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DOI: 10.1055/a-2627-2975
Weiterbildung Palliativmedizin für Ärztinnen und Ärzte

„Klinische Palliativmedizin“ heißt die vom Deutschen Ärztetag 2025 beschlossene Zusatzweiterbildung für Ärztinnen und Ärzte und wirft Fragen auf: Warum das denn nun? Was sollen wir denn mit zwei Zusatzweiterbildungen? Wie, nur eine Zusatzweiterbildung, kein Facharzt?“
Die Palliativversorgung hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich weiterentwickelt. Neue Versorgungsformen wie SAPV und Palliativdienste im Krankenhaus sind dazugekommen. Neue Konzepte der Versorgung wie eine frühe bzw. zeitgerechte (timely) Integration erfuhren eine wissenschaftliche Fundierung. Neue gesellschaftliche Entwicklungen wie die Änderung der gesetzlichen Regeln zur Suizidhilfe kommen hinzu. Diesen Entwicklungen gilt es in Fort-, aber auch Weiterbildungskonzepten Rechnung zu tragen.
Welche Facharztbezeichnungen und welche zusätzlichen Qualifikationsmöglichkeiten es gibt, entscheidet der Deutsche Ärztetag. Mit dem Ärztetag 2003 wurde die Zusatzweiterbildung Palliativmedizin eingeführt. Der Deutsche Ärztetag 2024 hat die Systematik der Zusatzweiterbildungen (ZWB) neu kategorisiert. Es wird nun unterschieden zwischen „interdisziplinäre ZWB“, „interdisziplinäre berufsbegleitende ZWB“ oder „interdisziplinäre kursbasierte ZWB“. Die interdisziplinäre ZWB sieht eine (Mindest-)Weiterbildungszeit bei einer/einem Weiterbildungsbefugten mit Dokumentation im eLogbuch vor, die interdisziplinären berufsbegleitenden ZWB unterscheiden sich hiervon dadurch, dass zwar verbindliche Kenntnisse und Kompetenzen unter Weiterbildungsbefugnis zu erwerben sind, eine (Mindest-)Weiterbildungszeit hierfür jedoch nicht vorgesehen ist. Die Interdisziplinäre kursbasierte ZWB erfolgt ausschließlich über einen (oder mehrere) Weiterbildungskurs(e), eventuell mit integrierten Fallseminaren, aber ohne Weiterbildungsbefugte. Eine Prüfung durch die Landesärztekammern ist weiterhin bei allen ZWB durchzuführen.
Diese grundsätzlichen Regelungen für die ZWB haben konkrete Auswirkungen auf die ZWB Palliativmedizin. Ihr Erwerb war sowohl kursbasiert als auch über Weiterbildungszeiten möglich. Das war durch die Anpassung der Systematik der ZWB so nicht mehr darstellbar. Die Zusatzweiterbildung Palliativmedizin ist nach der Notfallmedizin und der Manuellen Therapie die dritthäufigste erworbene ZWB. Gleichzeitig waren die Anforderungen an die ZWB Palliativmedizin in den einzelnen Landesärztekammern (LÄK) sehr heterogen. Aus Perspektive der DGP bestand die Notwendigkeit, parallel zum Angebot einer niedrigschwelligen kursbasierten Qualifikation, auch eine vertiefte Weiterbildungsmöglichkeit „Spezielle Palliativmedizin“ – optimalerweise auf Facharztniveau – zu etablieren, um den wachsenden Anforderungen an unser Fach durch immer komplexere Erkrankungssituationen und den demographischen Wandel auch zukünftig gerecht werden zu können.
Ziel der DGP war daher – in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin – sowohl einen breiten, berufsbegleitenden Zugang über eine interdisziplinäre kursbasierte ZWB zu ermöglichen, als auch einen Zugang über eine interdisziplinäre ZWB am besten mit 24 Monaten Weiterbildungszeit zu etablieren, der den oben skizzierten Entwicklungen des Fachs Rechnung trägt. Der Deutsche Ärztetag 2025 hat nun grünes Licht für beide Zugangswege geschaffen. Die interdisziplinäre kursbasierte ZWB führt zum Erwerb der ZWB „Palliativmedizin“, die Qualifikation über (Mindest-)Weiterbildungszeit bei einem Weiterbildungsbefugten ermöglicht die ZWB „Klinische Palliativmedizin“. Für sie hat der Deutsche Ärztetag eine (Mindest-)Weiterbildungszeit von 12 Monaten in Vollzeit beschlossen. Mit 12 Monaten (Mindest-)Weiterbildungszeit sind wir im Europäischen Vergleich noch immer am unteren Ende. Leider wurde die Bezeichnung „Spezielle Palliativmedizin“ nicht übernommen, dafür aber der Begriff „klinisch“ im Gegensatz zu „theoretisch“ gewählt. Das bedeutet aber nicht, dass diese ZWB nur im stationären Bereich erworben werden kann.
Im nächsten Schritt gilt es sowohl das Kursbuch für die ZWB Palliativmedizin anzupassen, als auch die Inhalte (Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten) für die neue ZWB Klinische Palliativmedizin zu definieren. Natürlich wird es inhaltliche Schnittmengen geben, aber auch deutliche Unterschiede. Eine weitere Aufgabe wird die Verankerung spezifischer pädiatrisch-palliativmedizinischer Inhalte sein. Es gilt zahlreiche organisatorische Hürden zu meistern, beispielsweise die Anrechenbarkeit von Weiterbildungszeit in der SAPV, die derzeit im Bundesrahmenvertrag SAPV nicht vorgesehen ist, sowie die Entwicklung guter Übergangsregelungen. Die Umsetzung auf Ebene der Landesärztekammern, die für die Weiterbildung zuständig sind, wird daher frühestens im Herbst 2026, eher im Laufe des Jahres 2027 stattfinden können.
Die ärztliche Weiterbildung in Palliativmedizin wird damit in Zukunft zweigleisig fahren. Der eine Zug fährt auf dem Gleis Palliativmedizin. Die Inhalte werden in Kursen und Fallseminaren vermittelt und schließen mit einer Prüfung in der jeweiligen Landesärztekammer ab. Der andere Zug bewegt sich auf dem Gleis „Klinische Palliativmedizin“. Seine Inhalte werden von einem Weiterbildungsermächtigen in einer Weiterbildungsstätte über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten vermittelt und schließen ebenso mit einer Prüfung ab.
Hinter diesem (Zwischen-)Ergebnis liegen viele intensive Diskussionsrunden innerhalb der DGP, mit anderen Fachgesellschaften, den Gremien der Bundesärztekammer und der Union Européenne des Médecins Spécialistes (UEMS). Herzlichen DANK allen Beteiligten für ihre Zeit und ihr Engagement und den Input, um die so notwendige ärztliche palliativmedizinische Qualifikation in Zukunft sowohl in der Breite als auch in der Tiefe gut abbilden zu können.








Ulrich Wedding, Jörg Weimann, Alexandra Scherg, Claudia Bausewein
Publication History
Article published online:
29 August 2025
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