Handchir Mikrochir Plast Chir
DOI: 10.1055/a-2697-8968
Consensus Statement

Ein Konsensus der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Mikrochirurgie (DAM): Welche apparative Diagnostik ist für die Darstellung der Anschlussgefäße vor mikrochirurgischen Transplantationen an der unteren Extremität notwendig?

A Consensus Statement of the German-speaking Society for Reconstructive Microsurgery (GSRM): What Imaging Modalities are Necessary for Visualisation of Connecting Vessels prior to Microsurgical Transplantation in the Lower Extremity?

Authors

  • Lilly Maxine Mengen

    1   Plastische und Handchirurgie, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Germany
  • Youssra Obeidi

    2   Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinik RWTH Aachen, Aachen, Germany
  • Christoph Köpple

    3   Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum, BG Klinik Ludwigshafen, Hand- und Plastische Chirurgie der Universität Heidelberg, Ludwigshafen am Rhein, Germany
  • Steffen Ulrich Eisenhardt

    4   Klinik für Plastische und Handchirurgie, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Germany
  • Benjamin Thomas

    5   Klinik für Hand, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum, BG Unfallklinik Ludwigshafen, Hand- und Plastische Chirurgie der Universität Heidelberg, Ludwigshafen am Rhein, Germany
  • Dirk Johannes Schaefer

    6   Klinik für Plastische, Rekonstruktive, Ästhetische und Handchirurgie, Universitätsspital Basel, Basel, Switzerland
  • Yves Harder

    7   Department für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie und Handchirurgie, Universitätsspital Lausanne, Lausanne, Switzerland
  • Martin Stierholz

    8   Plastische Chirurgie und Handchirurgie, Bundeswehrkrankenhaus Berlin, Berlin, Germany
  • Volker Schmidt

    9   Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen, Switzerland
  • Adrien Daigeler

    10   Klinik für Hand-, Plastische, Rekonstruktive und Verbrennungschirurgie, BG Unfallklinik Tübingen, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen, Germany
  • Justus P. Beier

    11   Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie, Zentrum für Schwerbrandverletzte, Universitätsklinik RWTH Aachen, Aachen, Germany
  • Holger Bannasch

    12   Klinik für Plastische, Hand- und Ästhetische Chirurgie, Schwarzwald-Baar Klinikum Villingen-Schwenningen, Villingen-Schwenningen, Germany
 

Zusammenfassung

Fragestellungen

Im Rahmen eines Konsensus-Workshops wurden folgende Fragen bezüglich der Darstellung der Anschlussgefäße vor mikrochirurgischen Transplantationen an der unteren Extremität diskutiert: • Braucht der klinisch gefäßgesunde Patient vor der Durchführung einer mikrochirurgischen Rekonstruktion an der unteren Extremität überhaupt eine apparative Diagnostik? • Welche apparative Diagnostik (wenn benötigt) stellt am besten die arteriellen Anschlussoptionen für eine mikrochirurgische Lappenplastik an der unteren Extremität dar? • Wann ist eine apparative Diagnostik der venösen Strombahn vor Durchführung einer mikrochirurgischen Lappenplastik an der unteren Extremität erforderlich: Routinemäßig oder nur in ausgewählten Fällen und welche ist hierfür am besten geeignet?

Methodik

Die Erfahrungen der teilnehmenden Expertinnen und Experten in Zusammenhang mit der aktuellen Literatur zu diesen Fragestellungen wurden im Rahmen eines interdisziplinären Expertenworkshops der Deutschsprachigen Arbeitsgemeinschaft für Mikrochirurgie (DAM) 2024 in Aachen diskutiert. Das Ziel des Workshops bestand darin, Empfehlungen zur Anwendung der bildgebenden Diagnostik unter Berücksichtigung individueller Patientencharakteristika zu erarbeiten und einen konsentierten Algorithmus zum diagnostischen Vorgehen zu entwickeln.

Ergebnisse

Hinsichtlich der oben genannten Fragestellungen wurde von den Teilnehmenden der folgende Konsensus formuliert: • Eine routinemäßige Basisdiagnostik der arteriellen Anschlussgefäße vor freier Lappenplastik an der unteren Extremität mittels klinischer Untersuchung und Duplexsonographie ist zu empfehlen. • Bei Notwendigkeit einer Schnittbildgebung sollte eine CTA oder MRA verwendet werden, für junge Patienten sollte die MRA favorisiert werden. Zusätzlich sollte eine dynamische Bildgebung mittels Duplexsonographie erfolgen. Eine DSA sollte überwiegend in Interventionsbereitschaft durchgeführt werden, die DSA ohne Intervention bleibt speziellen Fragestellungen vorbehalten. • Eine Duplexsonographie zur Darstellung der venösen Anschlussgefäße ist sinnvoll. Bei vorliegenden venösen Pathologien sollte eine weitere Diagnostik mittels vorzugsweise MR-Phlebographie erfolgen.


Abstract

Objectives

At a consensus workshop, the following questions were discussed regarding the preoperative imaging of recipient vessels prior to microsurgical transplantation in the lower extremity: • Is preoperative imaging necessary for patients with clinically intact peripheral vasculature undergoing microsurgical reconstruction of the lower extremity? • Which imaging modality (if required) best visualises the arterial recipient vessels for microsurgical flap reconstruction in the lower extremity? • In which cases is imaging of the venous outflow tract indicated prior to microsurgical flap reconstruction of the lower extremity: should it be performed routinely or only in selected cases, and which modality is best suited for this purpose?

Methods

At an interdisciplinary expert workshop held by the German-speaking Society for Reconstructive Microsurgery (GSRM) in Aachen in 2024, the experiences of the participating experts were discussed in the context of the current literature addressing these questions. The workshop aimed to develop recommendations for applying imaging diagnostics that take into account individual patient characteristics, and to establish a consensus-based diagnostic algorithm.

Results

Regarding the above-mentioned questions, the participants reached the following consensus: • Routine baseline assessment of the arterial recipient vessels by means of clinical examination and duplex ultrasonography is recommended prior to free flap transfer in the lower extremity. • If additional imaging is required, CT angiography (CTA) or MR angiography (MRA) should be used. In younger patients, MRA should be preferred. Additionally, dynamic imaging using duplex ultrasonography should be performed. Digital subtraction angiography (DSA) should primarily be reserved for cases where intervention is anticipated; diagnostic DSA without intervention should be limited to specific indications. • The evaluation of the venous recipient vessels using duplex ultrasonography is considered useful. If venous pathology is present, further imaging – preferably MR phlebography – should be performed.


Einleitung

Die Weichteilrekonstruktion an der unteren Extremität durch mikrovaskuläre oder freie Lappenplastiken stellt seit langem eine sichere und zuverlässige plastisch-chirurgische Methode der Defektdeckung dar [1] [2]. Technische Fortschritte sowie die Standardisierung der mikrochirurgischen Ausbildung und des peri- und postoperativen Managements haben die Erfolgsraten mikrochirurgischer Operationen in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert [3]. Trotzdem kann bei der Deckung von Gewebedefekten an der unteren Extremität mithilfe von freien Lappenplastiken weiterhin eine durchschnittliche Lappenverlustrate, Thromboserate sowie Inzidenz von partiellen Nekrosen von jeweils ca. 6% festgestellt werden [4]. Daher bleibt die Optimierung der Weichteilrekonstruktion mittels freier Lappenplastik unter Minimierung der Komplikationen ein fortlaufender Prozess. In diesem Zusammenhang hat die präoperative Darstellung der Perforatoren an der Entnahmestelle von Perforatorlappenplastiken in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen [5]. Neben dem Mapping der Gefäße an der Entnahmestelle ist aber vor allem auch die Darstellung der arteriellen und venösen Anschlussgefäße für den Operationserfolg relevant. Umso bemerkenswerter ist es, dass nach wie vor kein Konsensus bezüglich der Darstellung der Anschlussgefäße existiert, obwohl die korrekte oder inkorrekte Auswahl der Gefäße die Dauer der Operation und die Komplikationsrate im Sinne von partiellen oder vollständigen Lappenverlustraten stark beeinflusst [6]. Die wichtigsten bildgebenden Verfahren zur Darstellung der relevanten Gefäße umfassen die Duplexsonographie, digitale Subtraktions-Angiographie, Computertomographie-Angiographie und Magnetresonanzangiographie. Die einzelnen Verfahren weisen jeweils spezielle Vor- und Nachteile insbesondere in Bezug auf die diagnostische Präzision und Strahlenbelastung auf [5]. Die ideale Bildgebung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie eine sehr gute anatomische Darstellung der Gefäße im Operationsgebiet ermöglicht und eine hohe Sensitivität für mögliche Kontraindikationen wie Gefäßstenosen, entzündliche Veränderungen sowie anatomische Variationen der Anschlussgefäße zeigt. Darüber hinaus sollte auch die Darstellung der vaskulären Flussverhältnisse ermöglich werden. Weiterhin sollte eine hohe Reproduzierbarkeit des Untersuchungsergebnisses bei geringer Strahlenbelastung und Invasivität sowie niedrigem Komplikationsrisiko gegeben sein. Bei Patienten mit Fremdmaterial im Operationsgebiet, was insbesondere bei posttraumatischen Patienten häufig der Fall ist, müssen auch mögliche Bildgebungsartefakte bei der Auswahl des Verfahrens berücksichtigt werden.

Duplex-Sonographie

Die Duplex-Sonographie stellt eine nicht-invasive, strahlenfreie Bildgebungsmethode dar, die sich insbesondere zur Untersuchung der Blutströmung und der Flussverhältnisse in oberflächlichen Arterien und Venen eignet [7]. Diese Technik ermöglicht bei hoher räumlicher Auflösung eine direkte Darstellung der Gefäßtopographie und der Flussgeschwindigkeit mit Einschätzung der funktionellen Relevanz von Gefäßpathologien [8] [9]. Wesentliche Vorteile der Duplex-Sonographie sind zudem die unmittelbare Verfügbarkeit, Kosteneffizienz und geringe Belastung für den Patienten. Einschränkungen der Bildgebung sind ihre Untersucherabhängigkeit und die daraus resultierende Variabilität der Aussagekraft sowie die eingeschränkte Visualisierung tief gelegener oder anatomisch schwer zugänglicher Gefäße [10] [11]. Darüber hinaus ist die Bildgebung primär auf die Darstellung von Flussverhältnissen und nicht auf die detaillierte Darstellung der Gefäßstruktur ausgelegt [12].


Digitale Subtraktionsangiographie

Die digitale Subtraktionsangiographie (DSA) (siehe [Abb. 1]) galt lange als Goldstandard der Gefäßdarstellung und ermöglicht eine detaillierte Darstellung der Gefäßanatomie und der Flusseigenschaften mittels Kontrastmittel und Röntgenstrahlen. In den späten 1970er Jahren wurde die Angiographie erstmals eingesetzt, um die Länge und Größe der Spender- und Empfängergefäße an den Extremitäten zu beurteilen und mögliche Abweichungen zu erkennen [13]. Die DSA bietet hochauflösende Echtzeit-Bilder und erlaubt die präzise Darstellung arterieller und venöser Strukturen inklusive des Blutflusses, was besonders für die Auswahl der Empfängergefäße relevant ist. Zudem ermöglicht sie bei Gefäßstenosen sofortige interventionelle Maßnahmen wie beispielsweise eine Ballonangioplastie mit oder ohne Stentimplantation. Allerdings ist die Methode invasiv und mit einem Komplikationsrisiko von etwa 5% verbunden, darunter Blutungen, Infektionen, Wundheilungsstörungen, allergische Reaktionen oder neurologische Ausfälle [14]. Die Untersuchung erfolgt meist im Rahmen eines stationären Aufenthalts, um postinterventionelle Überwachung und Blutverdünnung zu gewährleisten. Darüber hinaus ist die Strahlenbelastung sowie eingeschränkte Anwendbarkeit bei Patienten mit Niereninsuffizienz durch die Kontrastmittelverabreichung ein signifikanter Nachteil der Untersuchung [11].

Zoom
Abb. 1 Digitale Subtraktionsangiographie des distalen Oberschenkels vor (links) und nach (rechts) der Rekanalisierung der A. femoralis superficialis zur Verbesserung des Einstroms vor Defektdeckung mittels freier Lappenplastik am Unterschenkel.

Computertomographie-Angiographie

Im Rahmen der Computertomographie-Angiographie (CTA) wird nach intravenöser Gabe von Kontrastmittel mithilfe von Röntgenstrahlung sowie einer geeigneten Software eine dreidimensionale (3D) Rekonstruktion der untersuchten Körperregion erstellt (siehe [Abb. 2]). Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat die CTA-Technologie signifikante Fortschritte erfahren, sodass moderne Geräte in der Lage sind, mit einem einzigen Kontrastmittel-Bolus mehr als 1000 Schichten aufzunehmen, was sowohl die Gesamtstrahlenexposition als auch die Kontrastmittelbelastung reduziert [15].

Zoom
Abb. 2 Links (a): Beispielbild einer CTA in coronarer Schnittführung. In dieser Schicht sind die oberflächlichen, muskulären Arterien gut sichtbar. Rechts (b): Maximumintensitätsprojektion (MIP) einer CTA der unteren Extremitäten. In der A. femoralis superficialis rechts zeigt sich ein einliegender Stent mit umgebenden Kollateralen.

Zusätzlich bietet das Photon-Counting-CT (PCCT) im Vergleich zum konventionellen CT eine höhere Bildauflösung sowie einen erhöhten Kontrast feiner Strukturen bei gleichzeitig niedriger Strahlendosis und einer Minimierung von Artefakten, insbesondere kalkassoziierten Blooming-Artefakten [16] [17]. Letztere beschreiben Suszeptibilitätsartefakte, bei denen bestimmte röntgendichte oder paramagnetische Strukturen in der Bildgebung größer erscheinen, als sie tatsächlich sind. Zudem kann ein virtuelles, natives Bild rekonstruiert werden, ohne einen weiteren Scan durchführen zu müssen. Diese Vorteile können insbesondere für die Gefäßdarstellung genutzt werden und haben sich bereits für die Durchführung qualitativ hochwertiger Koronar-CTs etabliert [18].

Im Gegensatz zur DSA und Duplex-Sonographie ermöglicht der 3D-Datensatz der CTA die Visualisierung der Gefäßumgebung inklusive angrenzender Muskulatur und Faszien. Ihr günstiges Risikoprofil und ihre Kosteneffizienz haben die CTA in den Vordergrund der präoperativen Gefäß-Darstellung gerückt, insbesondere bei der Visualisierung von Perforatoren [19], die mit einer Größe von bis zu 0,3 mm zuverlässig identifiziert werden können [20]. Nachteile der Untersuchung sind die Strahlenbelastung, Risiken der Kontrastmittelgabe (Nephrotoxizität, Allergien) sowie mögliche Artefakte durch Fremdmaterial. Darüber hinaus ermöglicht die CTA keine dynamische Blutflussdarstellung und keine funktionelle Aussage bezüglich der Perfusion/Ischämie einer Extremität oder dem Blutfluss prospektiver Anschlussgefäße. Im Fall einer Darstellung von sowohl Arterien als auch Venen ist die Durchführung eines zweiten Scan-Durchlaufs mit entsprechend höherer Strahlenbelastung notwendig.


Computertomographie-Venographie (CTV)

Die CTV ist eine Bildgebungstechnik, die vor allem zur Detektion von tiefen Beinvenenthrombosen (TVT) eingesetzt wird [21]. Ihre Anwendung ist insbesondere in Ergänzung zu einer ohnehin durchgeführten CTA sinnvoll, hier kann nach einer Wartezeit von etwa 120–210 s nach i. v. Kontrastmittelverabreichung der höchste Kontrast in den Unterschenkelvenen erreicht werden [22] [23]. Die suffiziente und homogene Kontrastierung aller Venen der unteren Extremität mittels CTV stellt jedoch eine Herausforderung dar, da die Bildqualität durch interindividuelle Faktoren signifikant beeinflusst werden kann [23] [24].


Magnetresonanztomographie-Angiographie (MRA)

Die MRA (siehe [Abb. 3]) stellt eine weitere, nicht-invasive Schnittbildgebung mit dem herausragenden Vorteil der fehlenden Strahlenbelastung dar, welches die Methode insbesondere für jüngere Patienten vorteilhaft macht. Die Gefäßdarstellung kann durch die Zugabe von intravenösem Gadolinium erreicht werden, zusätzlich kann eine dynamische Erfassung des intravaskulären Flusses mittels 4D-MRA dargestellt werden. Hierdurch wird die Darstellung von Gefäßen und Perforatoren mit einer Größe von bis zu 1 mm sowie deren Verlauf und Verzweigungsmuster inklusive des zugehörigen, venösen Gefäßsystems ermöglicht [11] [25]. Dies hat einige Kliniken dazu veranlasst, die MRA als Referenzstandard für die präoperative Beurteilung der Gefäßanatomie und Weichteilmorphologie von Perforatorlappen zu wählen [26]. Gadolinium hat im Gegensatz zu den iodhaltigen Kontrastmitteln der CTA ein deutlich geringeres Allergierisiko [27]. Zudem stellt eine eingeschränkte Nierenfunktion keine Kontraindikation für die Anwendung von Gadolinium dar. In systematischen Reviews lag das Risiko für eine Gadolinium-assoziierte nephrogene systemische Fibrose bei Patienten mit einer GFR<30 mL/min/1,73 m2 bei<0,07% [28]. Allerdings sind auch bei der MRA einige Einschränkungen zu beachten, die beispielsweise durch MR-inkompatible Implantate oder durch Fremdmaterial verursachte Bildartefakte bedingt sind. Darüber hinaus ist die MRA im Vergleich zur CTA deutlich zeitintensiver und nicht überall verfügbar; zudem ist für eine hohe diagnostische Qualität eine präzise Patientenlagerung und Sequenzwahl durch erfahrenes Personal erforderlich [11]. Wie bei der CTA ist auch bei der MRA keine quantitative Perfusions- oder Flussanalyse möglich.

Zoom
Abb. 3 Maximumintensitätsprojektion (MIP) einer MRA der unteren Extremitäten. Sichtbar ist ein langstreckiger Verschluss der A. femoralis superficialis links mit entsprechender Kollateralisierung sowie verzögertem, venösen Rückstrom im Vergleich zur kontralateralen Seite. Rechtsseitig zeigt sich eine venöse Überlagerung zu dem Zeitpunkt der Darstellung sowie eine kurzstreckige Stenose der A. femoralis communis rechts.

Magnetresonanztomographie-Phlebographie (MRP)

Mittels MRP ist in ausgewählten, nativen Sequenzen ohne Verwendung von Kontrastmittel die Darstellung der oberflächlichen und tiefen Venen an der unteren Extremität möglich. Es existieren hierfür unterschiedliche Protokolle, die sich jeweils hinsichtlich der Auflösung der unterschiedlichen Gefäßgrößen, Sensitivität für Gefäßpathologien und Artefakt-Anfälligkeit unterscheiden. Insbesondere native Protokolle wie relaxation-enhanced angiography without contrast and triggering (REACT) und balanced steady-state free precession (bTFE) zeigen neben der T2-gewichteten turbo-spin echo sequence (T2-TSE) sehr gute Ergebnisse. Mittels REACT lassen sich insbesondere mittelgroße und kleine Gefäße besonders sensitiv abbilden [29]. Die bTFE-MR zeigte im Vergleich zur DSA eine vergleichbare Sensitivität und Spezifität in der Detektion von Thrombosen der unteren Extremität [30]. Bezüglich des Zeitaufwands der Untersuchung müssen für das REACT ca. 12 Minuten und für die bTFE ca. 7 Minuten eingeplant werden [29]. Die Verabreichung von Kontrastmitteln erübrigt sich in beiden Protokollen, zudem wird eine Strahlenbelastung des Körpers vermieden.



Methodik

Die Notwendigkeit sowie die Art der Durchführung einer präoperativen arteriellen und venösen Gefäßdarstellung sind abhängig von der Defektart sowie den Vorerkrankungen des Patienten. Bisher gibt es keine klare evidenzbasierte Empfehlung zur Auswahl der optimalen Bildgebungsmodalität und jede Klinik und Abteilung wendet diesbezüglich ihre eigenen Standards an. Aufgrund dessen wurde im Rahmen eines Konsensus- Workshops der 45. Jahrestagung der DAM 2024 in Aachen die aktuelle Datenlage zur Darstellung der Anschlussgefäße an der unteren Extremität diskutiert und Empfehlungen für die Durchführung einer präoperativen Gefäßdarstellung erarbeitet.

Bei der Erarbeitung des Konsensus wurden insbesondere die folgenden drei Fragen diskutiert:

Zunächst stellte ein Vertreter des Faches Plastische Chirurgie (C. Köpple) verschiedene Fälle von Weichteilrekonstruktionen an der unteren Extremität vor, die sich insbesondere hinsichtlich des Alters und der Vorerkrankungen der Patienten unterschieden. In den jeweiligen Szenarien wurde die präoperativ notwendige Bildgebung der Anschlussgefäße diskutiert. Im Anschluss daran erfolgte eine Vorstellung der unterschiedlichen bildgebenden Verfahren an der unteren Extremität durch eine interventionell tätige Vertreterin des Fachs Radiologie (Y. Obeidi), die deren Vor- und Nachteile in Bezug auf die präoperative Gefäßdarstellung beleuchtete.

Sodann erfolgte die Diskussion der drei genannten Fragen im Plenum der anwesenden Mikrochirurgen und -chirurginnen. Die Konsensusfindung erfolgte in Form eines nominalen Gruppenprozesses.


Ergebnisse

Diagnostik bei gefäßgesunden Patienten

Zunächst wurde im Rahmen des Workshops die Fragestellung diskutiert, ob bei einem gefäßgesunden Patienten vor Defektdeckung an der unteren Extremität mittels einer freien Lappenplastik standardmäßig überhaupt eine Gefäßdiagnostik indiziert ist.

Konsensus

Vor der Transplantation einer Lappenplastik an der unteren Extremität ergab sich ein starker Konsens dafür, dass eine Basisdiagnostik der Anschlussgefäße in jedem Fall sinnvoll ist. Selbst junge und vermeintlich gefäßgesunde Patienten können vaskuläre Anomalien oder Normvarianten aufweisen, oder es kann ein durch die Defektursache (z. B. Trauma) bedingter veränderter Gefäßstatus im Anschlussgebiet vorliegen. Neben einer Anamnese sollte die Gefäßdiagnostik mindestens eine klinische Untersuchung inklusive der Palpation der Fußpulse sowie eine Duplexsonographie umfassen.

Das Ziel dieser Diagnostik stellt sowohl der Ausschluss einer relevanten vaskulären Pathologie der Becken-Bein-Achse als auch die Beurteilung der Suffizienz der Anschlussgefäße dar. Die Duplexsonographie sollte durch eine in dieser Untersuchung kompetente Person erfolgen. Die Bildgebung durch den plastischen Chirurgen selbst kann für den Operateur bei der Darstellung der Anschlussgefäße in der Operation vorteilhaft sein. Eine Duplexsonographie durch beispielsweise erfahrene Radiologen oder Gefäßchirurgen ist jedoch ebenfalls als sinnvoll zu erachten.

Abgesehen von dieser Basisdiagnostik stellt die notwendige Erweiterung der Diagnostik eine individuelle klinische Entscheidung dar. Es bestand ein breiter Konsens dahingehend, dass die Notwendigkeit zur Erweiterung der Diagnostik nicht a priori für alle Lappenpatienten festgelegt werden kann.



Ideale Bildgebung der arteriellen Anschlussoptionen an der unteren Extremität

Im Rahmen des Workshops wurde konsequenterweise für die unter 1. identifizierten Patienten mit notwendiger weitergehender Diagnostik erörtert, welche apparative Diagnostik sich am besten eignet, um die ideale arterielle Anschlusssituation zu identifizieren. Hierfür wurden sowohl DSA mit und ohne Interventionsbereitschaft als auch MRA und CTA als relevante Optionen diskutiert. Im Rahmen der Diskussion wurden die jeweiligen Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren abgewogen.

Konsensus

Es herrschte ein breiter Konsens darüber, dass sowohl die CTA, als auch und die MRA für die Visualisierung der arteriellen Gefäßachse mittlerweile den Goldstandard darstellen. Beide Methoden ermöglichen eine exzellente strukturelle Darstellung der Gefäße mit 3D-Rekonstruktionsoptionen. Im Vergleich zur DSA weisen sie den Vorteil einer deutlich geringeren Invasivität auf. In der Abwägung zwischen CTA und MRA konnte keines der beiden Bildgebungsverfahren als eindeutig überlegen identifiziert werden. Die CTA ermöglicht eine bessere Einschätzung von Gefäßstenosen als eine MRA, da diese in der MRA überschätzt werden können. Dafür ist die Strahlenbelastung ein deutlicher Nachteil der CTA, weshalb die MRA bei jungen Patienten gegenüber der CTA bevorzugt werden sollte. Letztendlich muss bei der Entscheidung zwischen CTA und MRA auch die Verfügbarkeit in den einzelnen Kliniken berücksichtigt werden. In der Gesamtabwägung zwischen den unterschiedlichen Verfahren wurde zudem auch angemerkt, dass neben der Verfügbarkeit auch die Kosten der einzelnen Verfahren sowie deren Personalbindung bei der Auswahl eine Rolle spielen dürfen und müssen. Es wurde vielfach betont, dass weder CTA noch MRA eine funktionelle Aussage über z. B. Anomalien des Blutflusses erlauben. Für eine möglichst ideale Darstellung der arteriellen Anschlussgefäße sollte zusätzlich zu einer statischen auch eine dynamische Gefäßdiagnostik zur Visualisierung der Flusseigenschaften erfolgen. Sowohl bei CTA als auch MRA sollte daher insbesondere bei sichtbaren Stenosen eine ergänzende Duplexsonographie zur Beurteilung der Blutflussdynamik großzügig indiziert werden, wenn sie nicht bereits sowieso im Rahmen der Basisdiagnostik (s. o.) erfolgt ist.

Im Rahmen des Workshops wurde hervorgehoben, dass der Stellenwert der DSA insbesondere in der Möglichkeit der Intervention liegt und diese daher überwiegend in Interventionsbereitschaft stattfinden sollte. Eine DSA ohne Interventionsbereitschaft kann jedoch weiterhin als individuelle klinische Entscheidungsmöglichkeit zur reinen Diagnostik angewandt werden, sollte jedoch hinsichtlich Strahlenbelastung und Invasivität gegenüber der Duplexsonographie in Kombination mit einer Schnittbildgebung kritisch abgewogen werden, auch wenn bis dato keine andere Methode gleichzeitig Gefäßarchitektur und Blutfluss so hochwertig darstellen kann.



Indikation für eine apparative Diagnostik der venösen Strombahn

Anschließend wurde im Rahmen des Konsensus-Workshops diskutiert, ob eine apparative Diagnostik der venösen Anschlussgefäße vor Durchführung einer mikrochirurgischen Lappenplastik an der unteren Extremität routinemäßig oder nur in ausgewählten Fällen erfolgen sollte.

Konsensus

Im Rahmen des Workshops ergab sich ein Konsens dafür, dass eine Bildgebung der venösen Anschlussgefäße nicht zwingend routinemäßig notwendig ist. Im Rahmen der zuvor diskutierten Fragen ergab sich jedoch, dass die Duplexsonographie der arteriellen Strombahn sowohl bei gefäßgesunden Patienten als auch als Ergänzung einer CTA und MRA als dynamische Bildgebung sinnvoll ist. Darauf bezugnehmend wurde im Workshop mit starkem Konsens konstatiert, dass bei ohnehin bestehender Indikation für eine Duplexsonographie zur Darstellung der arteriellen Anschlussgefäße die gleichzeitige Darstellung des venösen Abflusses stets sinnvoll ist. Dies trifft umso mehr zu, wenn Risikofaktoren für eine Pathologie im Bereich der tiefen Beinvenen vorliegen wie beispielsweise thromboembolische Ereignisse in der Vorgeschichte, Thrombophilien oder Traumata im Bereich der unteren Extremität. Sollten sich im Rahmen der Duplexsonographie Pathologien hinsichtlich der venösen Anschlussgefäße zeigen, so kann eine ergänzende Schnittbildgebung erwogen werden. Bei der Wahl der bestmöglichen Schnittbildgebung wurde festgestellt, dass die MRP der CTV deutlich überlegen ist, was insbesondere auf die heterogene Qualität der venösen Phase der CTA sowie die eingeschränkte Beurteilung des venösen Abflusses zurückzuführen ist. Ein weiterer Vorteil der MRP ist die fehlende Strahlenbelastung und die nicht notwendige Kontrastmittelgabe.

Basierend auf dem dargestellten Konsensus wurde ein Algorithmus für die präoperative Visualisierung der Anschlussgefäße bei indizierter Bildgebung, die über die Duplexsonographie hinausgeht, entwickelt (siehe [Abb. 4]). Hierbei wurde zwischen jungen und alten Patienten unterschieden, wobei die Altersgrenze auf 50 Jahre gelegt wurde. Diese Grenze wurde aufgrund der geringen Prävalenz von peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) in der Alterskohorte unter 50 Jahren [31] [32] sowie der erhöhten Lebenszeitbelastung dieser Gruppe durch ionisierende Strahlung gewählt. Es sei jedoch angemerkt, dass diese Zahl nicht als starre Grenze, sondern vielmehr als eine grobe Orientierung zu betrachten ist.

Zoom
Abb. 4 Diagnostischer Algorithmus zur Darstellung der arteriellen und venösen Anschlussgefäße an der unteren ExtremitätMR-KI: Kontraindikation für MagnetresonanztomographieCT-KI: Kontraindikation für Computertomographie.

Im Rahmen der arteriellen Gefäßdiagnostik junger Patienten sollte nach einer Duplexsonographie und bei Notwendigkeit der Erweiterung der Diagnostik (individuelle Entscheidung) zunächst eine MRA durchgeführt werden, wobei anzumerken ist, dass Gefäßstenosen in dieser überschätzt werden können. Tritt im Rahmen der genannten Bildgebungen eine flussrelevante Stenose in Erscheinung, ist eine DSA in Interventionsbereitschaft nach gefäßchirurgischer Maßgabe zu diskutieren. Bei älteren Patienten sollte nach initialer Duplexsonographie die erweiterte Gefäßdiagnostik mittels CTA erfolgen. Wenn im Rahmen dieser Bildgebungen Stenosen nachgewiesen werden, sollte auch hier nach gefäßchirurgischer Maßgabe eine DSA in Interventionsbereitschaft durchgeführt werden. Sollten Kontraindikationen für MRA oder CTA bestehen, sollte nach Möglichkeit die andere Bildgebungsmodalität zum Einsatz kommen. Bezüglich der venösen Gefäßdarstellung empfiehlt sich als initiale Bildgebung ebenfalls eine Duplexsonographie. Bei Auffälligkeiten kann zur weiteren Darstellung des venösen Systems eine MRP durchgeführt werden. Falls Kontraindikationen für eine MRP bestehen, kann alternativ die CTV eingesetzt werden, idealerweise im Zusammenhang mit einer ohnehin durchgeführten CTA oder aber auch als alleiniges Verfahren mit Fokus auf die venöse Phase als 1-Phasen Kontrastmittel-CT.




Diskussion

Die ständige Optimierung der Durchführung und Planung freier Lappenplastiken stellt ein kontinuierliches Forschungsinteresse für rekonstruktiv tätige Mikrochirurginnen und -chirurgen dar. In diesem Zusammenhang wird an zahlreichen Ansatzstellen, wie beispielsweise der bestmöglichen Darstellung der Gefäßperforatoren, intensiv geforscht. Die Darstellung der Anschlussgefäße nimmt in diesem Kontext eine eher untergeordnete Rolle ein und es existieren vergleichsweise wenige Publikationen zu diesem Thema. Die Vorgehensweisen variieren von Klinik zu Klinik und basieren häufig auf den Erfahrungswerten der einzelnen Chirurginnen und Chirurgen. Es ist jedoch zu bedenken, dass die radiologischen Möglichkeiten der Gefäßdarstellung einer permanenten Weiterentwicklung unterliegen. In Konsequenz dessen sollte ein kontinuierlicher Fokus auf die Optimierung der Anwendung für die präoperative Darstellung der Anschlussgefäße gelegt werden. Ziel der individuellen Gefäßdarstellungsmodalität ist es, anatomische Varianten und Pathologien frühzeitig zu erkennen und in Abhängigkeit von den Auffälligkeiten interventionelle oder gefäßchirurgische Optimierungen durchzuführen, um das Komplikationsrisiko für gefäßassoziierte Komplikationen zu senken.

Vaskuläre Komplikationen stellen die häufigste Ursache von Lappenverlusten bei Defektdeckungen an der unteren Extremität dar [33]. Der Gefäßstatus der Patienten, die eine Defektdeckung an der unteren Extremität mittels freier Lappenplastik benötigen, weist eine hohe Variabilität auf und ist häufig mit der Ursache für den Defekt assoziiert, der mittels freier Lappenplastik zu bedecken ist. Die Defektursachen umfassen ein breites Spektrum, das von Traumata über Malignomresektionen und Infektionen bis zu pAVK und chronischer venöser Insuffizienz reicht. Eine untere Extremität, die einer Defektdeckung mittels freier Lappenplastik bedarf, ist allein aufgrund dieser Tatsache nicht als gesund zu betrachten. Infolgedessen kann auch ein ansonsten gefäßgesunder Patient bedingt durch die Defektursache eine veränderte Gefäßsituation im Anschlussgebiet aufweisen, deren Ursache ggf. auch weiter proximal lokalisiert sein kann.

Unabhängig vom bestehenden Defekt können weiterhin anatomische Abweichungen des Gefäßverlaufs vorliegen, wobei insbesondere im Bereich der A. poplitea häufig atypische Verzweigungsmuster zu beobachten sind. Kil et al. beschreiben bei der Analyse von 1242 Extremitäten-Angiogrammen eine Prävalenz von atypischen Verzweigungsmustern der A. poplitea inklusive hypoplastischer und aplastischer Arterienäste von 10,8% [34]. Abou-Foul et al. konnten bei der Analyse von 5790 Extremitäten eine Prävalenz von infra-poplitealen Gefäßanomalien von 10% in der Bevölkerung feststellen [35]. Anatomische Varianten der A. femoralis sind hingegen selten [36].

In der retrospektiven Analyse von präoperativ erfolgten Arteriographien bei 57 Patienten mit freien Lappenplastiken an der unteren Extremität aufgrund von chronischen Wunden konnten Janhofer et al. bei 40 Patienten (67,8%) angiographische Anomalien feststellen. Unter diesen Anomalien befanden sich 23 (57,5%) Patienten mit Stenose/Okklusion, 20 (50,0%) Patienten mit atretischen/nicht visualisierten Gefäßen und 11 (27,5%) Patienten, die einen endovaskulären Eingriff erforderten [6]. Zolper et al. kamen bei der retrospektiven Analyse von 64 Patienten, bei denen aufgrund von chronischen Wunden an der unteren Extremität eine freie Lappenplastik transplantiert wurde, zu dem Ergebnis, dass bei 47% der Patienten in der präoperativ erfolgten Angiographie arterielle Auffälligkeiten zu sehen waren [37].

Diese Daten unterstützen den erarbeiteten Konsensus, vor der Durchführung einer freien Lappenplastik an der unteren Extremität neben einer körperlichen Untersuchung in jedem Fall zumindest eine Basisdiagnostik der arteriellen Anschlussgefäße beispielsweise in Form einer Duplexsonographie durchzuführen.

Im Rahmen der Indikationsstellung für eine weitergehende arterielle Diagnostik stellen die DSA, CTA und MRA mögliche Modalitäten der Bildgebung dar. Diese sind der Duplexsonographie in der Darstellung von Normvarianten sowie morphologischen Gefäßanomalien überlegen [12] [38] [39] [40], wobei die Schnittbildgebungen wiederum keine sicheren funktionellen Aussagen zulassen. Im direkten Vergleich der Schnittbildgebungen zur bestmöglichen Darstellung der Anschlussgefäße müssen mehrere Faktoren in die Beurteilung mit einbezogen werden. Zum einen sollte die Strahlenbelastung der Bildgebungen kritisch evaluiert werden. Die Relevanz dieser Strahlenbelastung ist insbesondere bei jungen Patienten nicht zu unterschätzen, da sie mit einem statistisch geringen, jedoch biologisch relevanten Risiko verbunden sind, ein de novo Karzinom zu entwickeln [41]. Die meisten strahleninduzierten Tumore treten durchschnittlich jedoch erst ein bis zu mehrere Jahrzehnte nach der Strahlenexposition auf [41] [42]. Das Lebenszeitrisiko, ein strahleninduziertes Karzinom zu entwickeln, ist demnach umso höher, je niedriger das Alter bei der Strahlenexposition ist [41].

Die Strahlenbelastung, die im Rahmen einer diagnostischen DSA und CTA entsteht, ist abhängig von den spezifischen Untersuchungsprotokollen sowie des Patienten-BMI. Im Durchschnitt liegt die Strahlenbelastung einer diagnostischen DSA jedoch in etwa auf dem Niveau einer CTA. Eine DSA mit Intervention weist in Abhängigkeit vom Interventionsausmaß eine mindestens 1,5-fache Strahlenbelastung im Vergleich zur diagnostischen DSA auf [43] [44]. Diesbezüglich erweist sich die MRA aufgrund der fehlenden Strahlenbelastung als die überlegene Bildgebungsmethode.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt, der bei der Gegenüberstellung der Schnittbildgebungsmodalitäten zu berücksichtigen ist, ist die Gabe von Kontrastmitteln. Sowohl die CTA als auch DSA werden mit iodhaltigen Kontrastmitteln durchgeführt, die potenzielle Nephrotoxizität, Schilddrüsenfunktionsstörungen und allergische Reaktionen hervorrufen können [45]. Letztere sind jedoch in den letzten Jahrzehnten durch den Einsatz von niedrigosmolaren Kontrastmitteln deutlich zurückgegangen und liegen derzeit bei 0,2% bis 0,7%, wobei die Häufigkeit schwerer, akuter allergischer Reaktionen bei 0,04% liegt. [46]. Für eine MRA werden Gadolinium-haltige Kontrastmittel verwendet, die ein deutlich geringeres Risiko für allergische Reaktionen haben.

Im Vergleich mit MRA und CTA bietet die DSA den Vorteil einer sehr guten Darstellung sowohl der arteriellen als auch der venösen Strombahn an der unteren Extremität einschließlich der Darstellung der Strömungseigenschaften innerhalb der untersuchten Gefäße. Der große Vorteil der DSA ist zudem die Möglichkeit der unmittelbaren Interventionsmöglichkeit. Nachteilhaft ist allerdings neben der Strahlenbelastung und dem verwendeten Kontrastmittel vor allem das hohe Maß an Invasivität. Vor der Punktion der Arterie ist die Darstellung dieser mit einer vorgeschalteten Bildgebung (beispielsweise Sonographie) ratsam, nicht nur um die Arterie aufzusuchen, sondern auch um mögliche Auffälligkeiten der Gefäßwand zu erfassen. Mögliche Komplikationen der DSA sind neben Blutung, Hämatom, Serom und Infektion auch die Verletzung der Gefäßwand beispielsweise in Form eines Pseudaneurysmas im Zugangsweg oder die Entstehung von Gefäßdissektionen der punktierten und sondierten Gefäße [47]. Eine weitere Einschränkung der Untersuchung ist, dass die erzeugten Bilder ein 2D-Format haben und eine Einschätzung der umliegenden Weichteile nicht möglich ist [47].

Im Rahmen eines Vergleiches von Photon-Counting-CT und DSA bei Patienten mit pAVK wurde von Augustin et al. eine äquivalente Bestimmung des Stenosegrades von infrapoplitealen Arterien mittels Photon-Counting-CT im Vergleich zu einer DSA nachgewiesen [48]. Cernic et al. kamen beim Vergleich von DSA und 64-row multislice CT zu dem Ergebnis, dass mittels CT eine zur DSA äquivalente Detektion von hämodynamisch relevanten Läsionen bei pAVK an der unteren Extremität möglich ist [49].

Steffens et al. und Hölzle et al. konnten eine äquivalente Sensitivität für die Detektion flussrelevanter Stenosen durch eine MRA im Vergleich zur DSA feststellen [50] [51].

Es ist darauf hinzuweisen, dass CTA und MRA hinsichtlich der anwendbaren Protokolle einer ständigen Weiterentwicklung unterliegen und dadurch eine Vielzahl neuer Vorteile bieten können. Beispielsweise ist die Darstellung des arteriellen Gefäßsystems mittels MRT an der unteren Extremität mittlerweile auch ohne Kontrastmittel möglich. Pierce et al. konnten beim Vergleich von Protokollen mit und ohne Kontrastmittel eine gute Übereinstimmung beider Ergebnisse feststellen, mit geringen Einschränkungen im Bereich der poplitealen Arterien bei den Aufnahmen ohne Kontrastmittel [52]. Weiterhin bietet insbesondere die 4D MRA vielversprechende Möglichkeiten, eine dynamische Analyse des venösen und arteriellen Gefäßsystems gemeinsam abbilden zu können [11] [25].

Letztendlich sind jedoch insbesondere neu entwickelte Untersuchungsprotokolle im Vergleich der unterschiedlichen Kliniken nicht universell verfügbar und bedürfen mitunter einer entsprechenden Expertise seitens der Radiologie hinsichtlich der Optimierung der Protokolle und Quantifizierung der Datensätze [53].

Im direkten Vergleich von MRA und CTA bestehen zunächst für beide Bildgebungen Nachteile und Kontraindikationen. Nachteile der CTA sind die Exposition des Patienten gegenüber ionisierender Strahlung und die Notwendigkeit der Gabe eines iodhaltigen Kontrastmittels [45]. Ein weiterer Nachteil der CTA ist die Artefaktanfälligkeit, z. B. durch einliegendes Osteosynthesematerial oder prothetisches Material. Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass kalziumreiche Plaques durch Blooming-Artefakte nicht adäquat dargestellt werden können [45] [54].

Nachteile der MRA sind ihre relativ hohen Kosten [40] sowie die eingeschränkte Anwendbarkeit bei Patienten mit Klaustrophobie oder inkompatiblen Implantaten [11] [47]. Darüber hinaus hat die MRA sowohl mit als auch ohne Kontrastmittel den Nachteil, dass Gefäßstenosen überschätzt werden können [55] [56]. Bei vorhandenen Stents können diese in der MRA Suszeptibilitätsartefakte erzeugen, wodurch auch In-Stent-Stenosen nicht suffizient beurteilt werden können. Mithilfe einer CTA ist eine bessere Beurteilbarkeit von Stenosen innerhalb von Stents möglich [57].

Die Darstellung kleinerer Gefäßperforatoren mittels MRA ist im Vergleich zur CTA weniger akkurat. Mit einer MRA können Gefäße mit einem minimalen Durchmesser von 1,0 mm dargestellt werden, während dies in der CTA bis zu 0,3 mm möglich ist [20] [58]. Dies ist insbesondere bei der präoperativen Untersuchung von Perforatorlappen von Vorteil, da hier die Größe und der Verlauf der Perforatoren für die Operationsplanung entscheidend sind [5] [19]. Bei der Darstellung der Anschlussgefäße der unteren Extremität sind die Unterschiede bezüglich der kleinkalibrigen Gefäße nicht vergleichbar relevant.

Weng et al. konnten keinen signifikanten Unterschied in der Detektion von Gefäßanomalien zwischen DSA, CTA und MRA bei der Darstellung der Gefäße an der unteren Extremität vor freiem Fibulatransfer feststellen [12]. Jens et al. konnten in einer Metaanalyse von Studien, in denen CTA und MRA mit Kontrastmittel bei Patienten mit pAVK angewendet wurden, keinen signifikanten Unterschied in der diagnostischen Präzision zwischen den beiden bildgebenden Verfahren feststellen [59].

In Bezug auf die präoperative Darstellung der venösen Anschlussgefäße sollte die hohe Rate an Thrombosen an der unteren Extremität in der Kohorte der Patienten mit lappenpflichtigen Defekten berücksichtigt werden. Jeong et al. beschreiben bei der Defektdeckung von traumatisch bedingten Defekten an der unteren Extremität mittels anterolateral thigh (ALT) flap in einer präoperativ erfolgten CTV eine TVT-Rate von 18% bei 62 analysierten Patienten [60]. In einer Studie von Bendon et al. wurde bei 162 lappenpflichtigen Defekten der unteren Extremität eine Rate an okkulten TVT von mindestens 19,4% festgestellt. Diese beeinflusste die Wahl des venösen Anschlussgefäßes in über 50% der Fälle [61]. Bei der Analyse von 362 freien Lappenplastiken an der unteren Extremität konnten Lorenzo et al. in 26 Fällen (7,2%) postoperative venöse Insuffizienzen feststellen [62]. Weiterhin beschreiben Muramatsu et al. bei 70 analysierten Lappenplastiken eine vaskuläre Komplikationsrate von 22% (16 Lappen). Hiervon zeigten 86% (12 Lappen) venöse Thrombosen. In einer Vielzahl von Kliniken erfolgt die Darstellung der venösen Anschlussgefäße trotzdem nur in Ausnahmefällen [61] [62] [63]. Diverse Studien verweisen jedoch auf die Relevanz des venösen Lappenabflusses in Bezug auf die Lappenerfolgsrate, wobei die Inzidenz venöser Lappenthrombosen bei der Rekonstruktion der unteren Extremitäten höher ist als die arterieller Thrombosen [33] [64].

Ein Screening der venösen Abflussbahn an der unteren Extremität ist demnach je nach Ursache des zu deckenden Defektes und unter Berücksichtigung der Nebenerkrankungen der Patienten durchaus als sinnvoll zu erachten. Für eine initiale Darstellung eignet sich die Duplexsonographie sehr gut. Sollten sich dabei Pathologien wie beispielsweise venöser Reflux (definiert als>0,5 Sekunden Reflux), hoher Venendruck und/oder venöse Thrombosen zeigen [65], so ist eine weitere Einschätzung mittels ergänzender Bildgebung sinnvoll. Die MRP ist hierfür eine ausgezeichnete Methode, mithilfe der eine Darstellung der oberflächlichen und tiefen Venen an der unteren Extremität strahlen- und kontrastmittelfrei in 7 Minuten möglich ist [29]. Im direkten Vergleich von MRP und CTV (siehe [Abb. 5]) erweist sich die MRP als vorteilhafter, da intraluminale Gefäßveränderungen mit hoher Detailgenauigkeit dargestellt werden können. Die CTV ist zwar in der Lage, das Vorhandensein oder das Fehlen eines Lumens anzuzeigen, sie eignet sich jedoch nicht dafür, detaillierte Veränderungen der Venenwand oder intraluminale Veränderungen, die die Venenfunktion beeinträchtigen, darzustellen [66].

Zoom
Abb. 5 Vergleich einer bTFE-MRP (links) und kontrastmittelverstärkten CTV (rechts) des Unterschenkels in axialer Schnittführung. Hier zeigt sich der Vorteil des hohen Weichteilkontrast des MRT mit sehr guter Sichtbarkeit der Unterschenkelvenen im Vergleich zur CT-Darstellung.

Im Vergleich von MRP und venöser DSA beschreiben Helyar et al. die bTFE-MRP als wertvolle Alternative mit vergleichbarer Genauigkeit zur DSA im Rahmen der präoperativen Diagnostik vor interventioneller Rekonstruktion der tiefen Venen [30].

Zusammenfassung des Konsensus
  • Eine routinemäßige Basisdiagnostik der arteriellen Anschlussgefäße vor freier Lappenplastik an der unteren Extremität mittels klinischer Untersuchung und Duplexsonographie ist zu empfehlen.

  • Bei Notwendigkeit einer Schnittbildgebung sollte eine CTA oder MRA verwendet werden, für junge Patienten sollte die MRA favorisiert werden. Zusätzlich sollte eine dynamische Bildgebung mittels Duplexsonographie erfolgen. Eine DSA sollte überwiegend in Interventionsbereitschaft durchgeführt werden, die DSA ohne Intervention bleibt speziellen Fragestellungen vorbehalten.

  • Eine Duplexsonographie zur Darstellung der venösen Anschlussgefäße ist sinnvoll. Bei vorliegenden venösen Pathologien sollte eine weitere Diagnostik mittels vorzugsweise MR-Phlebographie erfolgen.



Dr. med. Lilly Maxine Joanna Mengen

Zoom

Geboren 1995 in Bremervörde. Von 2015 bis 2022 Studium der Humanmedizin an der Philipps-Universität Marburg mit Auslandsaufenthalt an der Yale University. Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes. 2024 Promotion (summa cum laude) in der Klinik für Urologie des Universitätsklinikums Marburg. Seit 2023 Assistenzärztin in der Plastisch- und Handchirurgischen Klinik am Universitätsklinikum Erlangen (Prof. Dr. Dr. R. E. Horch).

Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. Lilly Maxine Mengen
Universitätsklinikum Erlangen
Plastische und Handchirurgie
Krankenhausstr. 12
91054 Erlangen
Germany   

Publication History

Received: 29 May 2025

Accepted: 03 September 2025

Article published online:
17 November 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany


Zoom
Zoom
Abb. 1 Digitale Subtraktionsangiographie des distalen Oberschenkels vor (links) und nach (rechts) der Rekanalisierung der A. femoralis superficialis zur Verbesserung des Einstroms vor Defektdeckung mittels freier Lappenplastik am Unterschenkel.
Zoom
Abb. 2 Links (a): Beispielbild einer CTA in coronarer Schnittführung. In dieser Schicht sind die oberflächlichen, muskulären Arterien gut sichtbar. Rechts (b): Maximumintensitätsprojektion (MIP) einer CTA der unteren Extremitäten. In der A. femoralis superficialis rechts zeigt sich ein einliegender Stent mit umgebenden Kollateralen.
Zoom
Abb. 3 Maximumintensitätsprojektion (MIP) einer MRA der unteren Extremitäten. Sichtbar ist ein langstreckiger Verschluss der A. femoralis superficialis links mit entsprechender Kollateralisierung sowie verzögertem, venösen Rückstrom im Vergleich zur kontralateralen Seite. Rechtsseitig zeigt sich eine venöse Überlagerung zu dem Zeitpunkt der Darstellung sowie eine kurzstreckige Stenose der A. femoralis communis rechts.
Zoom
Abb. 4 Diagnostischer Algorithmus zur Darstellung der arteriellen und venösen Anschlussgefäße an der unteren ExtremitätMR-KI: Kontraindikation für MagnetresonanztomographieCT-KI: Kontraindikation für Computertomographie.
Zoom
Abb. 5 Vergleich einer bTFE-MRP (links) und kontrastmittelverstärkten CTV (rechts) des Unterschenkels in axialer Schnittführung. Hier zeigt sich der Vorteil des hohen Weichteilkontrast des MRT mit sehr guter Sichtbarkeit der Unterschenkelvenen im Vergleich zur CT-Darstellung.