Psychiatr Prax 2009; 36(4): 198
DOI: 10.1055/s-0029-1222544
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Schematherapie

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Publication Date:
08 May 2009 (online)

 

Es gibt zumindest zwei gute Gründe, sich als Psychiater mit der Schematherapie zu beschäftigen. Zum einen wurde diese Behandlungsform speziell für Patienten mit Persönlichkeitsstörungen entwickelt, eine Klientel, die vorwiegend psychotherapeutischer Behandlung bedarf und in unseren Kliniken und Institutsambulanzen viel häufiger vertreten ist als die leichter zu behandelnden Angststörungen, welche vorwiegend die Domäne der niedergelassenen Psychotherapeuten sind. Zum anderen verdient die Schematherapie deshalb besonderes Interesse, weil sie inzwischen hervorragend untersucht ist. Beispielhaft steht dafür die multizentrische randomisierte kontrollierte Studie über 3 Jahre, die von Giesen-Bloo et al. 2006 in den Archives of General Psychiatry publiziert wurde, finanziert übrigens von den niederländischen Krankenversicherungen. Weitere Publikationen in hochrangigen Journals folgten, nachfolgende Studien werden derzeit an verschiedenen Patientengruppen durchgeführt. Nun liegt ein deutschsprachiges Lehrbuch vor, verfasst vom Leiter des Frankfurter Instituts für Schematherapie, zugleich niedergelassener Nervenarzt und Psychotherapeut mit eigener Praxis. Während man früher gewisse Kenntnisse der griechischen Mythologie haben musste, um ein Buch zu einem psychotherapeutischen Thema zu verstehen, beginnt die Lektüre heute typischerweise mit neuronalen Netzwerken und Neurobiologie. Davon macht die Schematherapie keine Ausnahme, im Gegenteil: Sie ist der Versuch, bisher verfügbares Wissen über Grundlagen und praktische Anwendungen in der Psychotherapie zu integrieren und ordnet sich damit in die sogenannte "dritte Welle" der Verhaltenstherapie ein. Ob es sich tatsächlich um eine einem theoretischen und neurobiologischen Modell folgende Integration oder doch nur um einen ungenierten Eklektizismus handelt - darüber kann man sich vermutlich streiten, am Ende ist es aber vielleicht nicht einmal so wichtig. Der Grundgedanke der Schematherapie ist vergleichsweise einfach: aktuelle Gefühlszustände des Patienten werden deutend kindlichen Erlebenssituationen zugeordnet ("das hilflose Kind"). Die sogenannten Modi bzw. dahinterliegenden Schemata sind ohne großen theoretischen Überbau dem Patienten in einer gemeinsamen Sprache gut zu vermitteln. Darum herum kommen neben allen Mechanismen, die Grawe in seiner allgemeinen Psychotherapie als wirksam herausgearbeitet hat, typische Elemente der kognitiv-behavioralen Therapie, der Tiefenpsychologie und auch z.B. der Gestalttherapie und der Transaktionsanalyse ebenso wie Imaginationsübungen zur Anwendung.

In dem hier vorgelegten Lehrbuch besticht vor allem der praktische Teil, der eine gut verständliche Systematik hat und mit vielen Fallbeispielen unterlegt ist. Der Theorie merkt man an, dass sie erst dabei ist, eigene Begrifflichkeiten und Rahmenkonzepte zu schaffen. Das muss kein großer Nachteil sein. Die Fachwelt hat schließlich lange Erfahrungen mit Psychotherapieschulen, die äußerste elaborierte und in sich konsistente Theoriegebäude errichtet haben, die sich aber in der Praxis als kaum verifizierbar erwiesen haben. Im Vergleich dazu ist bei der Schematherapie schon bemerkenswert viel Empirie und Evidenz zu finden.

Tilman Steinert, Weissenau

Email: tilman.steinert@zfp-zentrum.de

Roediger E. Praxis der Schematherapie. Grundlagen - Anwendung - Perspektiven. Stuttgart: Schattauer, 2008, 304 Seiten, 22 Abb., 15 Tab., Geb. 44,95 €. ISBN 978-3-7945-2621-5

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