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DOI: 10.1055/a-2557-2861
Gesundheitspolitische Bilanz der Coronapandemie



Es ist sicherlich an der Zeit, eine interdisziplinäre und sozialkritische Analyse der Coronapandemie zu ziehen. Prof. Dr. Streeck ist Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn und macht einen Versuch. Streeck will die Gesellschaft aufklären: weil die Ergebnisse der Untersuchungen der Coronakrise „unverändert schlecht sind“ und es kaum besser zu werden verspricht (vgl. S. 11). Der Autor bemängelt den Stand der Untersuchungen zum Krisenmanagement während der Pandemie und auch zu deren Folgen. Streeck legt einen Finger in die Wunde: „Corona hat uns kalt erwischt, obwohl über Jahre vor einer möglichen Pandemie gewarnt worden war...“ (S. 9). Einige seiner Feststellungen: Allein in Deutschland haben sich 39 Millionen mit SARS-CoV-2 infiziert (vgl. S. 8). Die sozialen und psychologischen Folgen durch Vereinsamung und Kontaktverbote sind kaum zu bemessen (vgl. S. 8). Die Anzahl der Sterbefälle in Deutschland ist in den drei Jahren der Pandemie erschreckend gestiegen, z. B. im Jahr 2020 über 900 000, im Jahr 2021 und 2022 über eine Million (vgl. S. 121). Die Sterblichkeitsrate war dabei je nach Region sehr unterschiedlich, z. B. in Tirschenreuth fast um das Zehnfache höher als in Heinsberg (vgl. S. 121). Das Buch kritisiert am Krisenmanagement während der Coronapandemie sowohl die „nicht optimale Kommunikation“ zwischen dem Bundesgesundheitsministerium und der Bevölkerung als auch die „konfliktreiche Beziehung zwischen Bund und Ländern“ (vgl. S. 136–137). Streeck setzt sich im Ergebnis bei künftigen Krisen für die Berufung einer Stelle eines Chefberaters im Kanzleramt ein. Dieser würde nach seiner Vorstellung das Wissen von Expertengruppen sammeln und an die politischen Entscheidungsträger weiterleiten (vgl. S. 143; vgl. S. 266).
Der Autor plädiert als Fazit vor allem für eine sozialkritische Analyse der Coronapandemie. Diese sollte u. a. stärker die Chancen der Selbsthilfe gegen soziale Isolation und Einsamkeit in Betracht ziehen. Für die Bewältigung der künftigen Krisen ist es notwendig, dass Politik, Medizin und einzelne Bürger, alle gemeinsam ihren demokratisch-verantwortlichen Beitrag leisten.
Dr. Siegmund Pisarczyk, Hamburg
Publication History
Article published online:
30 April 2025
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