Notfall & Hausarztmedizin 2009; 35(2): 59
DOI: 10.1055/s-0029-1213737
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Altersgrenzen bei Vertragsärzten – Wie denn nun?

Ulrich Rendenbach, Julian Rendenbach
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Publication Date:
24 February 2009 (online)

Hausarzt Termölen wird 68 Jahre in diesen Tagen. Er ist gesund und hat seine Arbeit immer geliebt. Jetzt will er seine Praxis renovieren und einen modernen PC anschaffen. In seiner Hausbank erfährt er aber eine derbe Abfuhr als er um einen größeren Kredit nachsucht. Er sei 68 Jahre, sodass er nach geltendem Recht seine Zulassung verliere – und damit könne er den Kredit nicht tilgen. Im § 95 Abs. 7 S. 7 SGB V stehe geschrieben „Im Übrigen endet ab 1. Januar 1999 die Zulassung am Ende des Kalendervierteljahres, in dem der Vertragsarzt sein achtundsechzigstes Lebensjahr vollendet“ (Stand: 16.03.2005).

Frustriert begann Dr. Termölen die Sachlage zu klären. Von seiner KV erfuhr er: 1993 wurde mit dem Gesundheitsstrukturgesetz im § 95 SGB V die Altersgrenze verankert, nach der Vertragsärzte nur bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres GKV-Patienten behandeln dürfen. Nun droht aber in manchen Gebieten sogar akut ein Ärztemangel. Durch den hohen Anteil an Ärzten über 50 Jahre wird sich diese Situation noch verschärfen. Gäbe es keine Altersgrenze, wären 23  % der Ärzte im Jahr 2012 über 67 Jahre alt. Noch 2004 hält die Bundesregierung die Altersgrenze für notwendig.

Ein befreundeter Anwalt konnte ein aktuelles Urteil zitieren, in dem das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 2167/93) allgemein auf Altersgrenzen verweist: „(...) Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit auch heute noch mit zunehmendem Alter größer wird. (...).“ Die Bundesregierung habe, so der Anwalt, lapidar geantwortet: „Insofern stellt sich die Frage, ob die Regelung des § 95 Abs. 7 SGB V auch mit anderer Begründung (Gefährdung der medizinischen Leistungsqualität durch im hohen Alter praktizierende Ärzte) legitimiert werden kann, nicht“ (Drucksache 15/2324).

Ja, und wie steht es mit der Beschränkung der Niederlassung ab 55 Jahren, wollte Dr. Termölen wissen. Nun, antwortete der Anwalt, das wurde wohl einfach „vergessen“. Es gebe den Leitsatz des Bundesverfassungsgerichts zum Beschluss des Ersten Senats vom 20. März 2001 (1 BvR 491/96): „Es ist mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar, dass approbierte Ärzte, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, grundsätzlich nicht mehr zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden.“

Und heute? Termölen wandte sich an das Deutsche Ärzteblatt: „Im Einzelfall und auf Antrag fördert der Landesausschuss die Tätigkeit von Hausärzten, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, mit maximal 1500 Euro pro Quartal. Nähere Auskünfte erteilt die KV.“ Dort erfuhr Dr. Termölen, was künftig gelten soll: Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für ein bestimmtes Gebiet eines Zulassungsbezirks eine (akut drohende) ärztliche Unterversorgung festgestellt, gilt die Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit Vollendung des 68. Lebensjahres nicht. Der Vertragsarzt bleibt weiterhin zugelassen. Die Zulassung endet spätestens ein Jahr nach Aufhebung einer entsprechenden Feststellung durch den Landesausschuss. Es bedarf mithin einer entsprechenden Feststellung.

Schließlich fragte Termölen bei der Bundesregierung nach. Dort hieß es: „Für den Zugang zu einer Vertragsarzttätigkeit gibt es künftig keine Altersgrenze mehr. Es besteht lediglich die Altersgrenze der Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit mit Vollendung des 68. Lebensjahres, dies allerdings auch nur grundsätzlich.“

Termölen gab es auf, sich im Dschungel schnell wechselnder Gesetze und widersprüchlicher Auskünfte orientieren zu können. Er beschloss, kein Geld zu investieren und fragte sich resignierend: Wo bleibt die Rechtssicherheit, die die Grundlage jeder Lebensplanung ist?

Dr. med. Ulrich Rendenbach

Allgemeinarzt Duderstadt

Julian Rendenbach

Jurastudent Hannover