Zusammenfassung
Hintergrund Die Selbstbestimmung im Leben und Sterben ist Ausdruck der Autonomie des Menschen. Der Wunsch nach Sterbehilfe kann Ausdruck der Selbstbestimmung sein. Die Überlegungen, die einen Menschen dazu bringen, diesen spezifischen Wunsch zu äußern, können jedoch auf Umständen oder Gründen beruhen, die veränderbar sind.
Fallbericht Ein 36-jähriger Patient befand sich nach mehreren Systemtherapien einschließlich zweimaliger Stammzelltransplantation bei akuter myeloischer Leukämie in einer erneuten Therapie bei zerebralem Rezidiv mit progredienten neurologischen Symptomen. In dieser Situation äußerte der Patient den Wunsch nach Tötung auf Verlangen oder assistiertem Suizid. Der Patient und seine Familie baten das Team der Palliativmedizin um Unterstützung. Der Todeswunsch wurde ernst genommen und war Gegenstand zahlreicher Gespräche. Nach einer multimodalen Behandlung einer agitierten Depression wandelte sich der Todeswunsch des Patienten und wich einem erneuten Lebenswillen. Es konnte in der Folge die kausale orientierte Tumortherapie fortgeführt werden. Hierunter zeigten sich die neurologischen Symptome rückläufig und es kam zu einer Remission, die über 1,5 Jahre lang anhielt.
Schlussfolgerungen Die Autonomie von Patient*innen ist zu respektieren. Wünsche von Patient*innen bedürfen daher einer hohen Wertschätzung. Es bleibt im Hinblick auf die Durchführung medizinischer Maßnahmen jedoch ärztliche Verantwortung abzuschätzen, inwieweit der von Patient*innen geäußerte Wunsch Folge der ihn formenden Umstände ist und inwieweit diese Umstände zum Besseren änderbar sind. Gerade in Bezug auf einen Wunsch nach Therapiebegrenzung oder vorzeitigem Lebensende durch assistierten Suizid ist neben der Freiverantwortlichkeit auch die Frage nach der Nachhaltigkeit eines solchen Wunsches besonders entscheidend für weitergehende Entscheidungen und Handlungen.
Abstract
Context Self-determination in life and death is an expression of personal autonomy. The desire for assisted suicide can be an expression of self-determination. However, the reasoning that leads a person to the expression of this specific desire may be based on circumstances or reasons that are changeable.
Case description A 36-year-old patient was receiving combined modality treatment for cerebral relapse of acute myeloid leukaemia with progressive neurological symptoms after multiple lines of systemic therapy including two stem cell transplants. In this situation, the patient expressed the wish for euthanesia or assisted suicide. The patient and his family asked the palliative care team for support. The wish to die was taken seriously and was the subject of numerous discussions. After multimodal treatment of agitated depression, the patient’s wish to die changed and gave way to a renewed will to live. As a result, the tumour-directed therapy, which had previously been stopped at the patient’s request, was continued. The neurological symptoms decreased, and the patient experienced a remission that lasted for over 1.5 years.
Conclusion Patient autonomy must be respected. Patients’ wishes therefore need to be highly valued. However, concerning medical treatment it remains the responsibility of the physician to assess to what extent the wish expressed by the patient is a consequence of the circumstances that shape it and to what extent these circumstances can be changed for the better. Especially with regard to a wish for therapy limitation or premature death through assisted suicide, the question of the sustainability of such a wish is particularly decisive for further decisions and actions, in addition to an exploration of factors that may impede autonomous self-determination.
Schlüsselwörter
Sterbewünsche - ärztlich assistierter Suizid - Freiverantwortlichkeit - Autonomie
Keywords
death wishes - physician assisted suicide - self-determination - autonomy