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DOI: 10.1055/a-2526-3158
Die Tumorzelle im Visier

In letzten 20 Jahren konnten wir mit zielgerichteten Therapien, die spezifische intrazelluläre Funktionen der Tumorzelle wie den Zellzyklus oder die DNA-Reparatur störten, große Erfolge erzielen. Es ist aber frustrierend, dass heute sich die onkologische Therapieplanung gefühlt immer mehr mit der Frage beschäftigen muss, mit welchen Sequenzen man den vorhersehbaren Wirkverlust zielgerichteter Therapien hinauszögern und ggf. überwinden kann. Ein gern angewandtes Konzept ist auch hier die Suche nach Kombinationspartnern. Dabei bleibt es immer häufiger nicht bei einem weiteren Wirkstoff. Beim nicht transplantierbaren neu diagnostizierten Multiplen Myelom sind wir in der Erstlinie inzwischen bei einer 4-fach-Kombination angekommen. Ende offen.
Ein zweites Standbein sind heute die Immuntherapien, mit denen wir ein fehlgeleitetes Immunsystem beeinflussen. Adoptive T-Zell-Therapien mit chimären Antigenrezeptoren (CARs) vereinigen Merkmale der „klassischen“ zielgerichteten Therapien und Immuntherapien. Sie sind individuell konfektionierbar und ermöglichen eine tumorselektive T-Zell-Aktivierung, unterscheiden sich aber als „lebendige Wirkstoffe“ von den klassischen Pharmazeutika. CAR-T-Zellen wandern aktiv in Gewebe und verlassen sie wieder in die periphere Zirkulation, proliferieren und üben spezifische Effektorfunktionen aus. Sie werden gerne als „new kid on the block“ der Immunologie bezeichnet sind aber schon längst volljährig und werden inzwischen in der 5. Generation weiter optimiert.
Mit CAR-T-Zellen verbindet sich heute die Erwartung, dass sie selbst fortgeschrittene hämatologische Tumorerkrankungen wie Chemotherapie-refraktäre lymphatische Leukämien vollständig und dauerhaft heilen können [1]. In der Literatur werden Fallvignetten von 2 Patient*innen zitiert, die sich seit der Gabe von CD19 CAR-T-Zellen im Jahr 2010 immer noch in Komplettremissionen befinden. Im peripheren Blut dieser Patienten seien mehr als ein Jahrzehnt nach Injektion noch CAR-T-Zellen nachweisbar gewesen [2]. Wann kann man nun von einer Heilung sprechen – ab 5, 10 oder mehr rezidivfreien Jahren, ctDNA-negativ und mit minimaler Restaktivität usw.? Jeder hat hierzu seine eigene Meinung. Ich glaube nicht, dass wir heute genügend Daten haben, um unseren Patient*innen eine mögliche Kuration in Aussicht stellen zu können.
Auch mit den CAR-T-Zellen wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Toxizitäten limitieren die Behandlung und nicht jeder Behandelte spricht darauf an. Noch erst am Beginn einer Therapiekarriere stehen die CAR-T-Zellen bei den soliden Tumoren. Zu den noch nicht gelösten Hausaufgaben gehören die Überwindung einer immunsuppressiven Tumormikroumgebung, das Eindringen in einen soliden Tumorzellverband, die erfolgreiche T-Zell-Aktivierung und Induktion der zytotoxischen Immunreaktion. Wollen Sie mehr wissen? Dann lesen Sie unsere Berichte vom 7. EBMT-EHA European CAR-T-Cell Meeting in Straßburg ab Seite 131.
Dr. Alexander Kretzschmar, München
Publication History
Article published online:
29 April 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Porter DL. et al. Science Translational Medicine 2015; 7: 303ra139
- 2 Melenhorst JJ. et al. Nature 2022; 602: 503-509