Aktuelle Dermatologie 2009; 35(10): 398-402
DOI: 10.1055/s-0028-1103490
Kasuistik

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Scabies norvegica sive crustosa

Kasuistik und historischer VergleichSevere Norwegian ScabiesA Case Report and Historical ComparisonA.  Kneisel1 , H.  Mittag1
  • 1Klinik für Dermatologie und Allergologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH
Weitere Informationen

Dr. Andrea Kneisel

Klinik für Dermatologie und Allergologie
Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH
Standort Marburg

Deutschhausstraße 9
35037 Marburg

eMail: kneisel@med.uni-marburg.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. Februar 2009 (online)

Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Scabies norvegica wird am Beispiel eines 38-jährigen Patienten mit Down-Syndrom vorgestellt. Hervorzuheben ist das klinische Bild mit auffällig stark schuppenden, insgesamt aber gering entzündlichen, wenig juckenden Hautveränderungen an typischen Prädilektionsstellen, vor allem an Händen und Füßen (wie bei Skabies der Kinder). Es wird auf die gute Sichtbarkeit der Milben im Kalilaugenpräparat für die Mykologie aufmerksam gemacht, ein charakteristischer histologischer Befund gezeigt und der aktuelle Stand der Therapie vorgestellt.
Dieser in der Gegenwart beobachtete Fall einer Skabies crustosa wurde mit Hebras Darstellung des Krankheitsbildes im berühmten „Atlas der Hautkrankheiten” vor ca. 150 Jahren verglichen.

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Abstract

Severe Norwegian scabies was diagnosed on the skin of a 38-year-old patient with Down syndrome. Clinically, intensely scaly lesions were found with special involvement of the hands and feet. The skin surface was unevenly structured, almost velvet-like, but signs of inflammation were scarce. Itching was not a problem. The KOH-preparation for mycology was well suited for the detection of the mites. Characteristic histologic features were presented on the surface of a fibroma. Adequate and successful therapeutic strategies are listed and discussed.
This actual case of scabies crustosa was compared with Hebra’s presentation in his famous ”Atlas on Skin Diseases“ 150 years ago.

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Einleitung

Die Skabies ist eine häufige parasitäre Infektion, die durch die humanspezifische Krätzmilbe Sarcoptes scabiei variatio hominis hervorgerufen wird. Kennzeichnend ist ein starker Juckreiz auch an klinisch nicht befallenen Hautarealen; der Juckreiz kann vor allem abends durch die Bettwärme quälend sein [1]. Ursache dieses Pruritus, der charakteristischerweise erst 2 – 6 Wochen nach Erstinfektion auftritt, ist eine zellvermittelte Immunantwort gegen Milbenbestandteile und Milbenkot [2]. Bei Hautbefall bohren die Weibchen tunnelartige Gänge in das Stratum corneum und legen dort mehrere Eier pro Tag ab. Bei der Scabies norvegica, die aufgrund einer Beschreibung des Krankheitsbildes durch Cesar Boeck aus Norwegen so benannt wurde („Scab. crustosa Norvegica s. Boecki (Hebra)” [3]), handelt es sich um die „Borkenkrätze” [3], eine hochkontagiöse Verlaufsform mit massivem Hautbefall. Es wurden dabei ungewöhnliche Irritationszustände der Haut und abweichende Lokalisationen [3] sowie ausgeprägte Krustenbildung beobachtet. Diese Form der Skabies kann vor allem bei schlechter Immunabwehr oder mangelnden hygienischen Bedingungen auftreten [4].

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Anamnese

Der 38-jährige Patient mit Down-Syndrom stellte sich in unserer Ambulanz wegen trockener und schuppender Hautveränderungen vor. Diese sollen seit mehreren Wochen am gesamten Körper besonders an den Händen zugenommen haben. Juckreiz wurde vom Patienten selbst verneint, von seiner Betreuerin wurde jedoch wiederholtes Kratzen angegeben. Es wurde berichtet, daß bereits eine Lokaltherapie mit verschiedenen, auch steroidhaltigen Externa sowie eine antipruritische Therapie mit oralen Antihistaminika erfolgt sei, was jedoch zu keiner Besserung der Hauterscheinungen geführt habe.

Der Patient lebt in einer betreuten Wohneinrichtung. Bereits drei Jahre zuvor wurde bei ihm eine Skabies diagnostiziert und behandelt. An Grunderkrankungen ist eine Hypothyreose bekannt. Hinweise für eine Atopie ergaben sich anamnestisch nicht.

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Dermatologischer Aufnahmebefund

Bei Aufnahme imponierte am gesamten Integument, besonders im Bereich der Finger- und Zehenzwischenräume, außerdem gluteal, axillär und periumbilical, eine starke Schuppung mit ungewöhnlichem Hautoberflächenrelief in der seitlichen Beleuchtung. Am ganzen Integument fand sich eine Xerosis cutis, prävertebral waren Hyperkeratosen auf blaß-rötlichem Grund sichtbar. Die Hände und Füße wiesen sowohl palmar und plantar als auch dorsal eine feinlamellöse, festhaftende Schuppung auf, die Oberfläche wirkte zum Teil lichenifiziert, die Zehenzwischenräume waren zudem mazeriert ([Abb. 1 a u. b]). Axillär bestanden beidseits flächige bräunliche Hyperpigmentierungen mit verruköser Lichenifikation, subaxillär links ein mit hämorrhagischen Krusten teilweise belegtes Fibroma pendulans ([Abb. 2]).

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Abb. 1 Scabies norvegica sive crustosa – Klinisches Bild: Feinlamellöse Schuppung und Lichenifikation, wenig Rötung, keine Kratzeffekte, symmetrisch an Händen und Füßen. a Beispiel: rechter Fuß. b Beispiel: linke Hand.

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Abb. 2 Scabies norvegica sive crustosa – Klinisches Bild: Flächige bräunliche Hyperpigmentierung mit verruköser Lichenifikation axillär links. Subaxillär ein Fibroma pendulans, mit Schuppen und Schuppenkrusten bedeckt. Zusätzlich Striae.

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Befunde diagnostischer Untersuchungen

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Laborparameter

Auffällig war: Eosinophilie (21 %) und Lymphozytopenie (16 %), Erhöhung des C-reaktiven Proteins (11 mg/l) sowie geringgradige Erhöhung von AST (42 U/l), ALT (58 U/l), GGT (113 U/l) und Harnsäure (7.9 mg/dl).

Keine Anhaltspunkte für eine reduzierte Immunabwehr.

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Mykologisches Labor

Hautschuppen Zehenzwischenraum:

Nativpräparat: positiv auf Pilze und Milben ([Abb. 3])

Kultur: Trichophyton rubrum

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Abb. 3 Scabies norvegica sive crustosa – Nativpräparat mit Kalilauge: Milbennachweis (Milbenmännchen).

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Histopathologie

Für die histologische Untersuchung lag das subaxillär links entfernte Fibrom vor, es zeigte eine auffällige Oberflächenstruktur.

Die Einbuchtungen an der Oberfläche enthielten Anschnitte von Milben und Milbeneiern zwischen ortho- und parakeratotischen Hornlagen. Die oberflächlichen Anteile der akanthotischen Epidermis zeigten teilweise eine Gang-Struktur; wenig Infiltrat subepidermal ([Abb. 4 a]). In einer anderen Anschnittsebene war, bei ähnlichem Oberflächenbefund, ein mäßig dichtes entzündliches Infiltrat aus eosinophilen Granulozyten, Lymphozyten und Plasmazellen der Epidermis angelagert. Mäßig dichtes lymphoides Infiltrat perivasal im Corium; etwas ektatische Gefäße ([Abb. 4 b]).

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Abb. 4 Scabies norvegica sive crustosa – Histologisches Präparat (HE-Färbung) des Fibroms von [Abb. 2]. a Abschnitt ohne entzündliches Infiltrat. Anschnitte von zahlreichen Milben (M) und Milbeneiern zwischen ortho- und parakeratotischen Hornlamellen, Gangstruktur (←) in den oberflächlichen Anteilen der akanthotischen Epidermis (E) angedeutet. b Abschnitt mit stärkerem entzündlichem Infiltrat (I), Milben (M) in mehreren Lagen an der Oberfläche der akanthotischen Epidermis (E).

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Diagnose

Scabies norvegica sive crustosa (an einem Fibroma molle).

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Therapie und Verlauf

Initial erfolgte eine multimodale Dermatotherapie mit topischen Steroiden im Wechsel mit Antiseptika (Triclosan) sowie eine antipruritische Therapie mit oralen Antihistaminika (Desloratadin und Hydroxyzin). An den Händen und Füßen sowie am Kapillitium wurde zunächst eine Keratolyse mit salicylsäurehaltigen Externa durchgeführt, die Zehenzwischenräume wurden lokal antimykotisch mit Ciclopiroxolamin behandelt.

Es erfolgte dann die zielgerichtete antiskabiöse Behandlung. Zur Lokaltherapie wurde zweimal, im Abstand von einer Woche, Permethrin 5 % in Cremegrundlage unter Betonung der Prädilektionsstellen aufgetragen. Das Gesicht und die behaarte Kopfhaut wurden ausgespart. Aufgrund des ausgeprägten Befundes wurde zusätzlich eine systemische Therapie mit Ivermectin 18 mg zweimalig im Abstand von 10 Tagen durchgeführt. Im Anschluss wurde mit einem Klasse-II-Glukokortikoid nachbehandelt und die antimykotische Lokaltherapie fortgeführt.

Hierunter kam es zu einer deutlichen Besserung des Hautbefundes. Der Patient hat sich seither nicht mehr bei uns vorgestellt.

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Diskussion

Mit der Entwicklung der Spezies Homo sapiens begann vor über 10 000 Jahren auch die Differenzierung der humanspezifischen Krätzemilbe Sarcoptes scabiei variatio hominis, die auf der Haut anderer Primaten nicht überleben kann [1].

Weibliche Krätzmilben ([Abb. 5 a] [5]) werden 0,3 – 0,5 mm groß und sind daher mit dem bloßen Auge gerade noch als Punkt zu erkennen, männliche Tiere dagegen werden nur halb so groß. Die Männchen gehen gleich nach der Begattung zugrunde. Die weiblichen Milben sind mit Hilfe ihrer kräftigen Mandibeln in der Lage, in das Stratum corneum ([Abb. 5 b]) tunnelartige Gänge zu graben, in die sie pro Tag 1 – 3 Eier legen [7]. Milben können kurze Zeit ohne Wirt leben, in der Regel tritt eine Infektion allerdings nur bei engem Körperkontakt von Mensch zu Mensch auf [8]. Bei Erstbefall dauert es ca. 2 – 6 Wochen bis zum Auftreten erster Symptome, die sich typischerweise in Form eines quälenden Juckreizes äußern, der sich vor allem unter Bettwärme verstärkt. Dieser Pruritus ist Ausdruck einer zellvermittelten Immunreaktion des Wirtes auf die in Milbenkot (Skybala) oder Milbenbestandteilen vorhandenen Allergene [2]. Außerdem kommt es zur Ausbildung einer Ekzemreaktion mit Bläschen und Papulovesikeln. Prädilektionsstellen sind Hautareale mit dünner Hornschicht sowie warmem Milieu, wie z. B. Zehen- und Fingerzwischenräume, die axilläre, perimamilläre, periumbilikale, genitale und perianale Region sowie die Fußränder. Bei Säuglingen können zusätzlich Gesicht und behaarte Kopfhaut, Handflächen und Fußsohlen betroffen sein [9]. In der Regel lassen sich bei immunkompetenten Infizierten lediglich 10 – 15 Milbenweibchen in der Haut finden. Anders verhält sich dies bei der Scabies norvegica, einer hochkontagiösen Verlaufsform mit ausgeprägter Krustenbildung [10], bei der sich mehrere Millionen Milben auf der Haut ansiedeln können. Diese Krankeitsform tritt vor allem bei schlechter Immunabwehr oder nach ausgedehnter lokaler Kortikosteroidtherapie auf [11] [12], auch ein gehäuftes Auftreten bei Patienten mit Down-Syndrom ist beschrieben [4] [13]. Diese sogenannte „Borkenkrätze” ist, wie in unserer Kasuistik, durch einen großflächigen Hautbefall gekennzeichnet, wobei der Grad der Begleitentzündung variieren kann. Palmare und plantare Hyperkeratosen sind meist charakteristisch [14]. Manchmal bestehen psoriasiforme [13] oder impetiginisierte Hautveränderungen ([Abb. 6] [6]). Der Juckreiz kann bei der Scabies norvegica offensichtlich, wie bei unserem Patienten, trotz Eosinophilie, gering ausgeprägt sein oder fehlen. Entsprechend spärlich sind Kratzeffekte beim klinischen Befund ([Abb. 1 a u. b],  [Abb. 2]). Auch histologisch gibt es Areale mit wenig Infiltrat trotz zahlreicher Milben an der Oberfläche ([Abb. 4 a]).

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Abb. 5 Aus Hebra: Atlas der Hautkrankheiten Band I (1856) [5]: a Milbenweibchen (von der Bauchseite, Mandibeln sichtbar). b Milbengänge. Die weibliche Krätzmilbe gräbt einen tunnelartigen Gang in die Epidermis, wo sie 1 – 3 Eier pro Tag ablegt.

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Abb. 6 Aus Hebra: Atlas der Hautkrankheiten Band 5, Heft 1, Tafel 1 (1865) [6]: (Milbenreiche) Krätze. Teilweise impetiginisiert, teilweise etwas psoriasiform wirkend; Milbengänge (besonders auf der Brust sichtbar).

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Diagnostik

Im Praxisalltag wird die Diagnose „Skabies” häufig allein klinisch gestellt und auf den oft sehr zeitaufwändigen Milbennachweis verzichtet, der zudem einiges an praktischer Erfahrung erfordert. Doch nur der Nachweis von Milben, Eiern oder Skybala kann die Diagnose sichern. Hierfür stehen mehrere Methoden zur Verfügung. Die Darstellung eines Milbenganges erfolgt z. B. durch den „burrow-ink”-Test, indem man das entsprechende Hautareal mit einem Filzstift markiert, wobei sich der Milbengang durch Kapillarkräfte anfärbt und sichtbar bleibt, wenn die Farbe an der Oberfläche abgewischt wird. Der gefärbte Gang läßt sich mit einer Kanüle sondieren, Milben und Milbenbestandteile bleiben an der Kanüle hängen und können mikroskopiert werden [15].

Eine weitere Methode ist die Auflichtmikroskopie. Hierbei stellt sich der Vorderleib der Milbe als bräunliches Dreieck am Gangende dar.

Bei einer Scabies norvegica kann aufgrund der hohen Milbenlast, die auch im histologischen Präparat ([Abb. 4 a u. b]) unseres Patienten zu sehen ist, ein positiver Milbennachweis allein durch Mikroskopieren von Hautschuppen erbracht werden [15]. Besonders gut stellt sich die Milbe durch das Andauen mit Kalilauge dar ([Abb. 3]).

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Therapie

Gemäß der aktuellen Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft ist auch bei Skabies norvegica die lokale Behandlung mit Permethrin 5 % in Cremegrundlage Therapie der Wahl [15]. Im Vergleich zu Lindan genügt meist eine Einmalanwendung, und es besteht eine geringere resorptive Wirkung [16]. Auch ist Permethrin in Schwangerschaft und Stillzeit nicht ausdrücklich kontraindiziert und ab dem 3. Lebensmonat zur Ganzkörperanwendung zugelassen [17]. Bei unserem Patienten wurde aufgrund der festhaftenden Schuppen an Handflächen und Fußsohlen die Keratolyse und auch die Permethrinbehandlung nach einer Woche erneut durchgeführt.

Andere lokale Antiskabiosa, wie z. B. Benzylbenzoat, Crotamiton und Allethrin mit Piperonylbutoxid sind als Mittel der 2. bzw. 3. Wahl anzusehen [15].

Aufgrund des ausgeprägten Befundes wurde bei unserem Patienten zusätzlich eine systemische Skabiestherapie mit Ivermectin per os in einer Dosierung von 0,2 mg/kg Körpergewicht durchgeführt. Ivermectin aus der Wirkstoffgruppe der Avermectine wurde aus Kulturen von Streptomyces avermitilis isoliert und wirkt auf Nematoden, Ascariden, Läuse und Milben [18].

Die Kombinationstherapie der zweimaligen topischen Therapie mit Permethrin 5 % sowie der systemischen Gabe von Ivermectin wird auch von den „European STD Guidelines” bei Scabies norvegica empfohlen. Ivermectin ist in Deutschland für diese Indikation nicht zugelassen und muss über die internationale Apotheke bezogen werden. Eine mögliche Indikation zum off-label Gebrauch stellt die geistige Behinderung des Patienten dar, aufgrund derer eine Ganzkörperbehandlung mit adäquater Einwirkungszeit erschwert ist. Durch die fehlende ovozide Wirkung muss jedoch nach 10–14 Tagen eine erneute Ivermectineinnahme erfolgen.

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Vergleich von Skabies norvegica in der Gegenwart und im 19. Jahrhundert

Damals wie heute ließ sich die hohe Milbenlast an der Hautoberfläche bei Scabies norvegica sive crustosa für die mikroskopische Untersuchung und Darstellung der Milben nutzen. Im Textteil des berühmten „Atlas der Hautkrankheiten”, dem ersten Band (1856) des von Hebra herausgegebenen Atlaswerks, liegen Skizzen zur reichlichen Besiedlung der Schuppen, zur Gangbohrung in die Epidermis ([Abb. 5 b]), zu den männlichen und weiblichen Milben ([Abb. 5 a]) und ihren Entwicklungsstadien vor. Die weiteren Bände des Atlas, der in 10 Lieferungen bis 1876 erschien, enthalten klinische Bilder. Die Tafeln zur Krätze finden sich im Bildband 5 (Heft 1) [6] des Atlas (1865), darin wurde Tafel 1 „N[ach] d[er] Nat[ur] gemalt v[on] Dr. A. Elfinger u. Dr. C. Heitzmann” [6] und von Heitzmann lithographiert ([Abb. 6]). Das klinische Bild mit Pusteln, Krusten, Schuppenkrusten, Exkoriationen und typischen Gängen [an der Brust] ist eher einer schweren „klassischen” Skabies zuzuordnen und weicht deutlich vom Erscheinungsbild der lichenifizierten und schuppenden, aber wenig entzündeten Haut unseres Patienten ab. Lokalisationsmäßig entsprechen sich die betroffenen Körperregionen bei beiden Patienten, vor etwa 150 Jahren und jetzt, weitgehend. Hinsichtlich der Behandlung waren „Krätzige” für Ärzte und Kliniken in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Herausforderung, so z. B. festgehalten für das Marburger Elisabethhospital unter C. F. Heusinger [19]. Zur Behandlung diente damals hauptsächlich Schwefel. Auch ätherische Öle, Perubalsam, Styrax, Petroleum, β-Naphthol und Naphthalin wurden eingesetzt [3].

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Fazit

Bei schuppenden Hautveränderungen an den Prädilektionsstellen einer Skabies sollte auch bei wenig Entzündung und Juckreiz differentialdiagnostisch an eine Krätze, speziell an Scabies norvegica, gedacht werden.

Die reichliche Milben-Besiedlung der Hautoberfläche bei Scabies norvegica kann epidemiologisch ein Problem darstellen; dafür aber ist der Milbennachweis an Schuppen häufig mit Hilfe eines einfachen Kalilaugen-Präparates erfolgreich.

Im Gegensatz zu früher ist eine diagnostizierte Scabies norvegica heutzutage weniger beunruhigend, weil es gut wirksame Behandlungsstrategien mit rasch und erfolgreich durchführbaren Maßnahmen gegen diese milbenreiche Form der Krätze gibt, wie am Beispiel unseres Patienten erläutert.

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Literatur

  • 1 Jung E G. Skabies in der Geschichte und Geschichten über Krätze.  Aktuelle Dermatol. 2004;  30 126-129
  • 2 RKI, Hrsg . Krätzmilbenbefall (Skabies), Merkblatt für Ärzte.  Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz. 2000;  43 550-554
  • 3 Geber E. Die parasitären Hautkrankheiten. Thierische Parasiten. 1. Die durch den Sarcoptes scabiei hominis verursachte Scabies, Krätze.  In: v. Ziemssen H (Hrsg). Handbuch der Hautkrankheiten II. Leipzig; Vogel 1884: 349-369
  • 4 Roberts L J, Huffam S E, Walton S F, Currie B J. Crusted scabies: clinical and immunological findings in seventy-eight patients and a review of the literature.  J Infect. 2005;  50 375-381
  • 5 Hebra F. Atlas der Hautkrankheiten. Bd. 1. Text. Wien; Kaiserl.-Königl. Hof- und Staatsdruckerei 1856 (Exemplar der UB Marburg)
  • 6 Hebra F. Atlas der Hautkrankheiten. Bd. 5. Heft 1. Abbildungen von Elfinger A und Heitzmann C. Wien; Kaiserl.-Königl. Hof- und Staatsdruckerei 1865 (Exemplar der UB Marburg)
  • 7 McCarthy J S, Kemp D J, Walton S F, Currie B J. Scabies: more than just an irritation.  Postgrad Med J. 2004;  80 382-387
  • 8 Jackson R. Scabies by Kenneth Mellanby.  J Cutan Med Surg. 2004;  8 73-76
  • 9 Eigelshoven S, Hengge U R, Sege H. Klinische und therapeutische Vielfalt der Skabies.  Hautarzt. 2007;  58 827-828
  • 10 Mähnß B, Itschert G, Neuber K. Scabies norvegica bei Diabetes mellitus.  Aktuelle Dermatol. 2001;  27 123-125
  • 11 Jaramillo-Ayerbe F, Berrio-Munoz J. Ivermectin for Crusted Norwegian Scabies Induced by Use of Topical Steroids.  Arch Dermatol. 1998;  134 143-145
  • 12 Wong S SY, Woo P CY, Yuen K. Unusual Laboratory Findings in a Case of Norwegian Scabies Provided a Clue to Diagnosis.  J Clin Microbiol. 2005;  43 2542-2544
  • 13 Gach J E, Heagerty A. Crusted scabies looking like psoriasis.  Lancet. 2000;  356 650
  • 14 Almond D S, Green C J, Geurin D M, Evans S. Norwegian scabies misdiagnosed as an adversed drug reaction.  BMJ. 2000;  320 35-36
  • 15 Sunderkötter C, Mayser P, Fölster-Holst R. et al . Leitlinie: Skabies.  JDDG. 2007;  5 424-430
  • 16 Hamm H, Beiteke U, Höger P H. et al . Therapie der Skabies mit 5 %iger Permethrin-Creme: Ergebnisse einer deutschen multizentrischen Studie.  JDDG. 2006;  4 407-413
  • 17 Fölster-Holst R, Rufli T, Christophers E. Die Skabiestherapie unter besonderer Berücksichtigung des frühen Kindesalters, der Schwangerschaft und Stillzeit.  Hautarzt. 2000;  51 7-13
  • 18 Tzenow I, Wehmeier M, Melnik B. Orale Behandlung der Scabies mit Ivermectin.  Hautarzt. 1997;  48 2-4
  • 19 Malchau U. Carl Friedrich Heusinger (1792 – 1883): sein Leben und Werk und seine Bedeutung für die Marburger Medizin des 19. Jahrhunderts. Marburg; Univ.-Diss 1973

Dr. Andrea Kneisel

Klinik für Dermatologie und Allergologie
Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH
Standort Marburg

Deutschhausstraße 9
35037 Marburg

eMail: kneisel@med.uni-marburg.de

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Literatur

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Standort Marburg

Deutschhausstraße 9
35037 Marburg

eMail: kneisel@med.uni-marburg.de

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Abb. 1 Scabies norvegica sive crustosa – Klinisches Bild: Feinlamellöse Schuppung und Lichenifikation, wenig Rötung, keine Kratzeffekte, symmetrisch an Händen und Füßen. a Beispiel: rechter Fuß. b Beispiel: linke Hand.

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Abb. 2 Scabies norvegica sive crustosa – Klinisches Bild: Flächige bräunliche Hyperpigmentierung mit verruköser Lichenifikation axillär links. Subaxillär ein Fibroma pendulans, mit Schuppen und Schuppenkrusten bedeckt. Zusätzlich Striae.

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Abb. 3 Scabies norvegica sive crustosa – Nativpräparat mit Kalilauge: Milbennachweis (Milbenmännchen).

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Abb. 4 Scabies norvegica sive crustosa – Histologisches Präparat (HE-Färbung) des Fibroms von [Abb. 2]. a Abschnitt ohne entzündliches Infiltrat. Anschnitte von zahlreichen Milben (M) und Milbeneiern zwischen ortho- und parakeratotischen Hornlamellen, Gangstruktur (←) in den oberflächlichen Anteilen der akanthotischen Epidermis (E) angedeutet. b Abschnitt mit stärkerem entzündlichem Infiltrat (I), Milben (M) in mehreren Lagen an der Oberfläche der akanthotischen Epidermis (E).

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Abb. 5 Aus Hebra: Atlas der Hautkrankheiten Band I (1856) [5]: a Milbenweibchen (von der Bauchseite, Mandibeln sichtbar). b Milbengänge. Die weibliche Krätzmilbe gräbt einen tunnelartigen Gang in die Epidermis, wo sie 1 – 3 Eier pro Tag ablegt.

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Abb. 6 Aus Hebra: Atlas der Hautkrankheiten Band 5, Heft 1, Tafel 1 (1865) [6]: (Milbenreiche) Krätze. Teilweise impetiginisiert, teilweise etwas psoriasiform wirkend; Milbengänge (besonders auf der Brust sichtbar).