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DOI: 10.1055/a-2522-4072
Research

VKB-Rekonstruktion
Defizite in Quadrizeps- und Hamstringkraft trotz Reha
Muskuläre Defizite der Oberschenkelmuskulatur sind nach einer vorderen Kreuzbandrekonstruktion (VKB-R) weit verbreitet und stellen eine erhebliche Herausforderung für die Rehabilitation dar. Trotz klarer klinischer Empfehlungen, die gezielt auf die Wiederherstellung der Oberschenkelmuskulatur fokussieren, wird die angestrebte vollständige Wiederherstellung der Quadrizepskraft bei vielen Patient*innen innerhalb der ersten 12 Monate nach der VKB-R nicht erreicht. Ein zentrales Ziel der Rehabilitation ist es, eine muskuläre Symmetrie von mindestens 90 % der Kraft im Vergleich zur gesunden Seite zu erzielen (Limb Symmetry Index, LSI), um den Wiedereinstieg in den Sport zu ermöglichen und langfristige Schäden zu verhindern ([ Abb. 1 ]). Kontrovers diskutiert wird in der Fachwelt, ob der LSI die tatsächlichen Defizite unterschätzt. Neuere Ansätze fordern vermehrt den Vergleich mit gesunden Kontrollgruppen, um objektive Maßstäbe für die Kraftaufbauziele festzulegen.


Ein australisch-kanadisches Forscherteam führte deshalb eine systematische Übersichtsarbeit mit longitudinaler Metaanalyse durch. Die Datenbankrecherche umfasste Medline, Embase, CINAHL, Scopus, Cochrane CENTRAL und SPORTDiscus. Sie schlossen Studien mit mindestens 50 Teilnehmenden im Alter von 18–40 Jahren ein, die quantitative Messungen der Muskelkraft nach VKB-R berichteten. Der Vergleich erfolgte sowohl intraindividuell (mit dem kontralateralen Bein) als auch interindividuell (mit gesunden Kontrollen).
Insgesamt werteten sie 232 Studien mit 34220 Teilnehmenden aus. Die Kniegelenkextensoren der Operierten zeigten eine Kraftminderung von > 10 % gegenüber dem kontralateralen Bein und 20 % gegenüber gesunden Kontrollpersonen 12 Monate nach der VKB-R. Die Flexoren wiesen kleinere Defizite von 5–7 % auf. Während sich die Muskelkraft in den ersten Monaten nach der OP deutlich verbessert, stagniert sie häufig nach 12–18 Monaten. Langfristig blieb die Kniegelenkskraft sowohl bei Extensoren als auch bei Flexoren meist unter dem Niveau des gesunden kontralateralen Beins.
Die Metaanalyse zeigt, dass viele Patient*innen nach einer VKB-R die klinischen Ziele der Kraftsymmetrie im Vergleich zur gesunden Seite nicht erreichen. Besonders die Quadrizepskraft war ein Jahr nach der OP um mindestens 10 % im Vergleich zur Gegenseite reduziert. Der häufig in der Rehabilitation angestrebte Zielwert von 90 % Symmetrie könnte daher nicht ausreichen, um eine vollständige muskuläre Funktion sicherzustellen. Einige Studien empfehlen stattdessen 100 % oder mehr, um das
Niveau gesunder Personen zu erreichen und das Risiko von Folgeschäden zu minimieren. Für die Praxis bedeutet dies, dass Therapeut*innen auf eine langfristige, gezielte Rehabilitation achten sollten, die über das erste Jahr hinausgeht und auf individuelle Defizite eingeht. Ein starker Trainingsreiz ist entscheidend, um Muskelhypertrophie und Kraft zu fördern, doch könnte das zentrale Nervensystem (ZNS) ebenfalls eine Rolle spielen. Nach einer VKB-Verletzung treten oft Veränderungen im ZNS auf, die die Muskelaktivierung und Kraftentwicklung beeinträchtigen können. Daher sollten Übungen sowohl muskuläre als auch neuromotorische Aspekte adressieren.
Design: Systematisches Review mit Metaanalyse
Teilnehmer: 34220 Personen nach VKB-Rekonstruktion (18–40 Jahre) aus 232 Studien
Parameter: Kniegelenkextensoren- und -flexorenkraft (im Vergleich zum kontralateralen Bein bzw. zu gesunden Normwerten)
Resultate: Die Ergebnisse zeigen Kraftdefizite von 10 % bei Kniegelenkextensoren und 5–7 % bei Kniegelenkflexoren ein Jahr nach VKB-R (LSI). Langfristige Kraftdefizite sind häufig vorhanden.
Katrin Veit
Girdwood M, Culvenor AG, Rio EK et al. Tale of quadriceps and hamstring muscle strength after ACL reconstruction: A systematic review with longitudinal and multivariate meta-analysis. Br J Sports Med 2024; DOI: 10.1136/bjsports-2023-107977
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Publication History
Article published online:
17 April 2025
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