adjuvantierten Impfstoffen – und damit ungeeignet für den Fall einer Pandemie. Um einer solchen wirksam entgegentreten zu können, müsse man in kurzer Zeit große Mengen Impfstoff herstellen. Dazu jedoch brauche man einen hoch immunogenen Wirkstoff, der eine breite Immunantwort erzeuge und – vor allem – mit geringen Mengen an Antigen auskommt. Mit Adjuvans reichen 3,75 μg Antigen pro Dosis aus. Das Paul-Ehrlich-Institut übrigens soll für die Impfung seiner Mitarbeiter den Impfstoff mit Adjuvans bestellt haben, war in dem Beitrag der Ärztezeitung zu lesen.
Die noch geringen Erfahrungen mit dem Schweinegrippeimpfstoff mit dem neuen Adjuvans hat bislang noch keiner bezweifelt, dementsprechend empfiehlt die STIKO, bei Schwangeren und Kindern zur Sicherheit einen Impfstoff ohne Wirkverstärker einzusetzen. Bleibt die Frage, ob alle Bediensteten der Bundeswehr und unsere Bundesregierung und Bundesminister allesamt schwanger oder vielleicht doch den Kinderschuhen noch nicht entwachsen sind ...
Inzwischen hat die Auslieferung des Impfstoffs an die Bundesländer begonnen. Jetzt bleibt abzuwarten, wie viele sich gegen die Neue Grippe impfen lassen. Wenn allerdings die Verunsicherung der Bevölkerung noch weiter um sich greift, könnten die Länder auch auf den bestellten Einheiten des Impfstoffs „sitzen bleiben“. Dann jedoch hätten sie auch viel Geld in den Sand gesetzt, Geld das sie an anderer Stelle sicher hätten gut gebrauchen können.