Dialyse aktuell 2009; 13(7): 400-401
DOI: 10.1055/s-0029-1241079
Forum der Industrie

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Weit mehr als "nur" ein Vitamin-D-Hormon - Selektive VDR-Aktivierung

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10 September 2009 (online)

 
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Die selektive VDR-Aktivierung wird häufig nur als eine weitere Vitamin-D-Hormon-Therapie angesehen und von den Effekten bisheriger Vitamin-D-Analoga nicht entsprechend abgegrenzt. Dabei ist die Einordnung von Paricalcitol, dem in Deutschland einzig verfügbaren selektiven VDR-Aktivator, als ein weiteres Vitamin-D-Analogon durchaus problematisch: Durch die Selektivität der VDR-Aktivierung ist unter Paricalcitoltherapie das Risiko von Hyperkalzämien und Hyperphosphatämien signifikant geringer als bei Vitamin-D-Analoga wie z. B. Calcitriol, Alfacalcidol oder Doxercalciferol.

Darüber hinaus sprechen häufig auch calcitriolresistente Patienten auf Paricalcitol an. Auch haben Calcitriol und Paricalcitol ein anders geartetes Genaktivierungsprofil, was Unterschiede in den pleiotropen Effekten erklärt. Gerade in den letzten Jahren gab es eine Reihe von Publikationen, die auf einen Benefit der selektiven VDR-Aktivierung (sVDRA) jenseits der PTH-Supprimierung hindeuten. Diese kardio- und renoprotektiven Effekte von Paricalcitol werden auch Thema auf dem diesjährigen Nephrologiekongress in Göttingen sein.

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Paricalcitol versus Vitamin-D-Analoga

Während die VDR-Aktivierung durch Vitamin-D-Hormone (z. B. Calcitriol) die intestinale Kalzium- und Phosphatresorption beeinflussen, wirkt Paricalcitol hauptsächlich selektiv auf die Parathormonsenkung. So hat Paricalcitol eine starke Wirkung auf die Nebenschilddrüse, aber eine erheblich geringere Knochen- und Darm-Wirksamkeit als Calcitriol [1]-[3]. Nach Slatopolsky et al. [2] ist - bei gleicher Dosierung - die enterale Kalziumresorption unter Paricalcitol etwa 10-fach geringer als unter Calcitriol.

Die selektive VDR-Aktivierung kann also effektiv die PTH-Werte senken, ohne jedoch die Kalzium- und Phosphatwerte relevant zu beeinflussen. Das ist ein klarer Vorteil, denn Vitamin-D-Hormone bewirken in höheren Dosen, die zur effektiven sHPT-Kontrolle (sHPT: sekundärer Hyperparathyreoidismus) sehr oft erforderlich sind, eine inadäquat hohe Kalzium-Phosphat-Aufnahme im Darm und stimulieren darüber hinaus noch die Knochen zur Freisetzung dieser Mineralstoffe. Dadurch wird das Hyperkalzämie- und Hyperphosphatämierisiko deutlich erhöht. Paricalcitol hingegen kann bei Bedarf, zum Beispiel bei Patienten mit unkontrollierbaren sHPT, aufgrund seiner Selektivität entsprechend höher dosiert werden.

Interessanterweise sprechen selbst calcitriolresistente Patienten auf die Therapie an [4] - ein weiterer Hinweis dafür, dass Paricalcitol kaum als Vitamin-D-Analogon einzustufen ist. Denn per definitionem können Analoga zwar strukturverschieden sein, haben aber die gleiche biologische Wirkung.

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Unterschiedliches Genprofil sorgt für unterschiedliche Wirkungen

Der selektive VDRA hat ein anderes Genaktivierungsprofil als Vitamin-D-Analoga (Abb. [1]), welches auch die neuen Erkenntnisse zur Renoprotektion und zum Schutz des kardiovaskulären Systems durch Paricalcitol als selektiver VDR-Aktivator erklären könnte. Diese wegweisenden Erkenntnisse werden derzeit in klinischen Studien überprüft. Sie demonstrieren verschiedene Benefits der selektiven VDR-Aktivierung, die weit über die Parathormonkontrolle hinausgehen und von denen CKD-Patienten profitieren könnten.

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Abb. 1 Genaktivierungsprofil.

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Renoprotektion durch die selektive VDRA-Therapie

Ein Nebenbefund der Zulassungsstudien der Paricalcitol Kapseln brachte eine kleine Sensation: Agarwal et al. [6] beschrieben eine signifikante Abnahme der Proteinurie durch die Therapie mit Paricalcitol Kapseln, und zwar unabhängig vom Vorliegen eines Diabetes oder einer medikamentösen Blockade des Renin-Angiotensin-Systems. Die Messungen erfolgten zu Beginn und am Ende der Studie und wurden automatisiert und semiquantitativ mittels Teststreifen durchgeführt.

Das Ergebnis bewerten die Autoren im Sinne einer von einer RAAS-Blockade (RAAS: Renin-Angiotensin-Aldosteron-System) unabhängigen renalen Protektion durch Paricalcitol. Auch Alborzi et al. [7] dokumentierten in ihrer prospektiven Studie eine Abnahme der Albuminurie unter Paricalcitol. Möglicherweise kommt dieser renoprotektive Effekt jedoch nur bei der selektiven VDR-Aktivierung voll zum Tragen, wie eine neue Untersuchung an nierentransplantierten Patienten [8] zeigte. Die Therapie mit Paricalcitol war dort mit einer signifikanten Senkung der Proteinurie verbunden, die Behandlung mit Calcitriol oder Doxercalciferol lieferte hingegen keine Ergebnisse mit Signifikanz.

Weitere Daten zur Renoprotektion von Paricalcitol liegen außerdem vor: Im 5/6-Nephrektomie-Modell wurde durch Paricalcitol-Gabe eine signifikante Verbesserung der Nierenfunktion (Serumkreatinin), der Hypertonie und der Proteinurie (um bis zu 73 %, nämlich von durchschnittlich 91 mg/d auf bis zu 25 mg/d) erreicht [9]. Tan et al. [10] hatten darüber hinaus bereits 2006 tierexperimentell eine Verminderung der renalen intestinalen Fibrose unter selektiver VDR-Aktivierung nachgewiesen.

Diese Hinweise auf einen möglichen renoprotektiven Effekt der selektiven VDR-Aktivierung waren so überzeugend, dass eine prospektive, randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte Interventionsstudie VITAL[1] initiiert wurde, die derzeit mit 281 Patienten aus 60 Zentren weltweit läuft und deren Ergebnisse Ende 2009 erwartet werden [11].

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Kardiovaskulärer Schutz durch die selektive VDRA-Therapie

Auch hinsichtlich der kardialen und vasalen Protektion gab es in jüngster Zeit zahlreiche aufschlussreiche Ergebnisse. So wiesen Alborzi et al. [7] ebenfalls eine indirekte gefäßprotektive Wirkung von Paricalcitol via Senkung der Inflammation nach: In dieser klinischen Studie zeigt sich bereits nach einmonatiger Therapie eine signifikante CRP-Senkung (CRP: C-reaktives Protein) und somit Etablierung eines die Kalzifikation hemmenden Milieus. Tierexperimentell erbrachten bereits Mizobuchi et al. [12] eindrucksvolle Ergebnisse hinsichtlich des "Kalzifikationsschutzes" von Paricalcitol (Abb. [2]).

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Abb. 2 Weniger Aorten-Verkalkung unter Therapie mit Paricalcitol als unter Therapie mit Calcitriol. Unbehandelte urämische Tiere (oben links), mit Calcitriol behandelte urämische Tiere (rechts oben), mit 1-alpha-D2 behandelte urämische Tiere (links unten) und mit Paricalcitol behandelte urämische Tiere (rechts unten). nach [12]

Einen kardialen Schutz durch die selektive VDR-Aktivierung belegten Bodyak et al. [13]. Sie wiesen tierexperimentell eine signifikante Abnahme der Reninaktiviät, der linksventrikulären Hypertrophie (LVH) und der diastolische Dysfunktion unter Paricalcitol nach. Diese Befunde werden nun im Rahmen der PRIMO[2]-Studie prospektiv, randomisiert, doppelblind und placebokontrolliert überprüft.

Die bisherigen Erkenntnisse zu den kardio- und renoprotektiven Effekten der selektiven VDR-Aktivierung werden nun auch auf dem Nephrologiekongress 2009 in Göttingen intensiv diskutiert - siehe Veranstaltungshinweis.

Dr. Bettina Albers, Weimar

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Abbott GmbH, Ludwigshafen.

Die Beitragsinhalte stammen von der Abbott GmbH, Ludwigshafen, und wurden von Frau Dr. Albers (Medizinjournalistin) zusammengestellt

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Kardiorenale Protektion beim CKD-Patienten

Symposium im Rahmen des Nephrologiekongresses

28. September 2009, 13-14 Uhr

Georg-August-Universität Göttingen, Hörsaal 102

Vorsitz

Eberhard Ritz, Heidelberg

13.00-13.20 Uhr

Zusammenhang kardiovaskuläre Mortalität und chronische Nierenerkrankung

Eberhard Ritz, Heidelberg

13.20-13.40 Uhr

Pros and cons of different VDR activating agents

Daniel Coyne, St. Louis, USA

13.40-14.00 Uhr

Kardiorenale Protektion durch VDR-Aktivierung: Die neue therapeutische Option?

Roland Schaefer, Münster

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Literatur

  • 01 Lund R . et al . Differential effects of paricalcitol and calcitriol on intestinal calcium absorption in hemodialysis patients.  Nephrol Dial Transplant. 2006;  21 (Suppl. 4) iv219-220
  • 02 Slatopolsky E . Cozzolino M . Finch J.L . Differential effects of 19-nor-1,25-(OH)(2)D(2)and 1alpha-hydroxyvitamin D(2)on calcium and phosphorus in normal and uremic rats.  Kidney Int. 2002;  62 12777-1284
  • 03 Finch JL . Brown AJ . Slatopolsky E . Differential Eeffects of 1,25-dihydroxy-vitamin D3 and 19-nor-1,25-dihydroxy-vitamin D2 on calcium and phosphorus resorption in bone.  J Am Soc Nephrol. 1999;  10 980-985
  • 04 Llach F . Yudd M . Paricalcitol in dialysis patients with calcitriol-resistant secondary hyperparathyroidism.  Am J Kidney Dis. 2001;  38 45-50
  • 05 Kroeger PE . J Am Soc Nephrol. 2007;  18 186A (F-PO 0385)
  • 06 Agarwal R . Acharya M . Tian J . et al . Antiproteinuric effect of oral paricalcitol in chronic kidney disease.  Kidney Int. 2006;  68 2823-2828
  • 07 Alborzi P . Patel NA . Peterson C . et al . Paricalcitol reduces albuminuria and inflammation in chronic kidney disease. A randomized double-blind pilot trial.  Hypertension. 2008;  52 249-255
  • 08 Palya A . Noor F . Vania S . et al . Vitamin D analogues reduce proteinuria in kidney transplant patients. Spring Clinical Meeting of the National Kidney Foundation (NKF) 2009; Abstract. 
  • 09 Freundlich M . Zhang Z . Quiroz Y . et al . Paricalcitol-induced suppression of atrial natriuretic peptide (ANP) and renin-angiotensin system (RAS) genes is associated with amelioration of hypertension and chronic renal damage. American Society of Nephrology. 40th Renal Week Meeting 2007; Poster SA-PO871. 
  • 10 Tan X . Li Y . Liu Y . Paricalcitol attenuates renal interstitial fibrosis in obstructive nephropathy.  J Am Soc Nephrol. 2006;  17 3382-3393
  • 11 Lambers Heerspink HJ . Agarwal R . Coyne DW . et al . The selective vitamin D receptor activator for albuminuria lowering (VITAL) study. Study design and baseline characteristics.  Am J Nephrol. 2009;  30 280-286
  • 12 Mizobuchi M . Finch JL . Martin DR . et al . Differential effects of vitamin D receptor activators on vascular calcification in uremic rats.  Kidney Int. 2007;  72 709-715
  • 13 Bodyak N . Ayus JC . Achinger S . et al . Activated vitamin D attenuates left ventricular abnormalities induced by dietary sodium in dahl salt-sensitive animals.  Proc Natl Acad Sci USA. 2007;  104 16810-16815

01 Selective VITamin D Receptor Activator (Paricalcitol) for Albuminuria Lowering

02 Paricalcitol Benefits in Renal Disease Induced Cardic Morbidity Study

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Literatur

  • 01 Lund R . et al . Differential effects of paricalcitol and calcitriol on intestinal calcium absorption in hemodialysis patients.  Nephrol Dial Transplant. 2006;  21 (Suppl. 4) iv219-220
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  • 03 Finch JL . Brown AJ . Slatopolsky E . Differential Eeffects of 1,25-dihydroxy-vitamin D3 and 19-nor-1,25-dihydroxy-vitamin D2 on calcium and phosphorus resorption in bone.  J Am Soc Nephrol. 1999;  10 980-985
  • 04 Llach F . Yudd M . Paricalcitol in dialysis patients with calcitriol-resistant secondary hyperparathyroidism.  Am J Kidney Dis. 2001;  38 45-50
  • 05 Kroeger PE . J Am Soc Nephrol. 2007;  18 186A (F-PO 0385)
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  • 07 Alborzi P . Patel NA . Peterson C . et al . Paricalcitol reduces albuminuria and inflammation in chronic kidney disease. A randomized double-blind pilot trial.  Hypertension. 2008;  52 249-255
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  • 10 Tan X . Li Y . Liu Y . Paricalcitol attenuates renal interstitial fibrosis in obstructive nephropathy.  J Am Soc Nephrol. 2006;  17 3382-3393
  • 11 Lambers Heerspink HJ . Agarwal R . Coyne DW . et al . The selective vitamin D receptor activator for albuminuria lowering (VITAL) study. Study design and baseline characteristics.  Am J Nephrol. 2009;  30 280-286
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  • 13 Bodyak N . Ayus JC . Achinger S . et al . Activated vitamin D attenuates left ventricular abnormalities induced by dietary sodium in dahl salt-sensitive animals.  Proc Natl Acad Sci USA. 2007;  104 16810-16815

01 Selective VITamin D Receptor Activator (Paricalcitol) for Albuminuria Lowering

02 Paricalcitol Benefits in Renal Disease Induced Cardic Morbidity Study

 
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Abb. 1 Genaktivierungsprofil.

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Abb. 2 Weniger Aorten-Verkalkung unter Therapie mit Paricalcitol als unter Therapie mit Calcitriol. Unbehandelte urämische Tiere (oben links), mit Calcitriol behandelte urämische Tiere (rechts oben), mit 1-alpha-D2 behandelte urämische Tiere (links unten) und mit Paricalcitol behandelte urämische Tiere (rechts unten). nach [12]