Der Klinikarzt 2009; 38(9): 373-374
DOI: 10.1055/s-0029-1241786
Medizin & Management

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Zuweisung von Patienten an Krankenhäuser gegen Entgelt

Riskante Absprachen nicht nur in berufsrechtlicher Hinsicht!
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Publikationsdatum:
28. September 2009 (online)

 
Inhaltsübersicht

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte in Zukunft noch weitreichender kooperieren, als dies bisher der Fall gewesen ist. Die aktuell aufgeflammte Diskussion über Zuweiserprämien zeigt jedoch, dass die Frage der Kooperation nicht immer eindeutig zu beantworten ist. Die Vorwürfe, dass Kliniken in großem Stil Prämien an niedergelassene Ärzte für die Einweisung von Patienten zahlen würden, belegen allzu deutlich, in welchem rechtlichen Spannungsfeld sich derartige Vereinbarungen bewegen.

Patienten müssen darauf vertrauen können, dass bei allen medizinischen Entscheidungen des Arztes seine innere Unabhängigkeit gewahrt bleibt. Dieser Grundsatz hat in den letzten Tagen eine erhöhte Aktualität erfahren. Aktuelles Thema im Superwahljahr 2009 ist die langjährige Praxis von einigen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten, Zuweisungen gegen Entgelt vorzunehmen. Die Problematik dieser Konstellation liegt letztlich darin, dass hier nicht Geld für eine ärztliche Leistung gezahlt wird, sondern für die Leitung von Patientenströmen. Nach Auffassung vieler Standesvertreter sollen derartige Vereinbarungen von vornherein unzulässig sein - die Rechtslage sei diesbezüglich klar. Dass diese Aussage gewisser Einschränkungen bedarf, lässt sich bereits aus der lebhaften Diskussion in der Rechtswissenschaft und der einschlägigen Rechtsprechung ersehen. Nachfolgend soll daher versucht werden, überblicksartig die aktuelle Situation darzustellen und ein wenig Licht in die Frage der Zulässigkeit von solchen Vereinbarungen zu bringen.

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Grundsatz

Nach dem gesetzlichen Leitbild ist der Arzt zu strikter Neutralität verpflichtet, sodass aus diesem Grunde jegliche Zuwendungen, die er von Dritten erhält, als problematisch einzustufen sind. Vor diesem Hintergrund aber stehen gerade Leistungsbeziehungen zwischen Ärzten zu Dritten (Krankenhäuser, Industrie etc.), die über den originären Leistungsaustausch hinausgehen, häufig auf dem Prüfstand der berufsständischen Organisationen, aber auch der Gerichte.

Die Grundlage dieser Neutralitätspflicht findet sich in erster Linie in den Regelungen der einschlägigen Berufsordnungen der Landesärztekammern, die sich weitgehend an der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) orientieren. Der Ausgangspunkt für die Neutralitätspflicht des Arztes findet sich in § 3 MBO-Ä, der in seinem Absatz 2 Folgendes bestimmt:

"Ärztinnen und Ärzten ist untersagt, im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter ihrer Mitwirkung abgeben zu lassen sowie gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind."

Für die Frage der Zuweisung von Patienten an Krankenhäuser ist daneben die besondere Regelung in § 31 MBO-Ä relevant. Wörtlich heißt es dort:

"Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren."

§ 31 ist damit eine besondere Ausgestaltung des Gebotes des fairen Wettbewerbs und verbietet jegliche Vorteilsgewährung, sofern sie in direktem Zusammenhang mit der Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial steht. Schutzzweck der Norm ist dabei unter anderem, dass der Arzt in seiner Entscheidung, welchem anderen Arzt oder Krankenhaus er Patienten zuweist oder zur Diagnose hinzuzieht, nicht von wirtschaftlichen Interessen beeinflusst sein soll. Vielmehr hat die jeweilige Entscheidung allein aufgrund medizinischer Erwägungen im Interesse des Patienten zu erfolgen. Allerdings soll § 31 MBO-Ä nicht nur den Patienten vor sachfremden Erwägungen des ihn behandelnden Arztes bewahren. Schutzzweck des § 31 MBO-Ä ist nämlich darüber hinaus auch die Verhinderung der Verschaffung von ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteilen durch die Gewährung von materiellen Vorteilen. Gerade dieser Schutzzweck gebietet es, dass jede Art der Patientenvermittlung gegen Entgelt oder sonstige Vorteile, die ihren Grund nicht in der Behandlung selbst haben, als verbotswidrig anzusehen ist.

Das Besondere an dieser Regelung ist, dass sich nicht nur der Arzt standeswidrig verhält, der ein bestimmtes Entgelt für die Zuweisung von Patienten entgegennimmt. Vielmehr bedingt der Schutzcharakter der Norm ein allumfassendes Verbot, sodass sich auch derjenige standeswidrig verhält, der den Vorteil für den zuweisenden Arzt verspricht oder ihm diesen gewährt. Insofern sind nicht nur die niedergelassenen Ärzte von der beschriebenen Problematik betroffen, sondern vielmehr auch die im Krankenhaus tätigen Ärzte, sofern ihnen hierzu eine Entscheidungsbefugnis zusteht.

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Ausnahmen

Die Formulierung des § 31 MBO-Ä zeigt jedoch zugleich auch, dass nicht sämtliche Leistungsbeziehungen zwischen niedergelassenem Arzt und Krankenhaus per se als unzulässig einzustufen sind.

Wenn nämlich Schutzzweck der Norm die Sicherung des Vertrauens des Patienten in die ärztliche Neutralität und die Verhinderung von ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteilen ist, so folgt hieraus zugleich auch, dass eine Vergütung selbstverständlich dann gezahlt werden kann, wenn der Arzt tatsächlich Leistungen gegenüber der Klinik erbracht hat. Dies gilt aber auch nur dann, wenn es sich um echte Zusatzleistungen handelt und nicht ohnehin erbrachte Tätigkeiten doppelt abgerechnet werden. Hinzu kommt, dass in jedem Falle Wert und Gegenwert der Leistungen übereinstimmen müssen (Äquivalenzprinzip). Meistens scheitern gerade in der Praxis die gewählten Fallkonstruktionen an diesem Umstand. Die rechtliche Ausgestaltung in vielen Fällen muss daher immer sehr kritisch geprüft werden.

Dies gilt umso mehr, als auch die Rechtsprechung nicht immer einheitlich entscheidet, wann ein Austauschverhältnis als zulässig zu betrachten ist und in welchen Fällen von einer rechtswidrigen Vertragsgestaltung ausgegangen werden muss. So hat etwa das Landgericht Duisburg (Urteil vom 01.04.2008, Az.: 4 O 300/07) die Kooperation zwischen einem Krankenhausträger und einem niedergelassenen Arzt, die es dem Arzt ermöglicht hat, in seiner Praxis erbrachte Leistungen als prä- bzw. poststationäre Leistungen zu Sätzen abzurechnen, die mindestens der GOÄ entsprechen, als wettbewerbswidrig eingestuft. Dies folge, so die Auffassung des Gerichts, aus dem Umstand, dass derartige Modelle den Arzt dazu verleiten würden, den Patienten entgegen der medizinischen Erforderlichkeit eine Behandlung in diesem Krankenhaus anstatt in einem unter Umständen besser geeigneten Krankenhaus zu empfehlen. Dies soll nach Auffassung des Gerichts eine unangemessene und unsachliche Einflussnahme auf die Entscheidungsfreiheit des Patienten darstellen.

Anders dagegen hat das OLG Düsseldorf entschieden, das derartige Vereinbarungen wegen der Ähnlichkeit mit Modellvorhaben der KV für zulässig erklärte (Urteil vom 16.11.2004, Az.: I-20 U 30/04).

Generell ist daher bei der Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus und niedergelassenem Arzt eine kritische Prüfung geboten. Als Richtschnur könnte hierfür gelten, dass solche Modelle zulässig sind, die etwa Ähnlichkeiten zu bestimmten Versorgungsmodellen der Kassenärztlichen Vereinigung aufweisen. Der Eindruck einer unzulässigen Vergütung entsteht hingegen dann, wenn der Arzt für Leistungen vergütet wird, die für das Krankenhaus bzw. für den behandelten Patienten von überhaupt keinem Wert sind (letztlich also sinnlose Leistungen). In diesem Falle kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine zulässige Leistungsbeziehung vorliegt, da hier der Eindruck entsteht, dass nicht in erster Linie für die Erbringung der vereinbarten Leistungen, sondern für die Zuweisung von Patienten gezahlt werden soll. Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass Vergütungsmodelle nur dann zulässig sind, wenn:

  • der Vergütung des Krankenhauses ein tatsächlicher Gegenwert durch eine ärztliche Leistung entgegensteht,

  • Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen,

  • der Arzt nicht aus einem anderen Grunde zur Erbringung der Leistung verpflichtet ist,

  • keine sinnlosen Leistungen vorliegen.

Vor diesem Hintergrund sind somit schon bisher praktizierte, echte Austauschverträge (z. B. Konsiliararztverträge) grundsätzlich nicht zu beanstanden. Gleiches gilt auch für die sog. Belegarztverträge. Zwar wird der Arzt hier seine Entscheidung, welches Krankenhaus er empfiehlt, nicht allein davon abhängig machen, welche Klinik die optimale Versorgung gewährleisten kann. Mag die Entscheidungsfreiheit des Arztes in gewisser Weise auch eingeschränkt sein, so ist dies jedoch systemimmanent und von der Berufsordnung gebilligt.

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Folgen einer unzulässigen Vergütung

Die Folgen einer unzulässigen Vergütung können vielfältiger Natur sein. So ist natürlich in erster Linie bei Verstößen an Maßnahmen durch die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung bzw. Ärztekammer (wie etwa Einleitung eines Berufsgerichtsverfahrens) zu denken. Daneben aber ist zu berücksichtigen, dass § 31 MBO-Ä ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB darstellt. Dies hat zur Folge, dass ein Verstoß gegen die Musterberufsordnung zugleich die Nichtigkeit der Absprache zwischen Krankenhaus und niedergelassenem Arzt zur Folge hat. Dies könnte im Einzelfall zur Folge haben, dass geleistete Zahlungen rechtsgrundlos erfolgt sind und damit unter Umständen zurückgefordert werden können. Darüber hinaus stellt eine verbotene Entgeltgewährung eine unangemessene und unsachliche Einflussnahme auf die Entscheidungsfreiheit des Patienten im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG dar und ist damit unlauter im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Dies kann im Einzelfall Abmahnungen von Wettbewerbern, die Geltendmachung von Unterlassungs- oder sogar Schadensersatzansprüchen zur Folge haben. Es zeigt sich damit, dass die verbotene Zuweisung von Patienten gegen Entgelt nicht nur in ihrer berufsrechtlichen Dimension als sehr kritisch einzustufen ist, sondern auch im Hinblick auf die weiteren zivilrechtlichen Sanktionen nicht unproblematisch sein kann. Auch wenn Leistungsbeziehungen zwischen Krankenhaus und niedergelassenem Arzt nicht per se verboten sind, so muss doch im Einzelfall immer sorgfältig geprüft werden, ob die vorstehend beschriebenen Voraussetzungen für eine zulässige Zusammenarbeit erfüllt sind oder ob nicht ein Verstoß gegen berufsrechtliche oder andere Vorschriften vorliegt.

Auch in strafrechtlicher Hinsicht kann die Gewährung von Zuweiserprämien Sanktionen nach sich ziehen. Gemäß § 229 StGB ist Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr ein strafrechtliches Delikt, das mit Freiheits- oder Geldstrafe geahndet werden kann. Da Zweck der Vorschrift letztlich (auch) der Schutz des Arbeitgebers ist, werden angestellte Ärzte eines Krankenhauses nach mittlerweile wohl überwiegender Auffassung von § 229 StGB erfasst, sodass in Einzelfällen sogar eine strafbare Handlung gegeben sein kann, wenn Prämienzahlungen durch Krankenhausärzte zugesagt oder veranlasst werden. Niedergelassene Ärzte machen sich durch die Annahme von Prämien nach bisher herrschender Meinung nicht strafbar im Sinne des StGB, wenngleich die berufs- und zivilrechtlichen Sanktionen nicht zu vernachlässigen sind. Die Diskussion über die Strafbarkeit hält allerdings noch an.

In jedem Falle ist davon auszugehen, dass vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse unter Umständen eine verstärkte Prüfung und Untersuchung auch durch die berufsständischen Organisationen erfolgen könnte. Nicht zuletzt deshalb kann nur davon abgeraten werden, die langjährig praktizierten Modelle, nach denen wirtschaftliche Vorteile für die Überweisung eines Patienten gewährt werden, auch in Zukunft unverändert fortzuführen. Eine kritische Überprüfung bestehender Verträge und Absprachen tut Not.

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Korrespondenz

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Dr. jur. Isabel Häser

Rechtsanwältin

Ehlers, Ehlers und Partner

Widenmayerstr. 29

80538 München

 
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