Suchttherapie 2025; 26(02): 59-60
DOI: 10.1055/a-2482-1215
Editorial

Cannabis

U. W. Preuss
,
F. M. Wurst

Liebe Leserinnen und Leser

seit fast einem Jahr ist das Cannabisgesetz (Konsumcannabisgesetz – KcanG) in Kraft, das den kontrollierten nicht-medizinischen Konsum von Cannabis regelt. So dürfen seitdem u. a. volljährige Personen (ab 18 Jahren) bis zu 25 g Cannabis in der Öffentlichkeit mitführen und zuhause bis zu 50 g besitzen. Der private Eigenanbau ist auf maximal drei blühende Pflanzen pro Person begrenzt (Bundesministerium für Gesundheit (BMG) 2024 [1]). Zudem ist die Weitergabe ausschließlich im Rahmen von behördlich genehmigten Anbauvereinigungen („Cannabis Social Clubs“) zulässig. Für Minderjährige gelten strengere Regelungen, wobei insbesondere der Erwerb und Konsum verboten ist.

Politiker der damaligen größten Oppositionspartei haben allerdings für die Zeit nach den im Februar stattgefundenen Wahlen angekündigt, das Gesetz „rückgängig“ machen zu wollen, da sie das Vorgehen für „grundfalsch halten, jetzt Rauschgifte in Deutschland freizugeben“. In diesem Spannungsfeld stehen aktuell nach ca. einem Jahr Teil-Legalisierung erste Auswertungen der möglichen Auswirkungen an. Die Legalisierung war aus damaliger Sicht der Noch-Bundesregierung von „umfangreichen präventiven Maßnahmen“ begleitet. So sind Cannabis Social Clubs verpflichtet, ein Jugendschutz- und Präventionskonzept umzusetzen. Spezielle Aufklärungskampagnen, koordiniert unter anderem durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA 2024 [2]), sollen insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene über Risiken und einen verantwortungsvollen Umgang informieren. Außerdem sind in der „kontinuierlichen Beobachtung der gesundheitspolitischen Auswirkungen“ mehrstufige Evaluations-berichte vorgesehen: Ein erster Zwischenbericht soll etwa 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes vorliegen, der vor allem jugendspezifische Konsumtrends und erste gesundheitliche Effekte beleuchten soll (Bundesregierung 2025 [3]).

Zum Themenbereich „Prävention“ finden sich im Themenheft zwei Beiträge. Der Artikel von Kalke et al. „Wie sollte die verhaltensbezogene Cannabisprävention nach der Teil-Legalisierung gestaltet werden? Ergebnisse einer Expert*innen-Befragung“ berichtet Ergebnisse einer Studie, in der untersucht wurde, wie sich die verhaltensbezogene Cannabisprävention in Deutschland nach der am 1. April 2024 in Kraft getretenen Teil-Legalisierung anpassen sollte. Die Autor*innen führten eine Delphi-Befragung mit 21 Expert*innen aus verschiedenen relevanten Bereichen durch, um empirische Hinweise für die Überarbeitung bestehender Präventionsmaßnahmen zu erhalten. Die Studie stützt sich dabei auf eine systematische Analyse nordamerikanischer Public-Health-Materialien sowie eine ergänzende Literaturanalyse. Zudem wurden konkrete Empfehlungen zur Verteilung vorhandener Ressourcen auf verschiedene Präventionsbereiche formuliert. Die gewonnenen Erkenntnisse stellen eine evidenzbasierte Orientierungshilfe für die Weiterentwicklung und Implementierung zukünftiger Maßnahmen in der Cannabisprävention dar.

Ebenfalls mit dem Thema der Prävention beschäftigt sich ein zweiter Artikel in dem Themenheft. Die Übersichtsarbeit von Matos et al., „Ist Cannabisprävention an Schulen wirksam, und wann? – Ein Review of Reviews“ fassen die Autor*innen systematisch die Ergebnisse von sechs Metaanalysen zur Wirksamkeit schulischer Cannabisprävention zusammen. Dabei wurden zwei zentrale Fragen untersucht: ob verhaltenspräventive Maßnahmen in Schulen den Cannabiskonsum verhindern, hinauszögern oder reduzieren können und welche Programminhalte mit einer erhöhten Wirksamkeit assoziiert sind. Die differenzierten Ergebnisse können nach der „Freigabe“ von Phytocannabinoiden sicherlich zur schulischen Prävention in Deutschland und zur Reduktion des Cannabiskonsums beitragen, wenn einige der Studienergebnisse berücksichtigt werden.

In einem weiteren Artikel, von Manthey et al. mit dem Titel „Riskanter Cannabiskonsum: Vorschlag einer Arbeitsdefinition“ wird die Notwendigkeit einer einheitlichen, evidenzbasierten Definition riskanten Cannabiskonsums thematisiert, da der bisher uneinheitliche Gebrauch solcher Definitionen die Kommunikation von Gesundheitsrisiken, die Prävention sowie die Vergleichbarkeit wissenschaftlicher Studien erschwert. Die im Beitrag vorgeschlagene Definition soll es ermöglichen, Risikozonen (etwa niedrig, moderat, hoch) anhand empirisch bestimmter Schwellenwerte zu differenzieren. Abschließend wird der Bedarf an weiterführender empirischer Forschung hervorgehoben, um die vorgeschlagene Arbeitsdefinition zu verfeinern und eine praxisnahe Klassifizierung von Risikozonen zu ermöglichen.

Neben den Änderungen im gesellschaftlichen Umgang mit Phytocannabinoiden spielt der Konsum von so genannten „synthetischen Cannabinoiden“, in Subgruppen Jugendlicher und junger Erwachsener weiterhin eine wichtige Rolle. Synthetische Cannabinoide, die den Neuen Psychoaktiven Substanzen (NPS) zugerechnet werden, werden hauptsächlich auf dem „Schwarzmarkt“ und im Internet (Darknet) vertrieben. Deren Konsum ist allerdings mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden (NPsG [4]). In der Übersichtsarbeit von Preuss und Hoch wird ein umfassender und aktueller Einblick in die Pharmakologie, Epidemiologie, klinischen Wirkungen, kurz- und langfristigen Risiken, Diagnostik und Behandlung von Störungen durch synthetische Cannabinoide gegeben. Ebenfalls wichtiger Bestandteil des Artikels sind langfristige Behandlungsansätze mit spezifischen sucht- und psychotherapeutischen Ansätzen.

Den Autor*innen gilt für Ihre Beiträge der herzlichste Dank, den Leser*innen wünschen wir eine interessante Lektüre und uns allen spannende Diskussionen.

U. W. Preuss und F. M. Wurst



Publication History

Article published online:
13 May 2025

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