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DOI: 10.1055/a-2440-6719
Der Hausarzt vor Gericht – Fälle und juristische Überlegungen aus dem Gerichtssaal

Woran wird hausärztliches Handeln juristisch gemessen? Welche Kriterien zählen vor Gericht? Welche Schritte gibt es zu beachten und wie verhalte ich mich richtig? Zwei Gerichtsgutachter schildern ihre Erfahrungen, stellen Fallbeispiele vor und leiten daraus Tipps für die Praxis ab.
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Als Mindestanforderung aus der Berufsordnung muss alles dokumentiert werden, was vom Normalbefund, Routineverlauf und von Standardmaßnahmen abweicht. Wenn es wichtig erscheint, sollten auch Normalbefunde dokumentiert werden, um später nachvollziehen zu können, dass z.B. die Untersuchungen stattgefunden haben.
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Wurde ein Behandlungsfehler oder Befunderhebungsfehler festgestellt, ist die Frage zu klären, ob dieser kausal zum Schaden geführt hat. Der beauftragte Sachverständige hat nicht nur dem gleichen Fachgebiet wie die beklagte Partei anzugehören, sondern sollte auch auf einer ähnlichen Versorgungsstufe tätig sein.
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Aufklärung und Einwilligung dokumentieren! Hier liegt die Beweislast immer beim Arzt. Auf Patientenseite reicht es aus zu behaupten, dass die Aufklärung unwirksam war.
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Orientieren Sie sich an den allgemeinmedizinischen Leitlinien und an Ihrer eigenen Erfahrung, erklären Sie gut und empathisch und entscheiden Sie immer mit dem Patienten gemeinsam.
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Dokumentieren Sie knapp, aber gut und begründen Sie, warum Sie was und warum gemacht oder nicht gemacht haben, aber nicht überbordend mit einer Flut von Textbausteinen. Dazu gehören wichtige Befunde und Anamnesefragen („dokumentieren, dass das gemacht wurde“) oder auch „Lunge/Cor o.B., RR, HF“, „Abdomen o.B.“ ist ausreichend.
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Medizin aus „juristischen Gründen“ ist nicht notwendig.
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Wenn Sie Post vom Anwalt bekommen, bleiben Sie möglichst gelassen und überlegen Sie in Ruhe die richtigen Schritte.
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Was gar nicht geht:
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nichts oder (sehr) wenig dokumentieren
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später „Nach-Dokumentieren“, ohne das kenntlich zu machen
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die Unwahrheit sagen (im Zivilprozess). Im für Ärzte eher seltenen Strafprozess gibt es (für den Angeklagten) keine Verpflichtung, wahrheitsgemäß auszusagen. Hier gilt grundsätzlich das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, und man kann auch die Aussage verweigern, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen (Aussageverweigerungsrecht).
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Schlüsselwörter
Behandlungsfehler - Befunderhebungsfehler - Beweislastumkehr - Ex-ante-Sicht - Leitlinien - KausalitätPublikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
22. August 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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