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DOI: 10.1055/s-0029-1214587
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Kongenitale melanozytäre Nävi – eine „Internet-Erkrankung”
Congenital Melanocytic Nevi in the Internet AgePriv.-Doz. Dr. med. Sven Krengel
Dermatologische Gemeinschaftspraxis
Moislinger Allee 95
23558 Lübeck
Email: Sven.Krengel@uk-sh.de
Publication History
Publication Date:
29 May 2009 (online)
- Zusammenfassung
- Abstract
- Grundlagen
- Pathogenese und Klassifikation
- Melanomrisiko
- Neurokutane Melanozytose
- Beratung und Therapieempfehlungen
- Schlussfolgerungen
- Literatur
Zusammenfassung
Der kongenitale melanozytäre Nävus (KMN) ist ein Krankheitsbild, über das viel Neues zu vermelden ist. So kamen erst in den letzten Jahren längst etablierte Dogmen ins Wanken, wie z. B. dass es sich bei KMN um beinahe obligate Präkanzerosen handele. Auch die mit größeren KMN gelegentlich einhergehende ZNS-Beteiligung (neurokutane Melanozytose) wird in vielen Lehrbüchern noch fälschlich als eine Erkrankung mit zumeist infauster Prognose behandelt. Eine differenziertere Betrachtung wäre wünschenswert, hierzu erforderliche wissenschaftliche Untersuchungen sind jedoch ganz wesentlich von der untersuchten Fallzahl abhängig. Daher haben für die relativ seltene Entität (größerer) KMN systematische Literaturanalysen einen hohen Stellenwert. Von wichtiger praktischer Bedeutung ist eine verbesserte Kommunikationsstruktur zwischen Betroffenen und Ärzten unter- und miteinander, wie sie sich über internetbasierte Informationsseiten und Selbsthilfegruppen entwickelt hat. Zu den in diesem Artikel zu besprechenden Neubewertungen der Situation von Patienten mit KMN hat der verbesserte Informationsaustausch über das Internet daher ganz wesentlich beigetragen
#Abstract
In the last years, several new aspects have changed the image of congenital melanocytic nevi (CMN). This especially applies to the melanoma risk, which in the past was regarded as a general feature of CMN, regardless of their size. Another example of a paradigm shift is neurocutaneous melanocytosis (large CMN with CNS involvement), which was formerly thought to follow a fatal course in the majority of cases. Progress in the field of rare diseases depends on a synopsis of a considerable number of cases. Systematic literature analyses are needed to reveal inevitable biases produced by smaller case series. Moreover, new communicative structures, most importantly internet-based organizations, play a central role by linking patients and doctors together. The internet has therefore importantly contributed to the new perspectives on CMN which will be discussed below.
#Grundlagen
KMN sind angeborene Pigmentmale. Sie können von der Größe weniger Millimeter bis zu einer flächenhaften Ausdehnung über größere Hautpartien reichen ([Abb. 1]). Die Inzidenz ist stark von der Größe abhängig und liegt zwischen 1 : 100 (kleine KMN) und 1 : 500 000 Geburten (Riesen-KMN) [1]. Das Erscheinungsbild kleinerer KMN kann dem normaler „Leberflecken” (erworbener melanozytärer Nävi) ähneln. Besonders die größeren kongenitalen Nävi zeigen aber häufig eine unregelmäßige Verdickung der betroffenen Haut, eine gröbere (Terminal-)Behaarung („Tierfellnävus”) sowie teilweise ungleichmäßige Farbabstufungen. Dem klinischen Bild und der Lokalisation entsprechend unterliegt auch die von den Patienten bzw. ihren Eltern empfundene Beeinträchtigung einer großen Spannweite. Kleinere oder mittelgroße KMN, die nicht im Gesicht lokalisiert sind, werden häufig (zumindest bis zur Pubertät) nicht als störend empfunden. Größere oder auffälligere Nävi dagegen können schon im Kindergartenalter zu ausgeprägten Problemen führen, da die Mitmenschen das andersartige Erscheinungsbild nicht einordnen können. Neugierige Blicke, besorgte Kommentare und Hänseleien machen den Kindern und ihren Eltern das Leben schwer.


Abb. 1 Neugeborenes Mädchen mit Riesen-KMN und zahlreichen Satellitennävi; kernspintomografisch kein Anhalt für neurokutane Beteiligung.
Pathogenese und Klassifikation
Pathogenetisch handelt es sich bei KMN nicht um eine einheitliche Erkrankung. Ein kongenitales Pigmentmal, d. h. eine lokalisierte, „nävoide” Vermehrung von Pigmentzellen in der Haut, entsteht durch eine fehlerhafte Verteilung, Proliferation bzw. Differenzierung einer Gruppe von Vorläuferzellen im Laufe der intrauterinen Entwicklung [2]. Diese Fehlentwicklung, der vermutlich postzygotische, „somatische” Mutationen unterschiedlicher Gene zugrundeliegen, kann sich zu einem frühen Zeitpunkt ereignen, nämlich im Stadium der embryonalen Neuralleiste. Vorausgesetzt, der Embryo ist lebensfähig, entsteht daraus ein besonders großer KMN mit vielen begleitenden kleineren Nävi, sog. Satellitennävi. Wenn die Störung dagegen erst nach Auswanderung der melanozytären Vorläuferzellen aus der Neuralleiste auftritt, resultiert ein kleinerer oder mittelgroßer KMN mit nur wenigen oder gar keinen Satelliten. Es ist für das Verständnis der klinischen Besonderheiten wichtig, diese Unterschiede im Blick zu behalten. Die gängigste und weiterhin durchaus sinnvolle Klassifikation unterscheidet KMN nach ihrer Größe (maximaler Durchmesser, der für das Erwachsenenalter zu erwarten ist) [3] [4] ([Abb. 2]). Entscheidend für die Risikostratifizierung in Bezug auf Melanomrisiko und neurokutane Melanozytose ist neben der Größe jedoch insbesondere die Präsenz (multipler) Satellitennävi als Marker für eine frühe Störung im Stadium der Neuralleiste. Über 90 % der KMN-Patienten, die ein Melanom entwickelten, hatten multiple Satellitennävi [5]. Gleiches gilt für extrakutane Manifestationen: In einer Studie an 365 Patienten mit KMN > 20 cm Durchmesser betrug die Zahl der Satellitennävi im Median 68 für Patienten mit neurokutaner Melanozytose (n = 26) versus 18 für die Patienten ohne neurokutane Beteiligung [6]. Neben der herkömmlichen Klassifikation nach Nävusgröße ist daher in prognostischer Hinsicht eine Einteilung in KMN mit multiplen Satellitennävi (pathogenetisch ursächliche Störung ereignet sich im Stadium der Neuralleiste; „Supernova-Typ”) und in KMN ohne bzw. mit wenigen Satellitennävi sinnvoll (pathogenetisch ursächliche Störung ereignet sich erst nach Auswanderung aus der Neuralleiste).


Abb. 2 Gegenüberstellung der herkömmlichen Klassifikation kongenitaler melanozytärer Nävi nach Kopf et al. [3] und der von Ruiz-Maldonado [4] vorgeschlagenen neuen Klassifikation.Das Vorliegen von mehr als 50 Satellitennävi führt zur Einordnung in die nächst höhere Kategorie.
Melanomrisiko
Die Entstehung eines Melanoms stellt eine relativ seltene, aber gefürchtete Komplikation eines KMN dar. Dabei kann das Melanom sowohl, wie bei erworbenen „Leberflecken”, im oberflächlich sichtbaren Anteil des Nävus entstehen und zeigt dann die bekannten klinischen Charakteristika kutaner Melanome (typische Morphologie; Entstehung i. d. R. erst ab frühem Erwachsenenalter). Bei größeren KMN geht ein Melanom jedoch gar nicht selten von melanozytären Zellen in tieferen Gewebsschichten aus, insbesondere im Bereich von Dermis, Subkutis, Faszien und Muskulatur. Ein solches Melanom ist klinisch erst ab einer gewissen Größe durch die Vorwölbung der Haut zu erkennen und daher besonders gefährlich. Außerdem können Melanome in großen KMN bereits im Kindesalter entstehen. Daneben gibt es bei Kindern mit großen KMN jedoch gelegentlich auch gutartige, so genannte „proliferative Knoten”, die klinisch und histologisch ein Melanom imitieren können. Diese werden häufig unter Melanomverdacht exzidiert. Um eine Abwägung zwischen „Melanom auf KMN” und „Proliferativem Knoten auf KMN” zu ermöglichen, ist es wichtig, den beurteilenden Pathologen mit der klinischen Differenzialdiagnose zu konfrontieren.
Die Häufigkeit, mit der bei Patienten mit KMN ein Melanom entsteht, schwankt in der Literatur zwischen 0,05 % und über 30 %. Dabei sind nicht alle Studien nach epidemiologischen Gesichtspunkten stichhaltig. In einer 2006 publizierten systematischen Übersichtsarbeit konnte der Autor dieses Artikels 14 aussagekräftige Studien identifizieren [7]. Die Analyse zeigte, dass die angegebene Entartungsfrequenz bei kleineren Studien signifikant größer war und mit steigender Patientenzahl abnahm. Dies kann mit einer „Interessantheitsauslese” zugunsten maligner Fälle erklärt werden. Die Analyse bestätigte, dass das Melanomrisiko bei KMN mit einem Durchmesser von > 40 cm erhöht ist und dass die Melanome im Gegensatz zu „normalen” Melanomen sehr häufig im Kindesalter auftraten (medianes Alter bei Diagnosestellung = 7 Jahre). Wegen der unterschiedlich langen Beobachtungszeiträume der ausgewerteten Studien ist eine pauschale Risikoangabe nicht möglich, es kann aber für KMN > 40 cm von einem (Lebenszeit-)Risiko von unter 10 %, eher 3 – 5 %, ausgegangen werden. Für kleinere und mittelgroße KMN lässt sich dagegen ein erhöhtes Entartungsrisiko epidemiologisch nicht mit hinreichender Sicherheit belegen. Aufgrund der gegenüber normaler Haut stark erhöhten Melanozytendichte kann ein stochastisch höheres Risiko jedoch nicht ausgeschlossen werden, sodass auch KMN mit einer Größe unter 20 cm sorgfältig kontrolliert werden sollten.
#Neurokutane Melanozytose
Bei embryonalen Mutationen im Stadium der Neuralleiste kann es nicht nur zu großen KMN mit zahlreichen Satelliten kommen, sondern in einigen Fällen auch zur Aussaat melanozytärer Zellen ins ZNS. Es finden sich dann kernspintomografisch dichteverstärkte Regionen insbesondere im Bereich der weichen Hirnhäute des Gehirns und Rückenmarks. Wie bei den kutanen Nävi können auch hier das Ausmaß und die Lokalisation der Pigmentzellvermehrung stark schwanken. Dementsprechend reicht auch die Spannweite des klinischen Bildes von vollständig unauffälligen Befunden bis zu schweren neurologischen Störungen. Falls Symptome auftreten, beginnen sie häufig innerhalb der ersten zwei Lebensjahre. Am häufigsten äußert sich eine neurokutane Melanozytose durch Zeichen erhöhten Hirndrucks infolge von Störungen der Liquorzirkulation sowie durch Krampfanfälle und Entwicklungsverzögerungen. Eine seltenere Komplikation ist die Entstehung eines ZNS-Melanoms. Während eine neurokutane Melanozytose früher als Krankheitsbild mit einer meist infausten Prognose galt, wissen wir heute, dass es zum einen vielfach kernspintomografisch positive, aber klinisch asymptomatische Verläufe gibt und dass zum anderen die auftretenden Komplikationen, insbesondere Hydrozephalus und Krampfanfälle, in vielen Fällen operativ bzw. medikamentös beherrschbar sind [8].
#Beratung und Therapieempfehlungen
Der erste ärztliche Kontakt der Eltern eines betroffenen Kindes direkt nach der Geburt besteht naturgemäß zu Gynäkologen und Pädiatern. Da es sich um einen seltenen Geburtsfehler handelt, ist bei Pflegern und Ärzten meist nur wenig über das Krankheitsbild und seine Prognose bekannt. Auch konsultierte Dermatologen können oft zunächst wenig mehr beitragen als die reflexartigen Assoziationen „KMN – Melanomvorläufer” oder „Frühe Dermabrasion, bevor es zur Abtropfung kommt”. Dies führt zu einer großen Verunsicherung, die eine starke Belastung für die Familie darstellt und nicht selten übereilte Therapieentscheidungen zur Folge hat. Eine der vordringlichen Aufgaben ist es daher, rasch verfügbare und wissenschaftlich valide Informationen für Patienten, Eltern und Ärzte über das Internet zu ermöglichen. Mit dieser Zielsetzung wurde das deutschsprachige Nävus-Netzwerk (www.naevus-netzwerk.de, [Abb. 3]) aus der Lübecker Universitäts-Hautklinik heraus 2005 ins Leben gerufen [9]. Auf der Homepage des deutschen Nävus-Netzwerks finden sich detaillierte Informationen zur Erkrankung und Therapiemöglichkeiten sowie Kontaktadressen und ein Register zur Selbstregistrierung mittels eines Fragebogens. Ähnliche, zumeist von Patientenorganisationen angebotene Informationsseiten gab es bis dahin bereits in einigen anderen Ländern, insbesondere den USA und Frankreich (www.nevusnetwork.org, www.naevus2000franceeurope.org). Hervorzuheben ist die US-amerikanische Organisation „Nevus Outreach Inc.” (www.nevus.org), der es mit bewundernswerter Initiative gelungen ist, innerhalb von 12 Jahren ganz neue Strukturen der Zusammenarbeit von Patienten, Eltern, Ärzten und Wissenschaftlern zum Wohle der Betroffenen zu etablieren. Diese Bemühungen finden ihren Ausdruck und Höhepunkt in der alle zwei Jahre stattfindenden „Nevus Conference”, bei der zuletzt im Juli 2008 in Dallas über 100 Kinder und Erwachsene mit Riesen-KMN und ihre Familien mit spezialisierten, internationalen Medizinern und Forschern zusammenkamen. Dabei wurden in Einzelgesprächen, psychologischen Gruppensitzungen und wissenschaftlichen Vorträgen alle Facetten der Problematik erörtert und zugleich in Sitzungen der „Nevus Science Group” konkrete Zukunftsperspektiven (z. B. internationales Nävusregister, Forschungsförderung, Gewebebank u. a.) vorangetrieben ([Abb. 4]).


Abb. 3 Homepage des Nävus-Netzwerks.


Abb. 4 Nevus Conference, Dallas 2008. An der Konferenz nahmen über 100 Patienten mit Familien sowie zahlreiche spezialisierte Ärzte und Wissenschaftler teil.
Entscheidend für eine hilfreiche Beratung der Eltern neugeborener Kinder mit KMN ist die klare Trennung von kosmetischer und medizinischer (= melanomprotektiver) Therapieindikation. Beide Probleme können für die betroffenen Familien einen hohen Stellenwert besitzen, wobei große individuelle Unterschiede bestehen. Manche Eltern neigen dazu, auch angesichts eines niedrigen Melanomrisikos aus Sorge vor Entartung unbedingt eine Exzision anzustreben, andere dagegen vertreten den Standpunkt: „Ich liebe mein Kind so wie es ist” und möchten ihm aufwendige Operationen ersparen, solange das Melanomrisiko überschaubar erscheint. Zunächst sollte daher mit den Eltern von Kindern mit Riesen-KMN das Risiko der Melanomentstehung besprochen werden, das nach jetzigem Kenntnisstand bei KMN mit einer Endgröße von 40 cm Durchmesser auf ca. 3 – 5 % beziffert werden kann. Bei Präsenz multipler Satellitennävi sollte ferner eine kernspintomografische Untersuchung zum Ausschluss einer ZNS-Beteiligung möglichst innerhalb des ersten Lebenshalbjahres durchgeführt werden.
Auf dieser Grundlage können dann Therapieoptionen diskutiert werden. Bei der Entscheidung für eine Operation spielt auch die Erwägung eine Rolle, dass Träger kongenitaler Nävi häufig Narben wesentlich eher akzeptieren können als ihren Nävus. Dem Betroffenen erspart eine Narbe soziale Probleme, da Narben von den Mitmenschen besser eingeordnet werden können als ein großer Nävus. Dagegen kann jedoch auch die Alternative des Verzichtes auf jegliche (Teil-)Entfernung eine begründbare Entscheidung der Eltern darstellen, sofern sorgfältige klinische Kontrollen gewährleistet sind.
Während früher häufig mit größeren operativen Eingriffen bis ins Kindes- oder sogar Jugendalter abgewartet wurde, setzt sich im Rahmen einer offenen, interdisziplinären Diskussion in Fachkreisen (siehe z. B. www.denkmal-muttermal.ch) mehr und mehr die Auffassung durch, dass bei größeren KMN sowohl für die Dermabrasion als auch für die Exzisionsverfahren ein früher Beginn des therapeutischen Planungs- und Handlungsablaufs sinnvoll erscheint.
Eine Dermabrasion sollte aufgrund des deutlich besseren, narbenarmen Heilungsablaufs innerhalb der ersten zwei Lebensmonate durch ein mit dieser Methode erfahrenes Zentrum durchgeführt werden. Insbesondere bei Gesichtsnävi lassen sich z. T. gute kosmetische Resultate erzielen. Da Nävuszellen schon von Beginn an in allen Schichten der Dermis zu finden sind, ist die herkömmliche Begründung für die Wahl eines frühen Zeitpunktes („Abtropfung”) überholt. Nachteile der Dermabrasion stellen die häufig nach einigen Jahren auftretende Repigmentierung sowie die zur Tiefe unvollständige Entfernung dar, die keinen vollständigen Schutz vor Melanomentstehung gewährleistet.
Unter den Exzisionsverfahren sind in erster Linie die serielle Exzision und Nahlappenplastiken zu erwähnen. Auch bei größeren KMN kann bei günstiger Lokalisation das einfachere Verfahren der seriellen Exzision erfolgversprechend sein. Der erste Eingriff kann dann im Alter von 6 bis 9 Lebensmonaten erfolgen. Auch und gerade für die technisch aufwendigeren Nahlappenplastiken von Riesen-KMN ist in den meisten Fällen ein frühzeitiger Beginn der Operationen ratsam, nicht nur wegen des bereits im ersten Lebensjahrzehnt höheren Melanomrisikos. Frühe bis sehr frühe Operationen (Beginn im ersten Lebensjahr) bieten insbesondere die Vorteile, dass der Nävus noch kleiner, die Elastizität und Verschieblichkeit der Haut größer und die Narbenbildung besonders günstig ist. Zu einem frühen Zeitpunkt kann daher meist ein wesentlich größerer Nävusanteil in einer Sitzung entfernt werden als später.
Dies gilt übrigens genauso für mittelgroße kongenitale Nävi. Hier ist zwar die Melanomgefahr deutlich geringer, jedoch kann auch hier eine frühzeitige Intervention aus o. g. Gründen indiziert sein, selbst wenn sie in Vollnarkose vorgenommen werden muss. Zum einen erinnern sich die Kinder später nicht mehr an den Eingriff. Zum anderen lassen sich durch eine frühzeitige Entfernung von kongenitalen Nävi an leicht sichtbaren Lokalisationen auch Probleme wie z. B. Hänseleien im Kindergarten und in der Grundschule umgehen.
Für alle operativen Verfahren gilt, dass bei großen oder anatomisch problematischen kongenitalen Nävi unter Umständen mehrfache Eingriffe in gewissen Zeitabständen (ca. 3 Monate) erfolgen müssen. Den Eltern von Kindern mit Riesennävi sollte daher möglichst kurz nach der Geburt der Kontakt mit einem spezialisierten Zentrum vermittelt werden, in dem das gesamte Spektrum der operativen Verfahren und die entsprechende Erfahrung zur Verfügung steht.
#Schlussfolgerungen
KMN gehören zu den Erkrankungen, an denen aufgrund relativ kleiner Fallzahlen nur wenig öffentliches bzw. gar ökonomisches Interesse besteht (sog. „orphan diseases”). Für diese Erkrankungen sind vernetzte Kommunikationsstrukturen, wie sie über das Internet neuerdings fast weltweit zur Verfügung stehen, von großer Bedeutung. Bis vor wenigen Jahren fühlten sich Träger größerer Nävi als Einzelfälle, während heute durch eine einfache Recherche am Heimcomputer ein erheblicher Wissensgewinn und sogar die Kontaktaufnahme mit anderen Betroffenen möglich sind. Am Beispiel kongenitaler Nävi lässt sich auch besonders gut zeigen, dass eine Zusammenführung und systematische Analyse größerer Fallzahlen zu überraschenden neuen Einsichten und durchaus zu konkreten Veränderungen bei der medizinischen Beratung und Versorgung beitragen kann. Patienten mit KMN bzw. ihre Eltern fühlten sich früher häufig einseitig zugunsten einer bestimmten Therapieform gedrängt, während sie sich heute viel differenzierter über Fragen wie Melanomrisiko und Therapieoptionen informieren können. Das Internet bietet bei allen Gefahren bezüglich Fehl- bzw. oberflächlichen Halbinformationen sowohl für Patienten als auch für Ärzte und Wissenschaftler überwiegend Chancen, die bereits vielerorts phantasievoll genutzt werden.
#Literatur
- 1 Castilla E E, da Graca Dutra M, Orioli-Parreiras I M. Epidemiology of congenital pigmented naevi: I. Incidence rates and relative frequencies. Br J Dermatol. 1981; 104 307-315
- 2 Krengel S. Nevogenesis – new thoughts regarding a classical problem. Am J Dermatopathol. 2005; 27 456-465
- 3 Kopf A W, Bart R S, Hennessey P. Congenital nevocytic nevi and malignant melanomas. J Am Acad Dermatol. 1979; 1 123-130
- 4 Ruiz-Maldonado R. Measuring congenital melanocytic nevi. Pediatr Dermatol. 2004; 21 178-179
- 5 DeDavid M, Orlow S J, Provost N, Marghoob A A, Rao B K, Huang C L, Wasti Q, Kopf A W, Bart R S. A study of large congenital melanocytic nevi and associated malignant melanomas: review of cases in the New York University Registry and the world literature. J Am Acad Dermatol. 1997; 36 409-416
- 6 Marghoob A, Dusza S, Oliveria S, Halpern A. Number of satellite nevi as a correlate for neurocutaneous melanocytosis in patients with large congenital melanocytic nevi. Arch Dermatol. 2004; 140 171-175
- 7 Krengel S, Hauschild A, Schäfer T. Melanoma risk in congenital melanocytic naevi – a systematic review. Br J Dermatol. 2006; 155 1-8
- 8 Kinsler V A, Chong W K, Aylett S E, Atherton D J. Complications of congenital melanocytic naevi in children: analysis of 16 years' experience and clinical practice. Br J Dermatol. 2008; 159 907-914
- 9 Krengel S, Breuninger H, Hauschild A, Höger P, Merl V, Hamm H. Aufbau eines deutschsprachigen Netzwerks für Patienten mit kongenitalen melanozytären Nävi. J Dtsch Dermatol Ges. 2008; 6 204-208
Priv.-Doz. Dr. med. Sven Krengel
Dermatologische Gemeinschaftspraxis
Moislinger Allee 95
23558 Lübeck
Email: Sven.Krengel@uk-sh.de
Literatur
- 1 Castilla E E, da Graca Dutra M, Orioli-Parreiras I M. Epidemiology of congenital pigmented naevi: I. Incidence rates and relative frequencies. Br J Dermatol. 1981; 104 307-315
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- 5 DeDavid M, Orlow S J, Provost N, Marghoob A A, Rao B K, Huang C L, Wasti Q, Kopf A W, Bart R S. A study of large congenital melanocytic nevi and associated malignant melanomas: review of cases in the New York University Registry and the world literature. J Am Acad Dermatol. 1997; 36 409-416
- 6 Marghoob A, Dusza S, Oliveria S, Halpern A. Number of satellite nevi as a correlate for neurocutaneous melanocytosis in patients with large congenital melanocytic nevi. Arch Dermatol. 2004; 140 171-175
- 7 Krengel S, Hauschild A, Schäfer T. Melanoma risk in congenital melanocytic naevi – a systematic review. Br J Dermatol. 2006; 155 1-8
- 8 Kinsler V A, Chong W K, Aylett S E, Atherton D J. Complications of congenital melanocytic naevi in children: analysis of 16 years' experience and clinical practice. Br J Dermatol. 2008; 159 907-914
- 9 Krengel S, Breuninger H, Hauschild A, Höger P, Merl V, Hamm H. Aufbau eines deutschsprachigen Netzwerks für Patienten mit kongenitalen melanozytären Nävi. J Dtsch Dermatol Ges. 2008; 6 204-208
Priv.-Doz. Dr. med. Sven Krengel
Dermatologische Gemeinschaftspraxis
Moislinger Allee 95
23558 Lübeck
Email: Sven.Krengel@uk-sh.de


Abb. 1 Neugeborenes Mädchen mit Riesen-KMN und zahlreichen Satellitennävi; kernspintomografisch kein Anhalt für neurokutane Beteiligung.


Abb. 2 Gegenüberstellung der herkömmlichen Klassifikation kongenitaler melanozytärer Nävi nach Kopf et al. [3] und der von Ruiz-Maldonado [4] vorgeschlagenen neuen Klassifikation.Das Vorliegen von mehr als 50 Satellitennävi führt zur Einordnung in die nächst höhere Kategorie.


Abb. 3 Homepage des Nävus-Netzwerks.


Abb. 4 Nevus Conference, Dallas 2008. An der Konferenz nahmen über 100 Patienten mit Familien sowie zahlreiche spezialisierte Ärzte und Wissenschaftler teil.