Psychiatr Prax 2009; 36(3): 145-146
DOI: 10.1055/s-0029-1220813
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Privatisierung, Holding oder Anstalten öffentlichen Rechts - in Baden-Württemberg ist die Entscheidung gefallen

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Publication Date:
06 April 2009 (online)

 

Überlegungen zum Gesetz zur Errichtung der südwürttembergischen Zentren für Psychiatrie und zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung der Zentren für Psychiatrie vom 3.12.2008 (Landtagsdrucksache 14/3755).

Nachdem die psychiatrischen Landeskrankenhäuser im Zuge der Psychiatriereform seit den 70er-Jahren in ihrem Versorgungsauftrag bundesweit ergänzt wurden durch psychiatrische Abteilungen und kleine Fachkrankenhäuser, hat sich die zunächst stark ideologisch geführte Diskussion um die Zukunft der Landeskrankenhäuser allmählich versachlicht. Die meisten Psychiater sind sich klar darüber, dass beide Versorgungsformen ihren Stellenwert haben und einander gut ergänzen.

In den letzten Jahren war die Diskussion um die Landeskrankenhäuser dann geprägt durch die Überlegung, welche Trägerschaft für diese Kliniken denn ideal sei. Die verschiedenen Bundesländer sind in der Beantwortung dieser Frage sehr unterschiedliche Wege gegangen, vielfach wurde eine Übergabe der Landeskrankenhäuser in private Trägerschaft diskutiert und z.T., wie in Niedersachsen und Schleswig-Holstein, auch realisiert. Für eine abschließende Bewertung der Effekte von Privatisierung in den verschiedenen Bundesländern ist es noch zu früh, hierzu liegen noch nicht ausreichende Daten vor. Die bisherigen Berichte von Kollegen aus den "Privatisierungsländern" sind jedoch eher besorgniserregend [1].

In Baden-Württemberg wurde die Diskussion um die Zukunft der Zentren für Psychiatrie bereits Anfang/Mitte der 90er-Jahre intensiv geführt und flammte dann, unter neuen Vorzeichen, nochmals nach der Jahrtausendwende auf.

Im sogenannten Errichtungsgesetz der Zentren für Psychiatrie wurde zum 1.1.1996 verfügt, die ehemaligen Landeskrankenhäuser in selbstständige Anstalten des öffentlichen Rechts zu überführen und ihnen damit die Möglichkeit zu geben, sich zu modernen Krankenhausunternehmen zu entwickeln. Die Rechtsformänderung hat zu einer umfangreichen Änderung der Strukturen innerhalb der Kliniken und bezüglich ihres Zusammenwirkens mit den regionalen Kooperationspartnern geführt. Die Funktion der Geschäftsführung wurde neu eingeführt, der Einfluss des Sozialministeriums, zumindest in seiner unmittelbaren Form, nahm ab. Die Gewährsträgerschaft liegt jedoch weiterhin beim Land, das über seine Vertreter in den Aufsichtsräten die grundsätzlichen Entscheidungen in den Zentren für Psychiatrie weiterhin bewerten und mittragen muss.

Im Rahmen der Privatisierungswelle im Gesundheitswesen in den letzten Jahren tauchte hier und da der Gedanke einer Privatisierung der Zentren für Psychiatrie erneut auf. Dies wurde über Gutachten geprüft, in vielfältigen Anhörungen bedacht und letztlich eine Privatisierung verworfen. Einen gewissen Schlusspunkt unter die mehrjährige Diskussion setzt das am 3.12.2008 durch den Landtag von Baden-Württemberg angenommene "Gesetz zur Errichtung der Südwürttembergischen Zentren für Psychiatrie und zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung der Zentren für Psychiatrie" [2].

Auf die Fusion der Südwürttembergischen Zentren für Psychiatrie will ich nicht näher eingehen. Die drei bisherigen Zentren für Psychiatrie Bad Schussenried, Zwiefalten und Weissenau werden rechtlich zu einem Zentrum verschmolzen, dies führt den Namen Südwürttembergische Zentren für Psychiatrie mit Sitz in Bad Schussenried. Mit dieser Fusion wurde die in den letzten Jahren durch die gemeinsame Geschäftsführung und Geschäftsleitung bereits durchgeführte enge Kooperation der Zentren durch den Gesetzgeber abgesegnet.

Für mehr Diskussion sorgte die Änderung des Gesetzes zur Errichtung der Zentren für Psychiatrie. Hier wird in Artikel2 der §2 Absatz1-3 folgendermaßen geändert und erhält diese Fassung:

"Das Zentrum für Psychiatrie erfüllt Aufgaben der vollstationären, teilstationären und ambulanten Krankenversorgung in den Fachgebieten Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters und in angrenzenden Fachgebieten. Die Krankenbehandlung umfasst präventive, kurative und rehabilitative Maßnahmen. Das Zentrum für Psychiatrie ist wichtiger Bestandteil der regionalen Versorgungsstrukturen für psychische und psychosomatische Erkrankungen. Es beteiligt sich am Aufbau des gemeindepsychiatrischen Verbundes und des kommunalen Suchthilfenetzwerkes sowie vergleichbarer Verbundsysteme zur Vernetzung von Einrichtungen im Versorgungsbereich. Das Zentrum für Psychiatrie kann weitere Aufgaben übernehmen, sofern sie in einem Zusammenhang mit seinen Aufgaben stehen. Das Zentrum für Psychiatrie erfüllt Aufgaben im Bereich der Pflege von Menschen mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, soweit ein Versorgungszusammenhang mit den Aufgaben nach Absatz 1 besteht. Bei der Aufgabenerfüllung ist die Vielfalt der Träger zu beachten. Das Zentrum für Psychiatrie fördert die Teilhabe von Menschen mit psychischen Erkrankungen und seelischen Behinderungen am gesellschaftlichen Leben und fördert insbesondere deren soziale, berufliche und medizinische Rehabilitation. Zur Erfüllung dieser Aufgaben kann das Zentrum für Psychiatrie stationäre, teilstationäre und ambulante Einrichtungen für behinderte Menschen betreiben und sich an sonstigen Hilfs-, Beratungs- und Versorgungsangeboten für den betroffenen Personenkreis beteiligen. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend."

Die Aufgabe der Zentren wird damit umfassend beschrieben. Vonseiten der Träger der freien Wohlfahrtspflege wurden Sorgen geäußert, dass die Zentren für Psychiatrie nun in alle Tätigkeitsfelder der sozialpsychiatrischen Versorgung, der Pflege und der Rehabilitation eindringen würden. Dies war auch ein wesentlicher Punkt in der Diskussion des Gesetzentwurfes im Landtag. Dem wurde von allen Fraktionen eine Absage erteilt. Es wurde betont, dass lediglich die jetzt schon vorhandene Aufgabenerfüllung, die regional recht unterschiedlich ist, gesetzlich bestätigt wird. So betreiben die Südwürttembergischen Zentren für Psychiatrie neben ihren Akutkliniken auch Angebote des ambulant und stationär betreuten Wohnens für psychisch behinderte Menschen, Werkstätten für behinderte Menschen, sind beteiligt an medizinischen Versorgungszentren, gemeindepsychiatrischen Zentren und Suchttherapiezentren, in enger Kooperation mit anderen regionalen Trägern. Auch im Bereich der psychosomatischen Rehabilitation gibt es kooperative Versorgungsstrukturen unter Einschluss der Zentren für Psychiatrie. In der ersten Beratung des Gesetzes weist die Ministerin für Arbeit und Soziales Dr. Monika Stolz auf Folgendes hin: "Die Zentren fördern die Eingliederung und die Teilhabe psychisch kranker Menschen am gesellschaftlichen Leben. Die Zentren sind auch Kompetenzträger bei der suchtpsychiatrischen Behandlung von Abhängigkeitserkrankten in allen Erscheinungsformen. Die Zentren wirken am Auf- und Ausbau regionaler Versorgungsstrukturen mit. Diese Verbundsysteme, also die gemeindepsychiatrischen Verbünde, die gemeindepsychiatrischen Zentren und die kommunalen Suchthilfenetzwerke leisten eine abgestimmte und bedarfsgerechte Versorgung. Bei einer Novelle wollen wir die gesetzlichen Vorgaben diesem veränderten Versorgungskonzepten anpassen. Es ist wichtig zu sagen, dass diese Anpassung nicht bedeutet - das möchte ich ausdrücklich betonen -, dass im außerklinischen Bereich Doppelstrukturen aufgebaut werden." [3]

Interessant im Zusammenhang mit der Diskussion um die Privatisierung waren die während der beiden Beratungen des Gesetzentwurfes übereinstimmenden Positionen aller Fraktionen zum Thema Privatisierung.

Frau Ministerin Dr. Stolz wies in ihrem Statement in diesem Zusammenhang auf die Finanzierungssituation hin: "gleichzeitig - das ist auch wichtig - schreiben die Zentren schwarze Zahlen. Das ist in der heutigen Zeit auch keine Selbstverständlichkeit."

Dies ist in der Gesamtdiskussion sicher ein entscheidender Fakt. Die Zentren für Psychiatrie sind wirtschaftlich gut aufgestellt, belasten den Landesetat nicht und bieten insofern, außer einem eventuellen einmaligen Verkaufserlös, keinen finanziellen Anreiz für eine Privatisierung. Dies zeigt jedoch auch, dass eine hochqualifizierte psychiatrische Versorgung, trotz teurer Satellitenbildung in den regionalen Krankenhäusern, trotz stark dezentralisierter ambulanter und tagesklinischer Versorgung kostendeckend realisiert werden kann. Die Überschüsse, die ein privater Klinikbetreiber erzielen muss und die dann in der Regel dem Unternehmen entzogen werden, kommen in den Zentren für Psychiatrie direkt wieder der Versorgung zugute.

Die CDU-Landtagsfraktion stellt sich jedenfalls sehr klar hinter die Zentren für Psychiatrie, Zitat des Abgeordneten Dr. Schüle: "Wir wollen sie nicht privatisieren, sondern im Gegenteil auch mithilfe dieses Gesetzesentwurfes dafür sorgen, dass die Zentren für Psychiatrie in ihrer heutigen Form zukunftsfähig bleiben."

Auch der Fraktionsvorsitzende der FDP/DVP-Fraktion, Dr. Noll, stellt klar, dass die FDP weder eine Holdingstruktur noch eine Privatisierung der Zentren für Psychiatrie will.

Die Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag glaubt diese Positionierung der beiden regierenden Parteien CDU und FDP zwar nicht recht, betont aber für die eigene Partei ebenfalls, dass eine Privatisierung der Zentren für sie in keinem Fall in Frage käme. Gleiches ist zu hören von der Abgeordneten Mielich von der Partei der Grünen; Zitat: "Für die Beschäftigten ist es in gewisser Weise auch eine Beruhigung, weil das Thema "Privatisierung und Verkauf der Zentren" vom Tisch ist. Es gibt ja durchaus Regionen in Deutschland - ich nenne einmal Schleswig-Holstein und Niedersachsen -, wo die Entscheidungen ganz andere gewesen sind, wo private Konzerne Eigentümer von psychiatrischen Zentren geworden sind. Ich finde es ausgesprochen gut, dass das in unserem Fall nicht passiert ist."

Alle Zitate stammen aus der ersten Beratung des Gesetzentwurfs in der 53.Sitzung des Landtags vom 5.11.2008 [3].

Insgesamt ist festzuhalten, dass die Struktur der Klinikversorgung psychisch Kranker in Baden-Württemberg für die nächsten Jahre stabilisiert ist und die Fortentwicklung der gemeindepsychiatrischen Strukturen für alle Diagnose- und Patientengruppen in der bisherigen Form weiterentwickelt werden kann. Die intensive Beteiligung der Zentren wie auch der psychiatrischen Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern und der wenigen privaten/konfessionellen Kliniken an diesem Prozess kann in der bewährten Weise fortgesetzt werden. Vielleicht kann ja die in manchen Bundesländern noch virulente Privatisierungsdiskussion durch die übereinstimmende Einschätzung der baden-württembergischen Parteien beeinflusst werden.

Gerhard Längle, Zwiefalten

Email: gerhard.laengle@zfp-zwiefalten.de

Literatur

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