Bild: PhotoDisc Inc. Nachgestellte Situation.
Nach den aktuellen Leitlinien werden zur Behandlung bei leichter bis mittelschwerer
Alzheimer-Demenz (AD) Acetylcholinesterasehemmer (AChI), wie Galantamin (Reminyl®),
empfohlen. Bei schwerer Demenz steht die Zulassung jedoch bisher noch aus. Dabei leben
bereits heute rund 35 % der Patienten mit Alzheimer-Demenz in Pflegeheimen.
Auf dem European Federation of Neurological Societies (EFNS) in Madrid stellte Dr.
Joop C. van Oene, PhD, Tilburg, die ersten Ergebnisse der SERAD-Studie (Safety and
Efficacy of Reminyl® in Severe Alzheimer's Disease) vor [5]. Diese randomisierte placebokontrollierte Studie untersuchte Wirksamkeit und Sicherheit
von Galantamin bei Patienten mit schwerer Demenz, die in einem Pflegeheim untergebracht
waren.
Tab. 1 Ergebnisse der SERAD-Studie: Demografische Daten und Komorbiditäten.
Galantamin ist ein AChI, der einen einzigartigen Wirkmechanismus aufweist. Im Gegensatz
zu anderen AChI inhibiert er nicht nur den Abbau von Acetylcholin, sondern moduliert
gleichzeitig die nikotinergen Rezeptoren. Wirksamkeit und Sicherheit von Galantamin
bei leichter bis mittelschwerer AD konnten bereits in mehreren Studien gezeigt werden
[1], [2]. Auch bei fortgeschrittener Demenz liegen bereits vielversprechende Ergebnisse vor
[3], [4].
Studiendesign
Studiendesign
407 Patienten erhielten in der multizentrischen Studien zunächst für 6 Monate doppelblind
und randomisiert Galantamin oder Placebo. Anschließend wurde die Studie weitere 6
Monate offen fortgeführt. Die ersten Patienten wurden im Dezember 2003 in die Studie
aufgenommen, die im September 2007 endete. Eingeschlossen wurden Patienten in Pflegeheimen
mit einer schweren AD, d. h. einem Mini Mental Status Test (MMST)-Wert zwischen 5
und 12 und der Diagnose einer AD nach DSM-IV und den Kriterien des National Institute
of Neurological and Communicative Disorders and Stroke - Alzheimer's Disease Related
Disorders Association (NINDS-ADRDA-Kriterien) (wahrscheinliche AD) bzw. der Diagnose
einer möglichen AD mit zerebrovaskulärer Erkrankung (CVD) nach den Kriterien des National
Institute of Neurological Disorders and Stroke - Association International pour la
Recherche et l'Enseignement en Neurosciences (NINDS-AIREN-Kriterien). Das Durchschnittsalter
betrug in der Galantamin-Gruppe 83,7 Jahre, in der Placebo-Gruppe 83,5 Jahre. Die
demografischen Daten der Patienten zeigt Tabelle 1. In den letzten 3 Monaten waren
die Patienten weder mit AChI noch mit Memantine behandelt worden.
Die Galantaminzieldosis betrug 24 mg/d, die Durchschnittsdosis 22,0 mg/d. In den ersten
4 Wochen erhielten die Patienten 4 mg Galantamin (2-mal täglich), dann für 4 Wochen
täglich 2 × 8 mg/d, anschließend 2 × 12 mg/d. Ab Woche 12 war auch eine Dosisreduktion
auf 16 mg/d möglich. Ausgewertet wurden die Daten der Patienten, die wenigstens eine
Dosis Galantamin erhalten hatten ("Intent to treat population"), nach Woche 26.
Messparameter
Messparameter
Als primäre Parameter wählten die Untersucher Kognition und Aktivitäten des täglichen
Lebens. Die kognitiven Fähigkeiten der Patienten wurden anhand der Severe Impairment
Battery (SIB) bestimmt, die Alltagsaktivitäten anhand des Minimum Data Set - Activities
of Daily Living (MDS-ADL). Sekundäre Messparameter waren Verhalten (NPI - Nursing
Home version (NPI-NH)), soziale Kompetenzen (Subskala des MDS für psychosoziales Befinden,
Kognition nach dem MMST sowie Sicherheit und Verträglichkeit (Nebenwirkungen, Vitalzeichen,
EKG, Labor, körperlich-neurologischer Befund).
Ergebnisse
Ergebnisse
81,2 % der Patienten unter Galantamin beendeten die 6-monatige placebokontrollierte
Phase (n = 168), unter Placebo 80,5 % (n = 161). Der häufigste Grund für einen Studienabbruch
waren sowohl in der Galantamin- als auch in der Placebo-Gruppe unerwünschte Nebenwirkungen
(je 14,5 %).
Die Kognition verbesserte sich in der Verum-Gruppe signifikant im Vergleich zur Placebo-Gruppe
(p < 0,01) (Abb. [1]). Auch die Aktivitäten des täglichen Lebens verbesserten sich unter Galantamin vs.
Placebo in den Subgruppen 'Bewegung im Pflegeheim', 'Essen' und 'körperliche Hygiene'
(Abb. [2]).
Abb. 1 Signifikante Verbesserung der Kognition unter Galantamin vs. Placebo bei schwerer
Alzheimer-Demenz.
Abb. 2 Verbesserung der Alltagsaktivitäten unter Galantamin vs. Placebo.
Hinsichtlich der sekundären Messparameter soziale Kompetenzen benötigten im Item 'Unterstützung
bei Fortbewegung im Stationsbereich' die Patienten unter Galantamin signifikant weniger
Hilfe als die Placebo-Patienten (p < 0,005). Auch die Anzahl der Tage, in denen die
Patienten in ein Krankenhaus aufgenommen werden mussten, waren unter Galantamin signifikant
geringer im Vergleich zu den Ausgangsdaten.
Die Verträglichkeit unter Galantamin war vergleichbar mit den Ergebnissen unter Placebo.
Die Anzahl der Nebenwirkungen war in beiden Gruppen ähnlich. Die Art der unerwünschten
Ereignisse war jedoch unterschiedlich. So traten unter Galantamin deutlich seltener
Infektionen auf als unter Placebo (1,9 vs. 5,0 %), an Bronchitis erkrankten unter
Galantamin 3,9 % der Patienten, unter Placebo 8,0 %, auch Hypertension war in der
Galantamin-Gruppe signifikant seltener (1,4 vs. 5,5 %). Dies spiegelt sich auch in
der Mortalität der Patienten wider, die in der Galantamin-Gruppe signifikant geringer
war als in der Placebo-Gruppe (3,9 vs. 10,5 %). Vermutlich könne dies darauf zurückgeführt
werden, dass die Galantamin-Patienten mehr auf der Station herumgingen und so mehr
Bewegung hätten, schlussfolgerte van Oene.
Klinisch relevante Effekte von Galantamin auf Blutdruck und Herzfrequenz wurden nicht
beobachtet.
Fazit
Fazit
Bei den Patienten mit schwerer Demenz verbesserte Galantamin die Kognition signifikant
gegenüber Placebo (SIB-Gesamtscore). Auch in den Items Gedächtnis, Praxis und visuospatiale
Fähigkeiten erzielten die Patienten unter Galantamin signifikant bessere Ergebnisse
als die unter Placebo. Hinsichtlich der Alltagskompetenzen, gemessen mit der MDS-ADL
self-performance, konnte im Item 'Bewegung im Stationsbereich' ein signifikanter Vorteil
in der Galantamin- im Vergleich zur Placebo-Gruppe nachgewiesen werden. Hinsichtlich
der Verträglichkeit hat sich Galantamin bei Patienten mit schwerer Demenz als sicher
und verträglich gezeigt. Die Mortalilität der Patienten war unter Galantamin signifikant
geringer als unter Placebo.
Dr. Katrin Wolf, Eitorf
Quelle: Symposium "SERAD - Safety and Efficacy of galantime (Reminyl®) in severe Alzheimer's
Diseases" am 25. August 2008 im Rahmen des 12. Kongresses der European Federation
of Neurological Societies (EFNS) 2008 in Madrid (Spanien), veranstaltet von der Janssen-Cilag
GmbH