Krankenhaushygiene up2date 2008; 3(4): 196-201
DOI: 10.1055/s-0028-1119447
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Einflussfaktoren auf die HCV-Übertragung in der Dialyseabteilung

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Publication Date:
27 January 2009 (online)

Girou E, Chevaliez S, Challine D et al. Determinant roles of environmental contamination and noncompliance with standard precautions in the risk of Hepatitis C virus transmission in a hemodialysis unit. Clin Infect Dis 2008; 47: 627 – 633

Es wird geschätzt, dass weltweit über 170 Mio. Menschen Träger des Hepatitis C-Virus sind. Eine chronische Infektion entwickelt sich bei etwa 80 % der Patienten, wobei von diesen wiederum ca. 20 % eine Leberzirrhose entwickelten und von denen wiederum ein Teil ein hepatozelluläres Karzinom. HCV wird so gut wie ausschließlich über Blut übertragen. Nachdem die Übertragung durch kontaminierte Blutkonserven durch entsprechende Testungen weitestgehend ausgeschlossen wurde, treten heute etwa zwei Drittel der Fälle im Zusammenhang mit intravenösem Drogengebrauch auf. Alarmierenderweise muss auch heute noch ein wesentlicher Teil der restlichen Infektionen nosokomialen Übertragungen zugeschrieben werden. Dabei spielen verschiedenste invasive Maßnahmen mit möglichem Blutkontakt eine Rolle, wie z. B. das Legen intravaskulärer Zugänge, Koloskopien mit Biopsien, chronische Hämodialysen und auch die fehlerhafte Verwendung von Mehrdosisbehältern für intravenös verwendete Medikamente.

Die Autorengruppe um Emanuelle Girou von der Universitätsklinik Henry Mondor in Creteille, Frankreich, führte an einer Dialyseabteilung mit 9 Dialyseplätzen eine prospektive Beobachtungsstudie durch. Alle dialysierten Patienten wurden systematisch wiederholt mit gängigen Methoden auf HCV untersucht. Dabei wurden zwei neu aufgetretene HCV-Infektionen ohne plausible Infektionsquelle außerhalb der Klinik festgestellt. 6 der im Untersuchungszeitraum dialysierten 52 Patienten waren bekanntermaßen chronisch mit HCV infiziert. Der zweite Fall von Serokonversion gab Anlass zu einer ausgedehnten Analyse einer möglichen Kontamination von Oberflächen in der patientennahen Umgebung, der Qualität der Aufbereitungsmaßnahmen der Dialysemaschinen sowie der Einhaltung von Standardhygienemaßnahmen durch die Mitarbeiter. Darüber hinaus wurde das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Dialyseschwestern und betreuten Patienten im zeitlichen Verlauf aufgezeichnet. Die für die Dialyseabteilung festgelegten Hygienestandards entsprachen nationalen und internationalen Empfehlungen: Eine Händedesinfektion wurde beispielsweise vor und nach Umgang mit zentralvenösen Kathetern oder Dialysefisteln sowie vor und nach Konnektion oder Diskonnektion der Maschine, vor dem Richten diverser Materialien und vor und nach direktem Kontakt mit dem Patienten als notwendig angesehen. Der Umgang mit Dialysekathetern und Dialysefisteln wurde als besonders riskant im Zusammenhang mit möglichen HCV-Übertragungen angesehen. Der Handschuhgebrauch wurde bei möglichem antizipierten Kontakt mit Blut oder sonstigen Körperflüssigkeiten empfohlen.

Die Aufbereitung der Dialysemaschinen zwischen den verschiedenen Patienten erwies sich als adäquat: Die Dialysatoren selbst wurden nicht wieder verwendet und die restlichen internen Maschinenteile wurden sowohl einer chemischen Desinfektion mit H2O2 wie auch einer thermischen Desinfektion unterzogen. Außerdem wurde festgestellt, dass die beiden Patienten mit der nosokomial erworbenen HCV-Infektion zu keinem Zeitpunkt mit der gleichen Dialysemaschine dialysiert worden waren. Von den 740 Umgebungsproben enthielten 11 % Hämoglobin und von diesen wiederum 7 % nachweislich HCV-RNA. Der Anteil der tatsächlich durchgeführten, von den laut Standardhygiene erforderlichen, Händedesinfektionen wurde mit 35 – 39% angegeben. Noch alarmierender war das Ergebnis, dass Handschuhe nach Einsatz am Patienten nur in 33 % der Fälle abgelegt wurden. Mehrdosisbehälter waren in der Abteilung nicht in Gebrauch.

Interessanterweise war eine Verhältniszahl Pflegekraft zu Patient von 0,55 statistisch signifikant mit einer höheren Umgebungskontamination verbunden als eine solche von 0,78.

Daher zeigt diese Untersuchung zum ersten Mal, dass eine personelle Unterbesetzung und eine mangelhafte Einhaltung von Standardhygienemaßnahmen insbesondere Händehygiene und Handschuhgebrauch unabhängige Risikofaktoren für eine Umgebungskontamination mit Blut und HCV darstellen können. Die direkte Patientenumgebung in der Dialyseeinheit war häufig auch durch nicht sichtbare Blutmengen kontaminiert; gleichzeitig wurden die bestehenden Richtlinien zur Händehygiene und Handschuhgebrauch nur mangelhaft eingehalten. In der Vergangenheit wurden schon Übertragungen von Hepatitis B-Virus mit viraler Umgebungskontamination ohne sichtbare Blutmengen in Zusammenhang gebracht. Unter günstigen Bedingungen können Hepatitis B-Viren bis zu 7 Tagen auf Oberflächen infektiös bleiben. Bei HCV ist die Überlebenszeit schwierig einzuschätzen: HCV-RNA konnte jedoch noch nach 48 Stunden bei Raumtemperatur in intakter Form vorgefunden werden. Leider gibt es bisher keine direkten Nachweismöglichkeiten von infektionsfähigen Viren auf Oberflächen.

Fazit: Die Autoren betonen besonders die Problematik, dass der zum Eigenschutz gedachte Handschuhgebrauch mit der Compliance bezüglich der Händehygiene interferieren kann und letztlich zu Übertragungen u. a. von HCV führen kann. Sie betonen auch den nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Nichtausziehen der Handschuhe und einer zunehmenden Umgebungskontamination mit Blut. Man sollte also im Hämodialysebereich nicht pauschal das Tragen von Handschuhen empfehlen, ohne auf die Notwendigkeit des Wechsels nach Patientenkontakt hinzuweisen.

Dr. med. Thomas Hauer, Freiburg

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