Die Studie erfasst prospektiv die aufgetretenen oberflächlichen und tiefen Wundinfektionen
von 3686 Patienten, die in einem Zeitraum von 5 Jahren an einem Universitätsklinikum
(Department of Orthopaedics and Trauma, University Hospital, Nottingham, UK) wegen
einer hüftgelenksnahen Fraktur behandelt wurden. Sie betrachtet die Risikofaktoren,
die Behandlung, die Bakteriologie, die Mortalität und die Kosten bei manifester Infektion
nach operativer Versorgung.
Early infection after hip fracture surgery. Risk factors, costs and outcome. J Bone
Joint Surg Br 2008; 90: 770-777
Material und Methode
Alle Daten von Patienten mit einer hüftgelenksnahen Fraktur wurden von einem unabhängigen
Untersucher prospektiv gesammelt. Da das Krankenhaus die einzige Einrichtung in einem
Einzugsgebiet von etwa 750.000 Einwohnern ist, die eine Notfallversorgung durchführt,
war es den Autoren möglich Früh- und Spätinfektionen weitestgehend vollständig zu
erfassen. Die Daten wurden retrospektiv ausgewertet, dabei wurden Patienten mit einer
periprothetischen Fraktur ausgeschlossen (einziges Ausschlusskriterium).
Die operative Versorgung der hüftgelenksnahen Fraktur erfolgte unter einer Antibiotikaprophylaxe.
Bei Penicillin- allergie wurde mit Vancomycin behandelt, ansonsten kam ein Cephalosporin
zu Anwendung. Die Operation erfolgte immer in einem "laminar airflow"-Operationsraum.
Bei zementierten Implantaten wurde ein gentamycinhaltiger Zement verwendet. Die Operationsdauer
und das verwendete Implantat wurden erfasst.
Bei allen Patienten bei denen eine postoperative Infektion aufgetreten war, konnten
diese auf den primären Eingriff zurückgeführt werden. Die Infektion wurde als tiefe
Infektion klassifiziert, wenn der Infekt bis auf die tiefe Faszie zu verfolgen war,
die Wunde offen oder drainiert gelassen werden musste, radiologische Zeichen eines
Infektes nachgewiesen oder das Implantat entfernt werden musste. Wundprobleme bei
denen eine Antibiotikatherapie erfolgte ohne dass eines der oben genannten Anzeichen
eines tiefen Infekts auftrat wurden unabhängig vom bakteriologischen Ergebnis als
oberflächige Wundinfektionen klassifiziert.
Die Kosten der Operationszeit wurden aus den Personalkosten für Operationssaal und
Aufwachraum, den Kosten für die Ausrüstung und Sterilisation, den Kosten der Wegwerfartikel
und den Anästhesiekosten abgeschätzt. Die Kosten für die weitere Behandlung auf Intensiv-,
Überwachungs- bzw. Normalstation wurden retrospektiv erfasst und mit einem Tagessatz
festgelegt. Eine Kontrollgruppe wurde aus den operativ versorgten Patienten, bei denen
keine Wundinfektion aufgetreten war nach Zufallsprinzip erstellt. Beide Gruppen wurden
mit entsprechenden statistischen Mitteln verglichen.
Ergebnisse
Von 3 686 Patienten die untersucht wurden, wurden 123 Patienten konservativ behandelt.
Bei den 3 563 operierten Patienten trat bei 80 (2,3 %) eine Infektion auf. Davon wurden
41 Fälle als tiefe (1,2 %) und 39 als oberflächliche (1,1 %) Infektion klassifiziert.
s konnte bei Alter und Geschlecht keine statistische Signifikanz für eine Infektion
gefunden werden. In der Gruppe mit Infektion fanden sich tendenziell mehr Patienten
mit intrakapsulärer Fraktur.
Die Implantatwahl bot ebenfalls keine statistische Signifikanz, wobei bei 2 Implantaten
eine erhöhte Wundinfektrate im Vergleich zur mittleren Infektionsrate gefunden wurde.
Bei 49 % der Infekte wurde MRSA nachgewiesen. MSSA wurde bei 24 % gefunden. Bei 11
% konnte kein Keim gefunden werden, da hier häufig bereits aufgrund einer entsprechenden
Klinik vorab mit einer Antibiotikatherapie begonnen wurde. Diese Fälle wurden als
oberflächliche Wundinfektion identifiziert. Nur bei einem Fall einer tiefen Infektion
konnte kein Keim nachgewiesen werden.
Die 30-Tage-Mortalität zeigte sich bei den Patienten ohne Infektion mit 10,8 % deutlich
höher als bei den Patienten mit Infektion (5 %). Die Mortalitätsrate nach einem Jahr
lag jedoch mit 50 % in der Gruppe der Patienten mit Infektion entscheidend höher als
in der Gruppe ohne Infekt (30 %).
Risikofaktoren (kardiovaskuläre-, Nieren- und respiratorische Erkrankungen, Diabetes
mellitus, Infarkt, Parkinson, M. Paget, Rauchen, mehr als 4 Medikamente in der Eigenanamnese
und eine präoperative Langzeitantikoagulation) zeigten keinen Einfluss auf das Wundinfektrisiko
nach hüftgelenksnaher Fraktur. Der einzige Faktor, der einen statistischen Trend zeigte,
war die orale Einnahme von Steroiden.
Die Behandlungskosten hüftgelenksnaher Frakturen wurden durch eine Wundinfektion drastisch
gesteigert (£ 25.940.44 mit Infektion zu £ 8978.56 ohne Infektion). Dies ließ sich
vor allem auf die verlängerte Krankenhausaufenthaltsdauer zurückführen (ohne Infektion
22 Tage, mit oberflächlicher Infektion 50 Tage, mit tiefer Infektion 100 Tage).
Kommentar
Die Studie beschäftigte sich mit der Komplikation des Wundinfektes nach operativer
Versorgung hüftgelenksnaher Frakturen. Es fand sich eine beeindruckende Infektionsrate
von 1,2%. Analoge Untersuchungen zu postoperativen Infektionen nach hüftgelenksnaher
Fraktur fanden ähnliche [1] bzw. deutlich höhere Infektionsraten [2], [3]. Beunruhigend ist der Nachweis von multiresistenten Staphylokkoken bei 49%. Leider
wurde zu diesem Aspekt auf eine detaillierte Diskussion verzichtet. OP-Kosten (Verzweifachung),
Untersuchungskosten (Verdreifachung), Krankenaufenthaltsdauer (Vervierfachung) und
Mortalität (beinahe Verdoppelung) steigen den Erwartungen gemäß bei Manifestation
eines postoperativen Wundinfekts. Die Studie belegt diese Fakten detailliert mit Daten.
Dr. Patrick Haar
Dr. Patrick Haar
Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock
Email: patrick.haar@med.uni-rostock.de