Diabetes aktuell 2025; 23(05): 225-227
DOI: 10.1055/a-2624-5169
Schwerpunkt

Steatotische Lebererkrankung mit metabolischer Funktionsstörung – die neue Nomenklatur zur Fettleber im deutschen Kontext

1   Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums des Saarlandes, Homburg, Deutschland
,
2   Charité Universitätsmedizin Berlin, Department of Hepatology and Gastroenterology, Campus Virchow-Klinikum (CVK) and Campus Charité Mitte (CCM), Berlin, Deutschland
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Die Fettleber ist eine der großen Volkskrankheiten in Deutschland. Über viele Jahrzehnte hatten sich die Begriffe „alkohol-assoziierte Lebererkrankung“ sowie „nicht-alkoholische Fettlebererkrankung“ (NAFLD), bzw. deren progrediente Verlaufsform „nicht-alkoholische Steatohepatitis“ (NASH) fest in der Hepatologie etabliert. Umso beachtlicher ist es, dass sich die europäische, amerikanische und die lateinamerikanische Fachgesellschaften EASL, AASLD und ALEH zusammengetan haben, um in einem Konsensus-Prozess eine Namensänderung zu entwickeln. Im Folgenden ordnen wir die nun als Metabolische Dysfunktion-assoziierte steatotische Lebererkrankung (MASLD), die eine Unterform der steatotischen Lebererkrankungen (SLD) darstellt, in den deutschen Kontext ein und erläutern die Hintergründe zu dem Prozess, der mit der Veröffentlichung der internationalen Konsensus-Empfehlung am 24. Juni 2023 einen Abschluss fand.

Die Fettleber ist eine häufige Erkrankung. In Deutschland sind bis zu einem Drittel der Bevölkerung von einer Leberverfettung betroffen [1]. Ätiologisch sind Alkoholkonsum und die durch (hyperkalorische) Ernährung hervorgerufene Leberverfettung die häufigsten Formen. Über viele Jahre wurden diese zwei Ätiologien als alkoholische und nicht-alkoholische Fettleber voneinander unterschieden. Seltene Erkrankungen bzw. Medikamente, die zur Leberverfettung führen können, wurden hingegen als „sekundäre Ursachen“ bezeichnet und spielen relativ gesehen eine untergeordnete Rolle [2]. Im Gegensatz zu der eindeutigen Bezeichnung war es im Alltag jedoch nicht immer einfach möglich, die alkoholische von nicht-alkoholischer Leberschädigung zu unterscheiden, und vielen Ärzt:innen erschien eine strikte Kategorisierung ihrer Patient:innen nicht plausibel. Durch das Fehlen von Biomarkern, die eine sichere Quantifizierung des Alkoholkonsums erlauben, bleiben nur Anamnese und ärztliche Einschätzung, um Patient:innen einer dieser beiden steatotischen Lebererkrankungen zuzuordnen. Die deutsche Leitlinie zur „nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung“ (NAFLD) erlaubt beispielsweise einen täglichen Alkoholkonsum von 10 g (Frauen) bzw. 20 g (Männer) pro Tag für die „nicht-alkoholische“ Ätiologie [3] . Dass dabei Fehleinschätzungen entstehen, erscheint wenig überraschend [4]. Auf Seite der Patient:innen wurde die alte Nomenklatur zum Teil als stigmatisierend beschrieben. Insbesondere die Begriffe „Fett“ und „Alkohol“ in der Krankheitsbezeichnung könnten eine belastende Vorverurteilung darstellen.

Bereits seit vielen Jahren gab es deshalb eine akademisch geprägte Debatte zur geeigneten Bezeichnung und auch Definition der Erkrankung. Im Vordergrund stand dabei zunächst die Pathophysiologie der Erkrankung, die nicht gut durch den Begriff „nichtalkoholische Fettleber“ beschrieben wurde [5]. In jüngeren Jahren wurde diese Kritik dann erweitert um die (a) Definition einer Erkrankung durch ein Negativkriterium („nicht-alkoholisch“ anstelle positiver Diagnosekriterien) und (b) die zunehmende Stigmatisierung, die von großen Patient:innengruppen betont wurde. Gegen eine Namensänderung sprach, dass sich diese negativ auf die gerade aufkommende Wahrnehmung der Erkrankung und den kürzlich begonnenen Prozess der Medikamenten-Entwicklung auswirken könnte. Im Bereich der Hepatologie sind Namensänderungen, die auf neuen Erkenntnissen zur Pathophysiologie der Erkrankungen basieren, nicht unbekannt. Die heute als Primäre biliäre Cholangitis (PBC) bezeichnete seltene Gallenwegserkrankungen wurde bis 2015 noch Primäre Biliäre Zirrhose (PBC) genannt [6], und auch die non-A-non-B-Hepatitis wurde nach Identifikation des Hepatitis C-Virus (HCV) umbenannt (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0002934399003757).

Ausgangspunkt für die jetzt am 26. Juni 2023 in Wien anlässlich der Europäischen Lebertagung bekannt gegebenen Namensänderungen war ein Kommentar einer Gruppe von Autor:innen, die unter Bezug auf die Pathophysiologie der Erkrankung und unter Verwendung von Positivkriterien den Begriff der Metabolicdysfunction associated fatty liver disease (MAFLD) vorgeschlagen hatten [7]. In den darauffolgenden Jahren wurden unter Benutzung des Begriffs MAFLD über 1500 Publikation veröffentlicht. Insbesondere im asiatischen Raum wurde diese Bezeichnung begrüßt. Um allerdings mehrere und nicht methodisch nachvollziehbare Nomenklaturen zur selben Erkrankung zu vermeiden, wurde im Jahr 2021 ein Konsensus-Prozess initiiert (https://easl.eu/nafld_nomenclature/).

Der Konsensprozess, der auf einem Delphi-Prozess unter Beteiligung von 267 Expert:innen, Patient:innengruppen und Dachorganisationen zustande kam, wird heute von der Mehrheit der im Feld wissenschaftlich Forschenden unterstützt [8]. Auch die Zulassungsbehörden FDA und EMA haben zuletzt betont, dass sie keinen Einfluss auf die laufenden Phase-3-Studienprogramme zur vorläufigen Zulassung von Medikamenten in der Indikation „NASH“ mit signifikanter bzw. fortgeschrittener Fibrose sehen (Liver Forum Paris 2023; https://paris-nash.org/materials). Damit ist davon auszugehen, dass sich nach dem Positionspapier der Begriff in der wissenschaftlichen Literatur nach und nach durchsetzen wird.

Die neue Nomenklatur sieht vor, dass Fettlebererkrankungen unter dem Oberbegriff der „Steatotic Liver Disease“ (SLD) zusammengefasst werden ([ Tab. 1 ]). Für die metabolisch bedingten Fettlebererkrankungen existieren Positivkriterien der Diagnosestellung, von denen mindestens eines erfüllt sein muss, um die Bezeichnung „metabolic dysfunction associated steatotic liver disease“ (MASLD) zu erlauben. Es handelt sich dabei um fünf kardiometabolische Kriterien von Komorbiditäten (Übergewicht/Adipositas, Glukosetoleranzstörung/Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Hypertriglyzeridämie, Hypercholesterinämie). Die Alkoholobergrenze für MASLD liegt bei 20 g (Frauen) bzw. 30 g (Männer) pro Tag. Bei höherem Alkoholkonsum besteht entweder eine „alcohol-associated liver disease“ (ALD) oder eine Mischform aus MASLD und ALD, welche als MetALD („MASLD and increased alcohol intake“) abgekürzt wird. Daneben gibt es dann noch spezifische Ätiologien (z. B. Steatose bei Medikamententoxizität, Zöliakie, M. Wilson, parenteraler Ernährung oder genetischen Erkrankungen) sowie die kryptogene SLD ([ Tab. 1 ]).

Tab. 1

Vorgeschlagene neue internationale Nomenklatur zu den Fettlebererkrankungen und analoge deutsche Terminologie. *Die Bezeichnung Fettlebererkrankung ist als Patient:innen-naher Begriff im deutschen Sprachgebrauch weiterhin einsetzbar [8].

Steatotic Liver Disease (SLD)
Steatotische Lebererkrankung (SLD)*

MASLD: metabolic dysfunction associated liver disease

MetALD: MASLD + increased alcohol intake

ALD: alcohol-associated liver disease

Specific etiologies (e. g. drug-induced, monogenic, others)

Cryptogenic SLD

Metabolische Dysfunktion-assoziierte steatotische Lebererkrankung

MASLD und vermehrter Alkoholkonsum

Alkohol-assoziierte Lebererkrankung (ALD)

Kryptogene SLD

Die neue Nomenklatur ist aus mehreren Aspekten heraus bemerkenswert. Erstmals gelingt es nun, die zum Teil künstliche Abgrenzung des dominanten Schädigungsmusters bei Fettleber – Alkohol oder metabolische Störung – aufzuheben und eine neue Kategorie, die gemischt metabolisch-alkoholische Leberschädigung (MetALD) einzuführen. Aus der Sicht des pragmatischen Behandelnden kann so durch eine Eingangsdiagnostik mittels Ultraschall rasch die Erkrankungsgruppe – Fettleber (SLD) – gestellt werden. Die weitergehende ätiologische Eingrenzung ist dann im Verlauf der Behandlung möglich.

Davon abzugrenzen ist aus unserer Sicht die Nutzung dieses Fachbegriffs im Behandlungskontext. Aus Sicht eines/r deutschen Behandelnden erscheint der Begriff nicht geeignet, um Patient:innen die Lebererkrankung zu erklären. Sowohl „Metabolische Dysfunktion“ als auch der Fachbegriff „steatotische Lebererkrankung“ sind nicht intuitiv und erscheinen Patient:innen-fern. Diese Fachbegriffe würden dazu führen, dass Patient:innen ihre Erkrankung und die zugrundeliegenden Ursachen nicht leichtgängig verstehen. Auch erscheint uns die Stigmatisierung unter Nutzung des Begriffs Fettleber nicht so stark zu sein, da fett im Deutschen im Gegensatz zum fatty im Englischen nicht als alleinstehendes Adjektiv genutzt wird. Auch die Verbalisierung, dass eine Lebererkrankung eben gerade nicht durch Alkohol verursacht worden ist, kann für einzelne Patient:innen eine Erleichterung gewesen sein.

Aus unserer Sicht können deutsche Behandelnde mehrere Ansätze wählen. Um die Wahrnehmung der Erkrankung zu steigern und eine Patient:innen-nahe Sprache zu verwenden, ist der deutsche Begriff der Fettleber mit dem Hinweis auf die Entstehung durch Alkoholkonsum bzw. den Stoffwechsel (oder metabolische Störung) gut einsetzbar. Im klinischen Alltag nutzen wir deshalb weiterhin den Begriff Fettleber, um Patient:innen in die Lage zu versetzen, ihre Erkrankung zu benennen, zu verstehen und – falls gewünscht – leichtgängig mit anderen zu teilen. Um eine Codierung und medizinische Begrifflichkeit zu ermöglichen, werden wir in ärztlicher Korrespondenz den Begriff der MASLD bzw. SLD nutzen. Die im Jahr 2024 (und später) zu erwartenden Therapien werden im Label voraussichtlich die Begriffe „Steatohepatitis“ und „Fibrose“ enthalten, sodass auch diese beiden Begriffe in der ärztlichen Korrespondenz geführt werden sollten, dann auch als metabolische Dysfunktion-assoziierte Steatohepatitis (MASH) oder übergeordnet als SLD.

Aus unserer Sicht hat dieser aufwändige, internationale Nomenklatur-Prozess jetzt einen Schlussstrich unter eine wissenschaftlich geprägte Diskussion gezogen, sodass nun wieder Energie und Zeit für die Erforschung der Pathophysiologie und davon ausgehend neue Therapieansätze zur Verfügung stehen.



Publication History

Article published online:
14 August 2025

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