Krankenhaushygiene up2date 2008; 3(4): 373-387
DOI: 10.1055/s-0028-1103433
Technische und bauliche Aspekte

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Wie sicher soll Ihr OP-Raum sein?

Peter  Lüderitz
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Publication Date:
29 December 2008 (online)

Kernaussagen

Sofern ein OP-Raum gegen von außen hereintransportierte luftgetragene Keime durch einwandfreie Schwebstofffilter und eine positive Luftbilanz mit kräftiger Überströmung in vorgelagerte Räume abgesichert ist, ist die einzige Keimquelle im OP-Raum das dort beschäftigte Personal.

Die traditionelle OP-Bereichskleidung einschließlich Astro-Haube und großem Mund-Nasen-Schutz und auch die sterilisierten und teilweise wasserdichten OP-Kittel verhindern weder die Freisetzung bakteriell kontaminierter Aerosole mit der Ausatemluft und erst recht nicht die Freisetzung des mikrobiell besiedelten Hautabriebes aus den intimsten Körperregionen. Die traditionelle OP-Bekleidung ist nicht reinraumgerecht.

Aseptische Operationen an gut immunkompetenten Personen in gut durchbluteten Geweben mit nicht allzu langen Schnitt-Naht-Zeiten und bei adäquater perioperativer Antibiotikaprophylaxe stellen keine allzu hohen Anforderungen an die Keimarmut der Luft. Turbulent mischbelüftete OP-Räume (Raumklasse Ib) mit einer Raumluftwechselrate von > 20 h-1 sind dafür im Allgemeinen ausreichend.

Alle Operationen an alters-, krankheits- oder therapiebedingt nicht voll immunkompetenten Patienten, alle sehr lange dauernden Operationen, alle Operationen mit Einbau von massiven körperfremden Materialien (gleich ob Silikon, Kunststoffe oder Metalle) und alle Operationen, bei denen viel auf den Instrumententischen offen herumstehende Spülflüssigkeit eingesetzt wird, bedürfen eines besonderen Schutzes des Wundgebietes und der Instrumententische vor Kontamination mit luftgetragenen Keimen. Hierfür ist ein OP-Raum Klasse Ia mit einem definierten Schutzbereich mit definierter Schutzwirkung erforderlich.

Der Schutzbereich und die Schutzwirkung eines OP-Raumes Klasse Ia ergeben sich aus der Größe der Zuluftdecke, dem Zuluftvolumenstrom, dem Zuluftverteiler (Homogenflow oder Differenzialflow), der Luftführung im Raum und den luftströmungsstörenden Eigenschaften von medizintechnischen Ausrüstungen im Reinluftstrom.

Die Größe des Schutzbereiches und die Schutzwirkung sind ganz individuelle technische Eigenschaften eines jeden einzelnen OP-Raumes. Eine Strömungsleiteinrichtung (Schürze, verglaste Medienbrücke) kann die Schutzwirkung verbessern.

Strömungsungünstige OP-Leuchten und in den Reinluftstrom eingeschwenkte DVE-Arme können die Schutzwirkung drastisch verschlechtern.

Die Größe des Schutzbereiches und die Schutzwirkung eines OP-Raumes Klasse Ia können mit einem hygienisch-technischen Messverfahren (Messung der Schutzgrade nach VDI 2167-1: 2007 und DIN 1946-4: 2008) schnell, objektiv und völlig unabhängig von Anzahl, Bekleidung und Aktivität irgendwelcher Personen geprüft, dokumentiert und mit den hygienischen Anforderungen verglichen werden.

Mikrobiologische Verfahren eignen sich nicht zur Bestimmung der Schutzwirkung, sondern nur zur Bestimmung der momentanen Keimemission der momentan im Raum aktiven Personen.

Irgendwelche Messungen von Turbulenzgraden unter einer Zuluftdecke geben keine Auskunft über die Schutzwirkung. Leicht turbulente, aber eindeutig nach außen gerichtete Luftströmungen bringen eine gute Schutzwirkung.

Die Lüftungseffizienz (Keimzahlverminderung durch Verdünnung und Abführung) eines OP-Raumes Klasse Ib kann durch hygienisch-technische Messung der Erholzeit 100 : 1 objektiv und reproduzierbar bestimmt werden.

Aus logistischen Gründen (multidisziplinäre Nutzbarkeit jedes OP-Raumes für jede im Haus durchführbare Operation) wird die Ausstattung von OP-Abteilungen überwiegend mit OP-Räumen Klasse Ia empfohlen, auch wenn Klasse Ia nicht für alle Operationen erforderlich ist.

Die Gesamtkosten eines OP-Raumes Klasse Ia (Flächenbedarf, Investitionskosten und Betriebskosten während der Gesamtnutzungsdauer) sind geringer als die Gesamtkosten eines OP-Raumes Klasse Ib.

Literatur

  • 1 Kappstein I. Die Luft als Erregerreservoir für postoperative Wundinfektionen Teil 1.  Krankenhaushygiene up2date. 2007;  1 53-68
  • 2 Kappstein I. Die Luft als Erregerreservoir für postoperative Wundinfektionen Teil 2.  Krankenhaushygiene up2date. 2007;  2 161-183
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  • 4 Leitlinie Ausführung und Betrieb von raumlufttechnischen Anlagen (RLT-Anlagen) in Krankenhäusern (Arbeitsgruppe RLT-Anlagen der DGKH (Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene), SGSH (Schweizerische Gesellschaft für Spitalhygiene) und ÖGHMP (Österreichische Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin).  HygMed. 2002;  27 106-113
  • 5 SWKI 99-3: 2003-05 Richtlinie Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen in Spitalbauten; Hrsg. SWKI (Schweizerischer Verein von Wärme- und Klimaingenieuren), 1. 5. 2003 in der Fassung des Beiblattes vom 27. 5. 2004. 
  • 6 VDI 2167-1: 2007-08 Technische Gebäudeausrüstungen von Krankenhäusern; Blatt 1 Heizungs- und Raumlufttechnik (VDI-Lüftungsregeln). 
  • 7 Entwurf D IN.
  • 8 DIN 1946-4: 1999-03 Raumlufttechnik – Teil 4: Raumlufttechnische Anlagen in Krankenhäusern. 
  • 9 DIN 4799: 1990-06 Raumlufttechnik – Luftführungssysteme für Operationsräume; Prüfung. 
  • 10 DIN EN ISO/IEC 17025: 2005-08 Allgemeine Anforderungen an die Kompetenz von Prüf- und Kalibrierlaboratorien in der Fassung der 1. Berichtigung 2007-01. 
  • 11 KTI-Projekt 7764.1 EPRP-IW: Gebäudetechnik im Gesundheitswesen, Abschlussbericht Dezember 2007. 
  • 12 Läng H-P. GIG Gebäudetechnik im Gesundheitswesen. Spektrum GebäudeTechnik 2008/H.4
  • 13 DIN EN ISO 14644-3: 2006-03 Reinräume und zugehörige Reinraumbereiche; Teil 3: Prüfverfahren; deutsche Fassung von EN ISO 14644-3: 2005. 

MR Dr. med. habil. Peter Lüderitz

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