Gesundheitswesen 2010; 72(8/09): 496-501
DOI: 10.1055/s-0029-1242794
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Gesundheitlich unbedenklich”: Fakt oder Fiktion?

Harmless: Fact or Fiction?A. Stang1
  • 1Institut für Klinische Epidemiologie, Medizinische Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle
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Publication Date:
04 January 2010 (online)

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Zusammenfassung

Das Ziel der Arbeit ist es, aus erkenntnistheoretischer Sicht zu diskutieren, welche Aussagen zu Risiken bzw. zur Unschädlichkeit von Expositionen möglich sind. Zur Beurteilung der epidemiologischen Evidenz von Gesundheitsrisiken müssen diverse Annahmen getroffen werden, die zum Teil nicht überprüft werden können. Die Replikation von Studienergebnissen lässt keinen logischen Schluss über die Richtigkeit einer Hypothese zu. Mithilfe empirischer Studien ist es jedoch logisch möglich, Hypothesen zu falsifizieren. Zur Bewertung jeder einzelnen Studie kann dieses Falsifikationsprinzip herangezogen werden. Sofern die nicht-kausalen Hypothesen falsifiziert werden können, überlebt die kausale Hypothese und sollte ernst genommen werden, auch wenn die kausale Hypothese nur vorübergehend die Falsifikationsversuche „überlebt” hat. Unabhängig von der Anzahl oder der Art von empirischen Studien ist es nicht „beweisbar”, dass eine Exposition einen unerwünschten Effekt hat oder nicht. Hieraus leitet sich ab, dass Hypothesen, die bisher nicht falsifiziert werden konnten, für politische oder andere Entscheidungen genutzt werden sollten, auch wenn für diese Hypothesen das Risiko besteht, dass sie zukünftig durch besser geeignete Falsifikationsversuche widerlegt werden könnten.

Abstract

The aim of this article is to critically discuss what conclusions can be drawn about health risks or innocuousness of exposures from an epistemiological point of view. For the interpretation of the epidemiological evidence of health risks, several assumptions have to be met − some of them cannot be empirically checked. Replication of study findings does not necessarily imply causation. However, it is possible to falsify hypotheses based on emipirical studies. This falsification principle can also be used for the interpretation of a single study. If we are able to falsify all non-causal hypotheses, the causal hypothesis is the only hypothesis that has survived and therefore should be taken seriously. Regardless of the number and kind of empirical studies, we cannot logically prove that an exposure has a harmful effect or not. Therefore, a hypothesis that could not be falsified until now should be used for political or other decisions even if there is a chance that this hypothesis will be falsified in the future when based on more appropriate trials of falsification.

Literatur

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. A. StangMPH 

Institut für Klinische

Epidemiologie Medizinische Fakultät

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Magdeburger Straße 8

06097 Halle

Email: andreas.stang@medizin.uni-halle.de