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DOI: 10.1055/a-2556-7199
Leitlinie zur Impfung von Rindern und kleinen Wiederkäuern – eine Zusammenfassung
Guidelines for the vaccination of cattle and small ruminants – a summary- Zusammenfassung
- Abstract
- Präambel
- Impfempfehlungen für Rinder
- Impfempfehlungen für kleine Wiederkäuer
- Impfindikationen für die keine Impfstoffe zugelassen sind
Zusammenfassung
Bei Rindern und kleinen Wiederkäuern stellen Impfungen -neben der allgemeinen Biosicherheit- die wichtigste Maßnahme zur Verhinderung von Infektionskrankheiten und deren Verbreitung dar. Etliche wirtschaftlich bedeutsame und z.T. verlustreiche Tierseuchen, wie IBR/IPV, BVD oder MKS, konnten durch langjährige Impfkampagnen so erfolgreich bekämpft werden, dass die reguläre Impfung dagegen ausgesetzt und Ausnahmesituationen vorbehalten werden kann. Das bei Companion Animals, wie Kleintieren und Pferden, bewährte Konzept von Core- und Non-Core-Impfungen trägt bei Nutztieren nicht, weil Impfkonzepte in viel stärkerem Maße von der jeweiligen Bestandssituation oder Nutzungsart abhängig sind. Dennoch gibt es Impfindikationen, die für viele Wiederkäuer -egal welcher Nutzungs- und Bestandssituation- wichtig sind. Als erstes zu nennen, ist im Moment die Impfung gegen das Blauzungenvirus vom Serotyp 3 (BTV-3). Diese Impfung wird aktuell für alle empfänglichen Wiederkäuer mit hoher Dringlichkeit empfohlen. Daneben sind bei Rindern Impfungen gegen Jungtiererkrankungen von allgemeiner Relevanz. Während die Impfung gegen Neugeborenen Diarrhoe vor allem als Muttertierimpfung zur Anwendung kommt, ist die Impfung gegen die Enzootische Bronchopneumonie primär als echte Jungtierimpfung bei Kälbern angeraten. Die Impfung gegen Coxiellose spielt bei Wiederkäuern eine zunehmend wichtigere Rolle. Pasteurellose ist ein wichtiges Thema bei Lämmern, während die Impfung gegen Clostridiosen sowohl bei Schafen, vor allem aber bei Ziegen fast den Status einer Core-Impfung erreicht. Neben den genannten, gibt es eine Reihe weiterer Impfungen, zu denen je nach Region- oder Bestandssituation geraten werden sollte. In der hier veröffentlichten Übersicht werden unterschiedliche Impfindikationen, solche für die in Deutschland zugelassene Impfstoffe zur Verfügung stehen sowie solche, für die alternative Anwendungsmodalitäten genutzt werden müssen, kurz besprochen. In der vollständigen Impfleitlinie, die auf der Homepage der StIKo Vet unter www.stiko-vet.de als pdf-Datei heruntergeladen werden kann, finden sich weitere Informationen zu den Erkrankungen, möglichen Impfstrategien und die Tabellen der aktuell in Deutschland zugelassenen Impfstoffe.
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Abstract
In cattle and small ruminants, vaccinations are one of the most important measures for preventing infectious diseases. Many animal diseases that caused tremendous losses in the past, such as IBR, BVD or FMD, have been eradicted through long-term vaccination campaigns. Regular vaccinations against these diseases could meanwhile be suspended and are now reserved for exceptional situations only under the auspice of competent authorities. The concept of core and non-core vaccinations, which has proven successful in companion animals such as small animals and horses, does not work for farm animals because for these vaccination concepts depend to a great extent on the respective farm situation. Nevertheless, there are vaccinations important for many ruminants - regardless of breed and farm situation. Most important at the moment is bluetongue virus serotype 3. This vaccination is currently recommended with high urgency for all susceptible ruminants. In addition, vaccinations against diseases affecting young animals are of general relevance in cattle. While the vaccination against neonatal diarrhoea is mainly used as a dam vaccination, the vaccination against enzootic bronchopneumonia is primarily recommended as a calf vaccination. The vaccination against Coxiellosis is becoming increasingly important in ruminants. Immunization against Pasteurellosis is important in lambs, while vaccination against Clostridiosis almost counts as a core vaccination in sheep and especially in goats. In addition to those mentioned, there are a number of other vaccinations that should be recommended depending on the region or herd situation. The synopsis published here briefly discusses different vaccination indications, those for which authorized vaccines are available in Germany and those for which alternative application modalities must be used. The complete vaccination guideline, which can be downloaded as a PDF file from the StIKo Vet homepage at www.stiko-vet.de, contains further information on the diseases, possible vaccination strategies and the usual, updated tables of approved vaccines.
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Präambel
Impfungen sind sehr wichtige Maßnahmen zur Verhinderung und Eindämmung von Infektionskrankheiten und deren Verbreitung.
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Das einzelne Tier ist so häufig wie nötig zu impfen mit dem Ziel, einen Schutz des Einzeltieres, des Bestandes und schließlich der Population zu erreichen.
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Komplette Bestands- oder Gruppenimpfungen sind anzustreben, um Infektionsketten zu unterbrechen.
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Die regelmäßige Bestandsbegehung, die Entnahme und Untersuchung geeigneten Probenmaterials, die Gesundheitsberatung und das Impfgespräch dienen der Ermittlung und Implementierung eines auf die Bedürfnisse des jeweiligen Bestandes zugeschnittenen Impfprogramms.
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Die vollständige Grundimmunisierung ist Voraussetzung für einen optimalen Schutz des Einzeltieres.
Neben der Impfung bilden die allgemeine Betriebshygiene, die Optimierung des Managements, der Haltungsbedingungen und der Fütterung sowie der Biosicherheit weitere Säulen der Vorbeugung von Infektionskrankheiten. Informationen dazu finden sich z. B. in der Hygieneleitlinie zur Haltung von Wiederkäuern des Bundesministeriums oder im Leitfaden Biosicherheit in der Rinderhaltung gemeinsam von der Tierärzte- und Landwirtschaftskammer Niedersachsen herausgegeben.
Die Leitlinie zur Impfung von Rindern und kleinen Wiederkäuern ist nicht starr und nicht rechtsverbindlich, vielmehr stellt sie eine Entscheidungshilfe für den anwendenden Tierarzt dar. Sie wird in regelmäßigen Abständen überprüft und gegebenenfalls ergänzt oder geändert. Neben den Impfleitlinien werden von der StIKo Vet auch wissenschaftliche Stellungnahmen zur Impfung von Tieren auf der Homepage der StIKo Vet veröffentlicht. Diese Stellungnahmen nehmen Bezug zu aktuellen Themen und liefern teilweise über die Leitlinien hinausreichende Hintergrundinformationen. Die Informationen zu den verfügbaren Impfstoffen wurden der Homepage des Paul-Ehrlich-Institutes (PEI) bzw. der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) entnommen. Sie geben den Stand zum Zeitpunkt des Erscheinens der Leitlinien wieder. Änderungen oder aktuelle Warnhinweise sind der jeweiligen Packungsbeilage/Gebrauchsinformation zu entnehmen.
Alle Impfstoffe bedürfen einer Zulassung durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) oder eines vergleichbaren europäischen Rechtsaktes. Informationen über die derzeit in Deutschland zugelassenen Impfstoffe können der Internetseite des PEI entnommen werden. Im Rahmen dieser Zulassung werden die Wirksamkeit sowie die Verträglichkeit und Sicherheit der Impfstoffe geprüft. Dennoch lassen sich unerwünschte Tierarzneimittelwirkungen nicht ausschließen. Die Zahl der Impfungen sollte daher auf das notwendige Maß beschränkt bleiben. Ebenso ist es seitens der Anwender notwendig, das Vorkommen unerwünschter Wirkungen zu dokumentieren und die zuständige Institution darüber zu informieren. Die Überwachung, Registrierung und Kommunikation hinsichtlich Nebenwirkungen erfolgt zentral durch das PEI. Ein Meldeformular für unerwünschte Wirkungen steht auf der Internetseite des PEI zum Abruf bereit.
Die Gebrauchsinformation, in neueren Rechtstexten auch Packungsbeilage genannt, ist Teil der Zulassung eines Impfstoffes. Entsprechend dem Grundsatz „anwenden wie zugelassen“ sind die dort enthaltenen Informationen zu beachten. Dieser Grundsatz ist sehr prominent in der neuen Europäischen Tierarzneimittelverordnung (EU) 2019/6 formuliert. Gleichzeitig wurde mit der Verordnung aber auch die Möglichkeit geschaffen, Tierimpfstoffe umzuwidmen, sofern für das jeweilige Anwendungsgebiet oder die jeweilige Tierart kein geeigneter Tierimpfstoff verfügbar ist. Die Forderung nach einer strikten Beachtung von Anwendungsempfehlungen steht damit der Flexibilisierung von Anwendungsmöglichkeiten in Eigenverantwortung des Tierarztes in gewisser Weise gegenüber. Zudem fordert die Verordnung von den Zulassungsinhabern sicherzustellen, „dass die Fachinformation, die Packungsbeilage und die Kennzeichnung auf dem Stand der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse gehalten werden“.
Die von der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet) erarbeiteten Empfehlungen gehen in Einzelfällen über die Anwendungsempfehlung der Packungsbeilage hinaus. Sie basieren auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen oder stellen – wenn die Datenlage eine abschließende Bewertung nicht zulässt – den Konsens des Expertengremiums der StIKo Vet dar. Dies soll auch dazu beitragen, die Impfstoffhersteller zu einer Ergänzung ihrer Impfstofflinien bzw. zu einer Aktualisierung der Anwendungsempfehlungen zu motivieren, die den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht. Darüberhinaus stehen gerade bei kleinen Wiederkäuern in einigen Fällen keine für die jeweilige Tierart zugelassenen Impfstoffe zur Verfügung. Es ist in derartigen Fällen tiermedizinisch geboten, für andere Tierarten zugelassene Impfstoffe zulassungsüberschreitend einzusetzen. Zu Fragen hinsichtlich der rechtlichen Bewertung dieses Sachverhaltes wurde von der StIKo Vet eine ausführliche Stellungnahme veröffentlicht.
Da unterschiedliche Nutzungsrichtungen sehr unterschiedliche Anforderungen an die Immunprophylaxe stellen, wurden die Impfempfehlungen für Rinder und kleine Wiederkäuer im ersten Teil des vorliegenden Dokumentes entsprechend den Haltungs- und Nutzungsarten getrennt formuliert. Fachinformationen zu den einzelnen Erregern nebst Übersichtstabellen zu den in Deutschland zugelassenen Impfstoffen finden sich nach Erkrankung bzw. Symptomkomplex sortiert in der Vollversion der Impfleitlinie. Für jede Nutzungsrichtung sollen Farbampeln -angelehnt an das Konzept der Core- und Non-Core Vakzinierung- einen schnellen Eindruck darüber vermitteln, ob bzw. für welche Bestandssituation die Impfung empfohlen wird (grüne Punkte), nach behördlicher Genehmigung möglich (gelb), oder grundsätzlich verboten ist (rot). Sie treffen keine Aussage zur Qualität der Impfstoffe:


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Impfempfehlungen für Rinder
Impfungen stellen eine wesentliche Maßnahme zur Prophylaxe und Bekämpfung von Infektionskrankheiten und Tierseuchen in allen Nutzungsrichtungen (Aufzuchtkälber, Jungtiere oder Fresser, Färsen, Kühe) dar. Eine Impfempfehlung muss sich immer am Seuchenstatus der einzelnen Herde bzw. der Region und damit an der jeweiligen Risikoeinschätzung orientieren. Die darausfolgende Impfentscheidung hängt letztlich auch von ökonomischen Überlegungen ab und kann in zwei unmittelbar benachbarten Betrieben vollkommen unterschiedlich sein. Die Auswahl der Impfstoffe und die Dauer der Impfmaßnahme orientieren sich an den Risiken für einen Ausbruch und den auftretenden Erkrankungen im Bestand bzw. in den einzelnen Haltungsbereichen.
Impf-Ampel für Rinder


Blauzungenkrankheit
In Deutschland kam es 2018 zu einem erneuten Auftreten der Blauzungenkrankheit verursacht durch Serotyp 8. Nicht zuletzt aufgrund der Anstrengungen der südwestlichen Bundesländer, durch Impfungen eine Populationsimmunität aufrechtzuerhalten, gingen die Ausbruchszahlen in den Folgejahren wieder zurück. Seit dem 1.Juni 2023 galt Deutschland wieder als frei von BTV.
Im September 2023 trat dann mit Serotyp 3 eine neue BTV-Variante in den Niederlanden auf, die in Mitteleuropa bis dato noch nicht beobachtet worden war. Der Serotyp 3 hat sich mittlerweile über ganz Deutschland und über weite Teile Europas ausgebreitet. Damit hat Deutschland den Status „frei von Blauzungenkrankheit“ verloren. Mit dem neuen, europäischen Tiergesundheitsrechtsakt wurde die Blauzungenkrankheit als Seuche der Kategorie C (optionales Tilgungsprogramm) eingestuft. In Deutschland besteht gegenwärtig kein Tilgungsprogramm. Amtliche Maßnahmen zur Tierseuchenbekämpfung sind damit, abgesehen von der Meldepflicht und Verbringungsbeschränkungen, nicht mehr vorgeschrieben. Tierverluste werden nur von einigen Tierseuchenkassen auf freiwilliger Basis und nur unter bestimmten Bedingungen im Rahmen einer Beihilfe kompensiert. Es ist damit zu rechnen, dass BTV-3 in den kommenden Jahren in Deutschland weiterhin auftreten wird. Vor allem bei Schafen werden schwere Krankheitsverläufe mit signifikanter Letalität beschrieben, aber auch Rinder sind betroffen. Neben den typischen Erscheinungen einer Blauzungenkrankheit steht bei Rindern vor allem ein mehrere Monate anhaltender Rückgang der Milchleistung im Vordergrund. Die bislang zugelassenen BTV-Impfstoffe enthalten keine BTV-3 Komponente und schützen daher nicht vor der neuen Variante. Dabei ist die Impfung die einzige Möglichkeit, empfängliche Wiederkäuer vor Infektion und Erkrankung zu schützen. Die StIKo Vet hat in einer jüngsten Stellungnahme über die Möglichkeit einer Impfprophylaxe gegen den neuen Serotyp informiert. Darin wird dringend empfohlen, empfängliche, gefährdete Wiederkäuer gegen die neue Variante zu impfen. Dafür stehen in Deutschland seit Anfang Juni 2024 drei monovalente Inaktivatimpfstoffe zur Verfügung[1]. Neben dem neuaufgetretenen Serotyp-3 werden aktuell aus Frankreich auch wieder vermehrt Ausbrüche des bekannten BTV-8 Serotyps gemeldet. Erste Fälle des BTV-8 Serotyps werden auch wieder aus der Schweiz gemeldet. Die Aufrechterhaltung einer Populationsimmunität gegen BTV-8 sollte zumindest in den entsprechenden Grenzgebieten nicht aus den Augen verloren werden. Für die Verbringung empfänglicher Wiederkäuer entsprechend DelVO 689/2020 aus nicht-BTV-freien Gebieten ist es erforderlich, dass sie mindestens 60 Tage vor dem Verbringen und längstens innerhalb der für den Impfstoff angegebenen Dauer der Immunität gegen alle in dem Gebiet auftretenden BTV-Serotypen geimpft worden sind[2]. Mit klinischem Schutz vor der Erkrankung kann entsprechend jüngerer Untersuchungen an gegen BTV-8 geimpften Rindern und Schafen auch über die in der Packungsbeilage angegebene Dauer der Immunität gerechnet werden.
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Bovine Herpesvirus Infektionen
Deutschland ist gemäß der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689 anerkannt frei von Infektionen mit dem Bovinen Herpesvirus 1 (BHV1). Deshalb ist die prophylaktische Impfung gegen BHV1 im gesamten Bundesgebiet grundsätzlich verboten. Im Ausbruchsfall kann die zuständige Behörde Notimpfungen anordnen, wenn dies aus Gründen der Seuchenbekämpfung erforderlich ist. Aus Sicht der StIKo Vet sollte dies nur nach sorgfältiger Abwägung der gegebenen Umstände erfolgen. Geimpfte Tiere sollten nur für eine begrenzte Zeit und unter hohen Biosicherheitsstandards in den Beständen gehalten werden. In einer ausführlichen Stellungnahme hat die StIKo Vet diskutiert, in welchem Fall der Einsatz der Notimpfung aus Sicht der StIKo Vet sinnvoll sein kann.
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Bovine Virusdiarrhoe
Mit Inkrafttreten des EU-Tiergesundheitsrechtsaktes am 21. April 2021 besteht für Mitgliedsstaaten oder Zonen, welche den Status „Frei von Boviner Virus Diarrhoe“ anstreben, das Erfordernis, ein Impfverbot zu erlassen. Gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2021/620 ist mit Ausnahme weniger Landkreise und des Landes Berlin ganz Deutschland als „seuchenfrei“ in Bezug auf BVD anerkannt. Die noch nicht freien Gebiete befinden sich in einem Eradikationsprogramm. Damit ist die Impfung in ganz Deutschland verboten. Davon abweichend kann im Fall eines Ausbruchs die Impfung für eine begrenzte Zahl von Betrieben durch die zuständige Behörde gestattet werden. Diese ist unter Aufsicht der zuständigen Behörde durchzuführen und für jedes Tier zu dokumentieren, möglichst in der Datenbank HI-Tier. Im Ausbruchsfall sollte in Milchbetrieben von dieser Möglichkeit nach Prüfung der Situation vor Ort (s.u.) Gebrauch gemacht werden.
Zu einem Eintrag von BVDV kann es durch den unwissentlichen Kauf eines transient oder persistent infizierten (PI-)Tieres oder einer mit einem PI-Kalb tragenden Kuh („Trojaner“) bzw. auch den direkten Kontakt zu bestandsfremden Tieren oder den indirekten Kontakt z. B. über Geräte oder Personen kommen. Wird in einer ungeimpften, zuvor BVDV-freien Herde ein persistent- oder transient infiziertes Tier ermittelt, ist im Verlauf des darauffolgenden Jahres wieder mit dem Auftreten von PI-Tieren zu rechnen. Durch eine Impfung aller Tiere im Rahmen der Bekämpfung des Seuchenausbruchs lässt sich die Zirkulation des Virus innerhalb des Bestandes verkürzen und das Risiko der Weiterverbreitung in andere Bestände reduzieren. Ob eine Impfung sinnvoll ist, ist im Einzelfall zu entscheiden. Hierbei spielen Zeitpunkt des Nachweises, Zahl der PI-Tiere, Betriebsstruktur und die Größe bzw. das Management des Betriebes eine Rolle. In größeren Betrieben z. B. mit mehreren Betriebsteilen ist die Impfung im Falle des Nachweises von BVDV in aller Regel zu empfehlen.
Einen Sonderfall stellen hochvirulente BVD-Stämme dar, die nach horizontaler Übertragung seuchenhaft zu schweren hämorrhagischen Verläufen mit teilweise hoher Mortalität führen können. In der Vergangenheit gehörten die meisten dieser hochvirulenten Stämme der Spezies BVDV-2 an. Bei derartigen regionalen Ausbrüchen ist in Abstimmung mit der zuständigen Behörde dringend zu einer Impfung zu raten. Es steht ein bivalenter Lebendimpfstoff zur Verfügung, der sowohl eine BVDV-1 als auch eine BVDV-2 Komponente enthält. Da die Immunität drei Wochen nach der einmaligen Grundimmunisierung einsetzt, eignet sich dieser Impfstoff auch für den Einsatz während eines akuten, regionalen Seuchengeschehens. Bereits erkrankte Tiere bzw. Tiergruppen sollten nicht geimpft werden, da eine Impfung die Klinik verschlimmern und zu einer erhöhten Mortalität führen kann.
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Bronchopneumonie
Die Enzootische Bronchopneumonie ist eine Kälber- und Jungtiererkrankung, die den Faktorenkrankheiten zuzuordnen ist. Vor allem Stresszustände, denen die Tiere ausgesetzt sind, begünstigen den Ausbruch der Enzootischen Bronchopneumonie. Hierzu zählen Transport, ständige Änderung der Sozialverbände und zootechnische Maßnahmen (Enthornen). In Milcherzeugerbetrieben, in denen Probleme mit dem Erkrankungskomplex aufgetreten sind, kann es sehr sinnvoll sein, Kälber und Jungrinder im Alter bis zu einem Jahr mit einem der Kombinationsimpfstoffe zu immunisieren. In betroffenen Betrieben sollte auf eine Impfung zugekaufter Tiere geachtet werden. In großen Mutterkuhhaltungen mit Winterkalbung im Stall sollten die Jungtiere ab der 2. Lebenswoche gegen die an der EBP beteiligten Erreger immunsiert werden. Es stehen Impfstoffe zur Verfügung, die nur BRSV- und PI3V-Komponenten enthalten. Viren, die den Respirationstrakt befallen, beeinträchtigen lokal die Immunantwort, schädigen das Bronchialepithel und verändern das Milieu auf der Bronchialschleimhaut derart, dass für die Vermehrung respiropathogener Bakterien günstigere Bedingungen herrschen, und es zu einer quantitativen und qualitativen Verschiebung im Mikrobiom kommt. Die intranasale Applikation von Lebendimpfstoffen hat den Vorteil, dass eine einmalige Grundimmunisierung ausreicht. Die übrigen Impfstoffe werden zweimal im Abstand von 3–5 Wochen verabreicht. Für Betriebe, in denen Mannheimia-Spezies nachweislich ein Problem darstellen, stehen zusätzlich Kombinations- oder Einzelimpfstoffe zur Verfügung, die Mannheimia haemolytica-Komponenten enthalten.
Ein drängendes Problem ist die Bronchopneumonie in Mastbetrieben. Eine möglichst frühe Impfung bei Mast-rindern wird dringend empfohlen. Am besten ist es, beim Zukauf darauf zu achten, dass die Kälber bereits im Herkunftsbetrieb geimpft wurden. Es gibt eine Reihe von Lebendimpfstoffen, die sich dafür anbieten, da sie bereits nach wenigen Lebenstagen eingesetzt werden können. Für Betriebe, in denen Mannheimia haemolytica nachweislich ein Problem darstellt, stehen Kombinations- oder Einzelimpfstoffe zur Verfügung, die Mannheimia haemolytica Komponenten enthalten. Ggf. steht bei einem entsprechenden Erregernachweis auch ein Kombinationsimpfstoff zur Verfügung, der eine Histophilus somni-Komponente enthält. Neu zur Anwendung bei Kälbern zugelassen wurde ein attenuierter Lebendimpfstoff gegen Mycoplasma bovis. Der Erreger kann gerade in Mastbeständen Verluste durch eitrige Mittelohrentzündungen, verkäsend-nekrotisierende Pneumonien oder Polyarthritiden verursachen. Eine weitere Neuzulassung betrifft einen Impfstoff gegen ein sich respiratorisch manifestierendes, bovines Coronavirus.
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Clostridiosen
In Milcherzeugerbetrieben spielen klassische Clostridieninfektionen in der Regel eine untergeordnete Rolle. Seit einigen Jahren wird ein neuartiges Krankheitsbild vermehrt beobachtet, das Haemorrhagic Bowel Syndrome (HBS). Das perakut auftretende HBS äußert sich durch einen Einbruch in der Milchleistung, Anorexie, Koliksymptome, ein Ileusbild und Absetzen geringer Mengen dunkelrot bis schwarz gefärbter Fäzes (Melaena). Pathogenetisch können Blutungen aus ulzerativen Läsionen der Jejunumschleimhaut zur Verlegung des Lumens führen. Die Pathogenese der Erkrankung ist bisher nicht vollständig geklärt. Als Risikofaktoren wurden eine hohe Milchleistung, die Jahreszeit (Herbst), ein hohes Energieniveau der Ration, Fütterung einer Mischration, erhöhte Rohaschegehalte im Futter sowie der Nachweis von Cl. perfringens-Typ A und/oder Aspergillus fumigatus im Darminhalt beschrieben. Kühe mit HBS bilden die Spitze des Eisbergs einer umfassenderen Problematk. In Betrieben, in denen das HBS sporadisch auftritt, und ein ungeklärter Abfall der Milchleistung besteht, kann eine Impfung gegen Clostridien mit einem der polyvalenten Impfstoffe erwogen werden.
In den letzten zwanzig Jahren traten Fälle von Rauschbrand sporadisch im Alpenvorland, in Schleswig-Holstein und entlang der niedersächsischen Nordseeküste auf. In endemischen Gebieten wird die Impfung gegen Rauschbrand empfohlen.
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Coxiellose
Coxiella burnetii kann Aborte und wirtschaftlich bedeutsame Reproduktionsstörungen in Milcherzeugerbetrieben verursachen. Außerdem ist die Coxiellose bzw. das Q-Fieber, eine Zoonose. Beim Menschen ist die akute Infektion meist durch grippeähnliche Symptome gekennzeichnet. Bei Infektionen oder reaktivierten Erkrankungen in der Schwangerschaft kann es auch bei Frauen zum Abort oder zur Frühgeburt kommen. Infektionen von Rindern sind im Wesentlichen durch das Auftreten von Aborten, Früh- und Totgeburten und die Geburt von lebensschwachen Kälbern gekennzeichnet. Darüber hinaus sind Coxiellen bei vielen normal verlaufenden Kalbungen nachweisbar. Höchste Erregermengen werden mit dem Fruchtwasser und der Nachgeburt bei der Kalbung ausgeschieden. Im Verlauf von Infektionswellen entwickeln einzelne Kühe persistente Infektionen. Diese Tiere scheiden Coxiellen teilweise lebenslang mit der Milch aus, ohne zu erkranken. Bei klinischem Verdacht auf Coxiellose (z. B. gehäufte Aborte, Früh- und Totgeburten, lebensschwache Kälber) und generell in Betrieben mit erhöhtem Publikumsverkehr (z. B. Ferien auf dem Bauernhof, Besuche von Kindergärten, Beschicken von Märkten etc.) sollte gemäß entsprechender Empfehlungen (z. B. der Hygieneleitlinie des BMEL sowie des Q-Fieber-Leitfadens) regelmäßig der Coxiellose-Status überprüft und eine Risikobewertung vorgenommen werden. In den Empfehlungen sind auch Maßnahmen beschrieben, die bei einer entsprechenden Risikolage bzw. während eines akuten Infektionsgeschehens nach Erregernachweis zu ergreifen sind. Die Impfung gegen Coxiellose wird als Teil einer langfristig angelegten Kontrollstrategie eingesetzt.
In Europa ist ein Impfstoff gegen die Coxiellose zugelassen. Die Impfung verhindert Infektionen nicht sicher und hat auch keinen Einfluss auf etablierte persistente Infektionen. Aber sie reduziert langfristig die Erregerausscheidung, verhindert damit schwere Infektionsausbrüche und mindert so indirekt das Risiko, dass sich Menschen infizieren. Prophylaktisch eingesetzt verhindert sie außerdem die Entstehung neuer persistenter Infektionen. Besonders gefährdet sind immunologisch-naive Färsen bzw. Erstkalbinnen. Altkühe haben sich häufig bereits mit dem Erreger auseinandergesetzt und -sofern sie nicht persistente Ausscheider sind- eine Immunität aufgebaut. Das Risiko fulminanter Ausbruchsgeschehen in einer Herde steigt mit dem Anteil immunologisch-naiver Tiere. Es ist das vordringliche Ziel der Impfung, eine Grundimmunität gegen C. burnetii in der Herde aufzubauen und zu erhalten. Insbesondere bei wiederholt geimpften Kühen werden nach der Impfung verstärkte Nebenwirkungen (z. B. lokale Schwellungen, Fieber, kurzfristiger Leistungsrückgang und Freßunlust) beobachtet. Diese Nebenwirkungen können zu einer mangelhaften Akzeptanz oder gar Ablehnung der Impfung führen. Dagegen belegen Studien, dass gut grundimmunisierte Tiere über einen langen Zeitraum vor schweren Infektionsverläufen geschützt sind. Die StIKo Vet empfiehlt mit Blick auf die Reduktion von schweren Nebenwirkungen in Milchbetrieben grundsätzlich ein langfristiges, prophylaktisches Impfkonzept, das primär auf die Grundimmunisierung der Färsen vor der ersten Belegung, gefolgt von einer einmaligen Auffrischungsimpfung zwischen erster Kalbung und vor der erneuten Belegung, setzt. In Abhängigkeit von den klinischen Problemen oder des Infektionsstatus der Herde kann dies durch eine einmalige, umfassende Grundimmunisierung der Kuhherde ergänzt werden. Unmittelbar nach einem Ausbruch haben sich die meisten Tiere mit dem Erreger auseinandergesetzt. In solchen Fällen wird durch die Impfung der gesamten Herde nur ein moderater, zusätzlicher Nutzen erreicht. Da etablierte, persistente Infektionen durch die Impfung i.d.R. nicht mehr zu beeinflussen sind, sollten dauerhafte Ausscheider aus dem Bestand entfernt werden.
Das empfohlene Impfschema weicht von dem der Gebrauchsinformation ab, das beim Rind alle 9 Monate eine zweimalige Wiederholungsimpfung vorsieht. Bei Abweichungen von dem durch den Hersteller vorgegebenen Impfschema kann es im Ausbruchsfall schwierig werden, Gewährleistungen des Herstellers einzufordern. Der Tierhalter sollte dahingehend aufgeklärt und in den Entscheidungsprozess, welcher Ansatz für den jeweiligen Bestand am vielversprechendsten ist, einbezogen werden.
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Leptospirose
Die Leptospirose spielt in deutschen Rinderhaltungen eine untergeordnete Rolle. Eine Impfung ist allenfalls bei importierten Tieren zu erwägen. Im Bedarfsfall ist ein Impfstoff gegen L. borgpetersenii Serovar Hardjo in Deutschland zugelassen.
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Mastitis
Derzeit sind in Deutschland für das Rind zwei Mastitis-Impfstoffe zugelassen. Eine Formulierung enthält die Ganzzellantigene von Staphylococcus aureus und Escherichia coli und soll das Auftreten subklinischer Mastitiden und die Ausprägung klinischer Mastitiden, die durch S. aureus oder koagulasenegative Staphylokokken sowie E. coli und coliforme Bakterien verursacht werden, reduzieren. Ein weiterer Impfstoff basiert auf Lipidbestandteilen von Streptococcus uberis, der laut Herstellerangaben durch Immunisierung gesunder Kühe und Färsen die Inzidenz und den Verlauf klinischer Infektionen mit Streptococcus uberis reduzieren soll. Die Wirksamkeit der Impfung gegen E. coli und andere coliforme Erreger ist wissenschaftlich allgemein anerkannt. Der Erfolg der Impfung gegen Gram-positive Erreger wird sehr kontrovers diskutiert. Ganz generell kommt bei der Bestandssanierung eines Mastitisproblems der Optimierung der Melkhygiene und -technik, der Haltung, der Fütterung und des Hygienemanagements die entscheidende Rolle zu. Eine Impfung kann die Sanierung nach entsprechendem Erregernachweis begleiten.
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Maul- und Klauenseuche
Es gilt ein generelles Impfverbot. Im Seuchenfall kann die zuständige Behörde eine Impfung anordnen.
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Neugeborenen-Diarrhoe
Bei der Neugeborenen-Diarrhoe (ND) der Kälber handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen, an dem verschiedene Erreger wie Rota- und Coronaviren, bestimmte E. coli-Serovare, Clostridium perfringens und Kryptosporidien allein oder in Kombination beteiligt sein können. Als Risikofaktoren wurden Defizite im Kolostrum- und Hygienemanagement sowie Fütterungsfehler identifiziert. Es steht eine Reihe von Muttertiervakzinen zur Verfügung, um pathogen-spezifische, maternale Antikörper zu induzieren. Damit die Antikörpertiter ein peripartales Maximum erreichen, sollten die Kühe nach einer entsprechenden Grundimmunisierung jeweils zum Zeitpunkt des Trockenstellens zur Wiederholungsimpfung vorgestellt werden. Die Kryptosporidiose des Kalbes hat nicht nur aufgrund des mit ihr verbundenen heftigen, lang andauernden Durchfalls eine große Bedeutung, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine Zooanthroponose handelt, und der Erreger über das Oberflächenwasser in die Umwelt (z. B. Badeseen) gelangen kann. Für die Bekämpfung der Kryptosporidiose, ausgelöst durch Cryptosporidium parvum, steht nunmehr eine Subunit-Vakzine zur Anwendung beim Muttertier zur Verfügung. Die Vakzine induziert die Bildung von Antikörpern, die gegen ein Oberflächenprotein (Gp 40) gerichtet sind, das auf verschiedenen Entwicklungsstadien der Kryptosporidien vorkommt. Nach mehrtägiger Verabreichung von Kolostrum geimpfter Mütter wurden nach Challenge durch orale Verabreichung von C. parvum kürzer andauernde und weniger schwere Durchfallsymptome festgestellt.
Neben der Impfung beruht die Bekämpfungsstrategie vor allem auf der Optimierung des Kolostrummanagements, der Verhinderung der Vorschädigung des Darms aufgrund von Infektionen mit anderen Enteropathogenen (z. B. durch Anwendung einer weiteren Muttertiervakzine), auf der strikten Einhaltung der Hygiene und ggf. einer zeitweisen metaphylaktischen Behandlung der Kälber mit zugelassenen Tierarzneimitteln. Bei der Bewertung von E. coli-Nachweisen in Kotproben erkrankter Kälber ist das Vorhandensein von Virulenzfaktoren unbedingt zu berücksichtigen. Obwohl sie in breitem Umfang eingesetzt werden, gibt es bisher keine eindeutigen Hinweise, dass bestandsspezifische gegenüber zugelassenen Impfstoffen Vorteile bieten.
Wie die Bronchopneumonie kann auch die Neugeborenen-Diarrhoe gerade in intensiven Mutterkuhbeständen zum Problem werden. Prophylaktisch wird in solchen Beständen eine Impfung der Färsen und Kühe 6 und 3 Wochen vor dem berechneten Kalbetermin empfohlen. Bei Belegung der Muttertiere mit natürlichem Deckakt wird trotz der Unsicherheit bei der Ermittlung des wahrscheinlichen Kalbetermins eine Impfung zu Ende der Trächtigkeit empfohlen. Wenn der Abkalbetermin gar nicht abgeschätzt werden kann, kann die Impfung nicht fachgerecht durchgeführt werden und sollte daher unterbleiben. Bei der Bewertung von E. coli-Nachweisen in Kotproben erkrankter Kälber ist das Vorhandensein von Virulenzfaktoren unbedingt zu berücksichtigen. Obwohl sie in breitem Umfang eingesetzt werden, gibt es keine eindeutigen Hinweise, dass bestandsspezifische gegenüber zugelassenen Impfstoffen Vorteile bieten.
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Schmallenbergvirus-Infektionen
Das Schmallenbergvirus verursachte in den Jahren 2012–13 einen fulminanten ersten Seuchenzug. In den Jahren danach wurde es in Deutschland nur noch vereinzelt nachgewiesen, da sich möglicherweise aufgrund der natürlichen Durchseuchung ein gewisser Herdenschutz ausgebildet hatte. In den vergangenen Jahren wurde das Virus wieder vermehrt nachgewiesen. Es etablierte sich ein wellenförmiges endemisches Infektionsgeschehen, dass wesentlich durch den Anteil naiver Jungtiere bestimmt wird. Es ist ein adjuvantierter Inaktivatimpfstoff zugelassen. Gerade in Phasen seltener Virusnachweise wäre es sinnvoll, immunologisch naive Färsen vor der Belegung einmal zu grundimmunisieren. Leider ist der Impfstoff seit geraumer Zeit nicht auf dem Markt verfügbar.
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Tollwut
Die Tollwut hat in deutschen Rinderbetrieben derzeit keine Relevanz.
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Trichophytie
Es ist eine Reihe von Impfstoffen gegen Trichophytie zugelassen. Zur therapeutischen Anwendung in betroffenen Beständen wird empfohlen, die gesamte Herde zweimal im Abstand von 10–14 Tagen zu impfen. Wiederholungsimpfungen und Nachimmunisierungen von Zukäufen oder Nachzucht werden nach Maßgabe des Zulassungsinhabers empfohlen. Die Trichophytie ist eine Zoonose. Eine Impfung mit dem Ziel der Bestandssanierung verspricht nur dann Erfolg, wenn die Impfmaßnahmen konsequent und längerfristig durchgeführt und durch entsprechende Hygienemaßnahmen begleitet werden.
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Impfempfehlungen für kleine Wiederkäuer
Endoparasitosen spielen bei kleinen Wiederkäuern eine besonders wichtige Rolle. Parasitär bedingte Hypoproteinämien und Anämien können den Impferfolg beeinträchtigen. Daher sollten die Kontrolle der Endoparasitenlast und eine Entwurmung rechtzeitig vor einer Impfung vorgenommen werden. Eine gleichzeitige Applikation von Anthelmintika und Impfstoffen wird nicht empfohlen. Aufgrund von Fehlapplikationen ist auch vom Gebrauch von Impfstäben abzuraten. Grundsätzlich sollten die Böcke in das Impfregime der Muttertiere integriert werden. Dabei sollte die Terminwahl der Impfungen mit dem Rittmanagement abgestimmt werden. Sofern nachfolgend nicht anders erwähnt, gelten die Impfempfehlungen gleichermaßen für Schafe und Ziegen.
Impf-Ampel für kleine Wiederkäuer


Blauzungenkrankheit
(siehe hierzu Abschnitt beim Rind).
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Chlamydiose
Zahlreiche Bestände in Deutschland sind enzootisch mit Chlamydia abortus infiziert. Durch eine Impfung kann die Häufigkeit von Aborten und der Geburt lebensschwacher Lämmer reduziert werden. Dazu stehen ein attenuierter Lebendimpfstoff und ein Inaktivatimpfstoff zur Verfügung. Die meiste Erfahrung besteht für den Lebendimpfstoff: In der Regel sollten zu Beginn eines Impfprogrammes alle Zuchttiere der Herde spätestens 4 Wochen vor der Bedeckung einmalig geimpft werden. In den folgenden 2 bis 3 Jahren kann die Impfung auf die Zutreter beschränkt werden. Danach sollte wieder eine Impfung des gesamten Zuchttierbestandes durchgeführt werden, um eine ausreichende Bestandsimmunität zu gewährleisten. In die Bestandsimpfungen sollten die Böcke integriert werden. Trächtige Tiere dürfen nicht geimpft werden. Versehentlich trächtig geimpfte Tiere können trotz Impfung abortieren, wenn sie bereits vor der Impfung latent infiziert waren. In solchen Fällen sollte die Ursache abgeklärt werden, da es auch zu Infektionen durch den Impfstamm kommen kann. Besondere Vorsicht ist im Umgang mit dem Lebendimpfstoff für den Anwender geboten, da Chlamydia abortus ein Zoonoseerreger ist.
Seit 2019 ist der Inaktivat-Impfstoff (mit zusätzlicher Salmonella Abortusovis-Komponente) zugelassen. Mit diesem können auch trächtige Tiere geimpft werden. Allerdings empfiehlt der Hersteller von Impfungen im letzten Monat der Trächtigkeit abzusehen. Nach der Grundimmunisierung ist dieser Impfstoff jährlich anzuwenden.
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Clostridiose
Sowohl in der Lammproduktion bei Schafen und Ziegen, wie auch in der Milchproduktion besteht ein hohes Risiko für das Auftreten von Clostridiosen. Die Breinierenerkrankung, bei beiden Tierarten durch Clostridium perfringens Typ D verursacht, steht sowohl bei der Lamm- wie auch bei der Milchproduktion im Vordergrund. Ähnliche klinische Erscheinungen werden häufig auch im Zusammenhang mit C. sordellii beobachtet. Wichtigster Risikofaktor ist ein plötzlicher Futterwechsel. Das größte Risiko besteht für Lämmer, wenn diese zusammen mit ihren Müttern, oder aber auch nach dem Absetzen auf die Weide verbracht werden. Neben dem Wechsel von der Milchfütterung auf die Fütterung von Rauhfutter spielt gerade im Frühjahr der hohe Protein- und geringe Rohfasergehalt des Aufwuchses auf der Weide eine entscheidende Rolle für die Vermehrung von Clostridien und die Toxinbildung. Insofern muss der Impfzeitpunkt den Risiken angepasst werden. Aufgrund ihrer größeren Empfindlichkeit gegenüber Clostridien-Toxinen, im Vergleich zum Schaf kommen bei Ziegen neben plötzlichen Futterwechseln, weitere Risiken, wie Brunst, Lammung und Umgruppierungen mit damit verbundenen Rangordnungskämpfen hinzu. Eine Impfung gegen Clostridiosen erscheint in der Mehrzahl unserer Betriebe indiziert. Je intensiver die Tiere gehalten und gefüttert werden, umso höher ist das Risiko für Clostridiosen einzuschätzen. Aufgrund des breiten Spektrums der verfügbaren polyvalenten Vakzine ist ein lückenloser Schutz der gesamten Herde gegen Clostridieninfektionen zu empfehlen.
Lämmer von ungeimpften Muttertieren haben nahezu keine spezifischen Immunglobuline, deshalb sollten solche Lämmer innerhalb der ersten beiden Lebenswochen geimpft werden. Im Gegensatz dazu erhalten Lämmer von geimpften Muttertieren Immunglobuline über das Kolostrum, die mit der Impfung interferieren und so die aktive Immunisierung verhindern können. Deshalb sollten solche Lämmer nicht vor der 4.-6. Lebenswoche und besser erst in der 6.-8. Lebenswoche geimpft werden. Die Wiederholungsimpfung erfolgt im Abstand von 4–6 Wochen. Etwa 2 Wochen vor dem Absetzen sollte die Grundimmunisierung abgeschlossen sein, um einen ausreichenden Schutz vor dem Umtrieb auf eine frische proteinreiche, aber rohfaserarme Weide oder der Umstallung in die Intensivmast zu haben. Dauert die Aufzucht auf der Weide länger als 6 Monate (z. B. bei extensiver Haltung oder bei Landschafrassen) kann es notwendig sein, die Lämmer ein weiteres Mal vor dem Umtrieb auf proteinreiche aber rohfaserarme Weiden oder dem Nachhüten von Ackerfrüchten zu impfen. Eine strenge Beachtung der jeweiligen Impfalter (1–2 bzw. 6–8 Wochen p.n.) ist unumgänglich, auch wenn mit der Impfung kleiner Gruppen zu unterschiedlichen Terminen ein erheblicher logistischer Aufwand verbunden ist. Gerade in den Betrieben, in denen bereits bei den wenige Wochen alten Lämmern ein hohes Risiko für Clostridiosen besteht, sollte der Schutz der Lämmer in den ersten Lebenswochen durch die Übertragung von maternalen Antikörpern erhöht werden. Hierzu sollten auch die Muttertiere, ins Impfregime eingeschlossen werden. Nach erfolgter Grundimmunisierung (als Lämmer oder später), kann für besonders hohe maternale Antikörper in der Biestmilch, 5–6 Wochen vor der Lammung mit einer polyvalenten Clostridienvakzine geimpft werden. In Herden mit mehreren Lammzeiten pro Jahr oder ganzjähriger Ablammung wird einmalig im Jahr die Impfung der Muttertiere empfohlen, die Höhe der maternalen Antikörper im Kolostrum ist auch bei diesem Impfregime ausreichend.
Aufgrund ihrer größeren Empfindlichkeit gegenüber Clostridien-Toxinen, im Vergleich zum Schaf kommen bei Ziegen neben plötzlichen Futterwechseln, weitere Risiken, wie Brunst, Lammung und Umgruppierungen mit damit verbundenen Rangordnungskämpfen hinzu. Darüberhinaus wurde bei Ziegen kürzer anhaltende Antikörper-Titer nach Impfung beobachet.Dies kann insbesondere für intensiv geführten Milchziegenbetrieben (für diese Tierart ist kein Clostridien-Impfstoff zugelassen) bedeuten, dass Impfungen gegen Clostridiosen bis zu drei Mal jährlich notwendig sein können, und zwar 8–2 Wochen vor der Lammung, vor der Umstallung auf Weide oder Grasfütterung im Stall im Frühjahr und vor der Deckzeit
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Coxiellose
Eine Infektion mit Coxiella burnetii verläuft bei Schafen in der Regel klinisch unauffällig. Bei Ziegen werden dagegen gehäuft Aborte beobachtet. Auch ohne Aborte können während des Ablammens hohe Erregermengen ausgeschieden werden, die ein Gesundheitsrisiko für den Menschen darstellen. Zum Schutz vor Humaninfektionen sollte bei einem klinischen Verdacht, vor allem aber in Betrieben mit erhöhtem Publikumsverkehr (z. B. Ferien auf dem Bauernhof, Besuche von Kindergärten, Beschicken von Märkten, Weiden an oder in Wohngebieten, Schauen, Schau-Scheren etc.) entsprechend den Empfehlungen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft für hygienische Anforderungen an das Halten von Wiederkäuern, kurz Hygieneleitlinie, regelmäßig der Coxiellose-Status überprüft und eine entsprechende Risikobewertung vorgenommen werden. Im Anhang der Hygieneleitlinie sind Maßnahmen beschrieben, die bei einem entsprechenden Risiko sinnvoll sind. Detailliertere Angaben finden sich z. B. auch im Q-Fieber-Leitfaden des BMBF geförderten q-GAPS Konsortium.
Dazu gehört die Impfung gegen Coxiellose. Tiere aus Herden mit einem erhöhten Risiko, z. B. in Endemiegebieten, sollten prophylaktisch vor Erregereintrag und möglichst vor dem Belegen geimpft werden. Es sollte grundsätzlich der gesamte Bestand geimpft werden. Die prophylaktische Impfung wirkt bei nicht-infizierten, nicht-tragenden Tieren am effizientesten. Es gibt aber auch Hinweise, dass während des akuten Infektionsgeschehens durch eine Impfung aller Zuchttiere der Herde (einschließlich Nachzucht und Zukauftiere) unabhängig vom Trächtigkeitsstadium die Anzahl positiver Erregernachweise in Vaginaltupfern deutlich reduziert werden kann. Es ist sinnvoll, anschließend alle Zuchttiere vor der nächsten Deckzeit zu revakzinieren. Der Impferfolg sollte während der nachfolgenden Ablammperiode überprüft werden. Erweist sich die Herde im Rahmen dieser Überprüfungen als stabil, kann auf die ausschließliche Grundimmunisierung der Zutreter, ggf. gefolgt von einer Wiederholungsimpfung im folgenden Jahr umgestellt werden. Laut Packungsbeilage sind vom Hersteller zwei Impfungen im Abstand von 3 Wochen (Grundimmunisierung) und eine jährliche Impfung (Ziege) bzw. vor jeder erneuten Belegung/Besamung eine weitere Grundimmunisierung (Schaf) vorgesehen. Bei Abweichungen von diesen Vorgaben kann es zu einem Erlöschen der Gewährleistungspflichten des Impfstoffherstellers kommen. Allerdings treten im Vergleich zu anderen Impfungen nach einer Coxiellose-Impfung häufiger Nebenwirkungen (wie z. B. Schwellung und Verhärtungen an der Injektionsstelle) auf. Diese Situation kann zu einer mangelhaften Akzeptanz oder gar einer Ablehnung der Impfung führen. Durch Umstellung auf eine Zutreterimpfung kann diese Problematik vermieden werden, und dennoch eine ausreichende Basisimmunität in der Herde aufrechterhalten werden.
Sofern die Tiere nicht ganzjährig im Stall gehalten werden, sollte bei einem Q-Fieber-Ausbruch in einer Herde von den örtlichen Behörden erwogen werden, Herden innerhalb eines Radius von fünf Kilometern um den infizierten Betrieb zu überprüfen oder zu impfen.
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Mastitis
Seit einiger Zeit ist in Deutschland ein Mastitis-Inaktivatimpfstoff zugelassen, der Ganzzellantigene von Staphylococcus aureus enthält. Laut Indikation soll die Impfung das Auftreten subklinischer Mastitiden, die durch S. aureus, und koagulasenegative Staphylokokken (bei Ziegen) verursacht sind, reduzieren. Nach erfolgtem Erregernachweis kann die Bestandssanierung auf Basis einer Optimierung der Melkhygiene und -technik, der Haltung, der Fütterung und des Hygienemanagements gerade im Melkbetrieb durch die Impfung begleitet werden.
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Maul- und Klauenseuche
Es gilt ein generelles Impfverbot. Im Seuchenfall kann die zuständige Behörde die Impfung anordnen.
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Moderhinke
Die Kontrolle der Moderhinke beinhaltet eine ganze Reihe von Maßnahmen. Impfungen können dabei eine sinnvolle Ergänzung sein. In aller Regel werden bereits infizierte Herden metaphylaktisch geimpft. Dabei werden sowohl erkrankte, als auch gesunde Tiere geimpft. Nicht selten führt der Einsatz der multivalenten Vakzine aufgrund der Antigenkonkurrenz der darin enthaltenen serogruppenspezifischen Antigene (9 Serogruppen von 10 bekannten) zu einem ungenügenden Aufbau von Antikörper-Titern, einer reduzierter Effektivität und verkürzten Wirkungsdauer.
Außerdem führt der in Deutschland zugelassene Impfstoff auch bei korrekter Applikation bei einem Teil der geimpften Tiere zu deutlichen Lokalreaktionen. Die Impfung ist streng subkutan zu verabreichen, da es bei intramuskulärer Applikation in die Halsmuskulatur zu hochgradigen Muskelnekrosen und bei unkorrekter Applikation auch zu Abszessen im Wirbelkanal kommen kann. Die Impfung ist vor allem gegen virulente Stämme von Dichelobacter nodosus wirksam. Bei Erkrankung einer Herde mit benigner Moderhinke ist der Einsatz der Impfung nicht effektiv und nicht ratsam. Jungtiere sollten bei der ersten Applikation möglichst 3 Monate alt sein. Die Wiederholungsimpfungen richten sich nach der Belastungssituation. Bei Impfung einer Herde mit geringer Prävalenz und/oder effektiven Begleitmaßnahmen kann eine jährlich einmalige Wiederholungsimpfung genügen. Bei enzootisch mit Moderhinke verseuchten Herden sollte die Anzahl und der Abstand der Wiederholungsimpfungen von der Belastungssituation abhängig gemacht werden. So sollte grundsätzlich vor Zeiten mit einem erhöhten Risiko für die Ausbreitung der Erkrankung, also Zeiten mit Durchschnittstemperaturen über 10°C und hohen Niederschlagsmengen bzw. dem Umtrieb auf feuchte Weiden geimpft werden (oft Frühjahr und Herbst). Bei stark mit mehreren Serotypen von D. nodosus verseuchten Herden können jährlich bis zu 3 Wiederholungsimpfungen notwendig sein, um eine ausreichende Bestandsimmunität zu gewährleisten. Eine Eradikation der Moderhinke aus einem Bestand erscheint mit alleiniger Verwendung des zugelassenen multivalenten Impfstoffes ohne Begleitmaßnahmen nicht möglich.
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Pasteurellose
Mannheimia haemolytica (und Mycoplasma spp.) werden üblicherweise von Fällen mit Pneumonien isoliert, während Bibersteinia trehalosi und Pasteurella multocida seltener nachgewiesen werden. Bibersteinia trehalosi kann für perakute Septikämien verantwortlich sein. Die genannten Bakterien sind Kommensalen des Nasenrachenraums von Schafen und Ziegen. Bei Stress (Umgebung, Haltung, Management) oder einer Immunschwäche, wie auch im Zusammenhang mit viralen Infektionen, können sie jedoch Erkrankungen des Atemtraktes hervorrufen. Die Inzidenz dieser respiratorischen Erkrankungen hängt signifikant vom Management (z. B. stressige Situationen, Transporte), Haltung (z. B. Haltungsbedingungen, Rasse), oder der Umgebung (Hitze, nasskaltes Wetter) ab. In Deutschland ist nur eine Kombinationsvakzine auf dem Markt, deren M. haemolytica-Antigene unter Eisenrestriktion produziert wurden. Impfungen mit den Eisen-regulierten Proteinen verschiedener M. haemolytica Serotypen führte zu einer Kreuzprotektion gegen andere Serotypen.
Grundsätzlich sollten Lämmer innerhalb der ersten Lebenswochen geimpft werden, da das Risiko für Erkrankungen durch M. haemolytica ab der 3. Lebenswoche erheblich zunimmt. Die Interaktion mit maternalen Antikörpern gegen die applizierten Antigene ist relativ gering. Die Zweitimpfung sollte nach 3 bis 4 Wochen erfolgen. Bei hohem Infektionsdruck oder hohen Umwelt- oder Stressbelastungen kann eine weitere Impfung im Alter von 12 bis 14 Wochen notwendig werden. Wiederholungsimpfungen sollten bei Zutretern in Abhängigkeit vom Produktions- und Managementsystem alle 6 bis 12 Monate durchgeführt werden. Die Impfung von Tieren, die sich in der Inkubationszeit einer M. haemolytica-Erkrankung befinden, kann möglicherweise zu deren Tod führen, da im Rahmen einer verstärkten Immunreaktion auf M. haemolytica-Antigene die Lungenschädigung zunehmen kann. In Beständen, in denen die genannten Erreger nachgewiesenermaßen Probleme verursachen, kann ein Einsatz der Kombinationsvakzine beitragen, wirtschaftliche Verluste zu reduzieren.
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Salmonellenabort
Salmonella Abortusovis ist eine an kleine Wiederkäuer adaptierte Salmonellenart, die septikämische Allgemeininfektionen verursacht. Die Erkrankung ist meldepflichtig. Nach Infektion kommt es bei tragenden Tieren häufig zum Verlammen, typischerweise im 4. oder 5. Monat der Trächtigkeit. Vor allem aus Süddeutschland gibt es Berichte über sporadische Ausbrüche. In Deutschland ist eine inaktivierte Kombinationsvakzine zugelassen, die eine S. Abortusovis und eine C. abortus-Komponente enthält. Diese Vakzine kann während eines auflaufenden Seuchengeschehens eingesetzt werden, um weitere Aborte zu verhindern. Im letzten Monat der Trächtigkeit sollten die Tiere nicht mehr geimpft werden. Eine Kreuzimmunität mit anderen Salmonellen-Serovaren wird nicht beobachtet.
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Schmallenbergvirus-Infektionen
Das Schmallenbergvirus verursachte in den Jahren 2012–13 einen fulminanten ersten Seuchenzug. In den Jahren danach wurde es in Deutschland nur noch vereinzelt nachgewiesen. Die natürliche Durchseuchung von Jungtieren führt zu einem gewissen Herdenschutz. In den vergangenen Jahren wurde das Virus wieder vermehrt nachgewiesen. Es ist ein adjuvantierter Inaktivatimpfstoff zugelassen. Gerade in Phasen seltener Virusnachweise wäre es sinnvoll, immunologisch naive Zutreter vor der Belegung einmal grundzuimmunisieren. Leider ist der Impfstoff seit geraumer Zeit nicht auf dem Markt verfügbar.
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Tollwut
Durch die Tilgung der terrestrischen Tollwut in Zentraleuropa ist die Impfung von kleinen Wiederkäuern gegen Tollwut irrelevant geworden.
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Impfindikationen für die keine Impfstoffe zugelassen sind
Im Folgenden werden Erkrankungen besprochen, gegen die derzeit kein Impfstoff in Deutschland zugelassen ist, gegen die aber mit bestandsspezifischen Impfstoffen oder im Ausland zugelassenen Impfstoffen eine Immunprophylaxe möglich ist.
Lippengrind
Der Erreger des Lippengrinds ist das Orf-Virus oder auch Parapoxvirus ovis. Betroffen sind in erster Linie kleine Wiederkäuer. Ausbrüche sind zumeist durch eine hohe Morbidität gekennzeichnet. Je nachdem, welche Tiere betroffen sind, variiert allerdings die Mortalität. Aufgrund von Lämmerverlusten und Leistungseinbußen hat die Erkrankung eine hohe wirtschaftliche Bedeutung. In Deutschland sind derzeit keine Impfstoffe zugelassen. Ecthybel® ist ein attenuierter Lebendimpfstoff der Firma Boehringer Ingelheim, vormals Merial, der in Frankreich zugelassen ist und per Ausnahmegenehmigung nach § 11 (6) TierGesG importiert und erfolgreich eingesetzt wurde. Eine Zulassung in Deutschland wäre sehr wünschenswert. Durch die Impfung können schwere, klinische Verlaufsformen eingedämmt werden. Gerade beim erstmaligen Auftreten von Lippengrind in einer Herde oder in Ausbrüchen bei Lämmern mit mutterloser Aufzucht ist der Einsatz der Impfung sinnvoll.
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Infektiöse Bovine Keratokonjunktivitis (Moraxella bovis)
Der Haupterreger der Infektiösen Keratokonjunktivitis der Rinder ist Moraxella bovis. Die Übertragung erfolgt durch Kontaktinfektionen mit Augen- oder Nasensekret, in den Sommermonaten aber auch bevorzugt durch Fliegen. Obwohl grundsätzlich alle Altersgruppen betroffen sein können, sind Kälber und Jungrinder in der Regel am empfänglichsten. Prophylaktisch sind begünstigende Faktoren abzustellen, z. B. kann die Belastung durch Fliegen durch das Einziehen von repellentienbeschichteten Ohrmarken reduziert werden. Bei hartnäckigen Bestandsproblemen kann zusätzlich eine Immunprophylaxe erwogen werden. Erfahrungen aus der Praxis deuten daraufhin, dass bei Monoinfektionen autogene Impfstoffe eine befriedigende Schutzwirkung erzielen können.
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Mykoplasmen-Infektionen (Mycoplasma ovipneumoniae)
Als Erreger der atypischen Pneumonie der kleinen Wiederkäuer gilt Mycoplasma ovipneumoniae.In Verbindung mit Mannheimia haemolytica kann es zu schweren klinischen Verläufen kommen. Das Parainfluenzavirus-3 kann als zusätzlicher Prädispositionsfaktor hinzukommen. Die Erkrankung ist weltweit verbreitet und betrifft v. a. Schafe im Alter von 2–12 Lebensmonaten. Zu epizootischem Auftreten kommt es, wenn Lämmer aus unterschiedlichen Herkunftsbetrieben zur Mast zusammengebracht werden. Klinisch fällt gelegentlicher Husten, Abgeschlagenheit, erschwerte und beschleunigte Atmung sowie ein gelblich-schleimiger Nasenausfluss auf. Die Lämmer zeigen verzögerte Tageszunahmen und z.T. Kümmern. Therapeutisch kommen Tetrazykline und Makrolidantibiotika zum Einsatz. Bei hartnäckigen Bestandsproblemen kann der Einsatz einer bestandsspezifischen Vakzine erwogen werden.
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Paratuberkulose
Die Paratuberkulose ist eine Erkrankung der Haus- und Wildwiederkäuer, die von Mycobacterium avium subsp. paratuberculosis (MAP) verursacht wird. Durch erhöhte Tierverluste, Leistungseinbußen und erhöhte Remontierungsraten verursacht die Erkrankung einen hohen wirtschaftlichen Schaden. Der Erreger wird in aller Regel durch latent infizierte Tiere in einen Bestand eingeschleppt. Die Übertragung erfolgt vor allem fäkal-oral. Besonders empfänglich sind Jungtiere, während die Empfänglichkeit mit zunehmendem Alter sinkt. Hat der Erreger sich in einem Bestand etabliert, spielt die perinatale, orale Übertragung über das Kolostrum vermutlich die entscheidende Rolle.
Eine antibiotische Therapie ist aussichtslos und wegen entgegenstehender Belange der Tierseuchenbekämpfung abzulehnen. Aufgrund der schwierigen Diagnostik, der langen Inkubationszeit und der hohen Tenazität des Erregers ist die Bekämpfung der Seuche in jeder Hinsicht ein komplexes und langwieriges Unterfangen. Entscheidende Komponenten der Bekämpfungsstrategie sind der kontrollierte Zukauf aus Para-Tb-unverdächtigen Herden, die zügige Merzung klinisch verdächtiger Tiere, eine gute Geburtshygiene und ein sorgfältiges Kolostrum-Management.
Seit den 1920er Jahren werden Öl-adjuvantierte Inaktivatimpfstoffe gegen die Paratuberkulose eingesetzt. Diese Inaktivatvakzinen können die Infektion nicht verhindern, begrenzen jedoch die Erregerausscheidung und verlangsamen die Ausprägung der klinischen Symptomatik. In Frankreich ist mit SILIRUM ein Impfstoff für Rinder zugelassen. Der Impfstoff Gudair® ist in Spanien zur Anwendung an kleinen Wiederkäuern zugelassen. Beide Impfstoffe werden von CZ Vaccines hergestellt. Für Gudair ist in zahlreichen Studien gut belegt, dass durch eine einmalige Impfung die Häufigkeit klinischer Erscheinungen innerhalb eines Jahres deutlich reduziert werden kann. Auch die Erregerausscheidung wird hochsignifikant reduziert. In einer Longitudinalstudie über zehn Jahre wurde aber beobachtet, dass die vollständige Erregerfreiheit durch die Impfung nicht erreicht wird. Ein Problem ist in diesem Zusammenhang, dass es kaum möglich ist, ausreichende Mengen an Erreger-freiem Kolostrum für die Jungtieraufzucht zu erhalten. In Schaf- und Ziegenbeständen mit klinischen Fällen und einer Ausscheidungsprävalenz von mehr als 30 % ist der Einsatz des spanischen Impfstoffes zu empfehlen. Nach einmaliger Immunisierung der gesamten Herde ist es ausreichend, die Jungtiere einmalig zu impfen. Die Impfung sollte zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, d. h. im Alter zwischen 2 Wochen und 6 Monaten erfolgen. Dabei kann es nach Impfung zu Schwellungen und ggf. granulomatösen Entzündungen im Bereich der Injektionsstelle kommen.
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Pseudotuberkulose
Corynebacterium pseudotuberculosis ist der Erreger der Pseudotuberkulose der kleinen Wiederkäuer. Die Infektion erfolgt hauptsächlich indirekt durch die kontaminierte Umgebung. Je nach Infektionsweg gibt es unterschiedliche Manifestationsformen. Bei der äußerlichen Pseudotuberkulose kommt es vorrangig zur Abzeßbildung in der Subkutis sowie in oberflächlichen Lymphknoten. Bei der viszeralen Pseudotuberkulose sind vornehmlich die Lungen, die Leber sowie die Nieren und die jeweiligen Lymphknoten befallen. Zur Bekämpfung ist es vordringlich, klinisch erkrankte Tiere -insbesondere solche, die durch aufgebrochene oberflächliche Abszesse zur Kontamination der Herdenumgebung beitragen– zu identifizieren und zu merzen.
Die Impfung erscheint angesichts der schwierigen hygienebasierten Bekämpfung zuweilen als die am einfachsten umzusetzende Maßnahme. Allerdings schützt die Impfung nicht vor Neuerkrankungen, sondern kann allenfalls dazu beitragen, die Schwere der klinischen Erscheinungen und zum Teil die Ausscheidung zu reduzieren. Mittels Impfung ist in aller Regel keine Herdensanierung möglich. In einer Studie konnte aber durch den Einsatz bestandsspezifischer Impfstoffe bei Milchziegen ein signifikanter Rückgang klinischer Fälle über einen Zeitraum von zwei Jahren erzielt werden. Hierbei wurde ein halbjährliches Impfintervall verwendet.
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Rotlauf
Die Rotlauferkrankung wird durch Erysipelothrix rhusiopathiae verursacht. Das Wirtsspektrum von E. rhusiopathiae ist relativ breit und kann auch Schafe sowie sehr selten Ziegen umfassen. Bei Schafen erfolgt die Infektion vor allem über Verletzungen zum Teil auch oral. Hauptübertragungsweg bei Lämmern sind Nabelinfektionen. Überhaupt tritt der Rotlauf vor allem bei Lämmern in einem Alter zwischen 2 und 4 Lebensmonaten auf. Ein gehäuftes Auftreten akuter Polyarthritiden bei Lämmern kann als Hinweis auf ein Rotlaufgeschehen gewertet werden. Die Impfung gegen Rotlauf vermittelt guten Schutz vor der Erkrankung. In Beständen, die wiederholt mit Rotlauferkrankungen konfrontiert sind, kann die prophylaktische Anwendung von für das Schwein zugelassenen, monovalenten Rotlauf-Impfstoffen gemäß der Gebrauchsanweisung für das Schwein erwogen werden. Während des Ausbruchs sollte immer die Therapie im Vordergrund stehen, eine Impfung ist dann nicht angezeigt.
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Salmonellosen des Rindes
Salmonellen gehören ebenso wie Escherichien zur Familie der Enterobacteriaceae. Entsprechend dem White-Kauffmann-Le Minor-Schema werden innerhalb der Subspezies Serovare unterschieden. S. enterica ssp. enterica enthält z. B. über 1500 Serovare. Die verschiedenen Serovare haben unterschiedliche Wirtsspezifität. Salmonella Typhimurium, infiziert z. B. gleichermaßen Mensch und Tier und ist entsprechend für die Lebensmittelhygiene von großer Bedeutung. Dagegen ist die Serovar Dublin an das Rind adaptiert, und kann zum Teil zu seuchenhaften Verläufen führen. Insbesondere bei septikämischen Infektionsverläufen und bei Aborten sollte S. Dublin differentialdiagnostisch in Betracht gezogen werden.
Zur Bestandssanierung tragen Hygienemaßnahmen und eine sorgfältige Auswahl von Neuzugängen bei. Ein konsequentes Impfregime kann den Infektionsdruck senken und so als eine Komponente eines Sanierungskonzeptes fungieren. Bedauerlicherweise sind die Zulassungen sämtlicher Salmonellen-Impfstoffe für Rinder, die bis vor wenigen Jahren in Deutschland verfügbar waren, erloschen. In Irland ist mit Bovilis Bovivac S ein inaktivierter Kombinationsimpfstoff, der eine S. Typhimurium- und S. Dublin-Komponente enthält, verfügbar. Zudem kann der für Schweine auch in Deutschland zugelassene und auf dem Markt verfügbare S. Typhimurium-Lebendimpfstoff, Salmoporc®, für das Rind umgewidmet werden. Der Impfstoff enthält denselben Impfstamm, wie der zuvor für Rinder zugelassene Impfstoff Zoosaloral R®, allerdings in einer anderen Konzentration. Als Immunprophylaxe gegen S. Typhimurium sollte dieser Impfstoff präferentiell zum Einsatz kommen, da eine Lebendvakzine, die oral verabreicht wird, eine bessere Wirksamkeit aufweist als eine parenteral verabreichte Inaktivatvakzine. Aufgrund der besonderen Vormagensituation beim Rind ist die Verabreichung selbiger allerdings nur bis zur sechsten Lebenswoche sinnvoll. Die Impfung dient der Reduktion klinischer Symptome, der Mortalität sowie der Erregerausscheidung. Liegen Erregerisolate vor, können ggf. auch bestandsspezifische Impfstoffe eingesetzt werden.
Weiterführende Informationen
Die vollständige Leitlinie zur Impfung von Wiederkäuern mit den Fachinformationen zu Infektionskrankheiten, für die Impfstoffe zugelassen sind sowie für die derzeit kein zugelassener Impfstoff zur Verfügung steht, findet sich auf der Homepage der StIKo Ver unter www.stiko-vet.de oder in OPEN AGRAR, dem Publikationsserver der Bundesforschungseinrichtungen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).
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Mitglieder des Arbeitskreises
Die Leitlinie wurde vom Arbeitskreis Wiederkäuer der StIKo Vet aktualisiert.
Dem Arbeitskreis gehören an:
Prof. Dr. M. Ganter; TiHo Hannover
Prof. Dr. K. Müller; FU Berlin
Dr. J. Böttcher; TGD Bayern e.V.
Prof. Dr. K. Donat; Thüringer Tierseuchenkasse Jena
Dr. J. Gethmann; Friedrich-Loeffler-Institut (FLI)
Dr. M. Holsteg; TGD NRW
Dr. J. Hilke; DVG-Fachgruppe kleine Wiederkäuer
Prof. Dr. U. Truyen; Universität Leipzig
Prof. Dr. Silke Rautenschlein; TiHo Hannover
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1 Am 20.02.2025 erhielten die ersten BTV-3-Impfstoffe eine Zulassung durch die Europäische Kommission. Um eine unterbrechungsfreie Verfügbarkeit von BTV-3-Impfstoffen zu ermöglichen, wird die Gültigkeit der BTV-3-ImpfgestattungsV um ein halbes Jahr verlängert.
2 Die genannten Verbringungserleichterungen können bislang nur nach Anwendung regulär zugelassener BTV-Impfstoffe gewährt werden. Für Tiere, die mit einem der per Rechtsverordnung zur Anwendung gestatteten BTV-3 Impfstoffe geimpft wurden, gelten die erleichterten Verbringungsregeln damit nicht.
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Article published online:
13 June 2025
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