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DOI: 10.1055/s-0029-1213577
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG
„Eine große Vielfalt pflanzlicher Lebensmittel in der täglichen Ernährung geht mit einem verringerten Krebsrisiko einher”
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
24. September 2009 (online)

Unser Gesprächspartner: PD Dr. oec. troph. Bernhard Watzl
Studium der Ökotrophologie; Promotion und Habilitation an der Universität Gießen; Privatdozent an der Universität Karlsruhe (TH); dreijähriger Forschungsaufenthalt (1989–1991) an der University of Arizona, Tucson (USA); komm. Leiter des Instituts für Physiologie und Biochemie der Ernährung, Max Rubner-Institut, Karlsruhe; Schwerpunktgebiete: Ernährungsimmunologie mit den Schwerpunkten sekundäre Pflanzenstoffe sowie Präbiotika und Probiotika, Wirkmechanismen von sekundären Pflanzenstoffen beim Menschen, präventive Wirkung von Gemüse und Obst.
DZO: Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach sekundäre Pflanzenstoffe in der Prävention von Krebserkrankungen?
Dr. Watzl:
Für alle chemischen
Klassen an sekundären Pflanzenstoffen ist in verschiedenen experimentellen
Modellen eine antikanzerogene Wirkung nachgewiesen worden. Allerdings weichen
die chemischen Strukturen der in diesen Studien eingesetzten sekundären
Pflanzenstoffe meist von den Strukturen der sekundären Pflanzenstoffe, wie
sie in den Lebensmitteln vorliegen, ab. Allein aus diesem Grund können
solche Ergebnisse nur mit Vorsicht auf den Menschen übertragen werden.
Unterstützt werden die experimentellen Daten durch die Ergebnisse
epidemiologischer Studien, die für eine Reihe von Krebsarten auf ein
geringeres Erkrankungsrisiko bei hoher Zufuhr von sekundären
Pflanzenstoffen in Form von pflanzlichen Lebensmitteln hinweisen.
DZO: Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach sekundäre Pflanzenstoffe in der Therapie von Krebserkrankungen?
Dr. Watzl:
Bisher haben wir keine
Hinweise, dass sekundäre Pflanzenstoffe in Konzentrationen, wie sie
natürlicherweise in pflanzlichen Lebensmitteln vorliegen, eine
therapeutische Wirkung besitzen. Klinische Studien mit dem Monoterpen Limonen,
welches in Zitrusfrüchten vorkommt, und mit Curcumin aus Gelbwurz setzten
Konzentrationen dieser sekundären Pflanzenstoffe ein, die niemals
über Lebensmittel aufgenommen werden können.
DZO: Gibt es bestimmte Pflanzenstoffe, die Sie für besonders wichtig halten?
Dr. Watzl:
Wie gesagt gibt es
für alle sekundären Pflanzenstoffe Hinweise, dass sie auf spezifische
Weise einzelne Stufen der Krebsentstehung hemmen können. Je nach Krebsart
können die Wirkmechanismen unterschiedlich sein. Zudem ist der
individuelle genetische Hintergrund in Bezug auf die Verstoffwechselung von
sekundären Pflanzenstoffen ein weiterer Faktor, der pauschale Aussagen zur
Wirkung beim Menschen nicht erlaubt. Klar ist allerdings, dass eine große
Vielfalt pflanzlicher Lebensmittel in der täglichen Ernährung mit
einem verringerten Erkrankungsrisiko einhergeht.
DZO: Was halten Sie davon, sekundäre Pflanzenstoffe hochdosiert als Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen?
Dr. Watzl:
Ich lehne die Einnahme
hochdosierter sekundärer Pflanzenstoffe als Nahrungsergänzungsmittel
ab. Mehrere Studien haben ein erhöhtes Erkrankungsrisiko durch
hochdosierte sekundäre Pflanzenstoffe festgestellt. Auf der anderen Seite
gibt es keine wissenschaftliche Evidenz dafür, dass derartige
Nahrungsergänzungsmittel die Gesundheit fördern.
DZO: Wie stehen Sie zum häufig kontrovers diskutierten Thema Soja und Brustkrebs? Können an Brustkrebs Betroffene Ihrer Meinung nach Sojaprodukte einnehmen?
Dr. Watzl:
Dieses Thema wurde in
den letzten Jahren intensiv erforscht. Dabei muss unterschieden werden zwischen
der Wirkung von Soja und daraus hergestellten Lebensmitteln auf der einen Seite
sowie aus Soja isolierten sekundären Pflanzenstoffen auf der anderen
Seite. Soja-spezifische sekundäre Pflanzenstoffe wie die Isoflavone haben
eine östrogene Wirkung. In Abhängigkeit von der Höhe des
endogenen Östradiolspiegels können solche Phytoöstrogene sowohl
eine östrogene als auch eine antiöstrogene Wirkung ausüben.
Sojaverzehr vor der Pubertät scheint das Risiko für
prämenopausale Brusttumore zu verringern, wohingegen ein späterer
Verzehr keine Auswirkungen auf das Brustkrebsrisiko hat. Bei Frauen mit
Brustkrebs ist von einer Zufuhr von isolierten Soja-Isoflavonen abzuraten.
Grund hierfür ist, dass es kein ausreichendes Wissen über die
gesundheitlichen Wirkungen verschiedener Konzentrationen isolierter Isoflavone
bei Frauen mit Brustkrebs gibt. Eine Antwort auf diese Fragen kann nur auf der
Basis kontrollierter Interventionsstudien durchgeführt werden. Solche
Studien wurden bisher nicht durchgeführt.
DZO: Welche Ernährungsempfehlungen würden Sie einem an Krebs Erkrankten geben wollen?
Dr. Watzl:
Es macht keinen Sinn,
allgemeine Ernährungsempfehlungen auszusprechen, da Faktoren wie
z. B. Art der Krebserkrankung oder Therapiemaßnahmen individuelle
Empfehlungen erforderlich machen.
DZO: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was tun Sie für sich, um gesund zu bleiben?
Dr. Watzl:
Gesunde Ernährung
und regelmäßige körperliche Aktivität. In der Praxis
heißt das für mich bewusst essen, mit hohem Qualitätsanspruch
und viel Genuss, im Kreis meiner Familie und mit Freunden. Ich komme mit
öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad zur Arbeit und spiele
regelmäßig Basketball.
DZO: Herr Dr. Watzl, vielen Dank für das Gespräch.
Korrespondenzadresse
PD Dr. Bernhard Watzl
Institut für Physiologie und Biochemie
der
Ernährung
Max Rubner-Institut,
Bundesforschungs-
institut für Ernährung und
Lebensmittel
Haid-und-Neu-Str. 9
76131 Karlsruhe
eMail: bernhard.watzl@mri.bund.de