Zeitschrift für Palliativmedizin 2025; 26(05): 244-248
DOI: 10.1055/a-2654-4072
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Doppelkopf: Jens Papke und Susanne Roller

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Jens Papke

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Wie kamen Sie in Ihr jetziges Tätigkeitsfeld?

Einerseits gewollt, andererseits bedingt durch äußere Faktoren und Zufälle. Ich wusste lange nicht, was ich studieren würde. Meine Mutter, Historikerin, legte mir Kunstgeschichte nahe. Den Wechsel auf die EOS (Erweiterte Oberschule) schaffte ich, weil ich Lehrer als Berufswunsch angab. Nachdem ich in den Sommerferien 1977 drei Wochen als pflegerische Hilfskraft in einer Dresdner Medizinischen Klinik gearbeitet hatte, war mir klar, dass ich Medizin studieren und Internist werden wollte. In allen späteren Winter- und Sommerferien war ich dann wieder dort, fuhr beim Krankentransport mit und saß als DRK-Sanitäter im Dresdner Schauspielhaus. Einen Beruf zu haben, in dem ich mit Menschen arbeiten und Kranken helfen kann, das Erkennen von Symptomen, Erheben und Hinterfragen von Befunden und diese zu kombinieren, um letztlich zu einer Diagnose zu gelangen; das Erarbeiten von Behandlungswegen, was die Innere Medizin ausmacht, deren Zusammenhalt und Komplexität in den achtziger Jahren noch angestrebt und beschworen wurde, hat mich seitdem stets begeistert.Nun musste man sich in der DDR zu Studienbeginn verpflichten, nach der Approbation drei Jahre dort zu arbeiten, wo der Staat es für richtig befand – so ergab sich die „Absolventenlenkung“ in die Kleinstadt Neustadt in Sachsen; etwa 30 km östlich von Dresden. In Neustadt gab es ein kleines, gut hundert Jahre altes, baulich marodes Stadtkrankenhaus mit drei internistischen Stationen, in welchem ich das assistenzärztliche Laufen lernte. Manchmal hatten wir jeden zweiten Tag Nachtdienst, und da es noch kein Arbeitszeitgesetz gab, wurde vom Morgen des einen bis in den Nachmittag des folgenden Tages durchgearbeitet. So lernte ich, meine fünf Sinne zu nutzen (Sonografie, geschweige denn CT, gab es noch nicht) und mich schnell und selbständig zu entscheiden. Das onkologische Profil der von mir verantworteten Station interessierte mich sehr. Nachdem ich nach bestandener Facharztprüfung auf dem Deutschen Krebskongress 1992 Dr. Heinrich Erdmann aus der Praxisgemeinschaft HOPA um Professor Ulrich Kleeberg in Hamburg kennenlernte, lud er mich ein, in Altona zu hospitieren. Was dort mit Kompetenz, Engagement und hohem Anspruch ambulant geleistet wurde, führte mich 1993 zur Entscheidung für die eigene Niederlassung mit breitem internistischem Profil und onkologischem Schwerpunkt. Dies war die spannende Zeit, in welcher die ersten, in der Regel von engagierten Personen initiierten ambulanten Palliativversorgungsprojekte entstanden, beispielsweise Home Care Berlin, über das damals in der Standespresse zu lesen war. Dessen Begründer, Dr. Bernd-Rüdiger Suchy, ermöglichte mir eine Hospitation bei Stefan Pütz, dem Home-Care-Arzt seiner Praxis, im Berliner Wedding. So inspiriert, gründete ich mit zwei Kollegen einen Palliativpflegedienst an der Praxis für die Versorgung unserer Patienten – eine gute Idee, aber zehn Jahre zu früh. Die Finanzierung ambulanter Palliativpflege wurde damals seitens der Kostenträger als nicht notwendig angesehen; erst mit der gesetzlichen Regelung von SAPV 2007 konnten wir ein sich wirtschaftlich selbst tragendes Projekt entwickeln, den Home Care Sachsen e. V., später SAPVPlus gGmbH, der ich zwei Jahrzehnte als Vorstandsvorsitzender vorstehen durfte.Anfang der 2000er Jahre wuchs auch das allgemeine Interesse an Palliativmedizin, ich hatte selbst das Glück, meinen Basiskurs bei Prof. Klaschik und seinem damaligen Oberarzt Friedemann Nauck in Bonn zu absolvieren. Mit der Absicht, den Kurs praxisnäher und komplexer zu gestalten, ließ ich mir 2002 das „Program in Palliative Care“ der Harvard Medical School zusenden, erweiterte das Basiscurriculum um praxisrelevante Themen wie „Was ist Palliativpflege“, „Wie verordne ich Home Care“, „Was macht ein Bestatter“ und wir organisierten zahlreiche Basiskurse insbesondere für die Bedürfnisse von Hausärzten. In diesem Zusammenhang wurde mir 2004 ein Lehrauftrag für Palliative Care an der Fakultät Gesundheits- und Pflegewissenschaften der Westsächsischen Hochschule in Zwickau angeboten, den ich mit viel Freude ausfüllte und der 2012 in eine Honorarprofessur umgewandelt wurde.Jetzt habe ich meine Praxis an ein MVZ übergeben, arbeite aber weiterhin voll mit, betreue die Palliativstation der Sächsischen Schweiz Klinik und versorge als Palliativmediziner das Christliche Hospiz Siloah in Bischofswerda.

Was wäre für Sie eine berufliche Alternative?

Die gibt es, auch nach längerer Überlegung, nicht. Ich habe zwar vielfältige Interessen, die meine Freizeit ausfüllen – aber als berufliche Alternative taugen die nicht.

Wie beginnen Sie Ihren Tag?

Der Wecker klingelt, je nach Plan, um 5.30 oder um 6 Uhr; am Wochenende nicht, da genießen wir es, auszuschlafen. Duschen, Kaffee und Müsli; dann fahre ich in die Praxis.

Leben bedeutet für mich …

… das Glück zu haben, bei dem „großen Abenteuer auf der Erde“ (Reinhard Mey) dabei sein zu dürfen. Und diese mir geschenkte Zeit so erfüllend wie möglich zu gestalten.

Sterben bedeutet für mich …

… das Unausweichliche, auf das wir ein Leben lang zusteuern. Die unwiderrufliche Auftrennung von Seele und Körper, die wir nie verstehen. Das Weiterleben in den Werken, in der Hinterlassenschaft, in der Erinnerung.

Welches Ziel möchten Sie unbedingt noch erreichen?

Ich will 2026 den Umzug meiner Praxis in ein modernes Gesundheitszentrum mit MVZ, Arztpraxen, Versorgungs- und Therapieangeboten, stationärer Pflege usw. erleben; um dann unter großzügigen und zeitgemäßen Bedingungen arbeiten zu können.Im Privaten: gemeinsam mit meiner Frau, Kindern und Freunden glücklich und möglichst gesund alt zu werden; den Alltag zu genießen, Konzerte, Theater und schöne Urlaube erleben, vielleicht einmal den Blues Highway von New Orleans nach Chicago zu fahren, und möglichst lange noch jedes Jahr im Herbst mit Freunden in Schottland unterwegs zu sein.

Meine bisher wichtigste Lernerfahrung im Leben ist …

… dass es nicht egoistisch ist, wenn man eigene Zufriedenheit und eigenes Glück erreichen will, und dass dies am schönsten ist, wenn man es mit seinen Liebsten und seinen Freunden erreicht.

Was würden Sie gern noch lernen?

Gerne würde ich noch ein Instrument spielen lernen – die Posaune steht schon lange da; meine Enkel kennenlernen und ein wenig begleiten; wieder mehr malen als bisher, mehr lesen, was bisher eigentlich nur im Urlaub klappt.

Woraus schöpfen Sie Kraft für Ihre Arbeit?

Aus der Ehe mit meiner Frau, meinen erwachsenen Kindern, meinem Freundeskreis und meinen Hobbys: Musik, Singen im Chor, Jazz, bildende Kunst und Theater. In Dresden ist da sehr viel möglich.

Mit wem aus der Welt- oder Medizingeschichte würden Sie gern einmal einen Abend verbringen?

Mit Charlie Parker backstage im Birdland in New York sitzen …

Wenn ich einen Tag unsichtbar wäre, würde ich …

… mich in die Sprechstunde eines alten, erfahrenen Landarztes zu Zeiten von Fontane in der Mark Brandenburg setzen und lauschen, wie dieser mit seinen Patienten umgeht, wie er fragt, zuhört und untersucht.

Wie können Sie Frau Roller beschreiben?

Susanne ist eine großartige, beeindruckende Frau, sie hat in mir den Keim für die Palliativmedizin gelegt. Ich war 1991 als Assistenzarzt am Tumorzentrum Ulm und war bewegt von ihrer Leidenschaft und ihrem Engagement für die Hospizbewegung, für das Menschliche in der Medizin. In den Tagen damals haben wir uns viel und lange unterhalten und ich habe viel gelernt, was ich mitgenommen und in meinem Umfeld weiterentwickelt habe. Leider ging unsere Verbindung seit etwa 15 Jahren auseinander, Doppelkopf ist die Gelegenheit, sie wieder zu festigen.

Wie beenden Sie Ihren Tag?

Gemeinsam mit meiner Frau und einem guten Glas Wein; einem Buch, einem Film oder einfach nur im Gespräch miteinander.

Gibt es etwas, das Sie gern gefragt worden wären, aber noch nie gefragt worden sind?

Wie würden Sie Ihren letzten Tag gestalten?

Zur Person

Jens Papke ist Facharzt für Innere Medizin mit den Zusatzbezeichnungen Medikamentöse Tumortherapie, Palliativmedizin und Notfallmedizin; Staatsexamen nach Studium in Berlin und Dresden und Promotion 1987, seit 1993 niedergelassen, seit 2024 Ärztlicher Leiter des Facharztzentrums Ostsachsen MVZ GmbH in Neustadt/Sachsen.

2007 Gründung von Home Care Sachsen e. V., jetzt SAPV Plus gGmbH, als spezialisiertes ambulantes Palliativversorgungsteam mit Sitz in Dresden, das mehrere sächsische Landkreise versorgt. 2012 Honorarprofessur für Palliative Care an der Westsächsischen Hochschule (WHZ) Zwickau. Mitglied in der Deutschen Krebsgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, der EAPC und der ASCO; seit 35 Jahren in der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin.

Er ist in zweiter Ehe verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und lebt am Stadtrand von Dresden. Mitglied im Chorus116 e. V., der Pirckheimer-Gesellschaft und des Vorstandes der Ludolphy-Stifung am Kreuzgymnasium Dresden.



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Article published online:
29 August 2025

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