Zeitschrift für Palliativmedizin 2025; 26(04): 167-168
DOI: 10.1055/a-2519-7951
Editorial

SedPallSed – Deutschland als Impulsgeber im internationalen Diskurs zur Sedierung in der Palliativversorgung

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Der Einsatz von Sedierung in der Palliativversorgung stellt seit der erstmaligen Erwähnung durch Ventafridda et al. [1] im Jahre 1990 ein ethisch, medizinisch und rechtlich komplexes und im Feld viel diskutiertes Thema dar. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Palliativmedizin stellen Kremling et al. Ergebnisse einer aktuellen Studie zur Anwendung unterschiedlicher Definitionen von Sedierung auf Fallszenarien unter Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und der Österreichischen Palliativgesellschaft vor. Die Studie verdeutlicht, dass nationale und internationale Definitionen von Sedierung in der Palliativversorgung nur in rund der Hälfte der dokumentierten Fälle zutreffend angewendet werden. Der Artikel bietet neben den spannenden Ergebnissen auch Anlass, einmal den deutschen Beitrag zur internationalen Diskussion über die Sedierung am Lebensende zu reflektieren.

In den letzten Jahren haben zwei wegweisende Projekte die Debatte maßgeblich geprägt: Das deutsche SedPall-Projekt („From anxiolysis to deep continuous sedation – Development of recommendations for sedation in palliative care“) und die europäische PallSed-Initiative, die zur überarbeiteten EAPC-Rahmenempfehlung zur palliativen Sedierung führte. Beide Projekte zeigen eindrucksvoll, wie deutsche Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen der Palliativversorgung sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene diesen Diskurs aktiv mitgestalten.

Wenngleich sich beide Projekte mit ähnlichem Titel und ähnlicher Methodik dem gleichen Thema zuwenden, so sind im Ergebnis einige Unterschiede zu bemerken, z. B. in der Terminologie. Während im SedPall-Projekt [2] der Begriff „gezielte Sedierung“ (intentional sedation) entwickelt wurde [3], verwendet das PallSed-Projekt den etablierten Terminus „palliative Sedierung“. Diese Differenz ist mehr als nur semantisch – sie spiegelt auch gewisse Unterschiede in den konzeptionellen Ansätzen wider. Die „gezielte Sedierung“ im SedPall-Projekt betont den bewussten Entscheidungsprozess, durch den eine Bewusstseinsreduzierung als Mittel zur Erreichung eines zuvor definierten Behandlungsziels herbeigeführt wird. Dieser Begriff wurde entwickelt, um die Intention der Maßnahme in den Vordergrund zu stellen und verschiedene Formen der Sedierung besser zuordnen zu können. Die „palliative Sedierung“ im EAPC-Rahmenkonzept definiert sich als „überwachter Einsatz von Medikamenten, die einen Zustand verminderter oder fehlender Bewusstheit (Bewusstlosigkeit) herbeiführen sollen, um die Belastung durch sonst unerträgliches Leiden in einer für den Patienten, die Familie und die Gesundheitsdienstleister ethisch akzeptablen Weise zu lindern“ [4].

Trotz unterschiedlicher Begrifflichkeiten weisen beide Ansätze aber auch erhebliche inhaltliche Überschneidungen auf. Sowohl SedPall als auch PallSed betonen u. a. die Bedeutung

  • einer klaren Indikationsstellung,

  • eines multiprofessionellen Entscheidungsfindungsprozesses,

  • der Patientenautonomie und informierter Einwilligung,

  • einer angemessenen Dokumentation und Überwachung und

  • der Unterstützung für Angehörige und das Behandlungsteam.

In beiden Projekten wurden aufwendige Konsensverfahren unter Einbezug zahlreicher Expertinnen und Experten aus allen Bereichen der Palliativversorgung sowie Ethik und Recht durchgeführt. Einige deutsche Expertinnen und Experten waren maßgeblich an der Überarbeitung und Publikation der EAPC-Rahmenempfehlungen beteiligt und haben gleichzeitig SedPall unterstützt. Diese parallele Mitarbeit auf nationaler und internationaler Ebene verdeutlicht die Stärke der deutschen Palliativmedizin im globalen Diskurs zu dem Thema. Dass dabei unterschiedliche Begrifflichkeiten und Nuancen entstehen, ist nicht als Widerspruch zu verstehen, sondern vielmehr als Ausdruck eines lebendigen, vielschichtigen Fachdiskurses. Die begrifflichen Unterschiede können als Chance betrachtet werden, die Debatte zu bereichern und die Versorgung der Betroffenen mit unerträglichem, therapierefraktärem Leid in der Palliativversorgung weiter zu verbessern.

Die in dieser Ausgabe nun vorgestellte Studie von Kremling et al. zur Anwendung der Definitionen auf konkrete Fallszenarien leistet einen wichtigen Beitrag, um die theoretischen Konzepte auf ihre praktische Anwendbarkeit zu überprüfen. Leider konnten die neuen und überarbeiteten Empfehlungen der EAPC noch nicht in der Untersuchung berücksichtigt werden. Auch das unterstreicht, dass der Diskurs nicht abgeschlossen ist!

Für die Zukunft wünschen wir uns einen intensivierten Dialog zwischen den unterschiedlichen Ansätzen, um die jeweiligen Stärken zu verbinden und zu einer noch klareren Orientierung beim gezielten Einsatz der Sedierung für die Praxis zu gelangen. Wir werden dabei beide zweifellos weiterhin eine aktive und gestaltende Rolle einnehmen.

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Prof. Dr. Christoph Ostgathe und Prof. Dr. Lukas Radbruch



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Article published online:
01 July 2025

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