intensiv 2025; 33(03): 117
DOI: 10.1055/a-2546-4363
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Tobias Weimer

Zulässige fristlose Kündigung bei eigenmächtiger Veränderung der Patientenakte

Der Behandelnde ist gemäß § 630f Abs. 1 BGB verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen. Die nachträgliche Veränderung von Daten in der elektronischen Patientenakte durch den Arzt oder Pflegefachpersonen unter Verstoß gegen diese Verpflichtung ist schon grundsätzlich eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Diese ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen (Thüringer Landesarbeitsgericht, Urt. v. 28.02.2024–4 Sa 166/23). Auch für Abrechnungsfragen kann die Patientenakte bedeutsame Informationen enthalten. Der Inhalt muss daher stimmen. Deshalb gehört es zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des medizinischen Personals, Eintragungen in die Patientenakte sorgfältig und wahrheitsgemäß vorzunehmen und nachträgliche Änderungen, die nicht den Tatsachen entsprechen, zu unterlassen. Das Landesarbeitsgericht beurteilte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, ob eine fristlose Kündigung eine angemessene Reaktion auf das Fehlverhalten darstellt, dies mit ja. In dem besonders sensiblen Bereich der Patientenversorgung seien die Risiken für den Arbeitgeber zu hoch, einen derartigen Mitarbeiter zu beschäftigen. Das Arbeitsgericht sah auch eine grundsätzlich notwendige Abmahnung des Pflichtenverstoßes nicht für notwendig an, da ein Abwarten auf eine Verhaltensänderung für den Arbeitgeber nicht zumutbar sei. An dieser Stelle sei zudem erwähnt, dass hier Straftatbestände wie das falsche Ausstellen eines ärztlichen Zeugnisses (§ 278 StGB), eine Urkundenfälschung (§ 267 StGB) sowie eine Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB) im Raum stehen. Wird die manipulierte Behandlungsakte dann im Rahmen eines Zivilprozesses dem Gericht überreicht, kommen zudem mittelbare Falschbeurkundung sowie Prozessbetrug in Betracht. Es ist also bereits der böse Schein zu vermeiden und jede nachträgliche Veränderung unbedingt kenntlich zu machen.

LAG Thüringen, Urteil vom 28.02.2024, Az. 4 Sa 166/23



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Article published online:
06 May 2025

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