Aktuelle Urol 2025; 56(03): 212-214
DOI: 10.1055/a-2520-0009
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Kommentar

Contributor(s):
Lennert Eismann
1   Urologische Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität München, Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Germany
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Nach erfolgreicher transurethraler Resektion stellt die intravesikale Therapie mit Bacillus Calmette-Guérin (BCG) den Goldstandard für die Behandlung von oberflächlichen High-Grade-Harnblasentumoren wie pTa/pT1 und Carcinoma in situ (CIS) dar. Trotz ihrer etablierten Wirksamkeit spricht etwa die Hälfte der Patient*innen nicht ausreichend auf die BCG-Therapie an. Für diese Patient*innen bleibt die radikale Zystektomie aktuell die einzige onkologische Therapieoption – ein Eingriff mit erheblichen operativen Risiken und langfristigen Einschränkungen. Der Bedarf an effektiven, blasenerhaltenden Alternativen ist daher groß.

Eine mögliche Option bietet die intravesikale Anwendung von Nadofaragene Firadenovec. Diese Therapie wurde kürzlich in einer Phase-III-Studie bei Patient*innen mit BCG-Versagen untersucht. Nadofaragene Firadenove wird alle 3 Monate in die Blase appliziert und induziert Interferon-alpha, welche zur Tumorregression führt. Die geringe Therapiefrequenz könnte die Akzeptanz und Compliance im Vergleich zu wöchentlichen Therapien wie bei BCG oder Mitomycin C deutlich verbessern.

Ebenfalls vielversprechend ist das günstige Nebenwirkungsprofil. Die meisten Nebenwirkungen waren mild (Grad 1–2), während mittlere schwere Nebenwirkungen (Grad 3) selten und schwere Nebenwirkung (Grad 4) nicht auftraten. Fatigue, Blasenkrämpfe und Urgesymptome sind die häufigsten Symptome, welche vergleichbar mit etablierten intravesikalen Primärtherapien sind. Im Vergleich zu anderen Salvage-Behandlungsmöglichkeiten, wie der systemischen Immuntherapie mit Pembrolizumab, sind hier mit deutlich höheren Risiken für Schweregrad 3 und -4 Nebenwirkungen zu rechnen. Dies ist ein entscheidender Vorteil für Patient*innen, welche eine blasenerhaltende Therapie wünschen.

Allerdings bleiben die onkologischen Ergebnisse dieser Therapie begrenzt. Nach fast 5 Jahren waren nur 9% der Patient*innen tumorfrei von High-Grade-Tumoren, und die Hälfte der Studienteilnehmer unterzog sich bis zum Ende des Follow-up einer radikalen Zystektomie. Aus der Studie geht leider nicht die Folgetherapie bei einem High-Grade-Rezidiven hervor. Dennoch lag das Gesamtüberleben nach fast 5 Jahren bei über 80%. Dies deutet darauf hin, dass die Therapie unter adäquater Nachsorge keine onkologischen Nachteile mit sich brachte und vielen Patient*innen eine Lebenszeit mit Organerhalt ermöglicht hat.

Im Hinblick auf die klinische Praxis könnte die Zulassung für Nadofaragene Firadenovec eine wertvolle Ergänzung im Behandlungsspektrum darstellen – insbesondere für Patient*innen, die eine Zystektomie ablehnen, ein erhöhtes operatives Risiko haben oder im fortgeschrittenen Alter sind. Die einfache Applikation, geringe Therapiefrequenz und das überschaubare Nebenwirkungsprofil machen diese Therapieoption besonders attraktiv. Dennoch sollten folgende Aspekte weiterhin kritisch beurteilt werden und Fokus für Folgestudien sein:

  • Biomarker zur Patient*innenselektion: Die Untersuchung von prätherapeutischer Biomarker sollte im Fokus stehen, um Patient*innen mit dem größten Therapieerfolg zu identifizieren.

  • Vergleich mit anderen Salvage-Therapien: Während Nadofaragene Firadenovec vielversprechend ist, fehlen direkte Vergleiche mit anderen experimentellen Salvage-Therapien nach erfolgloser BCG-Behandlung.

  • Lebensqualität: Die Auswirkungen der Therapie auf die Lebensqualität der Patient*innen wurde bisher nicht untersucht. Eine wichtige Frage bleibt, ob der Organerhalt durch die Therapie einen subjektiven Vorteil gegenüber der radikalen Zystektomie bietet.

Zusammenfassend könnte Nadofaragene Firadenovec eine wichtige Rolle in der Salvage-Behandlung des nicht muskelinvasiven Blasenkarzinoms spielen. Der Fokus sollte jedoch darauf liegen, jene Patient*innen zu identifizieren, die von diesem neuen Therapieansatz am meisten profitieren und die Lebensqualität mit Organerhalt der Patient*innen zu maximieren. Allerdings verbleibt die radikale Zystektomie weiterhin als onkologischer Standard. Patient*innen, die keine Zystektomie wünschen oder dafür nicht geeignet sind, sollte die Teilnahme an klinischen Studien angeboten werden.



Publication History

Article published online:
28 May 2025

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