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DOI: 10.1055/a-2549-4525
Vergessene und verdrängte Geschichte(n): der Walter-Stoeckel-Preis und die Robert-Schröder-Medaille der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe der DDR

Historischer Hintergrund
Mit dem Bau der Berliner Mauer und der Schließung der Staatsgrenze wurden enge familiäre, berufliche, ökonomische, künstlerische und auch wissenschaftliche Kontakte zwischen der BRD und der DDR abrupt beendet [1] [2]. Für die Frauenärztinnen und Frauenärzte in der DDR bedeutete dies u. a., dass sie aus der 1885 gegründeten Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie (DGG, ab 1974 mit dem Zusatz: Geburtshilfe, DGGG) austreten sollten resp. mussten [3] Da es nun aber in der DDR kein wissenschaftliches Pendant zur DGGG gab, erfolgte am 5. Juni 1962 die Gründung einer „Sektion für Gynäkologie und Geburtshilfe“ in der Deutschen Gesellschaft für Klinische Medizin, der Dachgesellschaft aller medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften in der DDR [4] [5]. Diese Sektion wurde zum 1. Juli 1967 auf Vorstandsbeschluss vom 27. Mai 1967 in Leipzig in „Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe der DDR“ (im weiteren Text als GGG-DDR abgekürzt) umbenannt. Auf dem II. Gynäkologie-Kongress der DDR in Rostock-Warnemünde wurden am 28. Mai 1968 die neuen Statuten der GGG-DDR beschlossen [5] sowie über die offizielle Registrierung der Gesellschaft informiert [5] [6]. Wie in anderen wissenschaftlichen Gesellschaften national und international üblich, schuf sich auch die GGG-DDR verschiedene Ehrungen [5] [6]. Dies war neben der möglichen Ernennung zum Ehrenmitglied (EM) bzw. zum korrespondierenden Mitglied (KM) [5] [6] auch die Verleihung des Walter-Stoeckel-Preises [7] und der Robert-Schröder-Medaille [8]. Wissenschaftliche Preise oder exklusive Ehrenmedaillen hatten und haben dabei prinzipiell die gleichen Funktionen wie Ehrenmitgliedschaften. Sie dienten in der DDR
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der Systembildung,
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der Systembindung,
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der Systemstabilisierung,
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der Systemerhaltung und -entwicklung sowie
Nach einigem Vorlauf und der Gründung einer entsprechenden Kommission [9] [10] [11] stellte am 14. März 1979 der damalige Vorsitzende der GGG-DDR Bodo Sarembe (1931–2011) an den Generalsekretär der Gesellschaft für Klinische Medizin (GKM), Doz. Dr. sc. med. U. J. Schmidt, den Antrag, einen Stoeckel-Preis und eine Schröder-Medaille stiften zu können [12]. Der Vorstand der GGG-DDR wählte damals wohl mit Walter Stoeckel (1871–1961) und Robert Schröder (1884–1959) zwei der bekanntesten Fachvertreter als namensgebende Personen der geplanten Preise aus [13] [14] [15] [16]. Ursprünglich dachte man dabei an einen „Stoeckel-Preis für Geburtshilfe und Urogynäkologie“ und einen „Schröder-Preis für die funktionelle Gynäkologie“ [10]. Im Vorfeld war jedoch seitens der zuständigen Behörde die Stiftung von einem Stoeckel-Preis und einem Schröder-Preis mit Hinweis auf die Gepflogenheiten anderer wissenschaftlicher Fachgesellschaften der DDR („eine Gesellschaft – ein Preis“) de facto abgelehnt worden [9], weshalb sich die GGG-DDR auf einen Stoeckel-Preis und eine Schröder-Medaille einigte.
Bereits am 26. April 1979 antwortete der I. Vize-Präsident der GKM, Prof. Richard Kürzinger, auf den Antrag von Sarembe, dass „nach Abstimmung mit dem Koordinierungsrat bzw. dem Generalsekretariat der med.-wiss. Gesellschaften der DDR seitens des Präsidiums der Gesellschaft für Klinische Medizin der DDR der Stiftung eines Stoeckel-Preises und einer Schröder-Medaille der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe der DDR zugestimmt wird …“ [17]. Daraufhin erfolgten die unvermeidlichen Korrekturen der beiden Verleihungsordnungen [18], ein DDR-weites Informationsrundschreiben [19] und die offizielle Veröffentlichung im „Zentralblatt für Gynäkologie“ [7] [8] [20].
Publication History
Article published online:
15 May 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Weber P. Getrennt und doch vereint. Deutsch-deutsche Geschichte 1945–1989/90. Berlin: Metropol-Verlag; 2020
- 2 Wehler H-U. Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1949–1990. München: C.H. Beck; 2008
- 3 Szibor U. Interview mit dem Rostocker Gynäkologen und Geburtshelfer Prof. em. Dr. med. Reinhold Schwarz am 23. Februar 2001. In: Lammel H-U. , Hrsg. Schweinslederband und japanisches Wachs. Rostock: Universität Rostock; 2002: 103-131
- 4 Ebert AD, Buchwald J, David M. Verdrängte und vergessene Geschichte(n): Die Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe der Deutschen Demokratischen Republik (1962–1990). Geburtshilfe Frauenheilkd 2020; 80: 986-990
- 5 Ebert AD. Walter-Stoeckel-Preis, Robert-Schröder-Medaille und Ehrenmitgliedschaften in der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe der DDR. 62. DGGG-Kongress (München), Vortrag am 14.10.2022.
- 6 Ebert AD, David M. Vergessene und verdrängte Geschichte(n): Ehrenmitglieder und korrespondierende Mitglieder der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe der Deutschen Demokratischen Republik. Geburtshilfe Frauenheilkd 2024; 84: 1024-1026
- 7 Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe der DDR. Ordnung über die Verleihung des Walter-Stoeckel-Preises der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe der Deutschen Demokratischen Republik. Zbl Gynäkol 1980; 102: 945-946
- 8 Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe der DDR. Ordnung über die Verleihung der Robert-Schröder-Medaille der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe der Deutschen Demokratischen Republik. Zbl Gynäkol 1980; 102: 947-948
- 9 UA Rostock. Schreiben von Prof. Mosler an Prof. H. Kyank vom 1.6.1977, Schreiben von Prof. H. Kyank an Prof. H. Kraatz vom 16.6.1977 sowie Schreiben von Prof. Dr. H. Burghardt an Doz. Dr. G. Göretzlehner vom 9.8.1977.
- 10 UA Rostock. Schreiben von Prof. H. Kyank an Prof. H. Kraatz vom 3.10.1977.
- 11 UA Rostock. Schreiben von Dr. Löffler an Prof. Sarembe vom 21.4.1979.
- 12 UA Rostock. Schreiben von B. Sarembe und F. Löffler an „Doz. Dr.sc.med. U. Schmidt, Generalsekretär der Gesellschaft für Klinische Medizin“, vom 14.3.1979.
- 13 Stoeckel W. Erinnerungen eines Frauenarztes. München: Kindler; 1966
- 14 Stoeckel W. Gelebtes Leben. Typoscript mit Widmung an H. Kraatz. 1954
- 15 Ebert AD, David M. Berühmte Gynäkologen. Robert Schröder (1884–1959) und der „mensuelle Genitalzyklus des Weibes“. Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76: 27-30
- 16 Dross F, Frobenius W, Thum A. et al. „Ausführer und Vollstrecker des Gesetzeswillens“ – die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie im Nationalsozialismus. Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 (Suppl. 01) S1-S158
- 17 UA Rostock. Schreiben von R. Kürzinger an B. Sarembe vom 26.4.1979.
- 18 UA Rostock. Schreiben von OMR Prof. R. Kürzinger an OA Dr. F. Löffler (Dresden) mit ausführlichen Korrekturen der Verleihungsordnungen vom 22.2.1980.
- 19 UA Rostock. Rundschreiben von B. Sarembe und F. Löffler vom 25.3.1980 an alle Universitäts-Frauenkliniken, Akademie-Frauenkliniken, Arbeitsgemeinschaften der Gesellschaft, und die Bezirkskrankenhäuser in Frankfurt/O, Cottbus, Wismar, Stralsund, Karl-Marx-Stadt, Meinigen, Schwerin, Dresden-Friedrichstadt, Neubrandenburg, Suhl und Halle-Döhlau mit Bekanntgabe der Stiftung, des geplanten Verleihungszeitpunktes und mit der Bitte um Verleihungsvorschläge.
- 20 UA Rostock. Schreiben von B. Sarembe (Dresden) und F. Löffler (Dresden) an W. Fischer (Berlin, Redaktion Zentralblatt f. Gynäkologie) mit Bitte um zeitnahe Publikation der Verleihungsordnungen für den Stoeckel-Preis und die Schröder-Medaille vom 2.5.1980, „wenn auch der Wortlaut dann den Gegebenheiten nicht ganz entspricht. Eine Änderung kann jedoch nicht erfolgen, da beide Ordnungen bereits von der Dachgesellschaft bestätigt wurden…“.
- 21 UA Rostock. Schreiben von Löffler (Dresden) an K. Bilek (Leipzig) mit Information über die Gründung einer Antragskommission auf der Vorstandssitzung der GGG-DDR vom 2.10.1979.
- 22 UA Rostock. Schreiben von K. Bilek (Leipzig) an F. Löffler (Dresden) zur Antragskommission des Stoeckel-Preises und der Schrödermedaille vom 23.11.1979.
- 23 Müller S. Medaillen der medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaften der DDR. Numismatische Beiträge (NB) Sonderheft 1989; 22: 21-22 Auf S. 21 wird der Durchmesser der Schröder-Medaille mit 10 cm angegeben; er beträgt jedoch 8 cm.
- 24 Wikipedia. Klaus-Michael Stephan. Accessed March 13, 2025 at: https://de.wikipedia.org/wiki/Klaus-Michael_Stephan
- 25 Sächsische Zeitung. Fürstenauer Künstlerpaar lässt die Pyramide umziehen (mit Portrait des Künstlers). Accessed March 13, 2025 at: https://www.saechsische.de/lokales/saechsische-schweiz-osterzgebirge/altenberg/fuerstenauer-kuenstlerpaar-laesst-pyramide-umziehen-neue-tradition-fuer-das-erzgebirge-JRH6OZK3FFAZPP4GO42SJ6L7RM.html
- 26 UA Rostock. Vertrag zwischen B. Sarembe und K-M. Stephan vom 3.1.1980 über die Herstellung des Stoeckel-Preises und der Schröder-Medaille.
- 27 UA Rostock. Schreiben von Wille (Schwerin) an H. Halle (Berlin) vom 24.4.1989 mit der Adresse des Herstellers und der bisher im Oktober 1986 erhaltenen und bezahlten 5 Stoeckel-Preise und 5 Schröder-Medaillen.
- 28 UA Rostock. Schreiben von H. Bayer (Berlin) und H. Halle (Berlin) an Th. Varga (Dresden) mit der Nachbestellung von 3 Stoeckel-Medaillen und 6 Schröder-Medaillien vom 3.5.1989.
- 29 UA Rostock. Brief von P. Wille (Schwerin) an B. Sarembe (Dresden) vom 14.7.1980 mit den Vorschlägen für 1980: Prof. H. Kraatz (Stoeckel-Preis) und Prof. H. Kyank (Schröder-Medaille) mit dem Kürzel Gö (Göretzlehner).
- 30 Schneider N. „Ist das Leben eines Frauenarztes sensationell?“ Eine kritische Würdigung des Frauenarztes, Hochschullehrers und Gesundheitspolitikers Prof. Dr. Helmut Kraatz (1902–1983) auf der Grundlage seiner Autobiographie, hier S. 109, Tabelle 7. Accessed April 03, 2025 at: https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/10260
- 31 Kraatz H. Zwischen Klinik und Hörsaal. Ein Frauenarzt sieht sich in seiner Zeit. Berlin: Verlag der Nationen; 1985
- 32 UA Rostock. Schreiben von B. Sarembe (Dresden) an den Vorstand der GGG-DDR mit dem Vorschlag der Verleihung des Stoeckel-Preises 1985 an H. Bayer (Berlin) vom 4.3.1985.
- 33 UA Rostock. Schreiben von H. U. Lau (Berlin) an den Vorstand der GGG-DDR mit dem Vorschlag der Verleihung des Stoeckel-Preises 1986 an B. Sarembe (Dresden) vom 4.11.1985.
- 34 Personalia. „Den Stoeckel-Preis der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe für das Jahr 1988 erhielt Prof. Dr. sc.med. K. Ebeling, Direktor der Geschwulstklinik der Charité Berlin. Zbl Gynäkol [Anonym]. 1989; 111: 1458 sowie siehe auch das Original der Verleihungsurkunde des Stoeckel-Preises an K. Ebeling mit dem Text: „In Anerkennung hervorragender Verdienste bei der Entwicklung des Fachgebietes Gynäkologie und Geburtshilfe, bei der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und bei der Förderung der internationalen Zusammenarbeit wird MR Prof. Dr. med. Klaus Ebeling der Walter-Stoeckel-Preis verliehen. Der Vorsitzende. Berlin 1989“ (siehe Danksagung).
- 35 UA Rostock. Schreiben F. Löffler (Dresden) an D. Bernoth (Magdeburg) mit Vorschlag der Verleihung der Schröder-Medaille 1983 an K.-H. Sommer (Magdeburg) und Bitte um Laudatio vom 26.4.1982.
- 36 UA Rostock. Schreiben F. Löffler (Dresden) an D. Stech (Jena) mit Vorschlag der Verleihung der Schröder-Medaille 1983 an W. Möbius (Jena) und Bitte um Laudatio vom 26.4.1982.
- 37 UA Rostock. Schreiben H. Bayer (Berlin) an den Vorstand der GGG-DDR mit Vorschlag der Verleihung der Schröder-Medaille 1985 an Hans Wilken (Rostock) vom 14.2.1985.
- 38 UA Rostock. Schreiben H. Wilken (Rostock) an H. Bayer (Berlin) mit Vorschlag der Verleihung der Schröder-Medaille 1985 an Gunter Göretzlehner (Greifswald) vom 11.10.1985.
- 39 Redaktion Zentralblatt für Gynäkologie. Personalia. Schröder-Medaille 1988. Zbl Gynäkol 1989; 111: 1458
- 40 Wilken H. Tagungsbericht über den XI. Gynäkologenkongress der DDR: „Auszeichnungen: Schröder Medaille – OMR Prof. Dr. sc. med. Diether Stech“. Zbl Gynäkol (Red.) 1990; 112: 1003
- 41 Wilken H. Tagungsbericht über den XI. Gynäkologenkongreß der DDR: „Die Schröder-Medaille erhielt im November 1989 auch OMR Prof. Dr. sc. med. Fritz Wagner, Erfurt, anläßlich seines 60. Geburtstages“. Zbl Gynäkol (Red.) 1990; 112: 1003
- 42 UA Rostock. Bekanntmachung von H. Bayer (Berlin) und B. Vesper (Berlin) über die Verleihung der Schröder-Medaille 1989 an D. Süffert (Bergen/Rügen) vom 9.5.1988.
- 43 Schwarz R. Rundschreiben an die Mitglieder der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe der DDR vom 3.12.1990 (Sammlung Prof. Ebert).
- 44 Ebert AD, David M. Ärztinnen und Ärzte auf Münzen und Medaillen: Carl Kaufmann und die Carl Kaufmann-Medaille (1900–1981). Gyn – Praktische Gynäkologie 2024; 29: 349-351
- 45 Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.. Auszeichnungen der DGGG. Accessed March 14, 2025 at: https://www.dggg.de/die-dggg/geschichte/auszeichnungen
- 46 Frobenius W. Carl Kaufmann und der Nationalsozialismus. Anmerkungen zum Namensgeber der höchsten Auszeichnung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83: 1417-1422