Aktuelle Urol 2025; 56(03): 216-217
DOI: 10.1055/a-2503-0581
Referiert und kommentiert

Kommentar

Contributor(s):
Ulrike Necknig
1   Urologische Gemeinschaftspraxis Lindenberg, Lindenberg
› Author Affiliations

Einnässen im Kindes- und Jugendalter ist mit einem hohen Leidensdruck und einer Einschränkung der Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien verbunden [1]. Die vorliegende Studie (Drychild) konnte aufzeigen, dass die Auswahl der Behandlung einer monosymptomatischen Enuresis auf der Grundlage von Miktionsprotokollen das Ansprechen auf die Erstlinienbehandlung verbessert.

In einer sensiblen Phase der Entwicklung hin zu einer sozial integrierten und selbstständig agierende Persönlichkeit ist ein wichtiges Therapieziel, den Betroffenen die Sinnhaftigkeit der empfohlenen Therapiemaßnahme darzulegen und sie zur aktiven Mitarbeit zu motivieren. Frustrane Therapieversuche wirken sich hier oftmals hinderlich im weiteren Therapieverlauf durch erlebte Frustration und sinkende Compliance aus. Dies führt bei länger vorliegender Symptomatik nicht selten zu einer Minderung des Selbstwertgefühls mit den daraus sich konsekutiv ergebenden Folgen für die Betroffenen.

In fast allen Bereichen der Medizin findet sich ein Trend hin zur Individualisierung von Therapieansätzen [2]. Dies bietet mehrere Vorteile. Zum einen hat jeder Patient/jede Patientin unterschiedliche Erfahrungen, Hintergründe und Bedürfnisse. Ein individueller Therapieansatz ermöglicht es, die spezifischen Herausforderungen und Ziele des Einzelnen zu berücksichtigen, wodurch die Effektivität der Behandlung gesteigert werden kann. Zum anderen kann eine individuelle, auf den Betroffenen zugeschnittene Therapie die Compliance erhöhen und die Erfolgschancen der Therapie verbessern. Der Patient/die Patientin fühlt sich ernst genommen und kann einen vorgeschlagenen Therapieweg leichter mitgehen.

Das nächtliche Urinvolumen und die Funktion des Blasenreservoirs sind wichtige pathogene Faktoren für die monosymptomatische Enuresis. Da unterschiedliche Ursachen das Vorliegen einer monosymptomatischen Einnäss-Symptomatik bedingen können, erscheint es sinnvoll, eine auf die jeweils zugrunde liegende Störung abgezielte Therapie den Betroffenen zu empfehlen. Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass eine individualisierte Behandlung, die auf den Informationen aus den Miktionstagebüchern basiert, signifikant bessere Ergebnisse liefert als eine zufällige Zuteilung der Behandlungen. Besonders bemerkenswert ist die hohe Verbesserung der Reaktion auf die Behandlung bei Kindern mit reduziertem maximalem Harnvolumen und ohne nächtliche Polyurie.

In Zeiten immer knapper werdender Arztzeitressourcen, insbesondere im ambulanten Bereich, erscheint ein Gießkannenprinzip getreu dem Motto „one fits it all“ nur vermeintlich hilfreich und sollte ein Wunschdenken bleiben. Besser erscheint es basierend auf den erhobenen Fakten zu unterscheiden, wer bei einer vorliegenden monosymptomatischen Enuresis von den gut etablierten Therapieansätzen (Alarmtherapie vs. med. Therapie mit Desmopressin vs. Kombinationstherapie) am ehesten profitiert, um mit der eingeleiteten Therapie das gewünschte Therapieziel zeitnah zu erreichen.

Ein solches, in der Studie beschriebenes Vorhersagewerkzeug könnte nicht nur die Behandlungsentscheidungen verbessern, sondern auch den betroffenen Familien helfen, realistischere Erwartungen an die Therapie zu haben.

Insgesamt ist die Drychild-Studie ein vielversprechender Ansatz, um die Behandlung von monosymptomatischer nächtlicher Enuresis zu optimieren, und könnte einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität von betroffenen Kindern leisten.

PD Dr. Med. Ulrike Necknig
Urologische Praxis Lindenberg



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Article published online:
28 May 2025

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