Klin Padiatr 2009; 221(1): 3-5
DOI: 10.1055/s-0028-1104595
Gastkommentar

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rehabilitation der benignen Ösophagusstenose im Kindesalter

Rehabilitation of the Benign Oesophageal Stenosis in ChildhoodJ. Holzki
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Publication Date:
29 December 2008 (online)

Die hartnäckige, therapierefraktäre Narbenstenose des Ösophagus stellt ein Problem in der Kinderchirurgie dar, das bisher nicht zur Zufriedenheit von Patient und Arzt gelöst ist. Diese wissenschaftlich korrekt als „benigne” bezeichneten Stenosen sind eine ungeheure Belastung für Patient und Familie, besonders wenn sich die Bougierung über Monate und Jahre hinzieht.

Aus der eigenen Erfahrung gibt es eine Reihe von Kindern, die nach einer Verätzung vor dem dritten Lebensjahr langfristig alle 2–3 Wochen in die Klinik zur Bougierung mussten. Ihr bewusstes Leben ist durch Fastenperioden, Narkosen und postoperative Schmerzen bzw. Übelkeit beeinträchtigt, bis dann ein Ende der unerfreulichen Zeit durch einen Therapiewechsel erreicht wird. Manche Kinder fingen auch später noch an zu weinen , wenn die Eltern ein Haus passierten, das eine entfernte Ähnlichkeit mit dem Eingang der Klinik hatte, in dem die belastende, aber lebensnotwendige Therapie über lange Zeit durchgeführt wurde.

Für Kinder mit einer therapierefraktären Stenose des Ösophagus war und ist es unzumutbar, über Monate und Jahre bougiert zu werden, ohne dass ein Ende der Behandlung in Sicht ist, sodass unterschiedliche Verfahren eingesetzt wurden, die Linderung bringen sollten. Nicht zu verstehen ist die Einstellung mancher Kliniken, nach erfolglosen Bougierversuchen den Eltern zu raten, das Kind lebenslang flüssig zu ernähren, wenn inzwischen auch für therapierefraktäre Situationen seit Jahren akzeptable Operationsmethoden zur Verfügung stehen [18] [19]. Gerade diese Zumutung hat dazu geführt, dass sich verzweifelte Eltern zu einem Kreis von Eltern mit Kindern mit Speiseröhrenerkrankungen (KEKS) zusammengeschlossen haben [13]. Diese Selbsthilfegruppe verfügt inzwischen über eine ungewöhnlich große Sammlung von über 1 000 Krankheitsverläufen mit Ösophagusstenosen und vermittelt Betroffenen, aber auch allen interessierten Ärzten eine Fülle von Informationen. Aber praktisch ist es meist immer noch die Verzweiflung der Eltern, die durch Suchen im Internet für dieses zwar seltene, aber individuell so eingreifende Krankheitsbild den Weg zu einer erfolgreicheren Therapie bahnt.

Vor diesem Hintergrund kommt jedem Versuch eine besondere Bedeutung zu, die Häufigkeit von Bougierungen zu vermindern oder eine doch sehr eingreifende gastrische Transposition (deutlich vom „Magenhochzug” zu unterscheiden!) zu vermeiden. In dem vorliegendem Artikel von Reinshagen et al. [17] (siehe Seiten 19–24) wird die große Mühe der Autoren erkennbar, einen therapeutischen Ausweg aus langwierigen Behandlungen zu finden. Berichtet wird über 12 Patienten, die in einem Zeitraum von 12 Jahren wegen schwerster Ösophagusstenosen einer Behandlung mit Platzhaltern verschiedener Art unterzogen wurden. Alle Patienten haben die Behandlung überlebt, die bei 7 zu einer Besserung geführt hat, was vor dem Hintergrund der schwierigen Stenosen als Erfolg anzusehen ist. Bei 5 Patienten war die Behandlung nicht erfolgreich, sodass diese Patienten operiert oder weiter bougiert werden mussten. Die Autoren betonen, dass die Ösophagustuben und die selbstexpandierenden Metallstents der Vergangenheit angehören. Dies entspricht früheren Erfahrungen mit soliden Silikonstents, da sich ein erheblicher Teil der so behandelten Patienten der gastrischen Transposition unterwerfen musste [14]. Bestenfalls dem selbstexpandierenden Plastikstent kommt trotz seiner Dislokationsneigung eine therapeutische Bedeutung zu. Trotz der Erfolge, die in der Arbeit von Reinshagen et al. [17] vorgelegt werden, ist nach Methoden Umschau zu halten, die noch effektiver sind und schneller zum Erfolg führen könnten.

Nicht durchgesetzt haben sich Injektionen von Steroiden oder Mitomycin C. Einerseits sind die Narbenbereiche in den meisten Fällen zu groß, um eine annähernd gleiche Verteilung der Medikamente zu gewährleisten. Wahrscheinlich wird Mitomycin bei fibrotischem Gewebe auch nicht wirken, wie aus der umfangreichen Erfahrung bei Larynxstenosen bekannt ist [2]. Dies ist aus onkologischer Sicht auch nicht zu erwarten, da es sich nicht um schnell teilendes Gewebe handelt. Bei einem Gewebeplus, wie bei einer Stenose, wäre zumindest eine zytolytische Therapie erfolgversprechender als eine zytostatische Substanz.

Deshalb sind mangels gesicherter medikamentöser Alternativen andere Verfahren zu der Bougierung zu diskutieren. In einer ausführlichen Beschreibung der eigenen Behandlungsergebnisse bei Ösophagusstenose sind Versuche enthalten, eine therapieresistente Stenose als solche zu definieren und auf dieser Grundlage Empfehlungen zur Ösophagusbougierung zu geben [11]. Bei Sichtung des eigenen Krankengutes, das inzwischen auf ca. 400 Patienten angewachsen ist, lassen sich mehrere Aussagen ableiten, die leider bisher erst in einer für Laien erstellten Version veröffentlicht sind [10]; hierzu gehören:

Die konsequente, endoskopiekontrollierte Bougierung mit Savary-Gilliard-Bougies ist möglicherweise der Ballonbougierung überlegen, wie dies auch von der von Reinshagen et al. 17 zitierten Literatur 4 entnommen werden kann. So erlangten im eigenen Krankengut 16 Patienten, die uns nach monate- bis jahrelanger Ballonbougierung zur Therapie mit eingreifenderen Methoden zugewiesen wurden, mit wenigen semiflexiblen Bougierungen Symptomfreiheit. Die bedeutsamste Teilaussage der Veröffentlichung bezieht sich auf die tatsächlich nicht bougierbaren Stenosen, von denen von 1990 bis 2008, 46 Patienten mit perkutanen, transluminalen Angioplastiekathetern (PTA) behandelt wurden. Diese Stenosen wurden mit Savary-Gilliard-Bougies bis zum gewünschten Durchmesser aufgedehnt, dann die nicht überdehnbaren PTA-Katheter eingelegt, deren Funktion nicht die weitere Bougierung, sondern das Offenhalten des durch Bougierung erreichten Durchmessers der Stenose ist. Dazu wird der Ballon täglich dreimal für 10 min mit 2 atü aufgeblockt. 45 Patienten wurden innerhalb weniger Monate symptomfrei, ein Patient wegen Therapieunterbrechung erst nach 2 Jahren.

Eine weitere, seltene, aber besonders schwere Form der Verätzungsstenose entsteht durch die gleichzeitige Verätzung von Ösophagus und gesamtem Rachen. Hier helfen die konventionellen Bougiermaßnahmen nicht, weil die Narbenpakete zu dick sind und oft auch die Epiglottis weggeätzt wurden. Auch eine Speichelfistel hilft in dem stenotischen Gebiet nicht, sodass die Kinder Tag und Nacht ihren Speichel ausspucken müssen. Operationsmethoden mit Monate lang eingelegten Silikonplatzhaltern sind manchmal erfolgreich, aber das Kind muss in dieser Zeit immer seinen Speichel ausspucken; in der Nacht läuft das Kopfkissen voll, der Thoraxbereich ist immer nass, und es riecht sehr unangenehm. Die einzige zurzeit wirklich überzeugende und relativ zügige Behandlung (2–4 Monate) besteht hier in der Einlage des Doppelstents nach Berkovits, bei dem sich zwei silikonisierte Silikonstents gegeneinander bewegen und das Schlucken des Speichels und die Aufnahme flüssiger Nahrung ermöglichen [1]. Sechs Patienten konnten von der Kölner Arbeitsgruppe so behandelt werden, dass wieder eine normale Atem- und Essfunktion bei verbleibenden Schlundnarben möglich ist. Leider ist eine Bevorratung dieser selten gebrauchten Stents nach europäischer Gesetzgebung nicht mehr erlaubt, sodass sie als „custom made” vom behandelnden Arzt bei dem einzigen Hersteller mit Angabe von Namen und Adresse des Patienten anzufordern sind, was aber innerhalb von ein bis zwei Wochen gelingt [15]. Die Patienten, die allein wegen des ständigen Spuckens und des Geruchs sozial weitgehend isoliert waren, wirken nach relativ kurzer Behandlung wie geheilt, obwohl die Narbenplatte weiter besteht, und sind in die normalen Alltagsabläufe reintegriert.

Auf der Suche nach Alternativen zu diesem oder anderen Stentverfahren richten sich die Hoffnungen auf innovative Entwicklungen, wie das Tissue-Engineering oder die Stammzelltherapie. Derartige Therapien würden vielleicht echte Heilungen ermöglichen und damit für die Patienten langfristig die optimale Lösung unter den Aspekten von Wachstum und Zweiterkrankungen ermöglichen. Somit bleibt die Behandlung der therapieresistenten, schweren Ösophagusstenose, sei sie Folge einer angeborenen Fehlbildung, Verätzung oder Verletzung, noch lange eine große Herausforderung für die behandelnden Ärzte. Sie bedarf einheitlicher Definitionen unter Berücksichtigung der modernen Schnittbilddiagnostik bzw. Endoskopie und großer Erfahrung der Behandler, erfordert individuelle Modifikationen auf der Grundlage des regelmäßigen Erfahrungsaustauschs und ist auf innovative Verfahren angewiesen.

So werden die angeborenen Ösophagusatresien international noch immer nach Vogt eingeteilt, ohne dass hierdurch die unterschiedlichen Varianten hinreichend genau erfasst werden. Tröbs et al. [20] (siehe Seiten 40–41) beschreiben mit eindrucksvoller Bildgebung eine sehr komplexe und seltene Form des Typs Vogt IIIc mit gleichzeitiger Trachealstenose. Die präoperative Endoskopie mittels der starren Hopkins-Optik ermöglichte die exakte Diagnose, was bei dieser Art von Fehlbildungen für die Operationsplanung und Durchführung wesentlich ist [9]. Die individualisierte Therapie aufgrund einer möglichst exakten Diag-nose stellt den ersten Schritt der Rehabilitation dar.

Hieraus resultierend ist wünschenswert, dass

die Gesellschaften für Kinderchirurgie im deutschsprachigen Raum, die sehr viele gemeinsame grenzüberschreitende Kongresse und Symposien veranstalten, Leitlinien zu diesem komplizierten Thema erstellen. von ärztlicher Seite ein klinisches diagnosebezogenes Register für Kinder mit diesen seltenen Erkrankungen aufgebaut wird, in das alle Kinder zum Zeitpunkt der Diagnose einer angeborenen Fehlbildung oder akzidentellen Verätzung bzw. Verletzung gemeldet und nach einheitlichen Kriterien dokumentiert werden. Während bei häufigeren Erkrankungen, wie z. B. dem Hodenhochstand, monoinstitutionelle Register informativ sein können 7, sind diese bei so seltenen Erkrankungen wie die benigne Ösophagusstenose multizentrisch-kooperativ anzulegen. die Dokumentation das genaue Ausmaß der Fehlbildung bzw. Schädigung sowie Art und Umfang der Therapiemaßnahmen beinhaltet. jährlich eine Statuserhebung bei allen Patienten erfolgt, um den Langzeitverlauf in vergleichender Weise beurteilen zu können. Hierzu sind spezielle Erhebungsbögen für die Evaluation der subjektiven Lebensqualität durch die Eltern bzw. die Patienten selbst zu entwickeln, wie dies z. B. für rheumatologische 16 oder onkologische Patienten 3 kürzlich erfolgt ist.

Das Fehlen von Richtlinien für die Bougierungsbehandlung liegt einmal an der Schwierigkeit der Materie, wie es in dem Beitrag von Reinshagen et al. [17] wie in diesem Gastkommentar deutlich zum Ausdruck kommt, aber auch am Fehlen eines Diskussionsforums für solch kontroverse Themen innerhalb der Kinderchirurgie. Eine besondere Schwierigkeit liegt in der fehlenden Evaluierung der Spätergebnisse, wie auch aus anderen Bereichen der Kinderchirurgie bekannt [8]. Mit einem prospektiv angelegten Register und einvernehmlich erstellten Leitlinien werden sich auf evidenzbasierter Grundlage die bestmögliche primäre und sekundäre Rehabilitation realisieren lassen. Möglicherweise werden sich so auch leichter neue Therapiemaßnahmen entwickeln lassen, um bisher noch als fatal anzusehende Fehlbildungen von Ösophagus und/oder Trachea (z. B. Trachealagenesie) erfolgreich zu behandeln [5]. Die Effizienz derartiger diagnosebezogener klinischer Register steht außer Frage [8], ihr Dilemma ist die ungeklärte längerfristige Finanzierung [6]. In beispielhafter Weise fördern verschiedene gemeinnützige Institutionen die Forschung und den Wissenstransfer bei Kindern mit bösartigen Erkrankungen seit Jahrzehnten in effizienter Weise [12].

Interessenskonflikt: Die Autoren erklären hiermit, dass kein Interessenskonflikt besteht.

Literatur

  • 1 Berkovits RNP, Bos CE, Wijburg FA. et al . Caustic injury of the oesophagus.  Sixteen years experience, and introdution of a new model of oesophageal stent. J Laryngol Otol. 1996;  110 1041-1045
  • 2 Brusis T, Puder C. Mitteilungen von dem Kölner Arbeitskreis „Laryngeale Stenosen”.  Städtische Klinik Holweide.
  • 3 Calaminus G, Weinspach S, Teske C. et al . Überlebensqualität bei Kindern und Jugendlichen nach Krebserkrankung: Einfluss der Spätfolgen auf diegesundheitsbezogene Lebensqualität.  Klin Padiatr. 2007;  219 152-157
  • 4 Cox JG, Winter RK, Dakkak M. et al . Balloon or bougie for dilatation for benign esophageal stricture?.  Dig Dis Sci. 1994;  39 776-781
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  • 6 Göbel U, Witt O. Das Dilemma der klinischen Register in der pädiatrischen Hämatologie und Onkologie.  Klin Padiatr. 2008;  220 129-133
  • 7 Hadziselimovic F, Hoecht B. Die Histologie des kryptorchen Hodens in Korrelation zur Fertilitätsprognose und zu Hormonergebnissen.  Klin Padiatr. 2008;  220 302-307
  • 8 Hauffa, GK. Why early surgery may not be enough: The search for new therapeutic strategies in cryptorchidism.  Klin Padiatr. 2008;  220 279-280
  • 9 Holzki J. Bronchoscopic findings and treatment in congenital trachea-oesophageal fistula.  Pediatr Anaesth. 1992;  2 297-303
  • 10 Holzki J, Laschat M. Die Bougierung zu Hause mit Gefäß-Ballonkathetern (PTA).  Zeitschrift des KEKS e. V. „Krümelchen”. Stuttgart. 2008;  44 16-22
  • 11 Holzki J, Stratmann C. Die Bougierung der Speiseröhre nach Ösophagusatresien, angeborennen Verengungen und Verätzungen. In: Holschneider AM, Hrsg. Ösophagusatresie, Chancen, Risiken, Grenzen. Eugen Heinz Druck- und Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2004: 66-73
  • 12 Jürgens H, Klingebiel T, Göbel U. et al . Forschungsförderung für die Pädiatrische Onkologie und Hämatologie.  Klin Padiatr. 2007;  219 125-126
  • 13 KEKS e. V. (Kreis von Eltern mit Kindern mit Speiseröhreerkrankungen e. V.) Zusammenschluss von 44 Mitgliedsvereinen. http://www.keks.org , Sommerrainstr. 61, 70374 Stuttgart
  • 14 Kopner R, Gharib M, Engelskirchen R. et al .Kölner Ergebnisse der gastrischen Transposition. In: Holschneider AM, Hrsg. Ösophagusatresie, Chancen, Risiken Grenzen. Eugen Heinz Druck- und Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2004: 58-64
  • 15 Nieuwenhuizen P. Laan van Oostenburg 20. NL-2271 AP Voorburg, Niederlande. Einziger Hersteller des Berko-Doppelstents.
  • 16 Petersen C, Nordmeyer S, Müller-Godeffroy E. et al . Gesundheitsbezogene Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen mit juveniler idiopathischer Arthritis: Welche Rolle spielen Alter, Geschlecht und medizinische Parameter?.  Klin Padiatr. 2008;  220 259-265
  • 17 Reinshagen K, Kähler G, Manegold BC. et al . Der Stent zur Behandlung der benignen Ösophagusstenose im Kindesalter – eine echte Alternative?.  Klin Padiatr. 2009;  221 25-30
  • 18 Spitz L. Gastric transposition via the mediastinal rout for infants with long-gap esophageal atresia.  J Pediatr Surg. 1984;  19 149-154
  • 19 Spitz L. Esophageal replacement. In: O’Neil JA, Rave MI, Grosfeld JL et al. eds. Pediratric Surgery 5th Ed. Mosby-Year Book Inc. 1998: 981-995
  • 20 Tröbs R-B, Dettmer P, Finke W. et al . Doppelte tracheo-ösophageale Fistel, Ösophagusatresie und Trachealstenose – ein ungewöhnlicher tracheoskopischer Befund.  Klin Padiatr. 2009;  221 46-47

Korrespondenzadresse

Dr. J. Holzki

ehem. Leiter der Abteilung für Kinderanästhesie und operative Intensivmedizin

Kinderkrankenhaus Köln

Amsterdamer Straße 59

50735 Köln

Beienburger Str. 45

51503 Rösrath

Phone: +022/05/89 83 546

Email: josef.holzki@arcor.de

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