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DOI: 10.1055/a-2526-3394
Das größte Tumorboard der Welt

Bei der Behandlung onkologischer Patient*innen müssen heute immer mehr krankheitsbedingte klinische und biologische Faktoren sowie die individuelle Situation der Betroffenen berücksichtigt werden. Das kann nicht nur den Betroffenen und seine Angehörigen überfordern, sondern auch den behandelnden Onkologen. Die Einrichtung von Tumorboards ist daher eine ebenso sinnvolle wie notwendige Maßnahme. 1978 trafen sich 79 Teilnehmer zur ersten St. Gallen International Breast Cancer Conference (SGBCC) in dem namensgebenden Schweizer Ort in der Nähe des Bodensees. Damals war die Entscheidungsfindung in der Tumortherapie überschaubarer, aber gewiss nicht einfacher.
Prof. Hans-Jörg Senn, Senologe am Kantonsspital St. Gallen, hat damals schon früh die Bedeutung der interdisziplinären Kommunikation als Basis für die heutige Präzisionsonkologie erkannt. Er schuf mit dem Konsensus-Meeting auf dem SGBCC das weltgrößte Tumorboard, deren Ergebnisse uns auch 2025 wieder zugutekommen: Eine versorgungsrelevante Schnittstelle von Innovation und interdisziplinärem Austausch. Inzwischen ist der Kongress seinem Ursprungsort entwachsen und tagt seit einigen Jahren in Wien. Seine seit Jahrzehnten wachsende Bedeutung hat der SGBCC aber nicht nur durch sein breit gefächertes Programm von Fachvorträgen – gerne auch im Pro-Contra-Format – wie man sie inzwischen auch in anderen Brustkrebskongressen findet. Es ist vielmehr das große Konsensus-Meeting als Abschluss und Höhepunkt des Kongresses.
2025 versammelte sich ein internationales Panel von 80 Experten zur Diskussion und Abstimmung vor einem voll besetzten Saal mit Kongressbesuchern und zahlreichen Online-Teilnehmern. Die Verfechter 100 %ig streng statistisch abgesicherter evidenzbasierter Empfehlungen dürften sich spätestens bei der ersten Abstimmung zunehmend unwohl gefühlt haben, als die Experten und das Saalpublikum in separaten Abstimmungen ihre Empfehlungen anhand praxisnaher, interdisziplinär diskutierter Fallbeispiele abgaben – inzwischen per App und nicht mehr wie einst per Handheben getreu der eidgenössischen Tradition. Die Abstimmungsergebnisse werden als Empfehlungen in einer Originalpublikation zusammengefasst und veröffentlicht.
Zwischen dem Votum des Saalpublikums und der Experten bestehen eher selten Differenzen. Wobei die Fälle, wo die Meinungen auseinandergehen, wieder ein Grund für eine Diskussion zu den Gründen wären. Manchmal, so habe ich es empfunden, werden dann doch Unterschiede zwischen Praxisalltag und akademischer Entscheidungsfindung deutlich. Es ist anstrengend, die ganzen 3 Stunden konzentriert zuzuhören. Umso mehr Hochachtung gebührt dem Expertengremium, dieses Jahr sachkundig geleitet von Prof. Harold Burstein, Boston. Wer nicht auf die Originalpublikation warten will, kann jetzt in der Onkologischen Welt sozusagen als „Appetizer“ einige Highlights des SGBCC-Konsensus-Meetings 2025 ab Seite 215 nachlesen.
Dr. Alexander Kretzschmar, München
Publication History
Article published online:
06 June 2025
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