Gesundheitswesen 2009; 71(12): 832-838
DOI: 10.1055/s-0029-1215560
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hausarztzentrierte Versorgung – internationale Daten und aktuelle Entwicklungen in Deutschland mit Fokus auf Baden-Württemberg

GP (General Practitioners)-Centered Care – International Data and Recent Development in Germany with Focus on Baden-WürttembergD. Moßhammer 1 , 2 , D. Gröber-Grätz 1 , 3 , R. Bölter 1 , 4 , S. Joos 1 , 4
  • 1Arbeitsgruppe Koordinierung der Versorgung, Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin Baden-Württemberg
  • 2Lehrbereich Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen
  • 3Institut für Allgemeinmedizin, Universität Ulm, Ulm
  • 4Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
16. Juni 2009 (online)

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Zusammenfassung

Einleitung: Seit der Gesundheitsstrukturreform 1993 gibt es in Deutschland Bestrebungen, eine hausarztzentrierte Versorgung (HZV), welche durch die Lotsenfunktion von Hausärzten charakterisiert ist (Gatekeeping), einzuführen. Mit der neuesten Gesetzesänderung werden nun alle gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, bis zum 30.06.2009 ihren Versicherten eine HZV anzubieten. Ziel der vorliegenden Studie ist es, den Forschungsstand national und international zum Themengebiet HZV aufzuarbeiten sowie den aktuellen Entwicklungsstand zur HZV-Vertragslandschaft in Deutschland am Beispiel Baden-Württembergs zu beleuchten.

Methodik: Anhand einer selektiven Literaturrecherche werden bisherige nationale und internationale Daten über hausarztzentrierte Versorgungsmodelle zusammengetragen. Informationen zu HZV-Verträgen in Baden-Württemberg werden über Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigung und Internetrecherchen eingeholt.

Ergebnisse: Die meisten Untersuchungen zu Effekten von HZV liegen aus dem US-amerikanischen Raum vor, während Daten aus Deutschland bisher spärlich sind. Die Effekte von HZV werden in den vorliegenden Forschungsarbeiten anhand verschiedener Zielkriterien (z. B. Arzt-Patient-Beziehung, Behandlungsqualität, Anzahl Arztkontakte, Anzahl Krankenhauseinweisun-gen, Kosten, Arzneimittelverschreibungsverhalten) bewertet. Die beobachteten Effekte hinsichtlich der einzelnen Zielkriterien sind größtenteils widersprüchlich und ergeben kein einheitliches Bild. Erste Auswertungen aus HZV-Modellregionen in Deutschland zeigen eine hohe Zufriedenheit der Versicherten im HZV-Modell. Bezüglich der Überweisungen zeigt sich ein Anstieg des Anteils von Konsultationen beim Facharzt mit Überweisung bei gleich bleibender Gesamtzahl von Facharztkonsultationen im ersten Interventionsjahr. Die bisher in Baden-Württemberg abgeschlossenen HZV-Verträge basierten auf verschiedenen gesetzlichen Grundlagen mit teilweise beträchtlichem Unterschied hinsichtlich der Konditionen für die beteiligten Ärzte und Patienten.

Diskussion: Auf Grundlage des aktuellen Forschungsstandes können die Effekte von HZV nicht abschließend beurteilt werden. Eine begleitende wissenschaftliche Evaluation in Deutschland laufender bzw. zukünftiger HZV-Modelle ist dringend geboten, um die Umstrukturierung im primärärztlichen Bereich und die weitere Ausgestaltung der HZV-Verträge auf eine solide und rationale Basis zu stellen.

Abstract

Background: Since the health-care reform in 1993, there are ambitious efforts of introducing gatekeeping in Germanys’ primary health-care system. Gatekeeping is said to reduce costs and improve health-care quality. The aim of this article is to summarise the actual literature and the newest progression of gatekeeping for the example of Baden-Württemberg.

Methods: By means of a selective literature search, national and international data on gatekeeping are summarised.

Results: Most available data on gatekeeping are from US-American studies whereas data from Germany are rare so far. The effects of gatekeeping are defined by means of various outcome measures (e.g., physician-patient relationship, health-care quality, visits, referrals, costs, prescribing behaviour). The observed effects in terms of these outcome measures are not uniform and are contradictory to a great extent. Newest data from GP (general practitioners)-centred care model regions in Germany indicate a high satisfaction among these patients. Furthermore, an increase of consultations at specialists with referrals from the gatekeepers could be observed whilst the overall number of referrals to specialists remained equal so far. Baden-Württemberg's first generation contracts for GP-centred care were based on different legal paragraphs resulting in partially considerable differences in terms of the conditions for physicians and patients.

Discussion: On the basis of the available data, the effects of gatekeeping cannot conclusively be determined. In Germany, scientific evaluation of the different gatekeeping models and publication of their results are absolutely necessary to assess the expected cost saving and quality improving effects of gatekeeping.

Literatur

Korrespondenzadresse

Dr. med. D. MoßhammerMPH 

Lehrbereich Allgemeinmedizin

Universität Tübingen

Keplerstraße 15

72074 Tübingen

eMail: dirk.mosshammer@uni-tuebingen.de