Dialyse aktuell 2009; 13(6): 292
DOI: 10.1055/s-0029-1237449
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Histopathologische Diagnostik

Hermann–Josef Gröne
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Publication Date:
30 July 2009 (online)

Die histopathologische Diagnostik wird geprägt von Termini technici, mit denen man die Variabilität der morphologischen Phänomene krankheitsrelevant beschreiben möchte. Der Begriff „fokal” bedeutet „herdförmig” und bezeichnet das bisher ungeklärte Phänomen, dass viele Glomerulonephritiden nicht in allen Glomeruli zu erkennen sind. „Segmental” bezeichnet die Akzentuierung der Phänomene in einem Teil des glomerulären Kapillarkonvolutes. Diesem Begriff gegenüber steht „global” als allgemeine Beteiligung des gesamten Kapillarkonvolutes.

„Nekrose” ist die Beschreibung einer glomerulären Basalmembranruptur und des damit oft einhergehenden Zerfalls von Endothelzellen oder Podozyten, die eine „fibrinoide” Masse bilden. Diese stellt sich lichtmikroskopisch in den gängigen histochemischen Reaktionen fibrinartig dar. Hiervon abzugrenzen ist der „hyaline Thrombus”, der ausschließlich aus Fibrin und Thrombozyten ohne kernhaltige Blutzellen besteht und das wesentliche Substrat bei der thrombotischen Mikroangiopathie der Niere ist. „Fibrose” wird synonym mit „Sklerose” verwendet und bezeichnet einen Ersatz originärer glomerulärer oder tubulointerstitieller Strukturen durch Bindegewebe, das sich aus Kollagenen und vielen kollagenassoziierten Molekülen zusammensetzt. Diese Matrix wird durch Myofibroblasten gebildet, die charakteristische Kerne und Zytoplasmastrukturen aufweisen. Somit kann der dynamische Prozess einer Vernarbung auch histologisch nachvollzogen werden.

Der Begriff „extrakapilläre Proliferation” bezeichnet eine außerhalb der Kapillaren stattfindende Zellvermehrung im Bowman'schen Kapselraum, bestehend aus Epithelzellen, die von parietalen Deckzellen abstammen, und aus Monozyten und Makrophagen sowie einzelnen Granulozyten. Diese Reaktion tritt zumeist im Rahmen einer Nekrose der glomerulären Schlingenkonvolute auf. „Apoptose” ist im Unterschied zur Nekrose ein programmierter Zelltod, der auch lichtmikroskopisch und insbesondere ultrastrukturell von der Nekrose unterschieden werden kann. Kernfragmente mit Zyto–plasmabestandteilen schnüren sich aus der sterbenden Zelle ab, während bei der Nekrose eine völlig ungeordnete Desintegration der Kernstrukturen und der Zytoplasmastrukturen stattfindet.

In letzter Zeit wird durch die Entwicklung neuer mikroskopischer Methoden eine Quantifizierung der akuten und chronischen Schäden im Glomerulum und im Tubulointerstitium angestrebt. So ist das Verhältnis der von einem Nekroseprozess betroffenen bzw. nicht betroffenen Glomerula in einem Biopsat für das Therapieansprechen und die Prognose wichtig. Das quantitative Ausmaß eines chronischen tubulointerstitiellen Schadens lässt eine Voraussage zum Verlauf einer Niereninsuffizienz zu.

Inzwischen ergänzen massenspektrometrische Untersuchungen des Urins und Genexpressionsprofile, die entweder an der Biopsie oder im Urin durchgeführt werden, die morphologischen Verfahren. Diese neuen Methoden sind eine Optimierung der Diagnostik. Sie sind jedoch kein Ersatz für eine Nierenbiopsie, die Informationen zu Strukturen bietet, deren Sekretionsprodukte oder Substrate im Urin nicht erscheinen, wie Gefäßwandanteile, das Interstitium oder Entzündungszellen des Interstitiums.

Wie neuere Studien belegen, hat die Nierenbiopsie eine hohe Aussagekraft für Therapie und Prognose: Sie ist zwar ein Statusbild der Erkrankung des Patienten, sie kann jedoch auch als ein Integral bisher stattgefundener pathophysiologischer Veränderungen („morphologisches Gedächtnis”) angesehen werden. Damit können im Unterschied zu vielen serologischen und klinisch–chemischen Untersuchungen mit kurzer biologischer Halbwertszeit die Prozesse im Zeitraum vor der Diagnostik zumindest approximativ beurteilt werden.

Univ.–Prof. Dr. Hermann–Josef Gröne

Heidelberg

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