Gesundheitswesen 2010; 72(8/09): 455-465
DOI: 10.1055/s-0029-1234121
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Multimorbidität

Relationship Between Health-Related Quality of Life and MultimorbidityJ.-M. Hodek1 , A.-K. Ruhe1 , W. Greiner1
  • 1Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG5-Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
29. September 2009 (online)

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Zusammenfassung

Zielsetzung: Die veränderte Morbiditätssituation westlicher Industrienationen führt zu neuen Anforderungen an die Gesundheitsversorgung. Im Gegensatz zur vollständigen Heilung stehen aufgrund der Zunahme von langjährigen chronischen (Mehrfach-) Erkrankungen zunehmend die Linderung von Beschwerden und damit die Sicherstellung der Lebensqualität im Zentrum der Bemühungen. Ziel dieser Untersuchung ist es, die Assoziation zwischen chronischen Erkrankungen und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität zu analysieren. Es gilt herauszufinden, inwiefern die Anzahl und bestimmte Kombinationen von Erkrankungen mit der gesundheitsbezogene Lebensqualität assoziiert sind.

Methodik: Die Grundlage dieser Übersichtsarbeit bildet eine systematische Literaturrecherche mithilfe von MeSH-Terms in der Medline-Datenbank bzw. Pubmed und weiteren Verlagsdatenbanken. Einschlusskriterien für die Auswahl geeigneter Publikationen fokussieren insbesondere auf die Beziehung zwischen Multimorbidität und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität.

Ergebnisse: Die Ergebnisse der Literaturrecherche zeigen deutlich, dass das Vorhandensein chronischer Erkrankungen negativ mit der gesundheitsbezogene Lebensqualität in Verbindung steht. Die überwiegende Zahl der Studien kommt zu dem Resultat, dass mit steigender Anzahl von Erkrankungen die Lebensqualität sinkt. Die Einschränkungen im Bereich der körperlichen Dimensionen sind dabei im Vergleich zu den psychischen Dimensionen deutlich stärker ausgeprägt. Vor allem Herzkreislauferkrankungen und Erkrankungen des Bewegungsapparates führen zu starken Einbußen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Ebenso spielt die Art der Krankheitskombination eine wichtige Rolle für das Ausmaß der Lebensqualitätsverluste.

Schlussfolgerung: Ein klares Verständnis für die Effekte von Multimorbidität und spezifischen Morbiditätsmustern auf die verschiedenen Dimensionen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität kann dazu beitragen, die Versorgung im Patientensinn zu optimieren. Diese sollte sich nicht nur primär auf einzelne Hauptdiagnosen konzentrieren, sondern das Zusammenspiel der Diagnosen in Hinblick auf das patientenrelevante Outcome „gesundheitsbezogene Lebensqualität” berücksichtigen. Potenzial besteht beispielsweise in der Fokussierung der Anstrengungen auf Schlüsselerkrankungen im Komplex einer multimorbiden Krankheitsausprägung (wie Muskel-Skelett-Erkrankungen). Der Forschungsstand zu den Effekten spezifischer Morbiditätsmuster auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität bedarf dabei jedoch weiterer Untersuchungen vor allem für den deutschen Kontext.

Abstract

Objectives: Changed morbidity patterns in many industrialised countries lead to new requirements concerning the health-care process. In contrast to a complete cure and due to increasing (multiple) chronic conditions with longevity, the alleviation of complaints and thereby securing the health-related quality of life (HRQoL) is coming more and more into the focus of efforts. The objective of this review is to analyse the effects of (multiple) chronic conditions on HRQoL. Another aim is to ascertain to what extent the number and specific combination of conditions have an impact on HRQoL.

Methods: This review is based on a systematic literature search using MeSH terms in Medline/Pubmed and several publisher databases. Inclusion criteria focus particularly on the relationship between multimorbidity and HRQoL.

Results: Findings of the literature search clearly show that existing chronic conditions have a negative impact on HRQoL. Most studies conclude that the quality of life decreases with an increasing number of diseases. In comparison to mental or social dimensions, the inverse relationship between multimorbidity and HRQoL is significantly stronger in physical dimensions. Particularly cardiovascular diseases and musculoskeletal disorders result in severe losses of HRQoL. Furthermore, the HRQoL is reduced by specific disease combinations. Patterns of disease combinations influence the degree of HRQoL loss, as well.

Conclusion: A clear understanding of the impacts of multimorbidity and specific morbidity patterns on the different dimensions of HRQoL can help to optimise the health-care process for the patients benefit. This optimised process should not separate between single diagnoses, but focus on the concurrence of multiple conditions having regard to patient-relevant outcome HRQoL. For example, one potential is to focus efforts on key conditions in the cooccurrence of multiple diseases (like musculoskeletal disorders). The current state of research on specific morbidity patterns and their impacts on HRQoL is limited. Especially for the German-speaking areas further analyses are needed.

Literatur

1 Dieser Definition gegenüber steht die internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Hier wird die mentale Funktion allgemein als die des Gehirns – wie das Bewusstsein oder die psychische Energie – verstanden und umfasst spezifische Funktionen wie die Gedächtnisleistung, kognitiv-sprachliche Fähigkeiten und das Rechenvermögen.

Korrespondenzadresse

J.-M. HodekDipl.-Ök. 

Universität Bielefeld

Fakultät für Gesundheitswissenschaften

AG 5 – Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement

Postfach 10 01 31

33501 Bielefeld

eMail: jan-marc.hodek@uni-bielefeld.de