1. Epidemiologie und Risikofaktoren
1. Epidemiologie und Risikofaktoren
Unter dem Begriff „funktionelle Dyspepsie“ werden wiederkehrende respektive chronische
Beschwerden des oberen Abdomens subsummiert, welche mit den diagnostischen Standardverfahren
nicht einer organischen Erkrankung zugeordnet werden können [1 ]. Neben dem Reizdarmsyndrom repräsentiert die FD ein zentrales Syndrom der funktionellen
Magen-Darm-Erkrankungen bzw. der Disorders of Gut-Brain Interaction (DGBI). Die hohe
Prävalenz der funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen wurde erst kürzlich in einer großen
multinationalen Studie bestätigt. So fanden sich unter über 70 000 befragten Personen
bei 40 % deutliche Hinweise für das Vorliegen eines funktionellen gastroenterologischen
Krankheitsbildes, entsprechend der Rom IV-Kriterien [2 ]. Richtet man den Blick auf die FD, so lassen epidemiologische Untersuchungen den
Schluss zu, dass etwa 10 % der Bevölkerung die Kriterien für eine FD erfüllen [3 ].
Hinsichtlich der Fragen nach Risikofaktoren für das Auftreten einer FD konnten bis
dato verschiedene Aspekte herausgearbeitet werden. Hierbei fällt ein erhöhtes Aufkommen
der FD in der weiblichen Bevölkerung auf [2 ]
[3 ]. Stattgehabte gastrointestinale Infektionen prädisponieren für funktionelle Beschwerden.
In einer Metaanalyse von 19 Studien konnten Futagami et al. in 9,6 % der Fälle, sechs
oder mehr Monate nach einer akuten Gastroenteritis, die Entwicklung einer FD beobachten
[4 ]. Vor diesem Hintergrund hat sich hier der Begriff der postinfektiösen FD etabliert.
Aber auch der Einsatz von nicht-steroidalen Antirheumatika stellt einen Risikofaktor
für eine spätere Entwicklung einer FD dar. Shaib und El-Serag konnten dies in einer
multiethnischen Studienpopulation, bestehend aus 203 Mitarbeitenden des Houston Veterans
Affairs Medical Center, belegen [5 ]. Eine weitere Komorbidität, welche mit einer gesteigerten Wahrscheinlichkeit einer
FD verbunden ist, konnte mit dem Krankheitsbild der Depression identifiziert werden.
So konnten Aziz und Mitarbeitende in einer trinationalen Studie, welche per Internetbefragung
in den USA, Kanada und Großbritannien durchgeführt wurde, eine negative Assoziation
zwischen dem Einsatz von Antidepressiva und dem Vorliegen eines postprandial distress
syndrome (PDS) feststellen [6 ]. In einer großen Studie basierend auf Daten des schwedischen Bevölkerungsregisters
dokumentierten Aro und Kollegen einen Anstieg des Risikos innerhalb von zehn Jahren,
eine FD zu entwickeln, um den Faktor 7,6, falls initial eine Angststörung vorgelegen
hatte. Interessanterweise war in dieser Untersuchung die Diagnose Depression ohne
signifikante Auswirkung auf die spätere Entstehung einer FD [7 ].
Merke
1.1.
Das Krankheitsbild Reizmagen bzw. FD, als Hauptvertreter der funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen
im Bereich des oberen Gastrointestinaltraktes, ist durch eine hohe Prävalenz gekennzeichnet.
1.2.
Für die Entstehung einer FD wurden verschiedene Risikofaktoren identifiziert, deren
Einfluss auf die pathophysiologischen Prozesse, die zum klinischen Bild eines Reizmagens
führen, bis dato nur teilweise im Detail verstanden ist.
2. Pathophysiologie
Störungen der gastroduodenalen Motilität
Eine gestörte gastrale Akkommodation und/oder eine gestörte Magenentleerung, welche
wiederum beschleunigt oder verlangsamt sein kann, findet sich bei bis zu 70 % der
von einer FD Betroffenen [8 ]. Dabei weisen ca. 30 % eine verzögerte Magenentleerung für feste Nahrung auf [9 ], was traditionell für einen wichtigen Pathomechanismus bei Patient:innen mit PDS
gehalten wurde [10 ]. Der Zusammenhang zwischen Magenentleerung und Symptomatik ist aber schwach, und
die Prävalenz einer verzögerten Magenentleerung bei PDS und dem Epigastrischen Schmerzsyndrom
(epigastric pain syndrome, EPS) unterscheidet sich nicht eindeutig. Auch die Abgrenzung
zur Gastroparese kann schwierig sein. Die neuen europäischen Leitlinien versuchen
dies über die Symptomatik, wobei Patient:innen mit Gastroparese definitionsgemäß eine
(deutlich) verzögerte Magenentleerung haben und vorwiegend unter Übelkeit und Erbrechen
leiden [11 ]
[12 ]. Allerdings zeigen aktuelle Studien relevante Verschiebungen zwischen beiden Krankheitsbildern
über die Zeit [13 ]. Die gestörte gastrale Akkommodation in Antwort auf eine Mahlzeit kann einen Schlüsselmechanismus
für die Symptomentstehung bei FD darstellen, vor allem für das PDS, bei dem bis zu
40 % der Betroffenen diese Störung aufweisen [14 ]. Akkommodationsstörungen fanden sich demgegenüber in neueren Studien etwa gleich
häufig bei PDS, EPS und Mischbildern [10 ], sodass auch hier kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Art der Störung und
der Symptomatik zu bestehen scheint. Es wurde allerdings gezeigt, dass Patient:innen
mit ausgeprägten und kombinierten Motilitätsstörungen häufig eine besonders schwere
Symptomatik aufwiesen [8 ].
Störungen der gastroduodenalen Sensitivität
Eine gesteigerte viszerale Sensitivität spielt bei funktionellen gastrointestinalen
Erkrankungen generell eine wichtige pathophysiologische Rolle [15 ]. Sie kann bei FD dazu führen, dass normale Verdauungsvorgänge wie die gastrale Füllung
nach einer Mahlzeit als unangenehm oder schmerzhaft wahrgenommen werden. Eine Überempfindlichkeit
gegenüber gastraler Dehnung weisen dabei 37 % der von FD Betroffenen auf [16 ]. Darüber hinaus werden Überempfindlichkeiten gegenüber chemischen Stimuli wie Magensäure
und duodenalen Fetten beobachtet. Die gastroduodenale Hypersensitivität korreliert
vergleichsweise gut mit der Stärke der Symptomatik [15 ], es wurden bislang aber wiederum keine eindeutigen Unterschiede zwischen PDS und
EPS gefunden [10 ].
Gestörte intestinale Barriere und immunologische Veränderungen
Neuere Studien zeigen, dass eine gestörte duodenale Barrierefunktion und milde entzündliche
Veränderungen der duodenalen Mukosa zur Pathophysiologie der FD beitragen [17 ]. Als Zeichen der gastroduodenalen Immunaktivierung weisen Patient:innen mit FD vermehrt
eosinophile Granulozyten und daran gekoppelt auch vermehrt Mastzellen auf [18 ]
[19 ]
[20 ]. Erste hiergegen gerichtete Antikörper befinden sich in klinischen Studien [21 ], und auch die Wirksamkeit von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) bei FD könnte zumindest
teilweise auf einer Verminderung der Eosinophilie beruhen [20 ].
Bei Patient:innen mit postinfektiösen Beschwerden finden sich Veränderungen der mukosalen
Lymphozytensubpopulationen sowie einer Barrierestörung; letztere wird am ehesten verursacht
durch die immunologischen Phänomene, kann aber auch als mitverursachend für immunologische
Folgen angesehen werden [22 ].
Bei Patient:innen mit Reizdarmsyndrom wurde mittels konfokaler Laserendomikroskopie
gezeigt, dass atypische Nahrungsmittelallergien akut zu einer Schädigung der intestinalen
Barriere mit Flüssigkeitsaustritt führen können [23 ]. Eine höhere Dichte sogenannter „epithelial gaps“ im Vergleich zu Gesunden wurde
mit dieser Methode auch bei Patient:innen mit FD bereits nachgewiesen [24 ]. Ob ein direkter Zusammenhang mit Nährstoffkontakt besteht, bleibt offen.
Veränderte Mikrobiota/gastrointestinale Infektionen
10–15 % der Patient:innen mit chronischen dyspeptischen Beschwerden haben eine chronische
Helicobacter pylori (HP)-Infektion ohne Ulcera oder höhergradige Gastritis. Etwa 10 %
davon verlieren nach einer Eradikationstherapie ihre Symptome. Diese Subgruppe wird
dann allerdings als HP-assoziierte Dyspepsie eingeordnet und nicht mehr als FD [25 ]. Allgemein können aber auch gastrointestinale Infektionen einschließlich COVID-19
[26 ] eine FD auslösen. Die FD-Prävalenz liegt nach einer Gastroenteritis laut Metaanalyse
bei ca. 10 %, das Risiko ist gegenüber Kontrollen um den Faktor 2,5 erhöht [4 ]. Studien zeigen zudem unabhängig von Infektionen, dass die Dichte der bakteriellen
Besiedlung duodenaler Schleimhautproben bei FD direkt mit dem Ausmaß der postprandialen
Beschwerden und indirekt mit der Lebensqualität korreliert [22 ]. Andere Forschungsgruppen fanden eine verminderte Diversität der Dünndarmmikrobiota,
die mit einer erhöhten intestinalen Permeabilität korrelierte [27 ].
Genetische Prädisposition
Bei Patient:innen mit FD wurde signifikant häufiger als bei Kontrollen der GNβ3-TT-Genotyp
beobachtet und signifikant seltener der Cholecystokinin (CCK)-A-Rezeptor CC-Genotyp
[28 ], die Datenlage ist hierzu aber uneinheitlich [29 ]. Die Personen könnten demnach für Störungen der hormonellen Regulation gastrointestinaler
Funktionen prädisponiert sein, aber auch Veränderungen des zentralen Serotonin-Metabolismus
mit Assoziationen zu psychischen Störungen aufweisen.
Biopsychosoziale Einflussfaktoren
Stress kann die gastroduodenale Motilität beeinflussen, z. B. die Magenentleerung
verzögern und dadurch dyspeptische Symptome begünstigen [30 ]. Darüber hinaus kann akuter psychischer Stress nachweislich die intestinale Permeabilität
erhöhen, damit die mukosale Barriere schädigen und die oben beschriebenen Pathomechanismen
in Gang setzen [31 ]. Bei Patient:innen mit FD werden aber auch vermehrt psychische Symptome/Erkrankungen
wie Ängstlichkeit, Depression, Somatisierung und Neurotizismus beschrieben. Sie nehmen
parallel zur Schwere der abdominellen Symptome zu [32 ]. Patient:innen mit FD haben häufiger Missbrauch oder sonstige belastende Ereignisse
erlebt. Diese Faktoren begünstigen eine pathologische zentrale Verarbeitung viszeraler
Reize mit erhöhter Vigilanz gegenüber (unangenehmen) Sensationen aus dem Magen-Darm-Trakt.
Insgesamt kann ein Teufelskreis zwischen psychischen Störungen und abdominellen Symptomen
entstehen, die sich jeweils gegenseitig negativ beeinflussen. Prospektive epidemiologische
Studien belegen allerdings, dass bei funktionellen gastrointestinalen Erkrankungen,
in mindestens der Hälfte der Fälle, die abdominellen Symptome den psychischen Symptomen
vorangehen [22 ] und möglicherweise auch Ursache der psychischen Störungen sein könnten.
Pathophysiologisches Modell
Es bedarf weiterer Studien, um zu klären, wie diese Faktoren im Einzelnen zusammenwirken
und wo sich neue therapeutische Ansätze ergeben. Eine Hypothese hierzu besagt, dass
der Kontakt der Mukosa mit bestimmten Allergenen (z. B. mikrobielle Antigene oder
Nahrungsmittelproteine nach akuter Gastroenteritis) bei genetisch Prädisponierten
zur Barrierestörung der Mukosa und Immunaktivierung mit geringgradiger Inflammation
führt. Als Folge hiervon kommt es zu strukturellen und funktionellen Veränderungen,
insbesondere des enterischen Nervensystems, welche Hypersensitivität und motorische
Störungen verursachen [33 ]. Traumata und psychische Störungen begünstigen eine „pathologische“ zentrale Verarbeitung
viszeraler Reize und können somit zusätzlich in individuell unterschiedlichem Ausmaß
die Entwicklung einer FD begünstigen. Die Zusammenfassung biologischer, psychischer
und sozialer Faktoren findet sich im biopsychosozialen Erklärungsmodell.
Merke
2.1.
Die Pathophysiologie der FD ist komplex und individuell und kann am geeignetsten über
das biopsychosoziale Modell erklärt werden.
2.2.
Relevante Pathomechanismen sind gastroduodenale Motilitätsstörungen, viszerale Hypersensitivität,
Veränderungen von mukosaler Barriere und Immunsystem, des enterischen Nervensystems
sowie eine alterierte zentrale Reizverarbeitung. Diese Störungen werden wiederum von
traumatischen Lebensereignissen, Stress, begleitenden psychischen Störungen und genetischen
Faktoren beeinflusst.
2.3.
Gastrointestinale Infekte können eine FD auslösen.
2.4.
Eindeutige Unterschiede bezüglich der Pathophysiologie zwischen postprandialem Distress-Syndrom
(PDS) und epigastrischem Schmerzsyndrom (EPS) wurden bislang nicht gezeigt.
3. Diagnosestellung
Hintergrund
Die Diagnosestellung der FD basiert auf zwei Säulen: Erstens, dem typischen Beschwerdebild
und zweitens Ausschluss von anderen organischen Erkrankungen des oberen Magen-Darm-Traktes,
die mit ähnlichen Beschwerden einhergehen können [28 ]
[34 ]
[35 ]
[36 ].
Die Definition der FD ist symptombezogen und weist auf keine einheitliche Pathophysiologie
hin. Dies gilt auch für die Untergruppen, dem PDS und dem EPS, die in der Klinik bei
etwa 30 % der Patient:innen überlappen [34 ]. Nach konsequenter Diagnostik und Diagnosesicherung ist eine Wiederholungsdiagnostik
zu vermeiden. Eine reevaluierende und ergänzende Diagnostik ist nur bei relevanter
Änderung der Symptomatik oder bei therapierefraktären Fällen notwendig.
Typisches Beschwerdebild
Da die Symptomatik unspezifisch ist, versuchen die Rom-Konsensuskonferenzen die Diagnosekriterien
der Funktionellen Dyspepsie immer enger zu fassen [34 ]
[37 ]
[38 ]. Die Symptome postprandiales Völlegefühl, frühes Sättigungsgefühl, epigastrische
Schmerzen und nicht-ausstrahlendes epigastrisches Brennen sind aber nicht sicher von
anderen organischen Ursachen zu trennen und korrelieren praktisch auch nicht mit den
Magenfunktionen. Nur bei dem Symptom der frühen Sättigung konnte eine Korrelation
zur gestörten Fundusrelaxation gefunden werden [39 ], während die Magenentleerungszeit praktisch nicht mit den Symptomen korreliert.
Neuere Untersuchungen weisen auf einen Paradigmenwechsel und auf Veränderungen der
Duodenalschleimhaut hin [40 ].
Die Abgrenzung der FD von der Gastroparese ist in der Praxis und Klinik anhand der
Symptome schwierig. So weist die Gastroparese eine Überlappung mit der FD, v. a. dem
Subtyp PDS auf [34 ]. Da eine verzögerte Magenentleerung bei beiden Erkrankungen auftreten kann, ist
die Festlegung auf eine Diagnose im klinischen Alltag nicht immer eindeutig möglich.
In einer großen prospektiven Registerstudie wurde die Diagnose einer Gastroparese
innerhalb eines Jahres in 42 % von einer Gastroparese auf eine FD, in 37 % wieder
von FD auf Gastroparese geändert [41 ]. In einem europäischen Positionspapier wurde daher eine Fokussierung der klinischen
Beschwerden bei Gastroparese auf Übelkeit ( = häufigstes Symptom, tritt in > 95 %
der Fälle auf) und Erbrechen als Kardinalsymptome vorgeschlagen, die in aller Regel
mahlzeitenabhängig auftreten. Ein postprandiales Völlegefühl, frühe Sättigung, epigastrische
Schmerzen und Brennen deuten eher auf eine FD hin. Diese klinische Präzisierung der
dominierenden Beschwerden („Kardinalsymptome“) soll dabei helfen, beide Krankheitsbilder
leichter voneinander abzugrenzen und die Aussagekraft zukünftiger Therapiestudien
zu verbessern [42 ]
[43 ].
Ausschluss von anderen organischen Erkrankungen
Laboruntersuchungen
Die Wertigkeit einer Labordiagnostik bei der Dyspepsie ist unklar [1 ]. Allerdings können ohne Labordiagnostik nicht alle Warnsymptome evaluiert werden.
Orientierende Laboruntersuchungen wie Blutbild, Elektrolyte, Leber- und Nierenwerte
sowie Blutsenkung bzw. CRP und ggf. periphere Schilddrüsenparameter können bestimmt
werden. Es gibt allerdings keine wissenschaftlichen Belege, die für eine signifikante
Bedeutung bei der Diagnose FD sprechen.
Sonografie
Gemäß systematischem Review und Meta-Analyse gibt es bei sonografisch detektierten
Gallensteinen nur eine gesicherte Assoziation mit Koliken, nicht dagegen mit dyspeptischen
Beschwerden [44 ]
[45 ]. Im Alter > 60 Lebensjahre ist in der Kombination von epigastrischen Schmerzen und
Gewichtsverlust sowie bei einem in den Rücken ausstrahlenden epigastrischen Schmerz
zum Ausschluss eines Pankreaskarzinoms eher an eine CT-/MR-/EUS-Diagnostik als an
eine Sonografie zu denken [46 ]
[47 ].
Probatorische Therapie
Eine Meta-Analyse (fünf RCTs, 1752 Patient:innen mit Dyspepsie) ergab keinen signifikanten
Unterschied in den Dyspepsie-Symptomen zwischen prompter Endoskopie und empirischer
Säuresuppression mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI)- oder Histamin-2-Rezeptorantagonisten-Therapie
[47 ]. Die Zufriedenheit ist bei den endoskopierten Patient:innen jedoch höher [48 ].
Ösophagogastroduodenoskopie
Nach der Rom-IV-Definition ist eine Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) mit HP-Testung
zur Diagnose der FD bei Patient:innen älter 45–60 Jahre oder jüngeren Patient:innen
mit Alarmsymptomen (Gewichtsverlust, rezidivierendes Erbrechen, kurze Anamnese bei
älteren Patient:innen, Fieber, familiäre Ösophagus-/Magenkarzinombelastung, Blutung,
Dysphagie, Odynophagie, Bauchresistenz) vorgeschrieben [34 ]. Allerdings ist hierbei die Wahrscheinlichkeit, eine erklärende Ursache für die
dyspeptischen Beschwerden zu finden, mit 8 % Ulcera, 20 % Ösophagitiden und weniger
als 1 % Malignomen sehr gering, sodass nach Metaanalysen 70 % der Patient:innen nach
der ÖGD weiterhin als FD eingeordnet werden. Bei jüngeren Patient:innen ohne Alarmsymptome
muss keine ÖGD durchgeführt werden, und es kann eine probatorische Therapie mit PPI,
Prokinetika bzw. eine HP-Eradikation („test and treat“) erfolgen.
Bei der diagnostischen Abklärung werden häufig Befunde erhoben, die endoskopisch und
schließlich auch histologisch einer Gastritis zugeordnet werden. Häufig wird den Betroffenen
auf der Basis des endoskopischen und histologischen Befundes die Diagnose „Gastritis“
an die Hand gegeben, gleichwohl tatsächlich eine FD vorliegt. Der Begriff der „Gastritis“
als klinische Diagnose sollte daher zugunsten der Diagnose FD vermieden werden, insbesondere
da der endoskopische und histologische Befund der Gastritis nicht mit der Symptomatik
der Patient:innen korrelieren [49 ].
Eine Metaanalyse von sieben populationsbasierten endoskopischen Untersuchungen zur
Ausbeute der oberen Endoskopie bei Patient:innen mit Dyspepsie ergab, dass die häufigsten
Befunde eine erosive Ösophagitis (14 %) und Magen- (2,5 %) bzw. Duodenalgeschwüre
(4,9 %) waren [50 ]. Die diagnostische Ausbeute der oberen Endoskopie nimmt mit zunehmendem Alter zu.
Malignome sind im Alter < 45 Jahre bzw. 50 Jahre ohne Vorliegen von Alarmsymptomen
eine Rarität [51 ]
[52 ]. Mehr als 70 % der endoskopisch untersuchten Patient:innen mit dyspeptischen Symptomen
qualifizieren sich für die Diagnose einer FD [1 ]. Wichtig: Eine FD liegt auch bei histologischem Nachweis einer Typ C-Gastritis vor,
unabhängig von ihrer Schwere [34 ].
HP-Eradikation
Alle Patient:innen mit Nachweis einer HP-Infektion sollten eradiziert werden, da die
HP-Infektion einen Risikofaktor für die Entwicklung eines Magenkarzinoms darstellt
[53 ]. Die Prävalenz der HP-assoziierten Dyspepsie ist aber gering und findet sich nur
bei etwa 10 % der HP-positiven Patient:innen mit Dyspepsie. Eine Metaanalyse zeigte
eine number needed to treat (NNT) von 12,5, um einen Patienten mit Dyspepsie erfolgreich
zu behandeln [1 ].
Eine Meta-Analyse aus sechs Studien (2399 Patient:innen mit Dyspepsie) zum Vergleich
HP-Test und-Behandlung mit prompter Endoskopie ergab keinen Unterschied in Bezug auf
die globalen Dyspepsie-Symptome [47 ]. Nach einem Jahr hatten noch 74 vs. 77 % der Patient:innen weiterhin Symptome. Die Patient:innenzufriedenheit ist bei
frühzeitiger Endoskopie höher als bei „test and treat“ [48 ].
Bestimmung der Magenentleerungszeit
Die Prävalenz einer verzögerten Magenentleerung bei der FD liegt im Bereich von 30 %.
Hierbei korreliert die Magenentleerungszeit allerdings nicht mit der Symptomatik und
dem Therapieansprechen. Daher wird die Bestimmung der Magenentleerungszeit, ohne klinischen
Verdacht auf eine Gastroparese, nicht empfohlen [1 ].
24h-pH-Metrie-Impedanzmessung im Ösophagus
Ein erhöhter gastroösophagealer Reflux findet sich in 20 % bis 30 % bei Patient:innen
mit Dyspepsie ohne Sodbrennen als Hauptbeschwerde und in bis zu 50 % bei Patient:innen
mit epigastrischem Brennen. Obwohl eine kleine Gruppe von Patient:innen mit FD auf
eine säurehemmende Therapie anspricht, zeigen die Studien nicht stringent, dass die
Ösophagus-pH-Metrie oder die Ösophagus-Impedanz-pH-Metrie im FD-Patientenkollektiv
diese Subgruppe identifizieren kann [1 ].
Dünndarmdiagnostik
Neuere Untersuchungen zeigen, dass bei Patient:innen mit FD auch Veränderungen in
der Duodenalwand mit vermehrten Mastzellen bzw. eosinophilen Granulozyten gefunden
werden. Auch scheint die Mukosabarriere (Permeabilitätsstörung; sog. Leaky Gut) gestört
zu sein. In diesem Zusammenhang wurde ein Paradigmenwechsel in der Pathophysiologie
der FD postuliert [54 ], obschon diese Befunde bisher nicht als diagnostischer Marker für die FD empfohlen
sind.
Endoskopische Laserendomikroskopie
Die endoskopische konfokale Laserendomikroskopie ist im Rahmen von klinischen Studien
mit Einschränkungen geeignet, Hinweise auf die Dünndarmintegrität (erhöhte Durchlässigkeit/Leaky
Gut) und immunologische Nahrungsreaktionen der Duodenalschleimhaut nachzuweisen. Dies
konnte für das Reizdarmsyndrom und die FD nachgewiesen werden [55 ]
[56 ]
[57 ]. Es gibt in Zusammenhang mit der endoskopischen Laserendomikroskopie aber zurzeit
kein standardisiertes Vorgehen, sodass diese Untersuchung nicht in der klinischen
Diagnostik empfohlen werden kann.
Trinktest („Nutrient drinking test“)
In Studien konnte eine verminderte Volumentoleranz bei einigen Patient:innen mit FD
nachgewiesen werden. Dies kann durch den schnellen Trinktest für flüssige Nahrung
oder Wasser, der mit der klinischen Symptomatik und Symptomenschwere korreliert, nachgewiesen
werden. Es gibt allerdings bisher kein standardisiertes Untersuchungsprotoll, sodass
der Test nicht in der klinischen Routine empfohlen werden kann.
Differenzialdiagnosen
Tab. 1
Relevante Differenzialdiagnosen der FD [58 ]
[59 ]
[60 ].
Erkrankung
Kommentar
Gastroparese
Überlappung bis 50 %, Hauptsymptom Erbrechen
Reizdarmsyndrom
Überlappung bis 60 %, Bauchschmerzen assoziiert mit Stuhlgangveränderungen
Gastroösophageale Ulkuskrankheit
Findet sich in etwa 8 %
Gastroösophageale Refluxkrankheit
FD kann in bis zu 50 % mit Sodbrennen assoziiert sein
Medikamentennebenwirkung (z. B. nichtsteroidale Antirheumatika)
Ausführliche Medikamentenanamnese, Absetzversuch
Magenkarzinom
Geringer als 1 %
Tab. 2
Leitsymptome und Begleitsymptome der FD [34 ]
[61 ].
Leitsymptome
Begleitsymptome
Magenschmerzen
Magenbrennen
postprandiales Völlegefühl
frühzeitiges Sättigungsgefühl
Aufstoßen
Übelkeit
Blähungen
Sodbrennen (nicht im Vordergrund stehend)
Tab. 3
Rom-IV-Diagnosekriterien der funktionellen Dyspepsie (modifiziert nach [34 ]).
Einer oder mehrere der folgenden:
Belästigende[* ] Magenschmerzen.
Belästigendes[* ] Magenbrennen.
Belästigendes[* ] postprandiales Völlegefühl.
Belästigendes[* ] frühzeitiges Sättigungsgefühl.
Symptombeginn mindestens sechs Monate vor der Diagnose.
Die Symptome sollten innerhalb der letzten 3 Monate aktiv gewesen sein.
Keine Hinweise auf eine strukturelle Erkrankung (inklusive Gastroskopie), die die
Symptome erklären könnte.
Epigastrisches Schmerz-Syndrom (EPS)
an mindestens 1 Tag pro Woche plus eines oder beide der folgenden Symptome:
Belästigende[* ] Magenschmerzen.
Belästigendes[* ] Magenbrennen.
Postprandiales Dyspepsie-Syndrom (PDS)
an mindestens 3 Tagen pro Woche plus eines oder beide der folgenden Symptome:
Belästigendes[* ] postprandiales Völlegefühl.
Belästigendes[* ] frühzeitiges Sättigungsgefühl (d. h. stark genug, dass eine normalvolumige Mahlzeit
nicht gegessen werden kann).
Unterstützende Kriterien:
Schmerzen können durch die Einnahme einer Mahlzeit hervorgerufen, oder gelindert werden
oder während des Fastens auftreten.
Postprandiale epigastrische Blähungen, Aufstoßen und Übelkeit können ebenfalls vorhanden
sein.
Der Schmerz erfüllt nicht die Kriterien für biliäre Schmerzen.
Unterstützende Kriterien:
Postprandiale epigastrische Schmerzen oder Brennen, epigastrische Blähungen, übermäßiges
Aufstoßen und Übelkeit können vorhanden sein.
Anhaltendes Erbrechen deutet wahrscheinlich auf eine andere Störung hin.
Sodbrennen ist kein dyspeptisches Symptom, kann aber oft parallel bestehen.
Stuhlgangsveränderungen sind nicht Teil des Dyspepsie-Syndroms.
Andere Verdauungssymptome (wie gastroösophageale Refluxkrankheit und Reizdarmsyndrom)
können mit FD koexistieren.
* belästigend: Symptome, die schwerwiegend genug sind, um die täglichen Aktivitäten
zu beeinträchtigen.
Merke
3.1.
Die Diagnosestellung der FD basiert auf dem typischen Beschwerdebild und dem Ausschluss
von anderen organischen Erkrankungen des oberen Magen-Darm-Traktes, die mit ähnlichen
Beschwerden einhergehen können, und folgt dabei einem klaren Algorithmus.
3.2.
Neben der Anamnese sind Basislabor, Ösophagogastroduodenoskopie und Helicobacter pylori-Testung
diagnostische Maßnahmen der Wahl.
3.3.
Bestimmung der Magenentleerungszeit und 24h-pH-Metrie-Impedanzmessung im Ösophagus
sind bei FD keine Routinediagnostik, können aber zum Ausschluss einer Gastroparese
oder gastroösophagealen Refluxerkrankung ergänzend hilfreich sein.
3.4.
Bei starkem Gewichtsverlust und sehr restriktivem Essverhalten sollte eine Essstörung
ausgeschlossen werden.
4. Diagnostischer Algorithmus
4. Diagnostischer Algorithmus
Erläuterungen zu [Abb. 1 ]
Abb. 1 Algorithmus zur Diagnosestellung der funktionellen Dyspepsie. [rerif]
(1) Alarm-Symptome
Lebensalter > 55 ± 5 Jahre; positive Familienanamnese für Magenkarzinom; Gewichtsabnahme;
Anämie, Thrombozytose, Erbrechen, Dysphagie, obere gastrointestinale Blutung, Fieber,
tastbare abdominelle Resistenz. Der positive prädiktive Wert (PPV) von Alarm-Symptomen
ist niedrig (0–11 %), im Mittel 1,1 % (unter Ausschluss von Studien mit 0 %) [62 ]. Allerdings liegt der negativ prädiktive Wert bei > 99 %. Bezüglich einzelner Alarm-Symptome
ist der PPV für eine Gewichtsabnahme höher als für Dysphagie (Sensitivität und Spezifität
für Ösophagus-Karzinome bzw. Adenokarzinome des ösophagogastralen Übergangs, Magenkarzinome)
und am geringsten für das Vorliegen einer Anämie.
(2) Therapierefraktäre FD
Auch wenn Beschwerdebesserung bis zu 6–12 Monate verzögert einsetzen kann [1 ]
[47 ], sollte frühzeitig (fehlende Besserung nach 4 Wochen) nach erfolgloser HP-Eradikation
eine Endoskopie erfolgen [47 ].
Tab. 4
Erweiterte neurogastroenterologische Differenzialdiagnostik bei therapierefraktärer
FD.
Vorherrschende Symptome
Weiterführende Untersuchung
Assoziierte Refluxsymptome
24h-pH-Metrie, 24h-pH-Impedanzmessung, ggf. + Ösophagusmanometrie zum Ausschluss non-erosive
Refluxerkrankung
Vor allem bei Oberbauch-Blähungen
H2-Atemtests zum Ausschluss von Kohlenhydratunverträglichkeiten und bakterieller Fehlbesiedlung
Bei starken Beschwerden, die auf Gastroparese hindeuten können
Magenentleerungsszintigraphie, 13 C-Atemtests (13 C-Oktansäure, 13 C-Acetat)
Bei starken Beschwerden, die auf eine Störung der gastralen Sensitivität und Akkommodation
hindeuten
Barostat, Trinktest (Wasser, flüssige Testmahlzeit)
Bei starken Beschwerden, die auf eine generalisierte gastrointestinale Motilitätsstörung
deuten
Erweiterte Motilitätsdiagnostik (Ösophagusmanometrie, antroduodenale Manometrie, Dünndarmmanometrie)
Bei Hinweisen auf Systemerkrankung
Erweiterte Labordiagnostik
Bei sehr restriktivem Essverhalten
Essstörung erwägen. Fragebögen wie der SCOFF-Screeningfragebogen mit fünf Fragen können
dabei helfen, diese zu erkennen.
5. Allgemeinmaßnahmen
Die Behandlung der FD stellt aufgrund ihrer unklaren Ursachen eine Herausforderung
dar. Angesichts ihrer grundsätzlichen „Gutartigkeit“ und des Fehlens effektiver Therapien
basiert der therapeutische Ansatz auf interdisziplinärer Zusammenarbeit und pharmakologischen
Maßnahmen. Vor Beginn einer Therapie ist eine sorgfältige Diagnose erforderlich, die
auch eine umfassende Aufklärung der Patient:innen einschließt, um ein gutes Vertrauensverhältnis
zu schaffen.
Bei Patient:innen mit dyspeptischen Beschwerden ist es wichtig, vor diagnostischen
und therapeutischen Maßnahmen die Gründe für ihre Konsultation zu besprechen. Während
einige Betroffene eine Behandlung suchen, weil ihre Lebensqualität durch die Symptome
erheblich eingeschränkt ist, machen sich andere Sorgen, dass die Beschwerden auf eine
lebensbedrohliche Erkrankung hinweisen könnten.
Es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass Lebensstil- und Ernährungsumstellungen
bei FD wirksam sind, obwohl es hierzu keine prospektiven Studien gibt. Fettreiche
Mahlzeiten verursachen stärkere Übelkeit und Schmerzen im Vergleich zu kohlenhydratreichen
Mahlzeiten. Auch der Verzicht auf Rauchen oder eine Raucherentwöhnung als Lebensstilmodifikation
könnte hilfreich sein [63 ]
[64 ].
Nach den aktuellen Rom-IV-Kriterien wird die FD nach den Leitsymptomen in zwei Untergruppen
gegliedert, Patient:innen mit EPS, also vorwiegend Oberbauchschmerzen oder -brennen
und Patient:innen mit einem PDS, bei denen Völlegefühl und eine vorzeitige Sättigung
als führendes Symptom bestehen.
Die Behandlungsstrategien für diese Patient:innengruppen unterscheiden sich nicht
wesentlich, und die Therapieziele sollten im Gespräch mit den Betroffenen festgelegt
und vereinbart werden. Es ist wichtig, realistische Erwartungen hinsichtlich der Behandlungsergebnisse
zu vermitteln und klarzustellen, dass es unwahrscheinlich ist, dass eine bestimmte
Behandlung kurzfristig und dauerhaft die Symptome vollständig beseitigt.
Stattdessen liegt das Ziel darin, gemeinsam mit den Betroffenen Strategien zu entwickeln,
um die Symptome ausreichend zu kontrollieren. Dabei sollten sowohl Lifestyle-Interventionen,
die Faktoren wie Ernährungsgewohnheiten, Stress und Schichtarbeit berücksichtigen,
als auch diätetische Maßnahmen, die darauf abzielen, symptomverursachende Lebensmittel
(z. B. alkoholische Getränke, glutenhaltige Nahrungsmittel) zu vermeiden, in Betracht
gezogen werden.
Patient:innen mit FD haben im Vergleich zu gesunden Personen einen signifikant schlechteren
physischen Trainingszustand [65 ]. Gleichzeitig deuten erste Daten daraufhin, dass moderates Training bei Patient:innen
mit FD wirksam ist [66 ]. Daher kann im Rahmen allgemeiner Maßnahmen auch regelmäßiges kardiovaskuläres Training
empfohlen werden. Dieses Training sollte an die individuellen Fähigkeiten angepasst
werden, jedoch fehlen derzeit Daten, um die optimale Dauer und Intensität zu bestimmen.
Alle diese allgemeinen Maßnahmen sollten in Betracht gezogen werden. Die medikamentöse
Behandlung richtet sich hauptsächlich nach der primären Symptomatik und deren Schwere.
Merke
5.1.
Ein empathischer Umgang und das detaillierte Besprechen der diagnostischen und therapeutischen
Maßnahmen sind wichtig.
5.2.
Eine Beratung zu einem geeigneten Lebensstil, der eigenverantwortlich umgesetzt werden
sollte, leitet weitere therapeutische Maßnahmen ein.
6. Psychoedukation und Psychotherapie bei Patient:innen mit funktioneller Dyspepsie
6. Psychoedukation und Psychotherapie bei Patient:innen mit funktioneller Dyspepsie
Gemäß des biopsychosozialen Verursachungsmodells sind an der Pathogenese der FD sowohl
biologische als auch psychische und soziale Faktoren beteiligt, welche in individueller
Kombination an der Krankheitsentstehung und -aufrechterhaltung beteiligt sein können
[35 ]. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass psychische und soziale Faktoren
auch in der Therapie eine Rolle spielen sollten [67 ]. Ein wichtiger Grundstein der Behandlung ist eine gelingende Kommunikation zwischen
ärztlichem Personal und Betroffenen sowie eine tragfähige Beziehung zwischen beiden
Gruppen [68 ]. Hierbei sollten frühzeitig eine Diagnoseübermittlung (als Verdachtsdiagnose) stattfinden
sowie dann pathogenetisch relevante Faktoren eruiert und benannt sowie in ein biopsychosoziales
Gesamtkonstrukt eingefügt werden [67 ]. Nicht zuletzt ist die Informationsvermittlung über die Erkrankung, den Verlauf
sowie Therapiemöglichkeiten im Sinne der Psychoedukation von großer Bedeutung, auch
wenn dieser Faktor isoliert in Studien schwer abbildbar ist. Eine aktuelle Studie
an über 500 Ärztinnen und Ärzten, welche über 5300 Arzt-Patienten-Gespräche mit einbezog,
ergab, dass Betroffene mit funktionellen gastrointestinalen Störungen häufiger (55,4 %)
Nahrungsmittel oder anderer somatische Ursachen (43,6 %) als beschwerdeverursachend
annahmen, während die Ärztinnen und Ärzte in 65,4 % psychosoziale Stressoren als Ursache
vermuteten [68 ]. Diese wurden dann in einem entsprechenden Gespräch in 70,8 % aufgegriffen, in etwa
10 % der Fälle erfolgte die Empfehlung einer Psychotherapie [68 ].
Ein systematischer Review inklusive Metaanalyse aus dem Jahr 2021 stellte die aktuelle
Datenlage zum Einsatz von Psychotherapie bei Patient:innen mit FD zusammen und schloss
hierbei neun randomisiert kontrollierte Studien ein. Auch wenn diese Studien eher
klein, monozentrisch und aufgrund der eingesetzten psychotherapeutischen Techniken
heterogen waren, konnte doch über die Studien hinweg eine Verbesserung der globalen
Symptome (Standardisierte Mittelwertdifferenz –1,33, 95 % Konfidenzintervall –1,97
bis –0,68) der FD durch Psychotherapie gezeigt werden [69 ]. Eine aktuelle Metaanalyse konnte zudem noch positive Effekte auf die Lebensqualität
sowie das Angsterleben von Patient:innen mit FD zeigen [70 ].
Auswahl der psychotherapeutischen Verfahren
Traditionell und so auch bei der FD existieren die meisten Daten zur kognitiven Verhaltenstherapie,
die Techniken wie kognitive Umstrukturierung, Krankheitsbewältigung und Ressourcenaktivierung
nutzt. Hierbei zeigte sich, dass kognitive Verhaltenstherapie zu einer Verbesserung
der Symptomschwere [71 ]
[72 ]
[73 ]
[74 ]
[75 ]
[76 ], der Schmerzintensität [74 ] und der empfundenen krankheitsbezogenen Auswirkungen [77 ] führt. Diese positiven Effekte konnten kürzlich auch in einem systematischen Review
mit sieben eingeschlossenen Studien bestätigt werden [78 ].
Aber auch die psychodynamische Psychotherapie, welche sich mit intrapsychischen Konflikten
und daraus resultierenden interpersonellen Schwierigkeiten beschäftigt, konnte positive
Effekte auf Symptome der FD zeigen [79 ]
[80 ]
[81 ].
Nicht zuletzt konnten auch für die Hypnotherapie, in welcher entspannte und angenehme
Zustände suggeriert werden, positive Effekte im Sinne einer Symptomlinderung [82 ] sowie Verbesserung der Lebensqualität bei Patient:innen mit FD gezeigt werden [83 ]. Diese Intervention kann auch ressourcensparend mittels audiogestützter Selbstanwendung
angeboten werden, wie kürzlich in einer Pilotstudie gezeigt [84 ]. Hierbei waren positive Effekte auf die Symptome, Lebensqualität, Angst- und Stresserleben
zu beobachten [84 ]. Diese Ergebnisse sollten in einer größeren kontrollierten Studie nachvollzogen
werden.
Hypnose ist beim Reizdarmsyndrom eine evidenzbasierte Therapieoption, während die
Hypnose bei FD nicht etabliert und weniger untersucht ist. Calvert et al. randomisierten
126 FD-Patient:innen für 16 Wochen zu Hypnose, unterstützender Therapie plus Plazebomedikation
oder medikamentöse Behandlung mit Ranitidin 300 mg/Tag. Veränderungen der Symptome
wurden sowohl kurzfristig (16 Wochen) als auch langfristig (56 Wochen) erfasst [83 ]. Die Lebensqualität wurde ebenfalls als sekundärer Endpunkt gemessen. Die Hypnose
wurde durch Augenfixierung induziert, gefolgt von progressiver Muskelentspannung und
vertieft durch standardisierte Verfahren. Bei der Kurzzeit-Nachbeobachtung war die
Hypnotherapie sowohl in der Symptombesserung als auch in den Lebensqualitätswerten
signifikant effektiver als die unterstützende die medikamentöse Behandlung, dieser
Effekt setzte sich bei der Langzeit-Nachbeobachtung über 56 Wochen fort. Darüber hinaus
wurden die Konsultationen beim Hausarzt aufgrund von Dyspepsie-Symptomen deutlich
reduziert. Die Autor:innen kamen zu dem Schluss, dass Hypnotherapie eine wirksame
und kostengünstige Behandlung für FD ist.
In einer weiteren Studie untersuchten Chiarioni et al. die Magenentleerung per Ultraschall und epigastrische Symptome bei 11 Gesunden und
15 Patient:innen mit FD unter drei Bedingungen: (a) basal, (b) nach Cisaprid 10 mg
und (c) während 90 Minuten einer darmorientierten hypnotischen Therapie. Die Hypnose
war signifikant wirksamer als Cisaprid und entspannende Musik bei der Verkürzung der
Magenentleerungsdauer sowohl bei Patient:innen mit FD als auch bei gesunden Proband:innen
(p < 0,005) [85 ]. Die dyspeptischen Symptome wurden bei Patient:innen mit FD ebenfalls signifikant
durch Hypnose verbessert, gleichwohl keine Korrelation mit der Magenentleerungszeit
festgestellt werden konnte. Eine einzige Sitzung von Hypnose war ebenso wirksam wie
eine prokinetische Behandlung bei FD, der Mechanismus, welcher der Symptomverbesserung
zugrunde liegt, bleibt jedoch unklar [86 ].
Merke
6.1.
Die Pathogenese der FD ist multifaktoriell und kann am ehesten über das biopsychosoziale
Modell erklärt werden.
6.2.
Psychoedukation spielt zu Beginn der Therapie der FD eine Rolle, ist aber als isolierte
Intervention nicht in Studien untersucht worden.
6.3.
Vor der Behandlung sollten die Ziele mit den Betroffenen besprochen werden. Reduktion
von Symptomen und Verbesserung der Lebensqualität sind wichtige Ziele.
6.4.
Für Psychotherapie bei der FD gibt es, wie in mehreren Metaanalysen gezeigt, günstige
Daten, allerdings ist die Heterogenität der Studien zu beachten.
6.5.
Hypnotherapeutische Verfahren, auch in Selbstanwendung können eingesetzt werden, die
Studienlage hierzu ist heterogen.
7. Medikamentöse Therapie
7. Medikamentöse Therapie
Da die Pathophysiologie der FD multifaktoriell ist und die zugrundeliegenden symptomverursachenden
Störungen heterogen sind, zeigen viele medikamentöse Therapieversuche nur bei Untergruppen
von Betroffenen eine gute Wirksamkeit. Somit sind die Gesamtergebnisse in klinischen
Studien oft nicht überzeugend und die Evidenzlage der meisten Therapien lediglich
schwach. Generell ist die Wirksamkeit aller Therapien individuell sehr unterschiedlich
und schwer vorhersagbar. Somit ist jede Therapie immer probatorisch und sollte bei
fehlender Wirksamkeit nach spätestens drei Monaten abgesetzt werden.
Medikamentöse Therapieoptionen
Helicobacter-Eradikation bei HP-positiven Patient:innen
Eine Reihe von Studien konnte belegen, dass die HP-Eradikation bei HP-positiven Patient:innen
im Mittel einen moderaten Effekt auf die Symptomatik haben kann (effektiv in ca. 10–15 %)
[87 ], bei manchen Patient:innen sogar zu einem kompletten Ausheilen der FD Symptomatik
führen kann [88 ]. Dieses Ausheilen kann bis zu einem Jahr nach der HP-Eradikation dauern.
Phytotherapie
Die Phytotherapeutika STW-5/STW-5-II als auch Pfefferminzöl in Kombination mit Kümmelöl
können die Symptome bei FD abmildern. Die Studienlage aus dem deutschsprachigen Raum
hierzu ist breit. In Anbetracht der Wirksamkeit und weniger weiterer Therapieoptionen
sind Phytotherapeutika in der Indikation FD als First-Line-Therapien anzusehen. Zu
weiteren pflanzlichen Therapien liegt nur geringe Evidenz vor, diese können, bei zum
Krankheitsbild passenden Wirkmechanismen, nachrangig eingesetzt werden.
STW-5/STW-5-II
Metaanalysen[89 ]
[90 ]
[91 ]
[92 ]
[93 ]
[94 ]
[95 ], die die Daten von verschiedenen kleinen RCTs analysiert haben, zeigten, dass die
Kombination aus Iberis Amara, Pfefferminze, Kamille, Kümmel, Melisse, Süßholz, Angelikawurzel,
Mariendistel, Schöllkraut ( = STW-5) bei der Behandlung von FD-Symptomen Plazebo überlegen
war. Es zeigten sich keine schwerwiegenden Nebenwirkungen. Eine aktuelle Metaanalyse
[96 ]
[97 ]
[98 ] zeigte für STW-5-II (Iberis Amara, Kamille, Kümmel, Melisse, Pfefferminze, Süßholz)
eine allgemeine Verbesserung der Symptome von Patient:innen mit FD und zusätzlich
signifikante Verbesserungen des Völlegefühls, frühen Sättigungsgefühls und der Oberbauchschmerzen
im Vergleich zu Plazebo nach vier und acht Wochen. Auch Beschwerden wie abdominelle
Krämpfe, Aufstoßen, Appetitverlust und retrosternale Beschwerden waren deutlich gelindert.
Pfefferminzöl/Kümmelöl
Zwei Reviews/Metaanalysen [99 ]
[100 ] zu fünf klinischen Studien zu Pfefferminzöl in Kombination mit Kümmelöl (5 RCTs
[101 ]
[102 ]
[103 ]
[104 ]
[105 ]
[106 ]) zeigen, dass die Kombination die globalen Symptome von FD (Schmerzintensität, Clinical
Global Impression Scale) mittel- und langfristig signifikant verbessern kann und dies
mit einer ähnlichen Sicherheit wie Plazebo.
Säuresuppression
Protonenpumpeninhibitoren (PPI), z. B. Omeprazol, Pantoprazol, Esomeprazol, Lansoprazol,
Rabeprazol [107 ]
H2-Rezeptor-Antagonisten: z. B. Famotidin, Cimetidin, Ranitidin [108 ]
Ggf. Alginate, Antazida (keine direkte Studienevidenz für diese Substanzen, aber da
das Konzept der Säuresuppression bei vielen Patient:innen wirkt, können sie angesichts
der guten Verträglichkeit als alternative oder ergänzende Therapieoption erwogen werden).
Die Effekte von PPI wurden in einer Reihe von kontrollierten Studien und daraus resultierenden
Metaanalysen untersucht [107 ]. In 25 randomisierten Studien mit mehr als 8000 Patient:innen mit FD waren PPI bei
der Linderung der globalen Dyspepsie-Symptome minimal wirksamer als Plazebo, dann
wenn säureassoziierte Symptome wie Sodbrennen oder Regurgitation zu den führenden
Symptomen zählen. Ohne säureassoziierte Symptome ist eine PPI-Therapie der Metaanalyse
und den einzelnen Studien folgend nicht zielführend. Der Unterschied zu H2-Rezeptor-Antagonisten
war nicht signifikant.
Ein Cochrane Review zur Therapie der FD mit H2-Rezeptor-Antagonisten konnte bei Patient:innen
mit FD nach Rom-III Kriterien keine Wirksamkeit feststellen [109 ].
Kleine Studien. die heutigen Qualitätsansprüchen nicht genügen, zeigen für Antazida
(Sucralfat) eine der Plazebo-Behandlung überlegene Wirksamkeit [110 ]. Für Alginate in Kombination mit Ranitidin konnte gezeigt werden, dass FD-Beschwerden
vom EPS-Typ gelindert werden, die Studie fand für die PPI Behandlung eine bessere
Beschwerdekontrolle (40 % vs. 61 %) [111 ].
Bei Patient:innen mit FD, die auf eine PPI-Therapie ansprechen, sollte die mutmaßliche
Refluxgenese der Beschwerden erläutert und versucht werden, die PPIs nach einigen
Wochen langsam auszuschleichen, um nachteilige Einflüsse einer PPI-Therapie sowie
einen Säurerebound zu vermeiden [112 ]. In Deutschland besteht für PPI keine Zulassung in der Indikation FD, sodass ein
Einsatz off label wäre.
Gastroprokinetika: Metoclopramid, Domperidon
Zwei Meta-Analysen belegen die Wirksamkeit von Prokinetika bei FD [113 ]
[114 ]. Einige der untersuchten Substanzen sind nicht in Deutschland zugelassen (s. u.).
Die Datenlage für die alten Substanzen Metoclopramid und Domperidon ist von niedriger
Qualität, aber im klinischen Alltag hat sich der Einsatz zumindest als Kurzzeitanwendung
bewährt [115 ]
[116 ]
[117 ]. In Deutschland sind die genannten Prokinetika in der Indikation FD nicht zugelassen,
in weiteren Indikationen nicht (mehr) als Dauertherapie zugelassen. QT-Zeit-Verlängerung
mit der Gefahr von Rhythmusstörungen bis hin zur Torsade de pointes Tachykardie und
neurologische Nebenwirkungen sind möglich, eine Tachyphylaxie ist bekannt.
Simethicon
Das Carminativum Simethicon reduziert die Oberflächenspannung von Gasbläschen. Simethicon
ist geeignet, Symptome der FD zu verbessern; eine Plazebo-kontrollierte Studie, die
185 Patient:innen mit FD einschloss, zeigte, dass Simethicon (3 × tgl.) der Plazebo-Einnahme
zu allen Evaluationszeitpunkten nach 2, 4, 8 Wochen, bezogen auf Linderung der FD
Symptome, überlegen war. Ein dritter Studienarm untersuchte die Wirksamkeit des Prokinetikums
Cisaprid. In Woche 2 war Simethicon auch der Wirksamkeit von Cisaprid überlegen, in
den Wochen 4 und 8 fand sich für Simethicon keine signifikant unterschiedliche Wirksamkeit
gegenüber Cisaprid [118 ].
Second Line-Therapien
Neuromodulatoren werden in der Therapie der FD aufgrund ihrer Wirksamkeit in Schmerzmodulation
und Reduktion der neuronalen Kommunikation in der Darm-Hirn-Achse eingesetzt. Unter
anderem aufgrund des erhöhten Nebenwirkungspotenzials (u. a. Sedierung, Mundtrockenheit)
sind die Substanzen eher als Second-Line-Therapie bei persistierenden, therapierefraktären
Beschwerden einzusetzen. Den Betroffenen das Wirkprinzip bei der FD zu erklären, ist
geeignet, den therapeutischen Erfolg zu erhöhen.
1. Trizyklische Antidepressiva
Trizyklische Antidepressiva (TCA, niedrig dosiert) werden schon lange co-analgetisch
zur Therapie von chronischen Schmerzen eingesetzt. Auch bei funktionellen gastrointestinalen
Beschwerden konnte eine Wirksamkeit von TCA wie Amitriptylin, Nortryptilin, Desipramin
belegt werden [119 ]
[120 ]. Zum Einsatz bei der FD werden niedrige Dosierungen von 10–50 mg gewählt, die Einnahme
erfolgt abends und wird je nach Ansprechen alle 7–14 Tage, in kleinen Schritten, bis
zur Maximaldosis gesteigert. Typische Nebenwirkungen sind Obstipation, Müdigkeit und
Mundtrockenheit, diese nehmen bei Dosissteigerung ab. Neben Amitriptylin werden in
der Therapie der FD auch die trizyklischen Antidepressiva Nortriptylin und Desipramin
eingesetzt. Die Effektivität kann nach 8–12 Wochen beurteilt werden. Über die langfristige
Dauer der Einnahme sind in der FD-Therapie keine Studien vorhanden, sodass ein Ausschleichen
nach Erreichen einer stabilen Remission für 6 Monate angeboten werden kann.
2. Mirtazapin
Dieses Antidepressivum aus der Gruppe der tetrazyklischen Antidepressiva ist für seine
Appetitanregung bekannt und kann daher besonders bei begleitender Inappetenz hilfreich
sein. Die Wirksamkeit konnte bei Patient:innen mit FD und Gewichtsverlust belegt werden
[121 ]. Zum Einsatz bei der FD werden Dosierungen von 7,5–45 mg gewählt, wobei in niedriger
Dosierung begonnen wird und je nach Ansprechen gesteigert werden kann. Die Einnahme
erfolgt abends. Typische Nebenwirkungen sind verstärkter Appetit mit Gewichtszunahme,
Müdigkeit, Kopfschmerzen und Mundtrockenheit.
3. Sulpirid
Sulpirid ist ein atypisches Neuroleptikum, das auch eine gastroprokinetische Wirkung
besitzt und Dyspepsie-Symptome lindern kann [120 ]
[122 ].
Weitere Second-Line-Therapeutika
Für weitere Substanzen aus der Gruppe der Prokinetika ist eine Wirksamkeit bei FD
in Studien belegt, diese sind aber aktuell nicht in Deutschland zugelassen [120 ]. Hierzu zählen Acotiamid (Fundus-relaxierende und prokinetische Wirkung), Itoprid
(prokinetische Wirkung), Mosaprid (prokinetische Wirkung) und Cinetaprid (prokinetische
Wirkung).
Nicht empfohlene medikamentöse Therapien
Analgetika wie nicht-steroidale Antirheumatika, Paracetamol, Cannabinoide oder Opioide
sollten nicht routinemäßig zur Behandlung der FD eingesetzt werden. Bei Freizeit-Gebrauch
von Cannabinoiden ist darauf hinzuweisen, dass Cannabinoide ein der Dyspepsie gleichendes
Krankheitsbild mit führend Übelkeit verursachen kann, in schwereren Fällen sogar Hyperemesis
oder zyklisches Erbrechen auslösen [123 ]
[124 ]
[125 ].
Merke
7.1.
Eine Symptombesserung durch medikamentöse Maßnahmen tritt oft erst nach 8 bis 12 Wochen
Behandlung ein. Es ist wichtig, die Patient:innen darauf hinzuweisen, dass Geduld
erforderlich ist. Ebenso sollten Medikamente ohne Wirkung konsequent wieder abgesetzt
werden.
7.2.
In der medikamentösen Therapie gibt es positive klinische Studien zu Prokinetika,
zur HP-Eradikation, zu Phytotherapeutika und sofern Sodbrennen und Regurgitation die
führenden Symptome sind zur Säuresuppression mit PPI und H2-Rezeptorantagonisten.
Wirksamkeit besteht dann gegenüber Säure-assoziierten Beschwerden wie Sodbrennen und
Regurgitationen.
7.3.
Die Phytotherapeutika STW-5/STW-5-II und Pfefferminzöl in Kombination mit Kümmelöl
sind als First-Line-Therapien anzusehen und können die Symptome bei FD abmildern und
bei Patient:innen mit FD erwogen werden.
7.4.
Die phytotherapeutische Rezeptur Rikkunshito aus der Kampomedizin und spezielle Rezepturen
aus der Traditionellen Chinesischen Kräutermedizin können die Symptome bei FD abmildern.
Chinesische Kräuter sind in einer gesicherten Qualität in Deutschland aktuell nicht
ausreichend verfügbar.
7.5.
PPI, H2-Rezeptorantagonisten und Prokinetika sind in der Indikation FD in Deutschland
nicht zugelassen, ein Einsatz wäre off-label.
7.6.
Eine HP-Eradikationstherapie sollte bei FD mit Helicobacter pylori Infektion erwogen
werden.
7.7.
Bei HP-Negativität sind PPI eine Option, wenn Säure-assoziierte Symptome im Vordergrund
stehen.
7.8.
Prokinetika wie Domperidon oder Metoclopramid können eingesetzt werden, vorausgesetzt,
es gibt keine Kontraindikationen. Prokinetika wie Metoclopramid und Domperidon sollen
in der Dauertherapie nicht eingesetzt werden. In Deutschland sind diese Wirkstoffe
in der Indikation FD nicht zugelassen.
7.9.
In der medikamentösen second line-Therapie gibt es positive klinische Studien zu verschiedenen
Neuromodulatoren wie Amitriptylin, Mirtazapin und Sulpirid.
7.10.
Amitriptylin kann für Patient:innen mit anhaltenden Symptomen in Betracht gezogen
werden. Die Behandlung bei FD beginnt mit einer niedrigen Dosis (z. B. 10 mg vor dem
Schlafengehen). Die Dosierung wird dann abhängig von der Wirkung und Verträglichkeit
langsam gesteigert bis maximal 50 mg. Ein zumindest 12-wöchiger Therapieversuch sollte
besprochen werden.
8. Nicht medikamentöse Behandlungsoptionen
8. Nicht medikamentöse Behandlungsoptionen
Mind-Body-Verfahren
Zu Stressmanagementtrainings, achtsamkeitsbasierter Therapie und diaphragmalem Atemtraining
liegen erste vielversprechende Studien zu positiven Effekten auf FD vor, deren Wirksamkeit
und Langzeiteffekte jedoch aktuell noch nicht abschließend beurteilt werden können
[46 ]
[126 ]
[127 ]
[128 ]
[129 ]
[130 ].
Traditionelle Medizinsysteme
1. Japanische Kräutermedizin (KAMPO)
Die phytotherapeutische Rezeptur Rikkunshito aus der Kampomedizin kann die Symptome
bei FD abmildern. Rikkunshito ist ein Phytotherapeutikum, das in Asien häufig bei
FD eingesetzt wird. Es gibt hochqualitative Evidenz, dass Rikkunshito funktionelle
Störungen des Gastrointestinaltrakts verbessern kann [131 ]. In der japanischen Leitlinie [132 ] zu FD findet sich eine starke Empfehlung für Rikkunshito, was von der tatsächlichen
Datenlage jedoch nicht ausreichend unterstützt wird.
2. Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)
Manuelle und Elektro-Akupunktur: Akupunktur wird traditionell in den östlichen Ländern
zur Behandlung von FD eingesetzt, obwohl der zugrunde liegende Mechanismus unklar
bleibt [133 ]
[134 ]. Ma et al. führten eine randomisierte kontrollierte Studie durch, um die Wirksamkeit von Akupunktur
bei FD im Vergleich zum Prokinetikum Itoprid zu untersuchen [135 ]. In der Studie wurden 712 Patient:innen mit FD für vier Wochen randomisiert entweder
zur Akupunktur, zur Scheinakupunktur und der Medikamentenkontrollgruppe (Itoprid)
zugeteilt. Die Gesamtansprechrate war in der Akupunkturgruppe (70,7 %) signifikant
höher als in den anderen Gruppen, wobei der geringste Effekt in der Gruppe der Scheinakupunktur
beobachtet wurde (34,8 %). Zeng et al. untersuchten kürzlich Hirnreaktionen auf Akupunktur
bei FD [136 ]. Sie wiesen nach, dass die Akupunkturgruppe eine umfassende Deaktivierung der Hirnaktivitäten
im Vergleich zur Scheinakupunkturgruppe zeigte. Diese Deaktivierung korrelierte auch
mit einer Symptomverbesserung, was auf die potenzielle Wirksamkeit von Akupunktur
an bestimmten Punkten bei FD hindeutet. Diese Effekte werden durch eine kürzlich durchgeführte
PET-CT-Studie weiter unterstützt [137 ].
Mehrere Metaanalysen [138 ]
[139 ]
[140 ], die zahlreiche RCTs von geringer Qualität identifizierten, zeigten, dass manuelle
und Elektro-Akupunktur bei der Behandlung von FD wirksam sein können. Dies zeigte
sich in einer Verbesserung der Symptome und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität.
Eine aktuelle Metaanalyse [141 ] zeigt, dass verschiedene Arten von Akupunktur in Kombination mit westlicher Medizin
deutlich effektiver zur Verbesserung der Symptomatik bei FD beitragen als westliche
Medizin allein. Es zeigte sich eine überlegene Wirksamkeit bei der Linderung der frühen
Sättigungs- und postprandialen Völlegefühlssymptome. Zur Linderung epigastrischer
Schmerzen erwies sich Akupunktur in Kombination mit Moxibustion als die wirksamste
Behandlung, während sich Moxibustion als optimale Wahl zur Behandlung von retrosternalem
Brennen herausstellte. Die Interpretation der Ergebnisse innerhalb der Metaanalysen
ist durch die generell niedrige Anzahl von eingeschlossenen Patient:innen, unterschiedlichen
Akupunktur-Anwendungsprotokollen, Selektionsbias, Performance Bias, Attrition Bias,
Reporting Bias und Problemen bei der Verblindung erschwert.
Wenige Studien, die in westlichen Ländern durchgeführt wurden, kamen zu keinen positiven
Ergebnisdaten, sodass auch ein Cochrane Review zu dem Schluss kommt, dass nicht gesichert
ist, ob manuelle Akupunktur oder Elektroakupunktur bei Patient:innen mit FD wirksamer
oder sicherer sind als andere Behandlungen [139 ]
[142 ].
Traditionelle chinesische Kräutermedizin
Ein Umbrella Review[143 ] zu systematischen Reviews hinsichtlich der Wirksamkeit von TCM bei FD identifizierte
zahlreiche RCTs mit geringer Qualität und geringer Anzahl von Patient:innen, die zeigen,
dass verschiedene Präparate der TCM alleine oder in Kombination mit verschiedenen
prokinetischen Medikamenten möglicherweise wirksam und gegenüber prokinetischer Medikation
alleine überlegen sein können. Drei spezifische Formeln schienen bessere Ergebnisse
bei der Linderung globaler dyspeptischer Symptome zu zeigen: Si Ni San, modifizierte
Xiao Yao San und Xiang Sha Liu Jun Zi Dekokt. TCM könnte als eine Behandlungsalternative
angesehen werden, wenn prokinetische Wirkstoffe und PPI kontraindiziert sind. In den
durchgeführten Studien [144 ] wurden keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse berichtet. Chinesische Kräuter
sind in einer ausreichenden Qualität in Deutschland aktuell nicht verfügbar.
Merke
8.1.
Zu Stressmanagementtrainings, achtsamkeitsbasierter Therapie und diaphragmalem Atemtraining
liegen vielversprechende Studien zu positiven Effekten auf FD vor, deren Wirksamkeit
jedoch aktuell noch nicht abschließend beurteilt werden kann.
8.2.
Manuelle- und Elektroakupunktur können bei der Behandlung von FD wirksam sein.
9. Ernährungsmodifikation
9. Ernährungsmodifikation
Obgleich 80 % der Patient:innen nach speziellen Nahrungstriggern typische Symptome
einer FD zeigen und die Rom-IV-Kriterien für ein PDS erfüllen [6 ]
[145 ]
[146 ]
[147 ] konnte ein systematisches Review aus 16 Studien keine Evidenz für einen Zusammenhang
zwischen Symptomen der FD und Nahrungsaufnahme herleiten [148 ]
[149 ]. Auch gibt es bisher keine randomisiert kontrollierten Studien zu diätetischen Interventionen
bei Patient:innen mit FD.
Auch bei Gesunden führt Nahrungsaufnahme zu charakteristischen gastrointestinalen
Effekten. Nahrungsaufnahme setzt Magensäure und Hormone frei, verändert die Magenakkommodation
und die gastroduodenale Motilität, aktiviert das mukosale Immunsystem, kann periphere
und zentrale Schmerzwahrnehmung sowie das Mikrobiom beeinflussen [148 ]
[150 ]
[151 ]. Diese Effekte scheinen bei der Genese FD-assoziierter Symptome eine Rolle zu spielen.
Nahrungsassoziierte Beschwerden beginnen zumeist 15–30 min nach dem Essen und können
mehrere Stunden anhalten. Sie treten charakteristischerweise nacheinander auf, zuerst
Völlegefühl und Aufgeblähtsein, danach Übelkeit, später epigastrische Schmerzen und
Brennen [145 ]. Als häufigste Symptomtrigger werden fettreiche Speisen, Alkohol, Kaffee, rotes
Fleisch, kohlensäurehaltige Getränke, scharfe und würzige Speisen, Zitrusfrüche sowie
Milchprodukte, Gemüse und Weizen genannt [35 ]. Für manche der genannten Triggerfaktoren gibt es diskrete Evidenz, die einen kausalen
Zusammenhang vermuten lässt. So stimulieren duodenale Lipidinfusionen physiologisch
die Cholecystokininfreisetzung, was zu einer verzögerten Magenentleerung führt. Bei
von FD Betroffenen erhöhte dies die viszerale Hypersensitivität [152 ]. Bei der Exazerbation funktioneller Beschwerden spielen vor allem langkettige Triglyceride
eine Rolle, welche Symptome wie Völlegefühl und Übelkeit stärker induzieren als mittelkettige
Triglyceride oder Glukose [153 ]. Irreguläres und schnelles Essen ist mit einer Zunahme dyspeptischer Beschwerden
assoziiert [154 ].
Die Studienlage zu Alkohol ist nicht konsistent. Bier und Wein sowie regelmäßiger
und steigender Alkoholkonsum sind eher mit Symptomen assoziiert, was schlussfolgern
lässt, dass sich ein Verzicht oder eine Alkoholreduktion positiv auf Symptome auswirken
könnten [155 ]
[156 ]
[157 ]
[158 ]. Koffein löst bei bis zu 50 % der Patient:innen Symptome aus [148 ]. Viele von FD Betroffene zeigen eine Hypersensitivität auf Capsaicin, einem Hauptbestandteil
scharfer Speisen, welche bei regelmäßigem Konsum rückläufig ist [159 ]
[160 ]. Milch, Getreide und Gemüse sind ein Hauptbestandteil der fermentierbaren Oligo-,
Di-, Monosaccharide und Polyole (FODMAPs).
Eine Laktoseintoleranz sollte bei anamnestischen Hinweisen ausgeschlossen werden.
Da es sich sowohl bei der Laktoseintoleranz als auch bei der Fruktosemalabsorption
um häufige Erscheinungen handelt, sollten diese untersucht werden. Es existieren keine
Studien oder allgemeine Empfehlungen, dass eine laktosefreie bzw. fruktosereduzierte
Ernährung, ohne den Nachweis einer gesicherten Intoleranz, Symptome der FD verbessern
kann.
Möglichst fünf Portionen saisonales Obst und Gemüse werden für eine ausgewogene Ernährung
empfohlen. Patient:innen mit Reizdarmsyndrom profitieren vom Verzehr gegarten Gemüses
anstelle von Rohkost. Ob dies bei FD ähnlich ist, ist nicht erwiesen. Jeder 2. von
FD Betroffene beklagt Symptome nach Weizenaufnahme [161 ]. Die Prävalenz von Zöliakie ist jedoch nicht höher als im gesunden Kollektiv [162 ]. Eine glutenfreie Diät (Open-Label-Studie mit n = 22) verbesserte zwar bei 80 %
der Patient:innen die Symptome, jedoch reagierten im Nachgang nur 25 % der Patient:innen
überhaupt mit Symptomen auf eine doppelblinde Glutenprovokation [163 ].
Auch das Gesamtkonzept einer low-FODMAP-Diät wurde bei FD evaluiert. Eine kleine Open-Label-Studie
konnte zeigen, dass die vierwöchige Elimination von FODMAP-reichen Lebensmitteln besser
Symptome lindert als traditionelle Ernährungsempfehlungen (Reduktion von Kaffee, Alkohol,
Fett, Ballaststoffen, Nahrungsergänzungsmitteln, (Responserate 50 % vs. 16 %) [164 ]. Eingeschlossen waren auch Patient:innen mit Reizdarmsyndrom bzw. dem Overlap beider
Erkrankungen. Langzeitdaten hierzu gibt es jedoch nicht. Follow-up Studien haben mittlerweile
keine signifikanten Effekte einer low-FODMAP-Diät auf FD-Symptome reproduzieren können,
weder kurz- noch langfristig [165 ]. Möglicherweise könnte sich ein besseres Ansprechen für Patient:innen mit EPS ergeben.
Insgesamt gibt es ausreichende Evidenz, dass eine low-FODMAP-Diät in der Behandlung
von FD nicht empfohlen werden kann.
Viele Betroffene werden versuchen, im Selbstversuch ihre Ernährung umzustellen, indem
sie häufigere, aber kleinere Mahlzeiten mit weniger Fett zu sich nehmen im Vergleich
zu Gesunden [166 ]. Sehr restriktive Diäten können dabei zu Mangelernährung und gestörtem Essverhalten
führen. Jedoch gibt es Hinweise darauf, dass bis zu 50 % der mit einer FD Diagnostizierten
auch eine zugrundeliegende vermeidend restriktive Essstörung (avoidant/restrictive
food intake disorder, ARFID) haben könnten [167 ]. Bei starkem Gewichtsverlust oder ausgeprägter Symptomlast bzw. therapierefraktärem
Verlauf wird eine Ernährungsberatung empfohlen.
Die multifaktorielle Genese der FD bedingt eine multimodale Therapie. Eine individuelle
Ernährungstherapie kann daher im Rahmen des multimodalen therapeutischen Konzepts
versucht werden [150 ].
Merke
9.1.
Die meisten Patient:innen assoziieren ihre Beschwerden mit Nahrungsaufnahme. Studien
belegen dies nicht. Häufige von Patient:innen zitierte auslösende Faktoren sind fettreiche
Speisen, Alkohol, Kaffee, Kohlensäure, Capsaicin, Gemüse, Zitrus, Kohlenhydrate und
Weizen.
9.2.
Häufige kleinere Mahlzeiten und der Verzicht auf fettreiche Speisen scheinen zu helfen.
Die low-FODMAP-Diät hat bei der FD keinen Stellenwert.
9.3.
Eine individualisierte Ernährungsberatung sollte in die multimodale Therapie integriert
werden.
10. Mikrobiomtherapie
Verschiedenste Faktoren wie Lebensstil, Ernährungsfaktoren, individuelle Hygiene und
Medikamenteneinnahme haben Einfluss auf die gastrointestinale Mikrobiota. Abgesehen
von postinfektiöser FD und HP-assoziierten dyspeptischen Beschwerden ist in Zusammenhang
mit der Pathophysiologie nur ein geringer Kenntnisstand zu FD und gastrointestinaler
Mikrobiota vorhanden.
Antibiotika
Die antimikrobielle Therapie gegen H. pylori wird bei Patient:innen mit FD empfohlen
und wurde zuvor schon diskutiert.
Eine darmselektive antimikrobielle Therapie mit Rifaximin ist bei FD wirksam, auch
wenn keine H.-pylori-Infektion vorliegt [168 ]. Eine Plazebo-kontrollierte Studie, bei der 86 Patient:innen nach Rom-III-Kriterien
eingeschlossen und radomisiert wurden, zeigte, dass 400 mg Rifaximin vs . Plazebo über 14 Tage den globalen Symptomscore nach 8 Wochen, nicht aber nach 4
Wochen, verbessern konnte. Die sekundären Endpunkte Aufstoßen und postprandiales Völlegefühl
waren gegenüber Plazebo nach 4 Wochen signifikant gebessert. Dies unterstützt die
Vorstellung, dass mikrobielle Faktoren zumindest bei einem Teil der Patient:innen
mit FD die Symptome verursachen [169 ]
[170 ]
[171 ], in Anbetracht der zeitlichen Latenz von Rifaximin-Einnahme und Wirksamkeit bleiben
weitere Studien abzuwarten.
Probiotika
Unter der Vorstellung, dass Mikrobiom-assoziierte Faktoren bei Pathophysiologie und
Therapie der FD eine Rolle haben könnten, wurden Therapiestudien mit Probiotika, probiotischen
Lebensmitteln und Postbiotika verschiedenster Art bei FD durchgeführt [172 ]
[173 ]. Vor dem Hintergrund, dass über den potenziellen Stellenwert der Mikrobiota bei
der FD wenig bekannt ist, ist die Einschätzung der Sinnhaftigkeit solcher Therapieansätze
limitiert. Therapiestudien zu Probiotika, probiotischen Lebensmitteln und Postbiotika
bei Patient:innen mit FD sind von geringer Proband:innenzahl und präliminärem Charakter,
belegen aber, dass mit einzelnen Mikrobenräparaten möglicherweise therapeutische Effekte
erzielbar sind [172 ]
[173 ]
[174 ]. Analog zur Bewertung von Probiotikatherapien in der Therapie von Symptomen des
Reizdarmsyndroms erscheint ein probatorischer, zeitlich befristeter Therapieversuch
mit Re-Evaluation nach 4 oder 6 Wochen denkbar. Eine Benennung von wirksamen Keimen
oder das Inaussichtstellen von Therapieerfolgen erscheint der aktuellen Studienlage
nicht angemessen.
Merke
10.1.
Zur Bewertung der Therapie der FD mit Antibiotika stehen, bis auf die HP-Eradikation
keine ausreichenden Informationen zur Verfügung.
10.2.
Zur Bewertung der Therapie der FD mit Probiotika stehen noch keine ausreichenden Informationen
zur Verfügung.
11. Weitere Therapieoptionen
11. Weitere Therapieoptionen
Bei fehlendem ursächlichem Therapieansatz der FD werden von Patient:innen aber auch
von Ärzt:innen nicht selten Therapien gewählt, für die es in der Literatur keine oder
nur eine überschaubare Evidenz gibt. Die Empfehlungen gerade aus ärztlicher Sicht
beruhen im Wesentlichen auf positiven Erfahrungen im klinischen Alltag. Im Folgenden
werden Therapien dargestellt, für die die Evidenz nicht ausreicht, eine positive Leitlinien-Empfehlung
auszusprechen, auch wenn einzelne Daten in der Literatur zur Verfügung stehen.
Der probatorische Einsatz von Enzymen wird in den Leitlinien zum Reizdarmsyndrom nicht
empfohlen. Für die Behandlung von Patient:innen mit FD mit Verdauungsenzymen liegen
ältere klinischen Daten vor, die in ihrer klinischen Wirkung der eingesetzten fixen
Kombination aus Magenschleimhautextrakt und Aminosäurenhydrochloriden dabei nicht
auf die Substitution, sondern auf die Unterstützung für die proteolytische Freisetzung
von Aminosäuren zielen. In einer randomisierten, plazebokontrollierten, doppelblinden
Cross-Over-Studie bei 1167 Patient:innen (1) konnte eine signifikante Wirksamkeit
bei der Reduktion der einzelnen dyspeptischen Symptome (p < 0,001) nachgewiesen werden
[175 ].
Capsaicin wird traditionell zur Behandlung verschiedener Schmerzsyndrome eingesetzt,
da es die Fähigkeit besitzt, selektiv die Wirkung von schmerzempfindlichen Fasern
zu beeinträchtigen. Rotes Pfefferpulver (Capsicum annuum) war in einer kleinen randomisierten
kontrollierten Studie (n = 30) wirksamer als Plazebo bei der Verbesserung von dyspeptischen
Symptomen [176 ]
[177 ]
[178 ]. Die Autor:innen spekulierten über eine potenzielle Wirkung auf die viszerale Magenschmerzwahrnehmung,
aber keine weiteren Studien haben bisher diese Daten replizieren können. Ingwer (Zingiber
officinale) wird traditionell ebenfalls zur Behandlung von dyspeptischen Beschwerden
eingesetzt.
Kürzlich wurde die Wirkung von Ingwer auf die sensorimotorische Funktion des Magens
bei 11 Patient:innen mit FD untersucht. In dieser kleinen offenen Studie zeigte Ingwer
prokinetische Effekte, hatte aber keinen Einfluss auf die Magenempfindung, dyspeptische
Symptome oder Darmpeptide/-hormone [179 ]
[180 ].
Artischocken (Cynara Scolymus)-Blattextrakte werden häufig zur Behandlung von dyspeptischen
Symptomen eingesetzt. Den bitteren Verbindungen (Cynaropicrin) wird zugesprochen,
den Gallefluss zu erhöhen und hepatoprotektive, antioxidative und krampflösende Effekte
zu haben [181 ]
[182 ]
[183 ]. In einer multizentrischen, doppelblinden randomisierten kontrollierten Studie wurden
247 Patient:innen mit FD entweder mit einem kommerziellen Artischockenblattextrakt
(ALE) oder Plazebo behandelt (21). Nach sechs Wochen war das ALE-Präparat in der Intention-To-Treat-Analyse
signifikant effektiver als Plazebo bei der Linderung von Symptomen (p < 0,001) und
der Verbesserung des Lebensqualitätsindex bei Patient:innen mit FD [184 ].
Weniger gut untersucht sind Therapieansätze wie eine Kombination aus Simethicon, Magnesiumoxid
und medizinischer Kohle, die in einer plazebokontrollierten Studie an 276 Patienten
Völlegefühl, epigastrisches Brennen und Schmerzen verbessern konnte [185 ].
Merke
11.1.
Bei nicht ausreichender Wirksamkeit von Therapieoptionen mit starker Evidenz können
Optionen mit geringer Evidenz eingesetzt werden. Beispiele sind Enzymtherapie und
weitere Phytotherapeutika wie Capsaicin, Ingwer- oder Artischockenextrakt.
12. Therapiealgorithmus [Abb. 2 ]
12. Therapiealgorithmus [Abb. 2 ]
Abb. 2 Therapiealgorithmus zur Behandlung der funktionellen Dyspepsie. [rerif]
13. Verlauf und Prognose
Der Verlauf der FD kann chronisch oder rezidivierend sein [186 ]. Viele Patient:innen erleben über Monate oder Jahre hinweg wiederkehrende Symptome,
die in der Häufigkeit und Intensität stark variieren können. Dies kann individuell
mit Belastungen, Stress, Ernährungsgewohnheiten oder anderen Faktoren in Verbindung
stehen. Ein typisches Merkmal der FD ist, dass sie in ihrer Intensität schwanken kann,
sodass Patient:innen symptomfreie Phasen erleben, die dann wieder von symptomatischen
Schüben abgelöst werden.
In der Praxis zeigen sich bei vielen Patient:innen zwei häufige Verläufe: Zum einen
gibt es Patient:innen, bei denen die Symptome über Jahre hinweg weitgehend konstant
bleiben, was oft zu einer signifikanten Beeinträchtigung der Lebensqualität führt.
Zum anderen gibt es auch Patient:innen, bei denen die Beschwerden mit der Zeit milder
werden oder sich in Phasen der Symptomfreiheit manifestieren.
Gerade psychischer Stress kann einen erheblichen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit
haben. Häufig berichten Patient:innen von einer Verschlechterung der Symptome während
emotionaler Belastung oder bei psychischem Stress, was darauf hinweist, dass psychosoziale
Faktoren eine bedeutende Rolle bei der Entstehung und dem Verlauf der Dyspepsie spielen
können.
Die Prognose der FD variiert je nach Einzelfall erheblich und gemeinsame Muster oder
Symptom-Cluster sind, abgesehen von der übergeordneten Einteilung in EPS und PDS,
nicht beschrieben. Viele Patient:innen erleben über Jahre hinweg wiederkehrende Beschwerden,
die mal stärker und mal schwächer ausgeprägt sind. Eine vollständige Heilung ist meist
nicht möglich, jedoch ist es vielen Patient:innen durch eine gezielte Behandlung möglich,
die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Die Aspekte Linderung
der Symptome und Steigerung der Lebensqualität sollten daher im therapeutischen Ansatz
als zentraler Aspekt diskutiert werden.
In populationsbasierten Studien über 10–12 Jahre hatten etwa 20 % der Patient:innen
dauerhaft persistierende Symptome und und bei 40–50 % der Patient:innen konnte ein
Verschwinden der Symptome beobachtet werden. Demzufolge ist die langfristige Prognose
der Patient:innen mit FD als positiv anzusehen. 30–35 % der Patient:innen hatten fluktuierende
Symptome oder ein Übergang in eine andere funktionelle gastrointestinale Erkrankung
war erkennbar [187 ].
Die Lebenserwartung von Patient:innen mit einer FD ist nicht eingeschränkt [188 ]. Die langfristige Prognose hängt von verschiedenen individuellen Faktoren ab, wie
der Schwere der Beschwerden, dem individuellen Umgang mit der Erkrankung und der Therapieanpassung.
Ein frühzeitiges Erkennen der Erkrankung, die Diagnosestellung und Diagnosekommunikation
sowie eine ganzheitliche Herangehensweise an die Behandlung, die sowohl die körperlichen
als auch die psychosozialen Aspekte berücksichtigt, können den Verlauf positiv beeinflussen.
Merke
13.1.
Der Verlauf der FD kann variabel sein, mit dauerhaften oder episodisch intermittierenden
Beschwerden.
13.2.
Bei einem großen Teil der von FD Betroffenen ist der langfristige Verlauf positiv.
13.3.
Die Lebenserwartung von Patient:innen mit einer FD ist nicht eingeschränkt.
Abkürzungen
ALE:
Artischockenblattextrakt
ARVID:
avoidant/restrictive food intake disorder
CCK:
Cholecystokinin
DGBI:
Disorder of Gut-Brain Interaction
DGNM:
Deutsche Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität
EPS:
epigastric pain syndrome
FD:
funktionelle Dyspepsie
FODMAP:
fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole
HP:
Helicobacter pylori
Nnt:
number needed to treat
ÖGD:
Ösophagogastroduodenoskopie
PDS:
postprandial distress syndrome
PPI:
Protonenpumpeninhibitor
PPV:
positiver prädiktiver Wert
RCT:
randomisierte klinische Studie
TCA:
trizyklische Antidepressiva
TCM:
Traditionelle Chinesische Medizin