Schlüsselwörter Fehlbildungschirurgie - Zentralisierung - Vergütung - Qualitätsmanagement
Keywords centralisation of care - reimbursement - congenital malformations - quality of care
Hintergrund
Komplexe Fehlbildungen des Gastrointestinaltraktes, des Urogenitaltraktes, der
Bauchwand und des Thorax bilden eine klinisch inhomogene Gruppe mit ca. 1600 neuen
Fällen pro Jahr [1 ]
[2 ]. Die kinderchirurgische Behandlung
dieser komplexen Fehlbildungen ist ressourcenintensiv und erfordert häufig ein
mehrzeitiges operatives Vorgehen. Dabei lassen sich nach dem Kriterium der
Planbarkeit dringliche Vorbereitungseingriffe oder Notfalleingriffe (z. B. Anlage
eines Enterostomas oder Anlage einer Gastrostomie), von den planbaren
Korrekturoperationen unterscheiden, welche den chirurgisch anspruchsvollsten
Behandlungsschritt darstellten [3 ].
Obwohl hohe lebenslange Behandlungskosten für Menschen mit komplexen Fehlbildungen
gezeigt wurden [4 ], ist wenig über die
Kosten des stationären Aufenthaltes der Korrekturoperationen in Deutschland
bekannt.
Seit 2004 basiert die Vergütung für stationär und teilstationär erbrachte
Krankenhausleistungen in Deutschland auf einem gesetzlich geregelten
pauschalierenden Entgeltsystem (§17b Krankenhausfinanzierungsgesetz, KHG). Die
Berechnung eines Pauschalbetrags pro Fall erfolgt mit Hilfe der deutschen
Diagnosis-Related-Groups(G-DRG), welche sich im Wesentlichen aus der Verschlüsselung
von Diagnosen, Prozeduren, Alter, Dauer der maschinellen Beatmung und dem
patientenbezogenen Gesamtschweregrad (Patient Clinical Complexity Level, PCCL)
ergeben. Jede für den Einzelfall ermittelte DRG wird in ein individuelles
Relativgewicht (RG) übersetzt, welches mit dem Landes-Basisfallwert multipliziert
wird, um den Entgelterlös zu berechnen. Der Landes-Basisfallwert, wird jährlich neu
festgelegt um die Vergütung an sich ändernde Behandlungskosten anzupassen [5 ]. Mit einer ausgewogenen Fallmischung
(case mix, CM, Summe aller Relativgewichte einer Leistungserbringungseinheit) sollen
sich in diesem Fallpauschalensystem die tatsächlichen Kosten für ressourcenintensive
Fälle mit denen ressourcensparender Fälle ausgleichen, um eine angemessene und
verlässlich planbare Gesamtvergütung zu erreichen [6 ]. Die tatsächliche wirtschaftliche
Bedeutung einer definierten Leistungserbringungseinheit lässt sich mit diesem CM
abbilden. Den durchschnittlichen Erlös pro Fall bildet der sog. Case mix index (CMI,
Summe aller Relativgewichte÷Summe aller Behandlungsfälle) ab. Der bundesweite CMI
in
einer nach dem NRW-Modell zur Leistungsgruppendefinition identifizierten
Leistungsgruppe „Kinder und Jugendchirurgie“ wurde für das Jahr 2021 mit 0,695
berechnet [7 ]. In dieser Berechnung
wurde die komplexe Fehlbildungschirurgie, die in ihrer Ressourcenintensität von dem
allgemeinen Spektrum der Kinderchirurgie abweicht, jedoch nicht gesondert betrachtet
[7 ].
Die nun vorgelegte Datenanalyse stellt Vergütungsmuster der Krankenhausaufenthalte
während der Korrekturoperation von zehn wesentlichen komplexen Fehlbildungen im
DRG-System den zugehörigen Krankenhausfallzahlen gegenüber. Die Auswahl dieser zehn
Fehlbildungen erfolgte aufgrund der Komplexität der Korrekturoperationen, ihrer
Langzeitmorbiditäten und ihrer Betrachtungen in vorherigen Studien [1 ]
[2 ]
[4 ]. Da die Gallengangsatresie zwar
nosologisch nicht eindeutig den Fehlbildungen zuzuordnen ist, die Ätiologie jedoch
bisher nicht geklärt ist, und sie im Rahmen des Fehlbildungsregisters EUROCAT als
Fehlbildung erfasst wird, wurde sie ebenfalls ausgewählt. Die betrachteten
Fehlbildungen werden in Deutschland der Kinderchirurgischen Facharztweiterbildung
zugeordnet und ihre operative Versorgung ist im Facharztkatalog enthalten. Die
Versorgung insbesondere von Dysrhaphien oder komplexen urologischen Fehlbildungen
erfolgt auch durch organspezialisierte Fachgebiete der Erwachsenenchirurgie, wie
Neurochirurgie oder Urologie [8 ]. Da
die Abgrenzung der Fehlbildungen des Kardiovaskulären Systems durch die gesonderte
Facharztweiterbildung „Kinderherzchirurgie“ besteht, wurden angeborene Herzfehler
in
dieser Arbeit nicht analysiert.
Unter Berücksichtigung klinischer Besonderheiten schafft diese Arbeit eine empirische
Grundlage zur Optimierung des Vergütungssystems in Bezug auf den Teilbereich
„korrektive Fehlbildungschirurgie“ innerhalb der „Kinder- und Jugendchirurgie“ bzw.
der geplanten Leistungsgruppe „Spezielle Kinder- und Jugendchirurgie“. Die
Plausibilität von Abrechnungsdaten in Bezug auf die Fallzahlen pro Standort konnte
in vorherigen Studien gezeigt werden [1 ]
[2 ].
Methoden
Die zehn wesentlichen komplexen Fehlbildungen, (1) anorektale Malformation, (2)
Blasenekstrophie, (3) Epispadie, (4) Ösophagusatresie, (5) kongenitale
Zwerchfellhernie, (6) Gallengangsatresie, (7) Gastrochisis, (8) Omphalozele, (9)
Morbus Hirschsprung und (10) Spina bifida, die durch das Fachgebiet Kinder- und
Jugendchirurgie behandelt werden, wurden betrachtet. Für jede dieser Fehlbildungen
wurden Fälle korrektiver Operationen im DRG-System durch die Kombination von
Diagnose (nach ICD-10-GM), Verfahren (nach deutschen Operations- und
Prozedurencodes, OPS) und Alter<18 Jahre definiert ([Tab. 1 ]).
Tab. 1 Operationalisierung der korrektiven Eingriffe der zehn
komplexen Fehlbildungen im G-DRG System nach Diagnosen (kodiert nach der
International Classification of Diseases, 10th Revision,
German Modification, ICD-10-GM) und Operationsverfahren (kodiert nach
dem Operations- und Prozedurenschlüssel OPS).
Fehlbildung
ICD-10 Kodierung der komplexen Fehlbildung
OPS Kodierung des korrektiven Eingriffes
Anorektale Malformation
Q42.0, Q.42.1, Q.42.2, Q.42.3, Q.43.6, Q.43.7, Q.52.2
5–495
Blasenekstrophie
Q64.1
5–578.70
Epispadie
Q64.0
5–644, 5–584.9
Gallengangsatresie
Q44.2, Q44.3
5–512.4, 5–504
Gastroschisis
Q79.3
5–537
Morbus Hirschsprung
Q43.1
5–484, 5–455, 5–456, 5–482.90, 5–482.a, 5–482.b0
Ösophagusatresie
Q39
5–428.0, 5–428.1, 5–428.2, 5–428.3, 5–428.5, 5–428.7, 5–424,
5–426, 5–427, 5–438
Omphalozele
Q79.2
5–537
Spina bifida
Q05
5–036
Angeborene Zwerchfellhernie
Q79.0
5–538
In den Krankenhausabrechnungsdaten[1 ]
mit Aufnahme und Entlassung in den Jahren 2020, 2021 und 2022 wurden alle Fälle
identifiziert, bei denen eine Korrekturoperation für mindestens eine der zehn
komplexen Fehlbildungen bei PatientInnen im Alter unter 18 Jahren durchgeführt
wurde, und gemäß des DRG-Systems aus dem Jahr 2022 gruppiert.
Die den betrachteten Fällen zugehörigen RGs und ihre Verteilung wurden durch
Mittelwert, Perzentile und Summe der RGs innerhalb der Gruppen jeder einzelnen
Fehlbildung, sowie als Anteil der Fälle an der Gesamtheit dieser zehn Fehlbildungen
dargestellt. Für jede Gruppe dieser zehn Fehlbildungen wurde die Streuung anhand des
5%–95% Referenzbereichs angegeben. ([Tab.
2 ], [Abb. 1 ]).
Abb. 1 Verteilung der Relativgewichte (ohne Pflege) aller stationären
Behandlungsfälle im Rahmen von Korrekturoperation der zehn komplexen
Fehlbildungen aus den Jahren 2020, 2021 und 2022. (Fälle mit Aufnahme und
Entlassung in den Jahren 2020, 2021 und 2022, gruppiert nach DRG-Grouper
2022).
Tab. 2 Durchschnittliche jährliche Fallzahlen der
Korrekturoperationen komplexer Fehlbildungen, durchschnittlicher CM der
Korrekturoperationen pro Fehlbildung für den Zeitraum 2020 bis 2022,
sowie Relativgewichte (ohne Pflege) der Krankenhausaufenthalte für die
Korrekturoperation der zehn komplexen Malformationen im Kindesalter und
ihre Streuung (Fälle mit Aufnahme und Entlassung in den Jahren
2020–2022, gruppiert nach 2022). Anzahl der partizipierenden
Krankenhäuser pro Fehlbildung von 2020–2022.
Fehlbildung
Durchschnittliche Fallzahl der Korrekturoperation pro Jahr aus
den Jahren 2020–2022 (und Anteil an der Gesamtfallzahl)
Durchschnittlicher CM pro Fehlbildung pro Jahr aus den Jahren
2020–2022 (und Anteil an dem Gesamt-CM)
Anzahl der partizipierenden Krankenhäuser pro Fehlbildung von
2020- bis 2022
CMI
5. Perzentile der RG
10. Perzentile der RG
20. Perzentile der RG
50. Perzentile der RG
80. Perzentile der RG
90. Perzentile der RG
95. Perzentile der RG
Anorektale Malformation
319 (22,3%)
3235,768 (10,7%)
109
3,381
1,063
1,631
1,861
1,861
3,768
4,049
7,064
Blasenekstrophie
25 (1,7%)
375,491 (1,2%)
15
5,074
2,631
3,009
4,250
4,466
4,782
5,888
10,682
Epispadie
36 (2,5%)
246,679 (0,8%)
24
2,305
1,159
1,159
1,426
1,426
4,466
4,466
4,466
Gallengangsatresie
68 (4,8%)
2298,064 (7,6%)
15
11,265
4,049
4,245
5,545
8,593
19,205
21,913
26,723
Gastrochisis
121 (8,4%)
2540,632 (8,4%)
92
7,018
2,631
2,631
3,222
4,785
11,501
12,302
18,225
Morbus Hirschsprung
163 (11,4%)
1987,528 (6,6%)
88
4,064
3,064
3,064
3,064
3,635
3,865
4,049
8,593
Ösophagusatresie
203 (14,2%)
8405,839 (27,8%)
103
13,780
4,924
6,299
7,811
9,667
18,629
26,402
37,277
Omphalozele
127 (8,9)
2325,653 (7,7%)
95
6,104
1,102
2,046
2,631
4,049
8,561
12,302
19,831
Spina bifida
187 (13,1%)
2389,283 (7,9%)
89
4,259
1,666
1,666
2,299
2,885
4,146
8,149
11,398
Angeborene Zwerchfellhernie
180 (12,6%)
6447,908 (21,3%)
78
11,918
2,883
2,883
4,049
11,377
16,039
21,904
30,554
DRGs, die gemäß der Gruppierung des Jahres 2022 mindestens zehnmal verwendet wurden,
wurden mit dem zugehörigen RG, Anzahl der Fälle und Bezeichnung gegenübergestellt
(Tabelle 3 ).
Die diese Fälle entlassenden Standorte wurden nach dem jährlichen Durchschnitt der
Fallzahlen aus den Jahren 2020, 2021 und 2022 kategorisiert ([Abb. 2 ]). Als Hochvolumenkrankenhäuser
(HVK) wurden entlassende Standorte mit mindestens 10 Korrekturoperationen pro
Fehlbildung, als Mittelvolumenkrankenhäuser (MVK) mit mindestens 5 aber weniger als
10 Korrekturoperationen pro Fehlbildung, als Niedrigvolumenkrankenhäuser (NVK) mit
mindestens 1 aber weniger als 5 Korrekturoperationen oder extreme
Niedrigvolumenkrankenhäuser (eNVK) mit mehr als 0 aber weniger als 1
Korrekturoperation klassifiziert. Der Begriff „Hochvolumenkrankenhaus“ gilt hier
relativ betrachtet zu den ansonsten sehr niedrigen standortbezogenen Fallzahlen und
sollte nicht als ein, für die qualitativ hochwertige Versorgung der entsprechenden
Fehlbildung, ausreichender Schwellenwert betrachtet werden. Jeder Standort, an dem
mindestens eine der zehn betrachteten Korrekturoperationen mindestens einmal in dem
abgefragten Zeitraum durchgeführt wurde, wurde als „partizipierendes Krankenhaus“
gezählt ([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Durchschnittliche jährliche Fallzahl pro Standort, ermittelt
aus den Jahren 2020, 2021 und 2022 für die Korrekturoperationen von zehn
verschiedenen komplexen Fehlbildungen.
Ergebnisse
In den Jahren 2020, 2021 und 2022 wurden im Durchschnitt jährlich insgesamt 1429
Korrekturoperationen für alle der ausgewählten komplexen Fehlbildungen zusammen
durchgeführt. Innerhalb dieser Fallzahl an Korrekturoperationen bilden die
anorektalen Malformationen mit 22% aller Fälle die größte Gruppe, gefolgt von
Ösophagusatresie (14%), Spina bifida (13%), kongenitaler Zwerchfellhernie (13%) und
Morbus Hirschsprung (11%).
Die durchschnittliche jährliche Summe der RGs aller Fehlbildungen war 10 084, was
einem durchschnittlichen RG pro Fall (CMI) von 7,057 entspricht. ([Tab. 1 ]). Während die Fallzahlen als
Durchschnittswerte pro Jahr aus drei Jahren angegeben werden, wurden die RG im
Folgenden jeweils akkumuliert über drei Jahre betrachtet.
Den höchsten Anteil an der Gesamtsumme der RGs für den betrachteten
Dreijahreszeitraum aller Fehlbildungen (30 252,846) bildeten die
Korrekturoperationen der Ösophagusatresie (8405,839; 28%), gefolgt von kongenitalen
Zwerchfellhernien (6447,908; 21%) und anorektalen Malformationen (3235,768; 11%).
Insbesondere beim jeweils 95. Perzentil der RG unterschieden sich die
Korrekturoperationen je nach Fehlbildung untereinander erheblich ([Abb. 1 ] und [Tab. 2 ]).
Innerhalb jeder Fehlbildung unterlagen die RG einer großen Streuung mit dem
breitesten Streuungsbereich für die Korrekturoperationen der Ösophagusatresie und
der kongenitalen Zwerchfellhernie (RG-Differenz von 32,353 bzw. 27,671 zwischen dem
5. und 95. Perzentil). Für fast alle Fehlbildungen ist der höchste Anstieg der RGs
zwischen dem 80. und 90. Perzentil zu finden, d. h. 10–20% der Fehlbildungen sind
besonders aufwendig.
Die Darstellung der häufigsten DRGs innerhalb einer Fehlbildung zeigt zwei Typen von
Eingruppierungen der Behandlungsfälle: (1.) Fälle, die einer DRG spezifisch für die
Korrekturoperation der Fehlbildung zugeordnet sind und (2.) Fälle, die einer DRG
spezifisch für die Dauer der invasiven Beatmung in Zusammenhang mit einem operativen
Eingriff zugeordnet sind. Während für Ösophagusatresie, kongenitale
Zwerchfellhernie, Gastrochisis und Omphalozele häufiger eine DRG im Zusammenhang mit
der invasiven Beatmung verwendet wurde, ist bei Gallengangsatresie, anorektaler
Malformation, Morbus Hirschsprung, Spina bifida, Epispadie und Blasenekstrophie
häufiger eine operationsspezifische DRG gewählt worden (Supplement 1 ).
Während des Zeitraums der drei betrachteten Jahre nahmen 158 Standorte (gemäß der
pseudonymisierten Standort-ID) an der Versorgung der jährlich durchschnittlich 1429
Korrekturoperationen teil ([Abb.
2 ]).
Es gab 4 Hochvolumenkrankenhäuser (HVK) für anorektale Fehlbildungen, 3 für Spina
bifida, 2 für angeborene Zwerchfellhernien und jeweils eines für Blasenekstrophien,
Epispadien, Gallengangsatresien und Morbus Hirschsprung. Es gab kein HVK für
Gastrochisis, Omphalozele oder Ösophagusatresie ([Abb. 2 ]).
Ein einziger Standort wurde als HVK für die Korrekturoperation von drei verschiedenen
Fehlbildungen eingestuft, einer als HVK für Korrekturoperation von zwei
verschiedenen Fehlbildungen und weitere acht Standorte als HVK für
Korrekturoperation jeweils einer einzigen Fehlbildung ([Abb. 2 ]).
Eine durchschnittliche jährliche Fallzahl von mindestens 5 aber weniger als 10
Korrekturoperationen pro Fehlbildung (kategorisiert als Mittelvolumenkrankenhaus,
MVK) wurde von 18 Krankenhäusern für anorektale Fehlbildungen, von acht
Krankenhäusern für Spina bifida, von sieben für Ösophagusatresie und von fünf
Krankenhäusern für angeborene Zwerchfellhernie erreicht. Es gab vier MVKs für
Gallengangsatresie und drei für Morbus Hirschsprung und Omphalozele. Es gab ein MVK
für die Korrekturoperation von Gastrochisis ([Abb. 2 ]).
Eine durchschnittliche jährliche Fallzahl von mindestens 5 Korrekturoperationen (HVK
und/oder MVK) wurde von einem Standort für sechs der Fehlbildungen, von zwei
Standorten für fünf der Fehlbildungen, von drei Standorten für drei der
Fehlbildungen, von zwölf Standorten für zwei der Fehlbildungen und von 13
Krankenhäusern für eine der Fehlbildungen erfüllt ([Abb. 2 ]).
127 (80%) der 158 Standorte erreichten für keine der Fehlbildungen eine
durchschnittliche jährliche Fallzahl von 5 Korrekturoperationen. 56 (35%) der
Standorte waren extrem Niedrigvolumenkrankenhäuser (eNVKs) für die
Korrekturoperation aller abgefragten Fehlbildungen ([Abb. 2 ]). Einschränkend wird darauf
hingewiesen, dass der entlassende Standort in sehr seltenen Einzelfällen nicht der
die Operation durchführende Standort gewesen sein muss, sofern das Kind an einem
Krankenhaus mit mehreren Standorten innerhalb desselben Behandlungsfalles von einem
an einen anderen Standort dieses Krankenhauses verlegt wurde.
Diskussion
Das Fachgebiet Kinder- und Jugendchirurgie zeichnet sich durch eine beispiellose
Diversität der zu behandelnden Pathologien aus, welche alle Organsysteme,
ausgenommen des kardiovaskulären Systems betreffen, mit der einzigen Gemeinsamkeit,
dass PatientInnen sich im Alter unter 18 Jahren befinden [8 ]. Für die differenzierte Abbildung
dieser breiten Diversität wurde nun vom Krankenhaustransparenzgesetz durch die
getrennten Leistungsgruppen „Kinder- und Jugendchirurgie“ sowie „Spezielle Kinder-
und Jugendchirurgie“ ein Rahmen angelegt. Eine Regelung, wie die Inhalte dieser
Leistungsgruppen definiert und festgelegt werden, ist für das derzeit in Beratung
befindliche Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) vorgesehen. Zu dieser
Beratung soll der vorliegende Artikel insbesondere mit dem Ziel der Verbesserung des
Vergütungssystems einen wissenschaftlichen Beitrag leisten.
Die seltenen Eingriffe der Fehlbildungschirurgie heben sich, gemeinsam mit den
ebenfalls seltenen kinderonkologischen Eingriffen, in Bezug auf den Ressourcenbedarf
und die klinische Komplexität, deutlich von dem Spektrum der „allgemeinen
Kinderchirurgie“ ab, mit einem bisherigen berechneten mittleren CMI von 0,695 [7 ].
Die Korrekturoperationen, der in dieser Arbeit ausgewählten zehn Fehlbildungen,
bilden nahezu das gesamte Spektrum der besonders komplexen korrektiven
Fehlbildungschirurgie ab, sodass diese Auswahl sowohl eine dem Vorhalteaufwand und
dem DRG-Erlös-Profil als auch der besonderen Situation der Seltenheit dieser
Eingriffe entsprechende homogene Gruppe bildet. Gerade aufgrund dieser
Gemeinsamkeiten werden die genannten Leistungen in der vorliegenden Arbeit als eine
gesonderte Leistungsgruppe „korrektive Fehlbildungschirurgie“ betrachtet [1 ]
[2 ]. Die in dieser Arbeit nicht
betrachteten kinderonkologischen Eingriffe sollten in Zukunft einer ähnlichen
Betrachtung unterzogen werden.
Analog wurde bereits für den vergleichbar komplexen und planbaren Bereich der
Kinderherzchirurgie (mit einem nach NRW-Modell mittleren CMI von 8345 und einer
jährlichen Fallzahl von ca. 3000) eine eigene Leistungsgruppe geschaffen (Nummer 22
der Anlage 1 zu § 135d SGB V) [7 ].
Die in dieser Arbeit jährlich durchschnittlich 1429 erfassten Korrekturoperationen
von angeborenen Fehlbildungen ergaben einen CM von 10 084 für diesen
Leistungsbereich, was innerhalb der hypothetischen Leistungsgruppe „korrektive
Fehlbildungschirurgie“ einen CMI von 7,057 ergibt, der sich stark an die
Ressourcenintensität der Leistungsgruppe „Kinderherzchirurgie“ (8,345) annähert
[7 ].
Wenn Leistungen der komplexen Fehlbildungschirurgie mit ihrer meist deutlich höheren
Vergütung nur selten an einem Standort erbracht werden, an dem sonst vorwiegend
Leistungen der weniger aufwändigen Kinder- und Jugendchirurgie erbracht werden, kann
ein Vergütungsungleichgewicht entstehen. Das könnte ein Problem darstellen, weil die
besondere Vergütung der Fehlbildungschirurgie durch fehlbildungsspezifische und
ressourcenintensive Vorhaltungen begründet ist [9 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]. So erfordert beispielsweise die
korrigierende Operation der Ösophagusatresie das Vorhalten einer spezialisierten
Endoskopieeinheit für Neugeborene mit Expertise zur Durchführung einer Bronchoskopie
und Ösophagoskopie mit ggf. endoskopischem Komplikationsmanagement [11 ]. Standorte, an denen diese
Leistungen ohne Planungssicherheit und nur im Rahmen von Gelegenheitsversorgung
erbracht werden, können die für einzelne komplexe Fehlbildungen notwendigen
strukturellen Anforderungen nicht kostendeckend vorhalten. Da solche Leistungen in
diesen Situationen dann i.d.R. trotzdem erbracht werden, könnte dies zu Lasten der
Qualität der Versorgung gehen [13 ]
[14 ]
[15 ]
[16 ]. Eine Limitation dieser Arbeit ist,
dass keine Stratifizierung nach assoziierten Fehlbildungen oder niedrigem
Geburtsgewicht durchgeführt wurde. Somit kann keine Aussage über die, über die
Fehlbildung hinausgehende Komplexität der Fälle korrektive Fehlbildungschirurgie
gemacht werden.
Für alle untersuchten Fehlbildungen zeigte sich die Versorgungslandschaft stark
fragmentiert: 127 Standorte, welche für keine der Korrektureingriffe eine
durchschnittliche mindeste jährliche Fallzahl von 5 erfüllten, erbringen solche
komplexen und vorhalteintensiven Leistungen. Vor dem Hintergrund hoher Schwankungen
der Fallschwere und Vergütung und der dadurch abgebildeten erhöhten
Ressourcenintensität im Vergleich zu dem verbleibenden Spektrum der sonstigen
Kinder- und Jugendchirurgie und der extrem niedrigen Fallzahlen stellt die Teilnahme
von diesen Standorten an der Versorgung der komplexen Fehlbildungen ein finanzielles
Risiko für die wirtschaftliche Einheit dar.
Der höchste Anteil des CM für einzelne Fehlbildungen am Gesamt-CM des hypothetischen
Leistungsbereiches „korrektive Fehlbildungschirurgie“ wird durch die
Korrekturoperation der Ösophagusatresie (CM 8405,839; 28%) verursacht bei
gleichzeitig höchstem CMI (13 780), gefolgt von der angeborenen Zwerchfellhernie (CM
6447,908; 21%) mit einem CMI von 11 918 ([Tab. 2 ]). Beide Fehlbildungen wiesen auch die höchsten Schwankungen der
RGs mit einer RG-Differenz 32,353 bzw. 27,671 zwischen dem 5. und 95. Perzentil auf
([Abb. 1 ]). Gleichzeitig stellt
sich aber die Versorgunglandschaft – beispielsweise für die Ösophagusatresie – mit
dem gänzlichen Fehlen eines HVK und bundesweit nur 7 MVK (4,4% der partizipierenden
Krankenhäuser) als extrem fragmentiert dar. Für die korrektive Chirurgie der
angeborene Zwerchfellhernie sind 71 der 78 (91%) partizipierenden Kliniken als NVK
oder extrem-NVK eingestuft worden.
Der dritthöchste CMI fand sich bei der Gallengangsatresie mit 11,265 bei einer hohen
Streuung von 22,674 RGs von der 5.–95. Perzentile. Auch hier zeigte sich die
Versorgungssituation mit nur einem HVK von 15 (6%) unangemessen dezentral.
Das finanzielle Risiko einer Mindervergütung der Standortindividuellen Kosten bei
dauerhafter Vorhaltung aller für die Vergütung vorausgesetzten Ressourcen bei
gleichzeitig zu seltener Leistungserbringung ist somit für diese drei Fehlbildungen
am höchsten.
Gastrochisis und Omphalozele ähneln sich in ihrer Inzidenz, ihrem Schwankungsbereich
der RG und dem CMI von 7,018 bzw. 6,104. Sie fallen ebenfalls beide durch eine
extrem dezentrale Versorgungslandschaft auf. Nur eine von 92 (>1%)
partizipierenden Krankenhäusern erreicht eine Fallzahl von mindestens fünf
korrektiven Eingriffen für Gastrochisis und drei Standorte von 103 (ca. 3%)
partizipierenden Krankenhäusern für Omphalozele.
Anorektale Malformationen machten trotz eines vergleichsweise niedrigeren CMI von
3,381 den drittgrößten Anteil von dem Gesamt-CM aus, was der relativen Häufigkeit
dieser Fehlbildung und Korrekturoperationen geschuldet ist. Die geringsten CMI und
die geringste Streuung zeigen sich für anorektale Malformationen, Morbus
Hirschsprung, Blasenekstrophie, Epispadie und Spina bifida. Die in der Streuung als
Dichotomisierung der RG wahrgenommene Verteilung für die Epispadie resultiert
daraus, dass einige dieser Fälle Patienten mit isolierter Epispadie und andere
Patienten mit gleichzeitiger Blasenekstrophie einschließen. Epispadie und
Blasenekstrophie sollten daher zur Strukturplanung als ein Spektrum und nicht als
separate Entitäten betrachtet werden.
Neben der dezentralen Versorgungslandschaft für die jeweils einzelnen Fehlbildungen,
zeigte sich außerdem eine fehlende Fallhäufung der Kombinationen von
Korrekturoperationen unterschiedlicher Fehlbildungen. 31 Standorte erbrachten für
mindestens eine dieser Fehlbildungen mindestens 5 (MVK oder HVK) komplexe
Korrektureingriffe. Dreizehn dieser Standorte erfüllten diese Fallzahlen nur für
eine einzige Fehlbildung, zwölf weitere dieser Standorte für zwei Fehlbildungen.
Somit waren 25 dieser Standorte NVK oder extrem-NVK für verbleibende 8 oder 9
Fehlbildungen.
Insbesondere aufgrund der finanziellen Risiken für Gelegenheitsversorger und aufgrund
des in der Literatur nachgewiesenen Fehlanreizes, bei zu geringem Jahreserlös (durch
seltene Leistungserbringung) dann auf die Vorhaltung der eigentlich notwendigen aber
kostenintensiven Strukturvorhaltungen zu verzichten [13 ]
[14 ]
[15 ]
[16 ], schlagen die Autoren die
Konzentrierung der komplexen korrektiven Fehlbildungschirurgie auf eine eigene
Leistungsgruppe vor. Die in der vorliegenden Arbeit analysierte „komplexe
Fehlbildungschirurgie“ könnte beispielsweise inhaltlicher Gegenstand, der durch das
Transparenzgesetz angelegten aber im Leistungszuschnitt bisher noch nicht
ausgestalteten Leistungsgruppe „Spezielle Kinder- und Jugendchirurgie“ werden. Dabei
steht für die Definition der Zugehörigkeit zum Leistungsbereich nicht die Erkrankung
im Vordergrund, sondern die Komplexität und Planbarkeit der Behandlung. Durch diese
Zuordnung zu einer fokussierten Leistungsgruppe wird nicht nur eine deutlich
ausgewogenere Vergütungsstruktur erreicht, sondern womöglich auch bereits eine
Verbesserung der Qualität durch Zentralisierung der Leistungserbringung. Eine
zusätzliche Fehlbildungsspezifische Fallzahlgesteuerte Qualitätssicherung, z. B.
über eine Mindestmengenfestlegung nach § 136b SGB V erscheint aufgrund der insgesamt
niedrigen Inzidenzen sinnvoll.
Über die empfehlenswerte Konzentrierung der komplexen Fehlbildungschirurgie an
wenigen Standorten durch eine entsprechende Zuordnung zur Leistungsgruppe „Spezielle
Kinder- und Jugendchirurgie“ hinausgehend, wäre es zudem sinnvoll, dass sich
einzelne Standorte auf bestimmte Fehlbildungsgruppen spezialisieren und nicht alle
Kliniken alle Fehlbildungen der Leistungsgruppe „Spezielle Kinder- und
Jugendchirurgie“ versorgen. Es besteht keine medizinische Notwendigkeit,
Korrektureingriffe für zahlreicher Fehlbildungen im selben Krankenhaus anzubieten.
Gerade hier können perspektivisch auch ausgewählte Mindestmengenregelungen
unterstützen. Die Verteilung von Expertise und Konzentration korrektiver Chirurgie
einzelner Fehlbildungen auf unterschiedliche Standorte würde auch durch den Umstand
erleichtert, dass die Versorgung verschiedener komplexer Fehlbildungen durchaus die
Vorhaltung eingriffsspezifischer unterschiedlicher Ressourcen, wie
Endoskopieeinheiten, extracorporale Membran Oxygenation (ECMO) oder spezialisiertes
Personal wie SchlucktherapeutInnen, AtemtherapeutInnen und BeckenbodentherapeutInnen
erfordert.
Standorte, die MVK oder HVK für ausgewählte Fehlbildungen sind, könnten von einer
Konzentration der Ressourcen auf eine spezifische Fehlbildung durch eine erhöhte
finanzielle Planungssicherheit profitieren.
Fazit
Die Ressourcenintensität des Bereiches „korrektive Fehlbildungschirurgie“
unterscheidet sich deutlich von der sonstigen Kinder- und Jugendchirurgie. Das
Vorhalten von Fehlbildungschirurgie-spezifischen Ressourcen führt im Bereich der
Gelegenheitsversorgung zu einem Vergütungsungleichgewicht. Das DRG-Vergütungssystem
ließe sich bezüglich der Abbildung dieser planbaren komplexen Eingriffe durch die
entsprechende fokussierte Definition der Leistungsgruppe „spezielle Kinder- und
Jugendchirurgie“ mittelbar deutlich verbessern.
In der aktuellen Versorgungslandschaft mit einer hohen Anzahl von
Gelegenheitsversorgern sowohl in Bezug auf die Korrekturoperationen der jeweiligen
zehn Fehlbildungen, wie auch die Gesamtheit der Korrekturoperationen der
Fehlbildungen kann über das Fallpauschalen System keine sichere finanzielle Planung
ermöglicht werden. Dies hat auch Auswirkungen auf die Qualität der Versorgung.