Schlüsselwörter
Pneumokokken - Blutkulturen - Serotypen - Impfungen
Keywords
pneumococci - blood cultures - serotypes - vaccines
Einleitung
Streptococcus pneumoniae kann Erreger von verschiedenen, mehr oder weniger gefährlichen Infektionen sein,
speziell von Otitis media (vor allem im Kindesalter), Pneumonie, Meningitis und Sepsis
[1]. Abwehrgeschwächte Personen und vor allem alte Menschen sind besonders gefährdet
[2]. Eine manifeste Infektion wird praktisch nur von 1/3 der aktuell 104 bekannten Varianten
(Serotypen) in hoher Frequenz ausgelöst, obwohl alle im Prinzip pathogen sind. In
der Routineuntersuchung im medizinischen Labor wird diese Serotypisierung der Isolate
nicht durchgeführt, sondern nur am Referenzlabor für Streptokokken – zu epidemiologischen
Zwecken.
Die Gefahr von Pneumokokken-Infektionen wäre im Prinzip durch eine Impfung gegen die
Kapsel-Antigene zu reduzieren oder zu verhindern [3]. Die STIKO (Ständige Impfkommission) des RKI (Robert Koch-Institut) empfiehlt Impfungen
für Kinder, für Personen > 60 Jahre und für Abwehrgeschwächte und bestimmte Berufsgruppen
[4]. Neuerdings ist das Angebot an Impfstoffen erweitert worden, sodass eigentlich eine
weitere Verringerung des Infektionsrisikos zu erwarten wäre, wenn dieses Impfangebot
vermehrt akzeptiert würde.
Die Bevölkerung ist dann besonders auf den Schutz durch Impfung angewiesen, wenn Antibiotika
ihre Wirksamkeit aufgrund von Resistenzen verloren haben. Während in vielen Ländern
Europas, speziell in Rumänien (42,5%), Zypern (36,4%) und Frankreich (27,5%) eine
Resistenz gegen Penicillin, das Mittel der 1. Wahl, existiert [5], ist dieses Problem in Deutschland geringer; aber resistente Stämme kommen durchaus
vor [2]. Ähnlich niedrig ist die Resistenz von Pneumokokken gegen Makrolide [3].
Aufgrund von Erhebungen aus den Jahren 2015–2022 in einem Labor sollte die Häufigkeit
der Pneumokokken-Sepsis je nach Alter erfasst werden und mit früheren Ergebnissen
[2] verglichen werden. Um zu erkennen, welche Lücken bei Verwendung der verschiedenen
Impfstoffe jeweils bestehen, wurde von der Mehrzahl der Isolate eine Serotypisierung
durchgeführt. Zur Erkennung der Entwicklungen der Antibiotika-Resistenzen in den letzten
Jahren wurden die Daten der in-vitro-Resistenzbestimmung erfasst.
Material und Methode
Ausgewertet wurden die Ergebnisse der Laboranalysen aus Blutkulturen (Becton Dickinson,
Heidelberg) bezüglich eines Nachweises von S. pneumoniae im Labor Limbach, Heidelberg, in den Jahren 2015–2022. Die Untersuchungsproben stammten
überwiegend aus verschiedenen Kliniken in Südwestdeutschland. Die statistischen Auswertungen
wurden mit dem HyBASE-Programm der Firma Epinet erstellt (Erläuterungen zu den Abfragen
siehe Absatz „Ergebnisse“ weiter unten).
Ein Großteil der 925 isolierten Stämme von S. pneumoniae, nämlich 754 Isolate, wurde am Referenzlabor für Streptokokken in Aachen genauer
analysiert und mit der Neufeld‘schen Quellungsreaktion (Antiseren vom Statens Serum
Institute, Kopenhagen/Dänemark) serotypisiert.
Die Analyse der Resistenzen gegen Penicillin (Breakpoints: ≤ 0,06mg/l – empfindlich;
>2 mg/l – resistent) und Erythromycin (Breakpoints: ≤ 0,25mg/l – empfindlich; >0,25mg/l
–resistent) sowie gegen mehrere weitere Antibiotika – darunter Cefotaxim, Levofloxacin,
Vancomycin und Linezolid – wurde mittels des VITEK-2-Systems (BioMérieux, Nürtingen)
durchgeführt bzw. im Einzelfall mittels eines Agar-Diffusionstests und eines Streifen-Gradiententests
(MIC-Test-Strip der Firma Liofilchem, Roseto degli Abbruzzi, Italien).
Ergebnisse
Im Zeitraum von 2015–2022 konnten in 925 untersuchten Blutkulturen Pneumokokken nachgewiesen
werden (Doppelregistrierungen eines Patienten innerhalb von einem Jahr wurden ausgeschlossen).
Die Häufigkeit des Nachweises von Pneumokokken schwankte in den verschiedenen Jahren
in gewissem Umfang ([Abb. 1]); auffallend ist das deutlich verminderte Auftreten einer Pneumokokken-Sepsis in
den Jahren 2020 und 2021. Die Altersverteilung zeigte eine zunehmende Häufigkeit der
Pneumokokken-Sepsis im Alter ([Abb. 1]).
Abb. 1 Anzahl der Streptococcus-pneumoniae-Nachweise pro Jahr aus Blutkulturen von 2015–2022,
nach Alter in Tagen (Copy strain).
Erläuterungen zu Statistik-Einstellungen (HyBASE-Software):
-
Abgefragt wurde die Anzahl der untersuchten Blutkulturflaschen mit dem Nachweis von
Pneumokokken.
-
kein Copy strain: pro Patient
-
Abgefragt wurden Patienten, die jeweils nach Alter (Tagen) in die Abfragen eingingen.
-
Das Alter der Patienten wurde bei der Maßnahme berücksichtigt.
Die Fälle, die in der 1. Lebensdekade auftraten, betrafen ganz überwiegend Kinder
im 1. Lebensjahr, denn 11 Befunde von den 30 Fällen wurden bei Kindern im 1. Lebensjahr
erhoben.
Bei der Aufschlüsselung der Ergebnisse nach Geschlecht zeigte sich, dass bei Männern
häufiger Streptococcus pneumoniae im Blut nachgewiesen wurde ([Abb. 2]).
Abb. 2 Streptococcus-pneumoniae-Nachweise aus Blutkulturen (getrennt nach Männern und Frauen)
von 2025–2022, nach Alter in Tagen (Copy strain).
Erläuterungen zu Statistik-Einstellungen (HyBASE-Software):
-
Abgefragt wurden Pneumokokken-Nachweise mit vorhandener Angabe des Geschlechts (n=922)
nach Männern und Frauen, nach Alter in Tagen
-
ohne Copy strain: pro Patient
In 925 Blutkulturen konnten Pneumokokken isoliert werden. Von diesen wurden bei 754
Isolaten die Serotypen bestimmt. (Da die Einsendung auf einer freiwilligen Absprache
bestand, ist er leider nicht stringent in allen Fällen erfolgt. Einige wenige Isolate
waren auf dem Transport abgestorben; andere waren kontaminiert). Die Isolate konnten
46 verschiedenen Typen zugeordnet werden. Die Prävalenz der nachgewiesenen Serotypen
in den Isolaten aus Blutkulturen war recht unterschiedlich; einige Serotypen, vor
allem Serotyp 3 und Serotyp 8, dominierten. Andere Serotypen wurden in den 8 Jahren
nur ganz selten (d.h. n<5) gefunden, wie etwa 1, 7B, 10B, 13, 15F, 18C, 21, 27 und
28F. Weitere in den Impfstoffen enthaltene Serotypen, wie 2, 5 und 9V, traten dagegen
überhaupt nicht auf.
Die Prävalenz derjenigen Serotypen, die in den verschiedenen verfügbaren Impfstoffen
vorhanden sind, ist in [Tab. 1] gelistet.
Tab. 1 Prävalenz der Serotypen von S. pneumoniae bei 557 von insgesamt 925 Isolaten aus Blutkulturen von 2012–2022, die in den diversen
Impfstoffen repräsentiert sind.
Serotypen
|
Anzahl (in %)
|
enthalten in Pneumovax
|
Synflorix
|
Prevenar 13
|
Vaxneuvance
|
Prevenar 20
|
3
|
164 (29,4)
|
+
|
–
|
+
|
+
|
+
|
8
|
69 (12,3)
|
+
|
–
|
–
|
–
|
+
|
22F
|
48 (8,6)
|
+
|
–
|
–
|
+
|
+
|
12F
|
43 (6,6)
|
+
|
–
|
–
|
–
|
+
|
9N
|
37 (6,6)
|
+
|
–
|
–
|
–
|
–
|
19A
|
36 (6,4)
|
+
|
–
|
+
|
+
|
+
|
11A
|
24 (3,4)
|
+
|
–
|
–
|
–
|
+
|
19F
|
20 (3,6)
|
+
|
+
|
+
|
+
|
+
|
33F
|
20 (3,6)
|
+
|
–
|
–
|
+
|
+
|
4
|
18 (3,2)
|
+
|
+
|
+
|
+
|
+
|
10A
|
18 (2,4)
|
+
|
–
|
–
|
–
|
+
|
20
|
15 (2,7)
|
+
|
–
|
–
|
–
|
–
|
6A
|
8 (1,4)
|
–
|
–
|
+
|
+
|
+
|
7F
|
7 (1,2)
|
+
|
+
|
+
|
+
|
+
|
15B
|
7 (1,2)
|
+
|
–
|
–
|
–
|
+
|
17F
|
7 (1,2)
|
+
|
–
|
–
|
–
|
–
|
23F
|
7 (1,3)
|
+
|
+
|
+
|
+
|
+
|
6B
|
5 (0,9)
|
+
|
+
|
+
|
+
|
+
|
14
|
5 (0,9)
|
+
|
+
|
+
|
+
|
+
|
1
|
4 (0,7)
|
+
|
+
|
+
|
+
|
+
|
18C
|
2 (0,3)
|
+
|
+
|
+
|
+
|
+
|
2
|
0
|
+
|
–
|
–
|
–
|
–
|
5
|
0
|
+
|
+
|
+
|
+
|
+
|
9V
|
0
|
+
|
+
|
+
|
+
|
+
|
Im Impfstoff Pneumovax waren 75 % der Serotypen vertreten, die im Blut der Patienten
nachgewiesen werden konnten, im Impfstoff Synflorix dagegen nur 8% (vor allem, weil
der Serotyp 3 nicht vertreten war), in Prevenar 13 nur 38 %, in Vaxneuvance 45 % und
in Prevenar 20 67 % der Serotypen.
Insgesamt waren von den 754 serotypisierten Stämme nur maximal 75% in den Impfstoffen
enthalten ([Tab. 1]). In der Tat wurden aber viele weitere Serotypen in jeweils unterschiedlicher Häufigkeit
(n >5) gefunden, die in keinem der Impfstoffe präsent sind (in Klammern die jeweilige
Anzahl bzw. der prozentuale Anteil): 6C (13/1,7%), 7C (5/0,7%), 15A (31/4,1%), 15C
(10/1,3%), 16F (7/0,9%), 23A (23/3,1%), 23B (18/2,4%), 24F (18/2,4 %), 31 (15/2%),
34 (5/0,7%), 35B (15/2%), 35F (18/2,4%), 38 (9/1,2%). Einige Serotypen waren sogar
in durchaus ansehnlicher Zahl zu finden.
Bei nur 3 der insgesamt 925 Infektionen traten im Untersuchungszeitraum 2 Infektionen
hintereinander auf. Bei einem Fall trat die Zweitinfektion 4 Jahre nach der ersten
auf, und zwar wurde einmal Serotyp 19A und danach 10A festgestellt. Bei dem anderen
Patienten trat die 2. Erkrankung bereits 6 Wochen nach der ersten auf, wobei zuerst
Serotyp 15C und später Serotyp 38 gefunden wurde. Beim 3. Patienten wurde der Serotyp
3 im Abstand von 8 Monaten noch einmal isoliert.
Die allermeisten der Isolate waren auf Penicillin empfindlich; eine Resistenz gegen
Makrolide (Erythromycin) und Tetrazykline (Doxycyclin) war nur geringfügig höher.
Im Laufe der Jahre waren geringe Schwankungen, aber kein Trend erkennbar ([Tab. 2]). Tabellarisch dargestellt werden hier die Auswertungen aus den Jahren 2015–2022
für die Antibiotika Penicillin G, Erythromycin und Doxycyclin.
Tab. 2 Entwicklung der Empfindlichkeiten der Pneumokokken-Isolate aus Blutkulturen gegen
Penicillin, Erythromycin und Doxycyclin.
Antibiotika/Intervall
|
2015
|
2016
|
2017
|
2018
|
2019
|
2020
|
2021
|
2022
|
Penicillin G (PEN)
|
97% (134)
|
95% (132)
|
97% (140)
|
96% (132)
|
99% (111)
|
98% (64)
|
100% (51)
|
99% (105)
|
Erythromycin (ERY)
|
87% (132)
|
87% (129)
|
96% (140)
|
92% (133)
|
88% (115)
|
92% (65)
|
95% (55)
|
89% (106)
|
Doxycyclin (DOX)
|
88% (128)
|
83% (118)
|
90% (132)
|
92% (123)
|
89% (114)
|
92% (65)
|
91% (55)
|
90% (106)
|
Erläuterungen zu Statistik-Einstellungen (HyBASE-Software):
-
Abgefragt wurden die Resistenzen der in Blutkulturflaschen nachgewiesenen Pneumokokken
von 2015–2022 pro Jahr (Abfrage: „Resistenzen-Entwicklung“)
-
In die Abfrage gingen alle Materialien ein – unabhängig vom Alter der Patienten.
-
kein Copy strain: pro Patient/92 Tage (analog den Vorgaben der RKI-Antibiotika-Resistenz-Surveillance
[ARS])
Diskussion
Pneumokokken sind immer noch eine häufige Ursache der Sepsis. In den 8 Jahren von
2015–2022 konnten 925 Isolate im Labor Limbach/Heidelberg nachgewiesen werden, die
zu vielen verschiedenen Serotypen gehörten, nämlich zu 46 der aktuell 104 bekannten
Serotypen. Auffallend ist der Rückgang der Anzahl der Blutkulturen mit Pneumokokken
in den Untersuchungsproben in den Jahren 2020 und 2021 ([Abb. 1]; [Tab. 2]), also in Zeiten der Coronavirus-Pandemie, was vermutlich auf die sogenannten „Non-pharmaceutical
Interventions“ (also das Tragen von Masken, Kontaktbeschränkungen etc.) zurückzuführen
ist. Diese Beobachtung des Rückgangs an Infektionszahlen in diesen Jahren wurde ebenfalls
für andere Pneumokokken-Erkrankungen berichtet, und darüber hinaus bei anderen respiratorischen
Infektionen, die aerogen durch Tröpfchen übertragen werden [6]
[7]
[8]. Ob die Reduktion von Pneumokokken-Infektionen allein auf eine Reduktion der Exposition
gegen Pneumokokken zurückzuführen ist, oder ob indirekt eine Reduktion der Exposition
gegen respiratorische Viren, welche sonst die Progression einer Pneumokokken-Infektion
bahnten [7], die Erklärung ist, sei dahingestellt.
Die Polysaccharid-Kapsel der Pneumokokken ist ein entscheidender Virulenzfaktor –
und auch ein Ziel der Immunreaktion nach Infektionen. Deswegen kommen einige dieser
verschiedenen Antigene als Impfstoffe zur Anwendung. Da von den unterschiedlichen
Serotypen manche bei Untersuchungen von menschlichem Material dominieren, werden in
den Impfstoffen präferentiell eben solche Serotypen verwendet, um eine Produktion
protektiver Antikörper gegen die Kapsel-Antigene zu induzieren.
Der reine Polysaccharid-Impfstoff „Pneumovax“ (MSD Sharp & Dohme) enthält 23 Serotypen
([Tab. 1]). Unter den derzeit verfügbaren Konjugat-Impfstoffen differiert die Anzahl der enthaltenen
Serotypen: „Synflorix“ (EurimPharm Arzneimittel bzw. GSK Deutschland) enthält 10,
„Prevenar 13“ (von Pfizer) 13, „Vaxneuvance“ (MSD Sharp & Dohme) immerhin 15 und „Prevenar
20“ (Pfizer) sogar 20 Serotypen. Die meisten Serotypen, die bei den Patienten isoliert
wurden, waren auch in den Impfstoffen vorhanden. Der Serotyp 3 war mit Abstand am
häufigsten zu finden ([Tab. 1]). Dieser Serotyp stellt in der Tat in Deutschland das größte Problem dar [9]. Stämme vom Serotyp 3 bilden eine recht dicke Kapsel aus Glukose und Glukuronsäure,
wodurch diese Kolonien sehr mukös erscheinen. Diese Epitope sind offensichtlich weniger
immunogen als die anderer Kapselvarianten. Zudem sind diese Bestandteile nicht fest
verankert, sondern lösen sich ab und werden in die Umgebung abgegeben. Das hat zur
Konsequenz, dass spezifische Antikörper schon im Vorfeld weggefangen werden können,
sodass die Bakterien selbst der Immunantwort entgehen (Escape-Mechanismus der Immuntoleranz).
Nach einer Infektion bzw. Impfung werden zwar Antikörper gegen dieses Kapsel-Antigen
gebildet [10], aber diese Antikörper sind nicht in der Lage, die Pneumokokken mit Sicherheit zu
neutralisieren [11]. In der Tat wurde unter den 925 Fällen ein Patient gefunden, bei dem nach 8 Monaten
eine zweite Infektion mit dem Serotyp 3 erfolgte. Aber im Allgemeinen entwickelt sich
während einer Infektion (wie nach einer Impfung) eine tragfähige Immunreaktion gegen
den entsprechenden Serotyp, sodass eine Zweitinfektion mit demselben Typ unterbleibt;
in 2 der insgesamt 3 von 925 Fällen, wo im Untersuchungszeitraum eine Zweitinfektion
mit Pneumokokken erfolgte, war ein Wechsel der Serotypen zu beobachten.
Die Serotypen 5 und 9V wurden in dieser Untersuchungsperiode bei Patienten gar nicht
nachgewiesen ([Tab. 1]). Auch der Serotyp 2, der in Pneumovax, aber nicht in den Konjugat-Impfstoffen enthalten
ist, trat gar nicht auf.
Im Vergleich zu der früheren Untersuchung von 2005–2010 [2] sind deutliche Verschiebungen der Serotypen festzustellen. Damals waren die Serotypen
1, 7F, 9V und 14 stark vertreten, die diesmal gar nicht oder nur recht selten nachgewiesen
wurden ([Tab. 1]). Eine plausible Erklärung wäre, dass als Folge der Impfung mit einem Konjugat-Impfstoff
im Kindesalter (der Polysaccharid-Impfstoff wirkt bei Kindern unter 2 Jahren nicht),
wo eine Impfrate von 82% zum Zeitpunkt des Schuleintritts zu verzeichnen ist [12], eine Kolonisierung vom Nasopharynx mit solchen Serotypen erschwert wird, was bedeutet,
dass ihre Prävalenz in der Bevölkerung schwindet und somit eine Übertragung unterbunden
wird. Somit profitieren also auch Ungeimpfte von einer hohen Impfrate. Dafür muss
man mit einem Replacement der Serotypen rechnen.
Bei Erwachsenen ist die Durchimpfungsrate immer noch gering, nämlich bei <25% [13]: zudem konnte der bislang von der STIKO empfohlene Impstoff Pneumovax auch keine
lokale Immunität des Nasopharynx erzeugen, was vor einer Besiedelung geschützt hätte.
Immerhin wären 25% der in den Blutkulturen nachgewesenen Pneumokokken durch eine Impfung
nicht präventabel gewesen, da die Kompositionen der Antigene in den Impfstoffen solche
Typen, darunter etwa den Serotypen 15A und 23A, nicht einschließen. Dieser Aspekt
der Rolle der „Non-Vaccine“-Serotypen muss in Zukunft bei der Komposition von neuen
Konjugat-Impfstoffen mit den Kapsel-Antigenen noch stärker beachtet und diskutiert
werden [14]. Außerdem bleibt abzuwarten, ob in der Zukunft auch Impfstoffe mit Erfolg eingesetzt
werden können, die gar keine Kapsel-Antigene enthalten [15].
Der Vorteil der breiteren Antigen-Auswahl bei Pneumovax ist immer noch sichtbar, denn
75% der Infektionen mit den gefundenen Serotypen wären dadurch präventabel gewesen
– allerdings nicht bei Kindern < 2 Jahre. (Das Fehlen des Serotyps 6A im Pneumovax-Impfstoff
wäre bei 8 Fällen ([Tab. 1]) nachteilig gewesen). Aber der Unterschied zum Impfstoff Apexxnar, der im Vergleich
zu Pneumovax nur 4 Serotypen nicht beinhaltet, wovon einer – nämlich der Serotyp 2
– in dieser Untersuchung nicht nachgewiesen werden konnte ([Tab. 1]), ist gering. Immerhin enthält er 67% der nachgewiesenen Serotypen. Die Konjugat-Impfstoffe
haben einige immunbiologische Vorteile [16]. Der reine Polysaccharid-Impfstoff kann nur die Bildung von IgM anregen, welches
wegen seiner Molekülgröße die Blutbahn nicht verlassen kann und somit ausschließlich
vor einer Sepsis schützt. Zudem ist ja mit zunehmendem Alter die Effektivität des
Impfstoffes wegen einer Immunoseneszenz verringert [17]
[18]. Außerdem hinterlässt diese Impfung eine „Hypo-Responsiveness“ gegen die im Impfstoff
enthaltenen Serotypen [19]
[20], sodass eine Wiederholungsimpfung ineffektiv wird. Dagegen kann die Bildung von
IgG und IgA mithilfe einer T-Zell-Reaktion nach der Impfung mit dem Konjugat-Impfstoff
[21] auch vor anderen Manifestationen wie Otitis media und Pneumonie schützen, so dass
auch Patienten mit COPD von einer Impfung profitieren. Durch die lokale, IgA-bedingte
Immunität wird eine Kolonisierung vom Nasopharynx verhindert und damit die Ausbreitung
der speziellen Serotypen unterbunden; die Impfung mit Konjugat-Impfstoff ist somit
auch eine altruistische Impfung, die auch Nichtgeimpften einen Schutz vor der Infektion
vermittelt [22].
Vor allem die Bildung eines immunologischen Gedächtnisses, das durch den Polysaccharid-Impfstoff
nicht induziert wird [19], ist wünschenswert, damit nach 5–6 Jahren, wenn die Wirksamkeit der Impfung nachlässt,
eine Wiederimpfung möglich ist und sogar von einem Booster-Effekt begleitet wird,
sodass zuverlässige Antikörpertiter bis ins hohe Lebensalter zu erzielen sind. Denn
gerade die Älteren (über 60 Jahre, was ja von der STIKO als das Alter angesehen wird,
ab dem eine Impfung empfehlenswert wäre) sind in hohem Maße gefährdet ([Abb. 1]), was belegt, dass gerade diese Population geschützt sein sollte. Frauen sind offensichtlich
weniger gefährdet als Männer ([Abb. 2]). Insgesamt bestätigen diese Ergebnisse die Empfehlung verschiedener Fachgesellschaften,
die reine Polysaccharid-Impfung durch die Konjugat-Impfstoffe zu ersetzen [23]. Somit erscheint es nur folgerichtig, dass die STIKO beim RKI nun den 20-valenten
Konjugat-Impfstoff als Regelimpfung bei älteren Erwachsenen (Personen >60 Jahre) empfiehlt
[4]. Darüber hinaus zeigen diese Befunde, dass die Antigen-Zusammensetzung der Impfstoffe
an die tatsächlich vorkommenden Serotypen angepasst werden sollte, denn die in den
Impfstoffen enthaltenen Serotypen 2, 5 und 9V waren zumindest unter den hier gefundenen
Isolaten nicht vertreten. Es ist anzunehmen, dass die Zusammensetzung der Antigene
in den Impfstoffen wegen eines ständigen Replacements der Serotypen regelmäßig aktualisiert
und ggf. erweitert werden muss.
Im Vergleich zu der Voruntersuchung [2] fällt auf, dass sich die Häufigkeit der Pneumokokken-Sepsis im Kindesalter verringert
hat: wohl eine Folge der Impfungen. Ein kleiner Gipfel bei den Kindern in der 1. Lebensdekade
besteht jedoch noch ([Abb. 1]). Am ehesten lässt sich das damit erklären, dass vor allem im 1. Lebensjahr bislang
nur ein Teil dieser Altersgruppe – trotz der Impfempfehlung der STIKO – geschützt
ist.
Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern [5] ist die Antibiotika-Resistenz bei Pneumokokken in Deutschland recht niedrig ([Tab. 2]). Die Resistenz gegen Penicillin lag deutlich unter 10%, und auch gegen Makrolide
(Erythromycin) blieb die Resistenz über die Jahre – mit geringen Schwankungen – niedrig.
Ein Aufwärtstrend, wie er sich in der Untersuchung von 2005–2010 gezeigt hatte [2], war in der Zeit danach offensichtlich nicht mehr erkennbar ([Tab. 2]). Auch Tetrazykline sind noch gut wirksam ([Tab. 2]). Weitere Antibiotika wie Cefotaxim, Levofloxacin, Linezolid und Vancomycin waren
ebenfalls sehr gut wirksam (Daten nicht gezeigt). Eine bedrohliche Multi-drug-Resistenz,
wie anderweitig berichtet und oft auch mit bestimmten Serotypen assoziiert [5], ist in der aktuellen Untersuchung nicht beobachtet worden.
Der Wert dieser Darstellung und Diskussion ist begrenzt, da nur Daten aus einem größeren
Labor zur Verfügung standen, dessen Einsendegebiet sich hauptsächlich auf die Region
Südwestdeutschland beschränkt. Angaben über die praedisponierende Faktoren, wie Splenektomie,
Schwere der Krankheiten der Patienten und deren Konsequenzen werden in solchen Labordaten
nicht erfasst und können folglich nicht berücksichtigt werden. Auch Angaben über eventuelle
Impfungen wären im Prinzip hilfreich gewesen, um diese mikrobiologischen Befunde im
Detail analysieren zu können.
-
Die Pneumokokken-Sepsis ist in Deutschland immer noch recht häufig; vor allem im Alter
und bei Männern kommt sie vor.
-
Derzeit stehen Konjugat-Impfstoffe mit einem erweiterten Spektrum zur Verfügung, die
in unserer Studie 75 % der untersuchten Isolate abgedeckt hätten.