Zum Jahresbeginn 2009 wurde die Kommission E turnusmäßig vom BMG neu berufen (siehe
Seite 38 dieser Ausgabe). Sechs Fachbereiche waren für die nächsten 3 Jahre wieder
zu besetzen. Von den insgesamt 24 bestellten Sachverständigen entfallen 15 auf den
Bereich der »Anwender«. Alle übrigen Fachbereiche, nämlich Pharmakologie und Toxikologie,
klinische Pharmakologie, medizinische Statistik, Pharmazie und Patientenvertretung
sind mit jeweils einem Mitglied und dessen Stellvertreter dabei. In dieser Besetzung
arbeitet die Kommission seit 30 Jahren. Der Gesetzgeber hat es mit dem AMG von 1976
so gewollt.
Die Zeitschrift für Phytotherapie (ZPT) erscheint mit dieser Ausgabe ebenfalls in ihrem 30. Jahrgang. Die fachliche Gewichtung
der Beiträge entwickelte sich aber anders, als es den Stimmenverhältnissen in der
Kommission E entspricht. Bei der Mehrzahl der Manuskripte geht es gegenwärtig um Ergebnisse
aus der Forschung und Entwicklung zur pharmazeutischen Qualität, zur Pharmakologie
und Toxikologie sowie zur klinischen Prüfung und Humanpharmakologie. Die biometrische
Analyse der Primärdaten gehört regelmäßig dazu. Das gilt in besonderem Maße für die
Ergebnisse kontrollierter Therapiestudien mit pflanzlichen Arzneimitteln, über die
mittlerweile in jedem Einzelheft der ZPT berichtet wird.
Bei dieser Gegenüberstellung könnte sich die Frage aufdrängen, ob die konstant gebliebene
Vertretung der Sachverständigen in der Kommission E dem wissenschaftlichen Fortschritt
nachhängt, oder ob sich die Phytotherapie in den letzen Jahrzehnten zu sehr an »schulmedizinischen«
Trends und zu wenig am traditionellen Kern ihrer selbst orientiert hat?
Die Wurzeln der Pflanzenheilkunde beruhen auf den Erfahrungen, die ihre »Anwender«
bei Patienten gesammelt haben. Der Prüfstein dafür, ob die individuelle Beobachtung
kausal oder zufällig war, wird derzeit vor allem in doppelblinden Vergleichsstudien
mit Placebo gesehen. Die Allopathie, zu der sich die moderne Phytotherapie zählt,
sieht darin ihr Markenzeichen. »Noch«, könnte man hinzufügen, denn der bekannte Goldstandard
der Pharmakotherapie gerät bei bestimmten Anwendungsgebieten ins Wanken. Ob Depression,
Demenz oder Dyspepsie: Offenkundig sind die Placebo-Verum-Differenzen artifizieller
Therapiestudien bei solchen Indikationen gar nicht repräsentativ für die Erfolge entsprechender
Behandlungen in der Praxis. Das gilt für chemische Wirkstoffe zwar ebenso wie für
pflanzliche. Die Vertreter der Phytotherapie sollten die Signale aber mit besonderer
Aufmerksamkeit verfolgen. Tragen sie doch gegenwärtig schwerer als andere an der Last
des negativen Ausgangs großer Therapiestudien mit alten »Flaggschiffen« wie Echinacea, Hypericum, Serenoa, Cimicifuga, Allium sativum, Crataegus und jetzt auch Ginkgo biloba (siehe Seite 20).
Diskrete Zeichen der Neubesinnung im Umfeld der Phytotherapie sind zu erkennen: Eine
Metaanalyse zu Ginkgo biloba differenzierte jüngst zwischen »interner« und »externer Validität« der Studien; die
Erstere bemisst sich wie bisher an statistischen Designer-Maßstäben, die Letztere
berücksichtigt daneben die Stimmigkeit des therapeutischen Umfelds ([1]). Eine Bewertung im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) suchte in pragmatischer Gegenüberstellung verfügbarer Behandlungsalternativen
nach »verträglichen« Lösungen – das Ergebnis der jüngsten IQWiG-Analyse zu Ginkgo biloba könnte zumindest in diesem Sinne zu verstehen sein (siehe Seite 27). Ein Pharmakovigilanzsystem für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen ([2]) scheint hier den Faden aufgenommen zu haben. Die Phytotherapie sollte sich anschließen,
nicht nur, um aktuelle und belastbare Daten zur Akzeptanz und Verträglichkeit ihrer
Präparate zu gewinnen, sondern auch, um bei dieser Gelegenheit verloren gegangene
Kontakte zu ihren »Anwendern« wieder zu beleben.