Pneumologie 2009; 63(3): 131-135
DOI: 10.1055/s-0028-1119511
Übersicht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rückblick auf die ersten 50 Tagungen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP)

Looking Back at the First 50 Conferences of the German Society for PneumologyN.  Konietzko1 , R.  Dierkesmann2 , R.  Kropp3 , R.  Loddenkemper4 , B.  Wiesner5 , V.  Seehausen6
  • 1ehem. Ruhrlandklinik, Essen
  • 2ehem. Klinik Schillerhöhe, Gerlingen/Stuttgart
  • 3Das Deutsche Tuberkulose-Archiv, Fulda
  • 4Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose
  • 5ehem. Zentralklinik Bad Berka
  • 6Büro Seehausen + Sandberg, Berlin
Further Information

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Robert Loddenkemper

Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose
Lungenklinik Heckeshorn, HELIOS Klinikum Emil von Behring

Walterhöferstr. 11
14165 Berlin

Email: r.loddenkemper@dzk-tuberkulose.de

Publication History

Publication Date:
03 March 2009 (online)

Table of Contents #

Vorgeschichte und Gründung

Manch Charakterzug wird uns Deutschen nachgesagt, Leidenschaftlichkeit und leichte Entflammbarkeit freilich gehören nicht dazu. Und doch gibt es eine Passion, der wir uns, wann immer möglich, bereitwillig hingeben: es ist die Lust, Vereine zu gründen und Kongresse zu organisieren. Schopenhauer bringt es auf den Punkt: „Vor die Wahl gestellt, direkt in den Himmel aufgenommen zu werden oder ein Seminar abzuhalten über die Vor- und Nachteile des himmlischen Lebens, würden die meisten Deutschen sich sofort für das Seminar entscheiden.” Warum sollten deutsche Lungenärzte sich anders verhalten? Stoff für Seminare und Anlässe zu Vereinsgründungen jedenfalls bot die Tuberkulose als eine die Medizin des 19. Jahrhunderts beherrschende Krankheit jedenfalls zur Genüge.

Zunächst spielte sich die wissenschaftliche Diskussion vorwiegend in den Printmedien ab, vor allem in den „Beiträgen zur Klinik der Tuberkulose”. Seit 1882, dem „Kochjahr”, in dem auch die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin gegründet wurde, gewannen die jährlichen Tagungen dieser Gesellschaft in Wiesbaden zunehmend an Bedeutung. Die Tuberkulose dominierte auch hier über Jahre die wissenschaftliche Agenda.

Im Jahr 1895 konstituierte sich das Deutsche Zentral-Komitee zur Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke, das spätere Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose (DZK). Es förderte nicht nur den Bau von Volksheilstätten, sondern organisierte auch Tagungen, so 1899 den ersten großen wissenschaftlichen Tuberkulosekongress in Berlin, der auch international weite Beachtung fand.

Weitere sieben Jahre später, 1906, schlossen sich die süddeutschen Heilstättenärzte zu einer Vereinigung zusammen, 1910 folgte die Gründung der „Vereinigung der Lungenheilanstaltsärzte”. Man könnte somit das Jahr 1906 mit einiger Berechtigung auch als das Geburtsjahr der DGP bezeichnen. Die American Thoracic Society jedenfalls feiert das Jahr 1905, in dem die American Sanatorium Association gegründet wurde, als ihr Geburtsjahr. Aber der Prozess, der zur Gründung der Deutschen Tuberkulose-Gesellschaft (DTG) als Vorläufer der DGP führte, war – wie so manches in unserem Land – um einiges komplexer.

Denn schon sechs Jahre später, im Jahr 1912, taten sich die „interventionell” tätigen Lungenärzte zur Vereinigung Pneumothorax arteficialis zusammen. Und weitere acht Jahre später taten es ihnen die Fürsorgeärzte gleich und riefen die Gesellschaft deutscher Tuberkulosefürsorgeärzte ins Leben. Alle hielten sie mehr oder minder regelmäßige Sitzungen, Seminare und Symposien ab. Auch organisierte man sich in einer eigenen Arbeitsgemeinschaft und traf sich bei gemeinsamen Tagungen. Da aber die Universitäten in dieser Arbeitsgemeinschaft nicht vertreten waren, strebte man an, „die Vertreter der ärztlichen Wissenschaften, die bisher nur als gern begrüßte und in jeder Hinsicht anregende Gäste auf den wissenschaftlichen Tagungen mitgewirkt haben, nunmehr zur verantwortlichen Mitarbeit heranzuziehen”.

Aus diesem Gedanken heraus gründeten die beiden Organisationen der Heilstätten- und Fürsorgeärzte im Frühjahr 1925 bei ihrer Tagung in Danzig die Deutsche Tuberkulose-Gesellschaft (DTG). Die treibende Kraft und erster Vorsitzender war Dr. Otto Ziegler, Leiter der Heilstätte Heidehaus bei Hannover ([Abb. 1]). Die Satzung legte fest, dass im Vorstand die „drei Gruppen von Ärzten” – Universität, Heilstätte und Fürsorge – im zweijährlichen Wechsel den Vorsitz übernehmen sollten. Zum Gründungszeitpunkt hatte die DTG 379 Mitglieder, 252 kamen von den Lungenheilanstaltsärzten und 127 von der Gesellschaft deutscher Tuberkulosefürsorgeärzte. Trotz der lautstark verkündeten Einigkeit hielten die Spannungen zwischen den beiden Organisationen an und noch viele Jahre tagte man getrennt – während und zwischen den DTG-Tagungen. Erst 1937 endete mit der Auflösung der Vereinigung deutscher Tuberkuloseärzte die „Seminaritis”, fortan tagte nur mehr die DTG, wegen des Krieges aber nur noch 1939 und 1941.

Zoom Image

Abb. 1 Otto Ziegler (1879 – 1931), Gründungsmitglied und erster Vorsitzender der Deutschen Tuberkulosegesellschaft.

#

Vorkriegsjahre und NS-Zeit (1926 – 1941)

Die 1. Tagung der DTG fand unter der Leitung von Otto Ziegler in Düsseldorf statt und wurde ein großer Erfolg. Düsseldorf war als Tagungsort mit Vorbedacht und zwar aus nationalen Motiven gewählt worden, ähnlich wie bei der Gründung der DTG das unter dem Mandat des Völkerbunds stehende Danzig – ein Jahr zuvor war die Besetzung des Ruhrgebietes durch Frankreich beendet worden. In seiner Eröffnungsrede ließ Ziegler dies deutlich anklingen: „Daß wir dieses für uns bedeutungsvolle Ereignis in dem schönen Düsseldorf feiern dürfen, das, kaum befreit von den Fesseln einer schmachvollen Besatzung, in seiner großzügigen Ausstellung sich zu einer Tat empor gerafft hat, die die größte Bewunderung verdient, empfinden wir mit besonderer Dankbarkeit”.

Ein wichtiger Punkt, der sich für die Entwicklung der deutschen Pneumologie als verhängnisvoll erweisen sollte, war die Forderung nach einer Sonderstellung der Tuberkulose innerhalb der Medizin. Der damalige Geschäftsführer der DTG, Julius E. Kayser-Petersen, artikuliert das so: „Die Mutter ‚Innere Medizin’ wurde mit Schmerzen gewahr, daß schon wieder eines ihrer Kinder zur Selbständigkeit strebte. … Rein äußerlich zeigt sich die neue Wegrichtung in der Verwandlung der Lungen-Heilstätten in Tuberkulose-Krankenhäuser, der Auskunfts- und Fürsorgestellen für Lungenkranke in Tuberkulose-Fürsorgestellen, der Fachärzte für Lungenkrankheiten in Tuberkulose-Ärzte.”

Nach dem erfolgreichen Start wurde die 2. Tagung im Juni 1927 in Bad Salzbrunn/Schlesien von einem Universitätsvertreter, Professor Ernst von Romberg, München, ausgerichtet. Wieder stand im Mittelpunkt die Tuberkulose, wie auch 1928 auf der 3. Tagung in Wildbach/Schwarzwald, die Hermann Braeuning als Vertreter der Fürsorgeärzte leitete. Die 4. Tagung – 1930 auf Norderney – stand ganz unter dem Zeichen des Lübecker Impfunglücks, dazu wurde unter Leitung von Johannes Ritter aus Geesthacht/Hamburg erstmalig über Erbuntersuchungen an tuberkulösen Zwillingen berichtet, ebenso wie auf der 5. Tagung in Bad Harzburg unter dem Vorsitz von Ferdinand (Fred) Neufeld, dem damaligen Präsidenten des Robert Koch-Instituts. Zweifelsfrei waren während der nationalsozialistischen Herrschaft auch Vertreter der DTG in politische Machenschaften verstrickt, auch wenn die historischen Quellen eine individuelle Schuldzuweisung nicht mehr hergeben. Wir als die nachfolgenden Generationen müssen uns dieser historischen Verantwortung stellen und dafür Sorge tragen, dass dieses dunkle Kapitel in der Geschichte der DTG nicht in Vergessenheit gerät.

Die 6. Tagung wurde 1935 in Bad Kreuznach veranstaltet. In der Eröffnungsansprache begrüßte Hermann Braeuning, den „neuen Schwung” in der NS-Gesundheitspolitik. Franz Ickert, der 1948 erster Nachkriegsvorsitzende der DGT werden sollte, führte in seinem Vortrag zu „Rassehygiene und Tuberkulosebekämpfung” aus, „daß die Reichsregierung bekanntlich erwartet, daß jeder deutsche Arzt sein gesamtes ärztliches Denken und Handeln auf die Grundsätze der Eugenik umstellt”, und forderte „in vorauseilendem Gehorsam”, das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses auf Personen mit fortgeschrittener Tuberkulose auszuweiten. Im Vorstand der DTG wurde der „Arier-Zwang” für Vorstandsmitglieder als selbstverständlich vorausgesetzt.

Die 7. Tagung fand 1937 gemeinsam mit der Gesellschaft für Innere Medizin in Wiesbaden statt. Neben einer Reihe politisch motivierter Vorträge wie „Die Tuberkulosebekämpfung als politische Aufgabe” oder „Erfahrung mit der Zwangsisolierungsstation” ging es in der Hauptsache um neue, uns heute eher suspekt erscheinende Therapieverfahren wie intrapleurale Öleingießung oder Goldbehandlung. Auffällig war die starke Repräsentanz des Wehrmachtssanitätswesens.

Als Austragungsort der 8. Tagung war bereits zwei Jahre zuvor die Stadt Graz ausgewählt worden. Österreich und das Sudetenland waren in der Zwischenzeit „heim ins Reich” geholt worden. In seiner Eröffnungsansprache verbarg der Vorsitzende Professor Ludwig Aschoff seine Genugtuung darüber nicht: „Hier in Graz, der Hochburg des ostmärkischen Deutschtums, dürfen wir die Kollegen aus dem früheren Österreich und aus dem Sudetenlande als großdeutsche Brüder begrüßen.” Der Geheime Rat verstieg sich gar zu der Formulierung einer „Großdeutschen Tuberkulosegesellschaft”.

Die 9. Tagung wurde mitten im Krieg, 1941, in Baden-Baden abgehalten. Der Vorsitzende, Kurt Klare aus Bielefeld, schloss seine Begrüßungsansprache mit dem Ruf: „Adolf Hitler, dem Führer des deutschen Volkes und seiner siegreichen Heere, Sieg Heil!”. Wie ausschließlich die Tuberkulose die wissenschaftliche Thematik und die Ziele der DTG beherrschte, zeigt sich an den Worten von Julius E. Kayser-Petersen, der die „Spannweite des Gebietes der Tuberkuloseforschung” hervorhob und dem „alten Lungenfach als abgesplittertem Teilchen der Inneren Medizin” eine Absage erteilte.

#

Neubeginn nach dem Krieg (1947/8 – 1964)

Erst mit dem Ende des Krieges wurde den Menschen das volle Ausmaß der Zerstörung, aber auch der seelischen Verwüstungen bewusst. Millionenfacher Tod, unsägliches Leid, Vertreibung, Verelendung und Verwüstung ganzer Landstriche, das war die traurige Bilanz. Hunger und Krankheit bedrohten weite Teile Europas. Die Zahl der Tuberkulosefälle stieg steil an, viele der ausgezehrten Menschen erlagen der Seuche. Hinzu kam die politische Entmündigung Deutschlands: Mit der Kapitulation vom 8. Mai 1945 war die staatliche Verwaltung an die Siegermächte übergegangen und das Land in vier Besatzungszonen aufgeteilt.

So gut wie alle Gesellschaften, auch die Deutsche Tuberkulose-Gesellschaft, wurden aufgelöst. Die Gründung neuer Vereinigungen bedurfte der Genehmigung durch die Siegermächte. So dauerte es Jahre, bis zunächst die regionalen Tuberkulosevereinigungen, voran die Rheinisch-Westfälische, neu gegründet werden konnten. Erst im Oktober 1948 traten Lungenärzte aus ganz Deutschland am Rande des Wiesbadener Internistenkongresses unter dem vorläufigen Vorsitzenden Franz Ickert zu ihrer 10. Tagung zusammen. Dabei wandten sie sich mit dem folgenden Appell an die Völker der Welt und ihre Regierungen:

„Die Tuberkulose war in Deutschland, dem Lande Robert Kochs und Wilhelm Röntgens, in unermüdlicher planmäßiger Arbeit immer mehr zurückgedrängt worden. Der zweite Weltkrieg hat diesen Schutzwall durchbrochen. Unterernährung und Wohndichte, die Sorgen um das Schicksal der immer noch nicht Heimgekehrten und der lähmende Druck einer ungewissen Zukunft bereiten der Tuberkulose von allen Seiten den Boden. … Die deutschen Tuberkuloseärzte, die in ihrer täglichen Arbeit immer wieder die tragischen Auswirkungen der Tuberkulose erleben, halten es für ihre Pflicht, die Völker der Welt und ihre Regierungen aufzurufen, Frieden zu schließen und Frieden zu wahren. Um der andrängenden Tuberkulosewelle ein festes Bollwerk entgegenzusetzen, muß das Recht auf eine angemessene Lebensform mit ausreichender Ernährung und Wohnung, Arbeit und Erholung für alle Menschen wiederhergestellt werden!”

Bei den folgenden Tagungen – bis 1954 jährlich, dann im Zweijahresrhythmus – stieg die Zahl der Teilnehmer und der Vorträge sukzessive. Das Hauptinteresse galt nach wie vor der Tuberkulose, insbesondere der Chemotherapie. Die Entwicklung wirksamer Tuberkulosemedikamente wie Streptomycin, PAS und INH hatte erstmals die Chance zur Heilung der Tuberkulose eröffnet. Für die jahrelang von der wissenschaftlichen Information abgekoppelte deutsche Ärzteschaft bestand großer Nachholbedarf. Auch andere Themen als die Tuberkulose gewannen bei den Tagungen der DTG zunehmend an Interesse ([Abb. 2]).

Zoom Image

Abb. 2 Anzahl der Referate zur Tuberkulose (TB) und zu nicht-tuberkulösen Themen (Nicht-TB) auf den DGP-Jahrestagungen. Entwicklung von 1948 – 1988.

Zur 19. Tagung der DTG 1960 unter dem Vorsitz des Züricher Pathologen Ernst Uehlinger kamen über 1000 Teilnehmer nach Freiburg, darunter 200 aus der DDR. Seit 1955 hatte es Bestrebungen gegeben, in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) eine eigene Gesellschaft zu etablieren. Am 31. Mai 1957 wurde die Wissenschaftliche Tuberkulose-Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik gegründet. Bemerkenswerterweise hieß es in § 5 des Statutes der neuen Gesellschaft: „Die Wissenschaftliche Tuberkulose-Gesellschaft der DDR bekundet ihren Willen zur Einheit Deutschlands. Alle Mitglieder sind durch ihre Zugehörigkeit zu der Gesellschaft gleichzeitig Mitglieder der Deutschen Tuberkulose-Gesellschaft, soweit dies den Satzungen der Deutschen Tuberkulose-Gesellschaft nicht entgegensteht.” Es gehört zu den erfreulichen Kapiteln der Nachkriegsgeschichte, dass beide Gesellschaften trotz des Kalten Kriegs an dieser Regelung festhielten. Nach der Wiedervereinigung und der Auflösung der DDR-Gesellschaft 1991 konnten die DDR-Kollegen in die DGP integriert werden.

Tab. 1 Jahrestagungen von 1948 bis 1968.
Jahr Ort Vorsitz
1948 Wiesbaden F. Ickert
1949 Münster F. Ickert
1950 Bad Neuenahr H. Kleinschmidt
1951 Bad Kissingen J. Hein
1952 Goslar E. Schröder
1953 Wiesbaden K. Lydtin
1954 Berlin H. Wurm
1956 Baden-Baden E. Schrag
1958 Hamburg H. Brügger
1960 Freiburg E. Uehlinger
1962 Düsseldorf H. Schmitz
1964 Lübeck P. G. Schmidt
1966 Mainz K. W. Kalkoff
1968 Baden-Baden K. Breu
#

Von der Phthisiologie zur Pneumologie (1965 – 1990)

Die Besserung der sozioökonomischen Bedingungen und der medikamentösen Behandlungsmöglichkeit hatten eine deutliche Abnahme der behandlungsbedürftigen Tuberkulosefälle zur Folge. Viele Heilstätten mussten geschlossen werden. Andererseits traten zunehmend umwelt- und arbeitsbedingte Erkrankungen der Lunge in den Vordergrund, die Tabak induzierte chronische Bronchitis und der Lungenkrebs, allergische Erkrankungen wie Asthma und Alveolitis. Bis Mitte der 1980er-Jahre strukturierte sich ein Teil der übrig gebliebenen Tuberkuloseheilstätten zu Lungenkliniken um. Auch die Umbenennungen der DTG spiegeln diese Entwicklung wider: 1965 in Deutsche Gesellschaft für Lungenkrankheiten und Tuberkulose, 1980 in Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Tuberkulose, 1990 dann in Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP) und damit Streichung der „Tuberkulose” aus dem Namen der Gesellschaft. Dieser Wandel war auch ablesbar an der Thematik der Tagungen ([Abb. 2]) sowie den Fachgebieten der jeweiligen Präsidenten.

Trotzdem tat sich die deutsche Pneumologie – im Gegensatz zu den USA und den meisten westeuropäischen Staaten – mit dem Übergang von der Phthisiologie zur modernen Pneumologie schwer. Das lag zum größten Teil an der fehlenden universitären Repräsentanz der Pneumologie. So paradox es klingt, aber eine der größten Erkenntnisse in der Medizin, die Entdeckung der Infektiosität der Tuberkulose durch Robert Koch, hatte die Lungenheilkunde in Deutschland in die Isolation geführt, die Pneumologie war als Fach universitär nicht mehr vertreten, sondern spielte sich nur noch in den Lungenheilstätten ab. Gerade mal jede 5. Universitätsklinik hatte eine Lungenabteilung, Lehre und Forschung lagen über mehr als vier Jahrzehnte danieder.

Auch die DTG/DGP befand sich nach dem Krieg in einer Art Dornröschenschlaf. Ihre öffentliche Präsenz und ihr Einfluss in gesundheits- und berufspolitischen Fragen waren marginal. Jeder neue Präsident hatte in seiner zweijährigen Amtszeit hauptsächlich mit der Vorbereitung „seines Kongresses” zu tun. Bei den im Zweijahresrhythmus stattfindenden Tagungen der DGP lag der Schwerpunkt auf der klinischen Fortbildung. Berufspolitische Anliegen waren großenteils Sache des Berufsverbandes. Für die Forschung bedeutsamer und daher für den wissenschaftlichen Nachwuchs als Forum weit attraktiver als die DTG-Tagungen war die jährlich in Bochum tagende Gesellschaft für Lungen- und Atemwegsforschung, 1965 von Wolfgang Ulmer ins Leben gerufen. Allerdings fehlte dort die klinische Forschung. Sicherlich gab es auch bei DGP-Kongressen glanzvolle Referate und interessante Diskussionen, aber die Substanz kam nicht aus dem Schoß der Gesellschaft, Themen und Referenten wurden „von oben” organisiert. Der wissenschaftliche Nachwuchs wandte sich ab, die Tagungen trockneten aus.

Tab. 2 Jahrestagungen von 1970 bis 1996.
Jahr Ort Vorsitz
1970 Berlin K. Unholtz
1972 Hamburg E. Freerksen
1974 Freiburg Chr. Göttsching
1976 München H. Blaha
1978 Düsseldorf K. Simon
1980 Berlin K. L. Radenbach
1982 Mainz R. Ferlinz
1984 Essen W. Maaßen
1986 Saarbrücken F. Trendelenburg
1988 Hannover H. Fabel
1990 Bochum W. T. Ulmer
1992 Wiesbaden J. Meier-Sydow
1994 Berlin R. Loddenkemper
1996 Essen N. Konietzko
#

Die Zeit der Neustrukturierung (1991–2008)

Mittlerweile war in Deutschland eine Generation von Pneumologen herangewachsen, die nicht mehr im Dunstkreis der Tuberkulose stand. Zumeist im Ausland ausgebildet, hatte sie erfahren, was moderne Pneumologie bedeutet und eine andere Vorstellung von der Bedeutung des Faches entwickelt: Die klinische Pneumologie der „posttuberkulösen Ära” sollte sich nicht auf das Lungenfunktionslabor oder die Bronchoskopie reduzieren lassen, sondern das gesamte Spektrum des Faches – von der Allergologie über die Beatmungsmedizin bis zur Infektiologie und Onkologie – abbilden. Auch sollte die „neue Pneumologie” auf allen Ebenen der Krankenversorgung – einschließlich der Universitäten – in autarken Einheiten vertreten sein. In Forschung und Lehre wollte man zu den vergleichbaren Fächern der Inneren Medizin aufschließen. Die Voraussetzung für die Umsetzung dieser Ziele war die Bündelung aller Kräfte in der Pneumologie, teilweise divergierende und konkurrierende pneumologische Organisationen mussten zusammengeführt werden.

Eine kleine Schar einflussreicher Pneumologen, in leitender Position an Universitäten und Lungenkliniken tätig, ergriff Anfang der 1990er-Jahre die Initiative und organisierte sich im „Celler Kreis”, um neue Weichen auch in der DGP zu stellen. Der „Celler Kreis” plädierte für die Einrichtung von wissenschaftlichen Sektionen, die Trennung von Präsidentschaft und Tagungspräsidentschaft und – mit der Gründung der Lungenstiftung – für eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. Auch sollten die Tagungen wieder jährlich abgehalten werden.

Auf der 36. Tagung 1994 in Berlin unter Robert Loddenkemper wurde die neue Satzung von den Mitgliedern einstimmig verabschiedet. Die Tagung war von Optimismus getragen, es herrschte Aufbruchstimmung. Entsprechend den Beschlüssen der DGP-Mitglieder wurde der nächste Kongress 1996 unter Leitung von Nikolaus Konietzko, Essen, erstmals im Frühjahr ausgetragen – ein letztes Mal lagen DGP-Präsidentschaft und Leitung der Tagung in einer Hand.

Seitdem werden die Tagungen der DGP in ihrer wissenschaftlichen Substanz entscheidend von den Sektionen geprägt, dem Tagungspräsidenten obliegt im Wesentlichen die Kongressorganisation und der DGP-Präsident kümmert sich um das Tagesgeschäft und die „große Politik”.

Die Jahrestagungen der DGP haben deutlich an Profil und Qualität gewonnen und sind heute das einzig bedeutsame Forum für die pneumologische Forschung in Deutschland. Fort- und Weiterbildung kommen dabei nicht zu kurz. So nimmt es nicht wunder, dass die Zahl der Teilnehmer ([Abb. 3]) seit der Umstrukturierung stetig ansteigt, parallel zur Mitgliederzahl der DGP.

Zoom Image

Abb. 3 Teilnehmerzahlen der Jahrestagungen der DGP von 1997 – 2008.

So ist „mit der wissenschaftlichen Arbeit in den Sektionen die neue deutsche Pneumologie aus der Taufe gehoben worden”, wie es Helmut Fabel, DGP-Präsident von 1987/88, formuliert hat. Das umfangreiche Programm des 50. Kongresses in Mannheim stellt dies unter Beweis.

Die bewegte Geschichte der DGP, die sich nicht nur in ihren Tagungen widerspiegelt, wird ausführlich im nächsten Jahr anlässlich des 85. Geburtstages der Gesellschaft in Buchform geschildert werden.

Tab. 3 Jahrestagungen von 1997 bis 2009.
Jahr Ort Vorsitz
1997 Bad Reichenhall D. Nolte
1998 Freiburg H. Matthys
1999 Leipzig J. Schauer
2000 Hamburg H. Magnussen
2001 Jena C. Kroegel
2002 Bochum G. Schultze-Werninghaus
2003 München K. Häussinger
2004 Frankfurt/M. T. Wagner
2005 Berlin Chr. Witt
2006 Nürnberg H. Worth
2007 Mannheim G. Sybrecht
2008 Lübeck P. Zabel
2009 Heidelberg/Mannheim F. Herth/M. Thomas

    Prof. Dr. med. Dr. h. c. Robert Loddenkemper

    Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose
    Lungenklinik Heckeshorn, HELIOS Klinikum Emil von Behring

    Walterhöferstr. 11
    14165 Berlin

    Email: r.loddenkemper@dzk-tuberkulose.de

      Prof. Dr. med. Dr. h. c. Robert Loddenkemper

      Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose
      Lungenklinik Heckeshorn, HELIOS Klinikum Emil von Behring

      Walterhöferstr. 11
      14165 Berlin

      Email: r.loddenkemper@dzk-tuberkulose.de

      Zoom Image

      Abb. 1 Otto Ziegler (1879 – 1931), Gründungsmitglied und erster Vorsitzender der Deutschen Tuberkulosegesellschaft.

      Zoom Image

      Abb. 2 Anzahl der Referate zur Tuberkulose (TB) und zu nicht-tuberkulösen Themen (Nicht-TB) auf den DGP-Jahrestagungen. Entwicklung von 1948 – 1988.

      Zoom Image

      Abb. 3 Teilnehmerzahlen der Jahrestagungen der DGP von 1997 – 2008.