Aktuelle Dermatologie 2024; 50(11): 527-536
DOI: 10.1055/a-2316-5700
Tagungsbericht

Dresdner Dermatologische Demonstration 2024 – 16. März 2024[*]

Dresden Dermatology Demonstration 2024 – March 16th, 2024
Gesina Hansel
1   Klinik für Dermatologie und Allergologie, Städtisches Klinikum, Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden, Dresden, Deutschland
,
André Koch
1   Klinik für Dermatologie und Allergologie, Städtisches Klinikum, Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden, Dresden, Deutschland
,
Uwe Wollina
1   Klinik für Dermatologie und Allergologie, Städtisches Klinikum, Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden, Dresden, Deutschland
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Mycosis fungoides im Langzeitverlauf

A. Koch, A. Nojarov

Anamnese Vor ca. 12 Jahren traten bei einer 51-jährigen Patientin erstmals ausgedehnte juckende Hautveränderungen auf, die zu einer stationären Versorgung führten. Hautprobleme wurden seit ca. 15 Jahren angegeben. Klinisch zeigten sich am gesamten Integument erythematöse, infiltrierte Plaques. Die Ohren waren mit betroffen. Bei den Differenzialdiagnosen Psoriasis, Ekzem und Mycosis fungoides (MF) erfolgte eine diagnostische Exzision. Histologisch konnte eine MF vorerst nicht bewiesen werden. Der histologische Befund sprach anfänglich eher für ein Ekzem.

Zwei Jahre später war es möglich, eine entzündlich stark überformte MF auch histologisch zu sichern. Dadurch konnten lymphomspezifische Behandlungsoptionen genutzt werden, die mit Einstellung auf Bexaroten per os im Juli des folgenden Jahres und Interferon-α-2a s. c. im Januar darauf auch zu einer fast vollständigen Abheilung führten. Bexaroten wurde 10 Monate später wegen vermehrter Nebenwirkungen ausgeschlichen, der Hautbefund blieb stabil. Jedoch musste die erfolgreiche Therapie mit Interferon-α-2a wegen Produktionseinstellung des Präparats beendet werden. Es kam in der Folge zu einer erneuten Exazerbation des Hautlymphoms. Topisch wurde Chlormethin-Gel, systemisch Mogamulizumab i. v. eingesetzt. Leider brachte die Behandlung nicht den gewünschten Erfolg und musste schon 6 Monate später beendet werden.

Nach zähen Auseinandersetzungen mit der Krankenkasse zur Kostenübernahme einer Off-Label-Therapie mit dem einzig noch auf dem Markt befindlichen pegylierten Interferon-α konnte diese begonnen werden und zeigte ein promptes Ansprechen mit deutlicher Besserung des Hautbilds und Sistieren des quälenden Juckreizes.

Derzeit erhält die Patientin noch PEG-Interferon 180 µg pro Woche s. c., wobei die Verträglichkeit im Vergleich zum nicht pegylierten Präparat schlechter ausfällt.

Hautbefund Initial sahen wir an den Mammae, submammär, inguinal und axillär ausgedehnte, teils nässende, ausgeprägt bräunlich-erythematöse bis schuppige Plaques ([ Abb. 1 ] und [ Abb. 2 ]).

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Abb. 1 Ausgedehnte entzündliche Plaques der MF vor Therapiebeginn.
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Abb. 2 Unter Therapie mit Interferon-α-2a deutliches Abblassen der Hautveränderungen und Reduktion der Entzündung.

Histologie (HE, Eisen, PAS, Giemsa, CD3, CD4, CD8, CD20, CD30): Es fanden sich mäßige, oberflächlich akzentuierte, gering auch im tieferen Korium nachweisbare perivaskuläre lymphoidzellige Infiltrate mit einzeln eosinophilen Granulozyten und Melanophagen sowie ein koriales Ödem und Gefäßektasien. Die deutlich akanthotisch verbreiterte Epidermis zeigte ausgezogene Reteleisten sowie eine geringe hyper- und herdbetonte Parakeratose mit einzelnen kornealen Serumeinschlüssen ([ Abb. 3 ]). Herdbedingt lag eine leichte, herdbetonte Spongiose bei disseminierten intraepidermalen, teils vergrößerten und gekerbten Lymphozyten vor. Es fand sich ein singulärer Pautrierscher Mikroabszess. Im Stratum papillare beobachteten wir immunhistochemisch das Stuffing von Lymphozyten sowie eine geringe Fibrosierung. Immunhistochemisch fanden sich sowohl intraepidermal als auch korial deutlich mehr CD3+- und CD4+- als CD8+-Lymphozyten, daneben auch vereinzelte koriale CD20+-B-Lymphozyten ([ Abb. 4 ]). CD30 markierte gelegentliche intraepidermale und oberflächlich koriale blastäre Zellen. Die beschriebenen Veränderungen sprechen für eine rezidivierte MF.

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Abb. 3 Histologie der MF mit deutlicher Akanthose und abschnittsweiser Hyperparakeratose (HE × 10).
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Abb. 4 CD3-Markierung der Infiltratzellen mit Betonung der oberen Dermis (CD3-Immunperoxidase × 10).

Laborbefunde Leukopenie 3,59 Gpt/l, ASAT 1,42 µkat/l, LDH 3,63 µkat/l, Gamma-GT 4,92 µkat/l.

Bildgebende Diagnostik Sonografie des Abdomens und der axillären sowie inguinalen LK unauffällig.

Therapie und Verlauf

Methotrexat für 3 Monate
Bexaroten p.o. für 6 Monate
Bexaroten p. o. + Interferon-α-2a s. c.
Interferon-α-2a 3 ×/Woche für 4 Jahre
Exazerbation der MF nach Produktionseinstellung Interferon-α-2a
Mogamulizumab i. v. für 6 Monate, Verschlechterung
3 Monate später PEG-Interferon-α 180 µg 1 ×/Woche bis dato

Kommentar Die Therapie der MF ist stadiengerecht vorzunehmen. Für das Plaque-Stadium stellt die PUVA-Therapie eine geeignete nebenwirkungsarme Option dar [1]. Als systemische Therapie haben sich Interferon-α-2a, Acitretin und Bexaroten bewährt [2]. Gerade Interferon-α-2a stellte eine gute und weitgehend verträgliche Therapiemöglichkeit dar, auch in Kombination mit Retinoiden. Es hat antiproliferative und immunmodulatorische Eigenschaften und kann das Wachstum von Lymphomzellen hemmen, indem es die Zellteilung stoppt und die Apoptose fördert. Darüber hinaus stimuliert es das Immunsystem, um gegen Lymphomzellen vorzugehen, indem es die Aktivität von natürlichen Killerzellen und T-Zellen erhöht [3].

Als neuere Therapieoptionen stehen Mogamulizumab (Poteligeo) und Brentuximab-Vedotin (Adcetris) zur Verfügung. Mogamulizumab ist ein rekombinanter humanisierter Antikörper aus der Gruppe der sog. Checkpointinhibitoren mit antineoplastischer Wirkung, der bei kutanen T-Zell-Lymphomen inkl. dem Sézary-Syndrom eingesetzt wird [4].

Brentuximab ist ein chimärer monoklonaler Antikörper des Subtyps IgG1, der an CD30 bindet. CD30, auch bekannt als TNFRSF8, ist ein Membranprotein, das zur Familie der TNF-Rezeptoren gehört. Es wird von ausschließlich von aktivierten T- und B-Zellen exprimiert [4]. Über Therapieversager bei mehrfach vorbehandelten Patienten liegen Berichte vor [5].

Der Fall zeigt eindrucksvoll die Probleme für den klinisch tätigen Dermatologen und die betroffenen Patienten auf, wenn etablierte Medikamente durch Wegfall von Indikationen (Interferon-α-2a war zur adjuvanten Therapie beim malignen Melanom zugelassen) vom Markt genommen werden.

Literatur

1 Wollina U. Cutaneous T-cell lymphoma: an update on treatment. Int J Dermatol 2012; 51: 1019–1036

2 Schiller M, Tsianakas A, Sterry W et al. Dose-escalation study evaluating pegylated interferon alpha-2a in patients with cutaneous T-cell lymphoma. J Eur Acad Dermatol Venereol 2017; 31: 1841–1847

3 Cerroni L. Mycosis fungoides-clinical and histopathologic features, differential diagnosis, and treatment. Semin Cutan Med Surg 2018; 37: 2–10

4 Latzka J, Assaf C, Bagot M et al. EORTC consensus recommendations for the treatment of mycosis fungoides/Sézary syndrome – Update 2023. Eur J Cancer 2023; 195: 113343

5 Wollina U, Hansel G, Zschuppe E et al. Pegylated liposomal encapsulated doxorubicin and brentuximab vedontin in stage IIB mycosis fungoides – a case report. Rom J Clin Exp Dermatol 2017; 4: 126–128


* Vorsitz: Dr. Andrè Koch
Berichterstatter: Frau Dr. Gesina Hansel, Dr. André Koch, Prof. Dr. Uwe Wollina
Histopathologie: Frau Dr. Jacqueline Schönlebe
Plenarvorträge: Sabine Hundt, Freiberg: Ernährung bei Neurodermitis – Mythen und Fakten
Dr. Olaf Nestler, Dresden: Wenn der Rheumatologe auf die Haut schaut
Andreas Lachnit, Dresden: Medizinischer Kinderschutz auch für Dermatologen relevant?
Prof. Dr. Thomas Kremer, Leipzig: Moderne Entwicklungen in der Verbrennungschirurgie




Publication History

Article published online:
20 November 2024

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