Aktuelle Urol 2025; 56(03): 208-210
DOI: 10.1055/a-2502-9986
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Contributor(s):
1   Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
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Hirano et al. [1] beleuchten in ihrer Arbeit ein zentrales Thema der Harnröhrenrekonstruktion und liefern dabei eine bedeutende Erkenntnis: Die histopathologische Untersuchung von Strikturresektaten oder Gewebeproben aus dem unmittelbar an die Striktur angrenzenden Bereich kann wertvolle Informationen zur Pathogenese liefern. Die Autoren zeigen, dass insbesondere bei nicht-traumatischen Strikturen häufig eine Plattenepithelmetaplasie nachweisbar ist. Dieses Ergebnis unterstreicht den zunehmenden Fokus auf den Einfluss iatrogener Eingriffe auf die Morphologie von Harnröhrenstrikturen sowie auf bislang unbekannte Faktoren bei der Entstehung idiopathischer Strikturen. Besonders hervorzuheben ist, dass bei über der Hälfte der untersuchten Patienten – klassische bulbäre Harnröhrenstrikturen – eine Plattenepithelmetaplasie in der feingeweblichen Analyse nachgewiesen wurde. Bemerkenswert ist zudem, dass etwa 10% der Fälle eine verhornende Plattenepithelmetaplasie aufwiesen, die als potenzielle fakultative Präkanzerose eingestuft werden kann. Die Autoren postulieren, dass wiederholte endourologische Eingriffe bei nicht-traumatischen Strikturen einen wesentlichen Risikofaktor darstellen, während traumatische Strikturen aufgrund einer kürzeren Krankheitsgeschichte und weniger endoskopischen Eingriffen seltener von dieser Pathologie betroffen sind. Diese werden häufiger frühzeitig mit einer suprapubischen Harnableitung behandelt. Die Ergebnisse von Hirano et al. korrespondieren mit einer kürzlich veröffentlichten Multicenterstudie aus den USA, die als Meilenstein im Bereich der histopathologischen Strikturforschung bezeichnet werden kann. Gutierrez et al. untersuchten in einer umfassenden Analyse den Zusammenhang zwischen Inflammation, Fibrose, Anamnese und Pathophysiologie bei Patienten, die einer Urethroplastik unterzogen wurden [2]. Ähnlich wie die japanische Forschungsgruppe fanden sie deutlich häufiger Plattenepithelmetaplasien bei idiopathischen (96%) im Vergleich zu traumatischen Strikturen (71%). Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis der amerikanischen Studie war der Nachweis von milden bis schweren Inflammationsgraden bei über 50% der idiopathischen Strikturen. Diese wurden histopathologisch standardisiert anhand der Dichte inflammatorischer Zellen und der Tiefe der epithelialen Penetration klassifiziert. Im Gegensatz dazu wiesen traumatische Strikturen überwiegend fibrotische Veränderungen ohne Anzeichen signifikanter Inflammation auf, was auf antigengetriggerte Reparaturprozesse bei idiopathischen Strikturen hinweist. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass die Histopathologie eine zentrale Rolle bei der weiteren Erforschung der Pathomechanismen von Harnröhrenstrikturen spielen muss. Neben inflammatorischen Prozessen könnten auch endokrine Faktoren wie der Einfluss von Androgenen und Östrogenen auf die periurethrale Vaskularisierung [3] und die Entstehung metaplastischer Veränderungen [4] eine bedeutende Rolle spielen. So wurden z.B. im Harnröhrengewebe von Transfrauen unter feminisierender Hormontherapie häufig urethrale Plattenepithelmetaplasien als Nebenbefund festgestellt [4]. In Zukunft wird ein intraoperatives Strikturassessment auf makroskopischer [5], mikroskopischer [1] [2] und laborchemischer Ebene [2] [3] an Bedeutung gewinnen. Dies könnte dazu beitragen, die heterogenen Behandlungsergebnisse bei bulbären Strikturen verschiedener Ätiologien besser zu verstehen und gezielte Maßnahmen für eine individualisierte Therapie abzuleiten.



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Article published online:
28 May 2025

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  • Literatur

  • 1 Hirano Y, Horiguchi A, Shinchi M. et al. High frequency of concomitant squamous metaplasia in bulbar urethral stricture and its association with reconstructive delay and urethral rest. World J Urol 2024; 42: 348
  • 2 Gutierrez WR, Luo Y, Dahmoush L. et al. Deep Phenotyping the Anterior Urethral Stricture: Characterizing the Relationship Between Inflammation, Fibrosis, Patient History, and Disease Pathophysiology. J Urol 2024; 212: 153-164
  • 3 Hofer MD, Kapur P, Cordon BH. et al. Low Testosterone Levels Result in Decreased Periurethral Vascularity via an Androgen Receptor-mediated Process: Pilot Study in Urethral Stricture Tissue. Urology 2017; 105: 175-180
  • 4 Andrews AR, Kakadekar A, Schmidt RL. et al. Histologic Findings in Surgical Pathology Specimens From Individuals Taking Feminizing Hormone Therapy for the Purpose of Gender Transition. Arch Pathol Lab Med 2022; 146: 252-261
  • 5 Marks P, Dahlem R, Daniels P. et al. Advancing Intraoperative Assessment of Urethral Stricture Anatomic Variation: A Prospective Proof-of-Concept Study. Urol Int 2024; 108: 254-258