Zusammenfassung
Zur Behandlung von Harnwegsinfektionen werden in der klinischen Praxis häufig
Mischungen verschiedener Drogen verwendet. Eine in Deutschland weit verbreitete
Standardzulassung „Blasen- und Nierentee I“ enthält u. a. Birkenblätter,
Queckenwurzel, Riesengoldrutenkraut und Hauhechelwurzel. Ein Teeaufguss aus
dieser Vierer-Drogenmischung ergab nach Gefriertrocknung den „kombinierten
Extrakt“. Zusätzlich erfolgte aber auch eine separate Extraktion der 4 Drogen zu
4 Einzelextrakten, die nach Gefriertrocknung zum „separaten Extrakt“
zusammengemischt wurden. Keiner der beiden Extrakte beeinflusste die
Proliferation von uropathogenen E. coli (Stamm UPEC-UTI89) und auch nicht
die Viabilität von T24-Blasenzellen. Allerdings verringerte der „kombinierte
Extrakt“ die Bindungsfähigkeit der Typ-1-Fimbrien des UPEC-Isolats CFT073 an
T24-Blasenzellen signifikant. Diese Organellen von UPEC dienen u. a. der
spezifischen Erkennung von Oberflächenstrukturen mit Mannoseresten auf den
Wirtszellen und der damit verbundenen Anheftung der Bakterien an die Wirtszelle.
Eine inhibierende Wirkung auf diese Pathogen-Wirt-Interaktion wurde lediglich
für den kombinierten, nicht jedoch für den separaten Extrakt beobachtet. Die
analytische Untersuchung beider Extrakte mittels LC-MS und weitere Bioassays
zeigten, dass eine Reihe von malonylierten und acetylierten Dammaran-Triterpenen
aus Birkenblättern in dem aktiven Extrakt angereichert waren.
Der „separate Extrakt“ hingegen enthielt nur geringe Mengen dieser Triterpene.
Extraktionsexperimente mit binären Mischungen aus jeweils lediglich 2 Drogen
zeigten, dass die malonylierten Triterpene aus Birkenblättern nur in Gegenwart
von Riesengoldrutenkraut angereichert wurden. Unter Verwendung spezifischer
quantitativer Adhäsionsversuche mit humanen Blasenzelllinien und UPEC konnte
gezeigt werden, dass der kombinierte Extrakt sowie eine mit Dammaranen
angereicherte Fraktion (DEF) signifikante antiadhäsive Wirkungen gegenüber UPEC
auslösten. Dies konnte auch in einem weiteren Testsystem unter Verwendung
3-dimensionaler RT4-Blasenepithelzell-Sphäroide belegt werden. Untersuchungen
mittels qPCR zeigten, dass die mit DEF inkubierten Bakterien eine signifikante
Herunterregulierung der Expression von Typ-1-Fimbriengenen aufwiesen, was mit
einer verringerten Typ-1-Fimbrien-Bildung der Bakterien einhergeht. Gleichzeitig
wurde auch eine stark erhöhte Motilität der behandelten Bakterien beobachtet. Im
Prinzip bedeutet dies, dass durch die Triterpenfraktion aus Birkenblättern, die
bei gleichzeitiger Anwesenheit von Riesengoldrutenkraut verbessert extrahiert
wird, der Mechanismus zum Aufbau der bakteriellen Typ-1-Fimbrien inhibiert wird,
was wiederum zu einer verminderten bakteriellen Adhäsion an Blasen- und
Nierenzellen und damit auch zur reduzierten Infektion des Urothels führt.
Parallel findet ein Wechsel von der statisch-adhäsiven zur motilen Lebensweise
statt. Die Daten bieten eine gute Grundlage zur Rationalisierung komplexer
Teemischungen im Sinne einer verbesserten Extraktion wirksamer Inhaltsstoffe.
Sie erklären darüber hinaus, warum solche komplex zusammengesetzten Tees
durchaus sinnvoll in der klinischen Praxis bei unkomplizierten
Harnwegsinfektionen eingesetzt werden können.
Abstract
Mixtures of different herbal materials are often used in clinical practice to
treat urinary tract infections. A widely used complex standard formulation in
Germany, “Bladder and Kidney Tea I”, contains birch leaves, couch grass root,
giant goldenrod and hay root, among others. A tea infusion of this herbal
mixture of four produced a “combined extract” after freeze-drying. However, the
four herbal materials have been additionally extracted separately to produce
four individual extracts, which were mixed together after freeze-drying to form
the “separate extract”. None of both extracts affected the proliferation of
uropathogenic E. coli (strain UPEC strain UTI89) nor the viability of
human T24 bladder cells. However, the “combined extract” significantly reduced
the activity of type 1 fimbriae of UPEC isolate CFT073. Typ 1 fimbriae serve for
the specific recognition of mannosylated surface structures of the target cells
and especially the adhesin subunit FimH is associated with the attachment of the
bacteria to host cells. An inhibitory effect on this pathogen-host interaction
was only observed for the “combined extract”, but not for the “separate
extract”. Analytical examination of both extracts by LC-MS and further bioassays
indicated significant enrichment of malonylated and acetylated dammarane
triterpenes from birch leaves in the active extract.
The “separate extract”, on the other hand, contained only small amounts of these
triterpenes. Extraction experiments with binary mixtures of only two herbal
materials showed that the malonylated triterpenes from birch leaves were only
enriched in the presence of Solidago gigantea . Using specific
quantitative adhesion tests with human bladder cell lines and UPEC, it was shown
that the combined extract and a fraction enriched with dammaranes (DEF) induced
significant antiadhesive effects against UPEC. This was also demonstrated in an
advanced test system using 3-dimensional RT4 bladder epithelial cell spheroids.
qPCR studies indicated that bacteria, incubated with DEF, had a significant
down-regulation of the expression of type 1-fimbrial genes, which interferes
with fimbriae expression and assembly on the bacterial surface. At the same
time, a strongly increased motility of the treated bacteria was also observed.
In principle, this means that the triterpene fraction from birch leaves, which
is better extracted in the presence of giant goldenseal, inhibits the bacterial
machinery for the formation of bacterial type 1 fimbriae, which in turn leads to
reduced adhesion to bladder and kidney cells and thus also to reduced infection
of the urothelium. in parallel a switch from an adhesive-static to a motile
lifestyle can be observed for the bacteria. The data provide a good basis for
rationalising complex herbal mixtures in terms of improved extraction of
effective ingredients. However, they also explain why such complex extracts can
be used in clinical practice for uncomplicated urinary tract infections.