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DOI: 10.1055/a-2502-8524
Kommentar

Vibegron ist ein neuer selektiver β3-Adrenorezeptor-Agonist, welcher die Blasenmuskulatur entspannt und die Harnblasenkapazität erhöht, ohne jedoch das Risiko für eine akute Harnverhaltung zu erhöhen. Seit Oktober 2024 ist Vibegron als Präparat Obgemsa (Firma Pierre Fabre Pharma) für Erwachsene mit überaktiver Harnblase (ÜAB; engl. overactive bladder, OAB) in Deutschland im Handel. Eingenommen wird Vibegron 1-mal täglich à 75mg [1]. Anders als das Präparat der ersten Generation, Mirabegron, wirkt Vibegron selektiv am β3-Adrenorezeptor, welcher fast ausschließlich in der glatten Blasenmuskultur zu finden ist. Durch seine Selektivität für diesen Adrenorezeptor hat Vibegron den Vorteil auch bei vorbekannter arterieller Hypertonie angewandt werden zu können. Die Daten der 2 Studien EMPOWUR (NCT03492281) [2], EMPOWUR Extension (NCT03583372) [3] belegen, dass Vibegron im Vergleich zu Placebo keine erhöhte Rate an Blutdruckerhöhungen zeigt, keine kardiovaskulären oder kognitiven Nebenwirkungen hat und bedingt durch die nur geringen Interaktionen an den CYP-Enzymkomplexen nur wenige Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten vorweist. Daher bestehen für Vibegron auch keine Dosiseinschränkung für Patienten mit Nieren- und Leberfunktionsstörung [1]. In summa handelt es sich um eine vielversprechende Weiterentwicklung in der medikamentösen Therapie der ÜAB. Kann dies aber auch für die Speichersymptome beim benignen Prostatasyndrom relevant sein?
Die Symptome des unteren Harntrakts beim Mann, die sog. „male lower urinary tract symptoms“ (male LUTS), gehören mit zu den häufigsten Beschwerden in der urologischen Praxis. Die benigne Prostatahyperplasie (BPH) ist hierbei eine häufige Ursache für die male LUTS, wobei das benigne Prostatasyndrom (BPS) wiederum aus dem variablen Verhältnis der 3 Komponenten „Benigne Prostatavergrößerung“ (BPE), „Blasenauslassobstruktion“ (BOO) und „Lower urinary tract symptoms“ (LUTS) resultiert. Gleich welcher Ursache subsummiert der Begriff LUTS Symptome der Harnspeicherung wie auch Miktion und post miktionem [4]. Gerade die Speichersymptome, sprich der imperativer Harndrang und die Nykturie, sind für viele Patienten dabei subjektiv am belastendsten und können die Lebensqualität erheblich einschränken [5]. Antimuskarinika können entsprechend der aktuellen Leitlinienempfehlung bei Männern mit vorherrschenden Speichersymptomen in Betracht gezogen werden [6]. Antimuskarinika haben jedoch ein Compliance-Problem [1] und können darüber hinaus die Kognition negativ beeinflussen [6]. Es erscheint daher nur logisch, auch β-Adrenorezeptor-Agonisten einzusetzen. Jedoch fehlen für Mirabegron als Monotherapie entsprechende Wirksamkeitsstudien. Für die Kombinationstherapie gibt es 2 größere RCTs, welche Mirabegron in Kombination mit einer vorbestehenden α-Blocker-Monotherapie und persistierenden OAB-Symptomen untersucht haben [6]. Der Einsatz von Mirabegron ist also klar die persistierende Speichersymptomatik und nicht das BPS. Jedoch erhöht Mirabegron leicht das Risiko für eine Harnverhaltung und ist bei Patienten mit kardiovaskulären Komorbiditäten nicht empfohlen [6]. Mit der COURAGE-Studie ändert sich dies. Die Anwendung von Vibegron ist auch hier die persistierende Speichersymptomatik bei vorbestehender α-Blocker-Therapie, sogar gegebenenfalls mit 5ARI-Kombination. Die Studie bezieht sich also auch nicht auf die Behandlung des BPS, sondern auf die persistierenden Speichersymptome. Das Studiensetting ist gut gepowert, klar definiert und das Ergebnis in all seinen Endpunkten im Vergleich zu Placebo sehr gut. So zeigt sich unter der Kombination mit Vibegron eine deutliche Reduktion der Tagesmiktionsfrequenz und der Drangepisoden sowie darüber hinaus eine Reduktion der Nykturie, der Dranginkontinenz und sogar des IPSS-Scores sowie auch eine Steigerung des Miktionsvolumens. Das Risiko für das Auftreten einer akuten Harnverhaltung oder dem Neuauftreten bzw. der Verschlechterung einer arteriellen Hypertonie ist dabei auf Placeboniveau. Limitierend bleibt für die Studie lediglich die Diagnosestellung der BPH, ohne eine weiterführende funktionelle Diagnostik der Detrusorfunktion sowie die kurze Studiendauer von nur 3 Monaten. Dennoch ist die Anwendung von Vibegron beim BPS mit vorherrschenden Speichersymptomen bei vorbestehender α-Blocker-Mono- und gegebenenfalls 5ARI-Kombinationstherapie eine Weiterentwicklung der medikamentösen Therapieoptionen und eine echte Therapiemöglichkeit.
Publication History
Article published online:
03 April 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Pressemitteilung Pierre Fabre GmbH, Freiburg. Akt Urol 2024; 55: 566
- 2 Varano S, Staskin D, Frankel J. et al. Efficacy and Safety of Once-Daily Vibegron for Treatment of Overactive Bladder in Patients Aged ≥65 and ≥75 Years: Subpopulation Analysis from the EMPOWUR Randomized, International, Phase III Study. Drugs Aging 2021; 38: 137-146
- 3 Staskin D, Frankel J, Varano S. et al. Once-Daily Vibegron 75 mg for Overactive Bladder: Long-Term Safety and Efficacy from a Double-Blind Extension Study of the International Phase 3 Trial (EMPOWUR). J Urol 2021; 205: 1421-1429
- 4 Schönburg S, Abt D. Obstruktive Blasenentleerungsstörungen – Bedeutung der Urodynamik. Akt Urol 2021; 52: 1-2
- 5 Coyne KS, Sexton CC, Irwin DE. et al. The impact of overactive bladder, in continence and other lower urinary tract symptoms on quality of life, work productivity, sexuality and emotional well-being in men and women: results from the EPIC study. BJU Int 2008; 101: 1388-1395
- 6 Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (Hrsg.). S2e-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Benignen Prostatasyndroms (BPS), Langversion 5.0, 2023, AWMF Registernummer: 043-034. Accessed December 12, 2024 at: https://www.urologenportal.de/fachbesucher/wirueberuns/dgu/leitlinien-derdeutschen-gesellschaft-fuer-urologie.html