Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2024; 31(06): 265
DOI: 10.1055/a-2379-9860
Editorial

Einblicke in das Expeditionsbergsteigen

Natalie Hölzl
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Dr. Natalie Hölzl

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Jahr neigt sich dem Ende zu und nach einem – zumindest im Allgäu – herrlich goldenem Herbst habe ich die Ehre, das letzte Editorial dieses Jahres verfassen zu dürfen.

Vor einiger Zeit wurde unterhalb der Nordwand des Mount Everest ein Bergstiefel mit Leichenteilen und einer Socke gefunden. Nun sind Leichenfunde am Everest leider ein Teil des dortigen Bergsteigens, da diese oft nicht direkt oder überhaupt abtransportiert werden können. Besonders an dem Fundstück ist aber eine liebevoll eingepflegte Stickerei in den Strumpf mit den Initialen des vermutlichen Besitzers Andrew Irvine. „Sandy“ Irvine hat vor genau 100 Jahren im Juni 1924 zusammen mit George Mallory (dessen Leichnam 1999 gefunden und identifiziert werden konnte) eine Expedition zum Mount Everest unternommen – dieser war bislang unerklommen. Ob die beiden jemals am Gipfel ankamen oder wie weit ihre damalige Expedition vordringen konnte, das ist bis heute nicht sicher bekannt. Vielleicht kann der Fund des Schuhs weitere Erkenntnisse liefern?

Der Mount Everest ist nicht der einzige Berg, an dem Fundstücke aus vergangenen Jahren neue Einblicke in die Geschichte geben können. In der Zeit vor digitalem Social Media, GPS-Tracking und Smartphone-Livestreams fand die Dokumentation von Expeditionsbergsteigen in Büchern und bestenfalls mit Kamera und Filmrolle statt. Die Entdeckung selbiger ist aber ein eigenes Abenteuer und stellen Sie sich die Freude und Aufregung vor, wenn nach Dekaden Schrift oder Kameramaterial aufgefunden wird. Wird dann die Geschichte neu geschrieben?

Und wo befinden wir uns heute? Ist das Abenteuer des Expeditionsbergsteigens noch dasselbe? Ist es immer noch eine Frage der persönlichen physischen und psychischen Leistungsfähigkeit, des „geborenen“ Alpinisten? Oder ist es eine Frage des Geldes?

Dank neuer Technologien, wissenschaftlicher Erkenntnisse und technischen Hilfsmitteln ist das Höhenbergsteigen viel mehr Menschen zugänglich. Die abenteuerliche Expedition gibt es immer noch, aber anders! Die Präakklimatisierung kann schon im heimischen Gefilde beginnen, „Rapid-Ascent-Strategien“ fließen in neue Geschwindigkeitsrekorde ein, dennoch darf man anmerken, dass eine kürzere Aufenthaltsdauer in großen Höhen und somit eine kürzere Exposition gegenüber Kälte, Hypoxie, Höhe und Umwelteinflüssen das Bergsteigen sicherer macht.

Um mehr über die medizinische Seite des Höhenbergsteigens zu erfahren, verweise ich auf den Übersichtsartikel von Plazikowski und Tannhof „Eine Einführung zum Thema Höhen- und Expeditionsmedizin“.

Und wer Lust bekommen hat, in dieses Gebiet mehr hineinzuschnuppern, ist auf unseren Fortbildungen und Kursen sehr herzlich willkommen, einen Einblick in die Ausbildung zum Diploma in Expedition and Wilderness Medicine finden Sie im Magazin.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Euch eine harmonische, friedliche und fröhliche Weihnachtszeit, viel fluffigen Pulverschnee unter den frisch gewachsten Latten und einen traumhaften Start in ein glückliches und gesundes 2025!



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
04. Dezember 2024

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