Aktuelle Urol 2011; 42(4): 257-274
DOI: 10.1055/s-0029-1233511
Operative Techniken

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Supravesikale Harnableitung mit kontinentem Stoma

J. Leißner1 , S. C. Müller2
  • 1Urologische Klinik, Krankenhaus Holweide, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Köln
  • 2Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie, Universitätsklinikum Bonn
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Publication Date:
18 July 2011 (online)

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Indikation

Indikationen

  • Kontinente Harnableitung nach radikaler Zystektomie (alternativ zu Neoblase oder Sigma-Rektum-Pouch),

  • kontinente Harnableitung für Patienten mit neurogenen Blasen- und Sphinkterfunktionsstörungen,

  • kontinente Harnableitung nach irreparabler traumatischer Zerstörung des unteren Harntraktes.

Kontraindikationen

  • Präoperativ bereits bestehender langstreckiger Darmverlust mit ausgeprägtem Kurzdarmsyndrom,

  • schwere entzündliche Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn),

  • ausgeprägte, primär nichtrekonstruierbare Hernien der Bauchwand,

  • eingeschränkte Nierenfunktion: Hierfür lassen sich keine allgemein gültigen Grenzwerte angeben, man kann beispielsweise auch bei terminaler oder präterminaler Niereninsuffizienz in Vorbereitung auf eine Transplantation eine kontinente supravesikale Harnableitung planen. Inwieweit eine reduzierte Nierenfunktion die Anlage einer kontinenten Harnableitung ausschließt, bleibt individuell zu entscheiden (z. B. Wunsch und Compliance des Patienten, Erfahrung des Operateurs).

Differenzialindikation und kritische Wertung

Bei Patienten ohne frühere Bestrahlungstherapie des Bauchraumes sehen die Autoren bei nichtvoroperiertem Darm die Anlage eines Ileozökal-Pouches mit Appendix-Stoma (Mainz-Pouch I) als Standard an [5]. 

Eine Reihe von Patienten hat jedoch eine komplexe und lange Krankheitsgeschichte (Z. n. Radiatio, frühere Darmresektionen, inkontinente Harnableitung). Hier muss individuell die operative Technik den anatomischen Gegebenheiten angepasst werden. Besonders zu berücksichtigen sind Länge und Lokalisation des zu verwendenden Darmes, Zustand des oberen Harntraktes, Länge der Ureteren und Narbenverhältnisse der vorderen Bauchwand. 

Es stehen eine Reihe von operativen Techniken für die 3 Bausteine der kontinenten supravesikalen Harnableitung zur Verfügung: 

  • Darm für die Reservoirfunktion: Ileozökalsegment, Dünndarm, Dickdarm,

  • Ureterimplantation: antirefluxiv, refluxiv, Implantation in nichtdetubularisierte Dünndarmsegmente (Refluxdämpfung),

  • Bildung des efferenten Segmentes: Appendix, Invaginationsnippel, getaperte Dünn- und Dickdarmsegmente, submuköses Darmwand- und Seromuskularisrohr.

Der Operateur muss mit allen Techniken vertraut sein, um notfalls auch intraoperativ das Vorgehen den individuellen Gegebenheiten anpassen zu können. Neben Beherrschung der operativen Technik gehören dazu Kenntnisse um Vor- und Nachteile sowie mögliche Komplikationen der einzelnen Vorgehensweisen. 

Die Inkorporation von bestrahltem Darm oder Harnleiter in die Harnableitung sollte vermieden werden! Bei Erwachsenen zeigt sich auch nach refluxiver Implantation der Ureteren aufgrund des geringen Druckes im Reservoir nur selten ein Reflux. Verbunden mit der deutlich höheren Strukturrate nach antirefluxiver Implantation kann damit auf eine antirefluxive Implantationstechnik verzichtet werden 6. Bei Kindern dagegen ist eine antirefluxive Ureterimplantation notwendig.

Literatur

PD Dr. J. Leißner

Chefarzt der Urologischen Klinik · Krankenhaus Holweide · Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Köln

Neufelder Str. 32

51067 Köln