Sprachliche Diversität und Bildungserfolg
Weltweit werden über 7000 Sprachen gesprochen – ein Großteil der Weltbevölkerung ist
mehrsprachig [1 ]. Auch in Deutschland nutzen viele Menschen (neben dem Deutschen) andere Sprachen.
Zu den am häufigsten gesprochenen Herkunftssprachen gehören Türkisch, Russisch, Arabisch,
Polnisch und Englisch [2 ]. Vor allem in Großstädten wachsen immer mehr Kinder und Jugendliche lebensweltlich
mehrsprachig auf; in ihrem persönlichen Alltag spielen (mindestens) 2 Sprachen eine
Rolle.
Auch die Spracherfahrungen monolingual deutschsprachiger Kinder sind keineswegs einheitlich,
sondern unterscheiden sich z. B. aufgrund unterschiedlicher Sprachpraxen in der Familie.
Außerdem lernen fast alle Schüler*innen in der Schule mindestens 1 Fremdsprache. Sprachliche
Vielfalt ist also der Normalfall in unserer Gesellschaft und damit auch eine Grundvoraussetzung
für (schulische) Bildungsprozesse.
Welche Rolle mehrsprachiges Aufwachsen und familiale Sprachpraxen für den schulischen
Erfolg von Schüler*innen spielen, bedarf weiterer Klärung: In Large-Scale-Untersuchungen
wie PISA, TIMSS und IGLU wird das überwiegende Sprechen einer anderen Sprache als
Deutsch in der Familie immer wieder als ein Risikofaktor für den schulischen Kompetenzerwerb
von Schüler*innen identifiziert [3 ]
[4 ]. Ob ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Sprechen anderer Sprachen und Bildungserfolg
besteht, kann auf Basis dieser Studien allerdings nicht beantwortet werden [5 ].
Untersuchungen, die die sprachlichen Voraussetzungen der Lernenden genauer betrachten,
zeigen, dass Lernende mit hohen Kompetenzen in der Familiensprache auch in weiteren
Sprachen hohe Leistungen erzielen [6 ]
[7 ]. Ein häufiger Gebrauch der Familiensprache steht einer guten Beherrschung des Deutschen
nicht notwendigerweise im Weg [8 ].
Es ist weitgehend unstrittig, dass den sprachlichen Fähigkeiten von Schüler*innen
in der Instruktionssprache Deutsch eine Schlüsselfunktion für den Kompetenzerwerb
in unterschiedlichen Fächern zukommt [9 ]. Insbesondere bildungssprachliche Fähigkeiten gelten als bedeutsam für Bildungserfolg
[5 ].
Bildungssprache und Alltagssprache
Der Begriff „Bildungssprache“ wurde im Kontext des Modellprogramms FörMig (Förderung
von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund) – analog zum englischen Begriff
„academic language“ – vorgeschlagen, um die sprachlichen Fähigkeiten zu beschreiben,
die für schulischen Erfolg erforderlich sind [10 ].
Bildungssprache ist ein formelles sprachliches Register, das nicht nur im schulischen
Kontext vorkommt. Verwendet wird sie beispielsweise auch in anspruchsvollen Schriften
(Zeitungsartikel, Fachliteratur, akademische Publikationen usw.) oder öffentlichen
Verlautbarungen wie Pressemitteilungen, Erklärungen und Stellungnahmen [11 ]. Bildungssprache hat die Funktion, komplexe Inhalte in Situationen mit geringer
sozialer und situativer Einbettung zu vermitteln [11 ].
Charakteristisch für Bildungssprache ist, dass sie sich an den Regeln der Schriftsprache
orientiert, auch wenn sie – in Vorträgen oder bei Präsentationen – mündlich verwendet
wird [10 ]. In der alltäglichen, informellen Kommunikation können sich Sprecher*innen auf einen
gemeinsamen Kontext beziehen, Mimik und Gestik verwenden und z. B. durch Zeigen auf
Objekte verweisen. Bildungssprache ist dagegen nicht situationsgebunden, weshalb Sachverhalte
präzise ausgedrückt und Zusammenhänge explizit benannt werden müssen ([Tab. 1 ]).
Tab. 1
Beispiele für Alltags- und Bildungssprache nach Gibbons [12 ].
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Alltagssprache
Bildungssprache
konzeptionell mündlich
kontextgebunden
dialogisch
Das … nein, das geht nicht … es bewegt sich nicht… versuch das … ja, es geht … ein
bisschen … das geht nicht… geht nicht, es ist kein Metall … die hier sind die besten
… gehen richtig schnell.
Ein Magnet […] ist in der Lage, ein Stück Stahl oder Eisen anzuheben oder anzuziehen,
weil sein Magnetfeld in den Magneten fließt und ihn temporär in einen Magneten verwandelt.
Magnetische Anziehung findet nur zwischen eisenhaltigen Materialien statt.
(drei 10-jährige Schüler*innen beim Experimentieren)
(aus einem Kinderlexikon)
Bildungssprache unterscheidet sich von Alltagssprache auf verschiedenen Ebenen [13 ]: Zu den Besonderheiten auf Wort- und Bedeutungsebene zählt die Verwendung von
differenzierenden und abstrahierenden Ausdrücken („nach oben transportieren“ statt
„raufbringen“),
Nominalisierungen („erzeugen“ → „die Erzeugung“),
Komposita („Höhen-schichten-karte“),
Präfixverben („ver-stehen“, „ent-fallen“),
Funktionsverbgefügen („zur Explosion bringen“),
unpersönlichen Ausdrücken und Passivkonstruktionen.
Merkmale auf der Ebene des Satzbaus umfassen u. a.
komplexe Satzgefüge (z. B. Relativsätze, Konditionalsätze, verschachtelte Nebensätze,
erweiterter Infinitiv) und
Kohäsionsmarkierungen (z. B. Verweiswörter, Konnektoren und Adverbien).
Kennzeichnend für Bildungssprache auf diskursiver Ebene sind
monologische Formen (in Vorträgen, Referaten und Aufsätzen werden Informationen präsentiert,
ohne direkt mit anderen zu kommunizieren),
fachgruppenspezifische Textsorten (z. B. Versuchsprotokolle, Bildbeschreibungen, Erörterungen)
und
stilistische Konventionen (z. B. logische Gliederung, Sachlichkeit, Textlänge).
Alltags- und Bildungssprache lassen sich nicht vollständig voneinander abgrenzen,
sondern befinden sich an unterschiedlichen Enden eines Kontinuums (engl. „mode continuum“):
Während sich das Gespräch der Schüler*innen beim Experimentieren ( [Tab.1 ]) am alltagssprachlichen Ende verorten lässt, ist der Lexikoneintrag (eher) am bildungssprachlichen
Ende des Kontinuums einzuordnen [12 ]. Der Sprachgebrauch bei der Präsentation einer Gruppenarbeit oder einer schriftlichen
Beschreibung des Experiments wäre dazwischen anzusiedeln.
Sowohl Alltags- als auch Bildungssprache haben ihren Platz in der Schule und sind
dort – je nach Situation – auch funktional: In Unterrichtsphasen, in denen es um das
Erarbeiten und Verstehen neuer fachlicher Inhalte geht (z. B. beim Experimentieren
oder in Gruppenarbeitsphasen), ist ein alltagssprachlicher Austausch erwartbar und
zielführend. Die Verwendung bildungssprachlicher Formulierungen wird dann relevant,
wenn Inhalte verschriftlicht oder mündlich präsentiert werden müssen. Außerdem wird
Bildungssprache in Aufgabenstellungen, Lehrbüchern und anderen Unterrichtsmaterialien
verwendet – Schüler*innen müssen Bildungssprache also auch beherrschen (lernen), um
Arbeitsaufträge erfassen und Informationen in Texten verstehen zu können [10 ].
Für alle Kinder und Jugendlichen, in deren familiärem Umfeld wenig literale Sprachpraxen
vorkommen, die auf die bildungssprachlichen Anforderungen der Schule vorbereiten,
ist Bildungssprache eine Art Fremdsprache. Sie zu vermitteln ist Aufgabe der Schule.
Durchgängige Sprach(en)bildung
Um der Bildungsbenachteiligung entgegenzuwirken, die Kindern und Jugendlichen aufgrund
mangelnder bildungssprachlicher Fähigkeiten erfahren, ist es notwendig, Unterricht
systematisch an ihren Bedürfnissen auszurichten und sprachliche Bildung durchgängig
zu praktizieren. „Durchgängig“ bedeutet zum einen, dass sprachliche Bildung in allen
Fächern stattfindet, nicht nur im Deutschunterricht. Zum anderen beinhaltet es, dass
die Familiensprachen der Lernenden als Ressource anerkannt werden und einen selbstverständlichen
Platz im Unterricht erhalten [10 ].
Auf bildungspolitischer Ebene wurde eine Basis für die Umsetzung durchgängiger Sprachbildung
geschaffen: Die Entwicklung bildungssprachlicher Kompetenzen als „gemeinsame Aufgabe
aller Fächer“ und die Verknüpfung von fachlichem und sprachlichen Lernen im Fachunterricht
werden mittlerweile von der Kultusministerkonferenz (KMK) empfohlen und in den Rahmen-
und Bildungsplänen einiger Bundesländer (MV, Hamburg, Bremen, NRW) explizit hervorgehoben.
Auch die Nutzung der mehrsprachiger Kompetenzen von Schüler*innen im Unterricht wird
von der KMK ausdrücklich angeraten [14 ].
Es gibt zahlreiche methodisch-didaktische Konzepte, um die sprachliche Heterogenität
der Schülerschaft im Unterricht zu berücksichtigen. Hierzu zählen beispielsweise Scaffolding,
ein Konzept, das den gezielten Auf- und Ausbau bildungssprachlicher Kompetenzen (im
Deutschen) im Fachunterricht unterstützt, sowie die Einbindung von Mehrsprachigkeit
in den Unterricht.
Gezielte Förderung bildungssprachlicher Kompetenzen im Fachunterricht mit Scaffolding
Scaffolding (deutsch: Baugerüst) bezeichnet die systematische Unterstützung von Lernenden
auf dem Weg zu einem Wissens- oder Fähigkeitsniveau, das leicht über ihrem aktuellen
Entwicklungsstand liegt [15 ]. Wie ein Gerüst, das als vorübergehende Hilfskonstruktion den Bau von Häusern, Brücken
etc. ermöglicht und nach Abschluss der Konstruktion wieder entfernt wird, soll Scaffolding
Lernende dazu befähigen, Probleme eigenständig zu lösen [12 ].
Im Rahmen eines sprach(en)sensiblen Fachunterrichts bedeutet Scaffolding die schrittweise
Hinführung von der Alltags- zur Bildungssprache durch die Verknüpfung von sprachlichem
und fachlichem Lernen. Dabei werden den Schüler*innen temporär sprachliche Hilfen
zur Verfügung gestellt, die sie beim Übergang von alltagssprachlich, mündlich geprägten
Sprachstrukturen hin zur eigenständigen Verwendung bildungssprachlich, schriftsprachlich
geprägten Strukturen (und Textformen) unterstützen sollen.
Es werden 2 Formen von Scaffolding unterschieden, das Makroscaffolding und das Mikroscaffolding
[12 ].
Makroscaffolding
Unter Makroscaffolding versteht man die Vorbereitung und Planung eines sprach(en)sensiblen
Unterrichts. Es erfolgt in diesen Schritten [15 ]
[16 ]:
Bedarfsanalyse:
Zunächst ermittelt die Lehrkraft, welche sprachlichen Anforderungen das Thema einer
geplanten Unterrichtsstunde (oder -einheit) beinhaltet. Dafür klärt sie, welche sprachlichen
Strukturen auf Wort-, Satz- und Textebene die Schüler*innen (rezeptiv und produktiv)
bewältigen müssen, damit sie erfolgreich mitarbeiten und lernen können: Welche Aktivitäten
(z. B. Experimentieren, Vortragen, Lesen eines Fachtextes) sind geplant? Welche Sprachhandlungen
(z. B. beschreiben, begründen) sind damit verbunden? Welche grammatischen Strukturen
und welches Vokabular werden dafür benötigt?
Lernstandsanalyse:
Unterrichtsplanung:
Bedarfs- und Lernstandsanalyse bilden die Grundlage für die Planung des Unterrichts,
bei der fachliche und sprachliche Lernaspekte miteinander verschränkt werden. Dazu
werden Lernaktivitäten entlang des „mode continuum“ so angeordnet, dass die Lernenden
sukzessive einen Registerwechsel (von der Alltags- zur Bildungssprache) vollziehen
([Abb. 1 ]).
Zur Planung zählt auch, dass die Lehrkraft festlegt, in welcher Phase den Schüler*innen
welche sprachlichen Mittel in Form von Scaffolds zur Verfügung gestellt werden müssen
(z. B. Wortkarten, Satzanfänge, Plakate, Beschriftungen), damit sie die sprachlichen
Anforderungen, welche die jeweilige Situation an sie stellt, bewältigen können.
Abb. 1 Beispiel für die Anordnung von Unterrichtsaktivitäten entlang des „mode continuum“.
Mikroscaffolding
Mikroscaffolding findet während des Unterrichtsgesprächs statt. Dabei unterstützt
die Lehrkraft gezielt den Auf- und Ausbau bildungssprachlicher Kompetenzen, indem
sie
die Kommunikation verlangsamt (mehr Zeit geben),
Unterschiede zwischen Alltags- und Bildungssprache explizit thematisiert („Sprechen
über das Sprechen“),
fachliche Formulierungen und Fachvokabular durch Umformulierungen breitstellt,
zu längeren und/oder fachlichen Äußerungen ermutigt und
Schüleräußerungen in einen größeren kontextuellen Zusammenhang einbettet [15 ]
[16 ].
Von einer verstärkten Sprachaufmerksamkeit des Unterrichts profitieren alle Schüler*innen: Egal ob sie lebensweltlich ein- oder mehrsprachig aufwachsen und ob
sie über weniger oder besser entwickelte Sprachfähigkeiten im Deutschen verfügen [20 ].
Mehrsprachigkeit im Unterricht
Die Förderung bildungssprachlicher Kompetenzen im Fachunterricht wird inzwischen von
den meisten Fachlehrkräften als sinnvoll und wichtig erachtet. Zudem ist in vielen
Bundesländern herkunftssprachlicher Unterricht verbreitet. Dies bietet mehrsprachigen
Schüler*innen die Möglichkeit, ihre familiensprachlichen Fähigkeiten in einem eigenständigen
Fach auszubauen. Gegenüber der Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit im Fachunterricht
bestehen jedoch häufig noch immer Vorbehalte, die oft auf monolinguale Grundhaltungen
zurückzuführen sind.
Mehrsprachige Schüler*innen dürften nicht selten die Erfahrung gemacht haben, dass
ihre Familiensprachen in der Schule keinen Platz haben, sondern ins Private gehören
und als Grund für defizitäre Deutschkenntnisse gesehen werden. Mehrsprachigkeit in
der Schule Raum zu geben, bedeutet auch, die Sprachen der Lernenden – und damit einen
Teil ihrer Identität – wertzuschätzen. Die Thematisierung von Mehrsprachigkeit im
Unterricht ist für Lernende in der Regel eine neue, ungewohnte Erfahrung – und kann
deshalb (zunächst) auch auf Unbehagen oder Widerstand stoßen.
Wertschätzung und Sichtbarmachung von Mehrsprachigkeit
Abb. 2 Beispiel für ein Sprachenporträt.
Um Mehrsprachigkeit als Lernvoraussetzung berücksichtigen zu können, ist es nötig
zunächst mehr über die mehrsprachigen Ressourcen, die die Lernenden in die Schule
mitbringen, zu erfahren und sie sichtbar zu machen. Eine vergleichsweise einfache
und bewährte Methode hierfür, die in der Grundschule und in der Sekundarstufe eingesetzt
werden kann, ist die Erstellung sogenannter „Sprachenportraits“ [17 ]. Die Schüler*innen erhalten ein Blatt, auf dem die Silhouette eines Menschen abgebildet
ist und werden gebeten, alle Sprachen (oder auch Dialekte), die für sie eine Bedeutung
haben, in den Körper einzuzeichnen ([Abb. 2 ]) Keine Rolle spielt dabei, ob oder wie gut die jeweilige Sprache beherrscht wird.
Es ist hilfreich, wenn die Lernenden ihre Zeichnungen in einem kurzen Text erläutern
oder mündlich vorstellen. Die Erklärungen können ein Ausgangspunkt für weiterführende
Gespräche über Spracherfahrungen, familiale Sprachpraxen und Sprache im Allgemeinen
sein (nähere Informationen zu dieser Methode finden Sie hier: https://www.begabungslotse.de/mehrsprachigkeit-im-fachunterricht/methode-sprachenportrait ).
Nutzung von Mehrsprachigkeit in Partner- und Gruppenarbeitsphasen
Aus der Forschung ist bekannt, dass mehrsprachige Schüler*innen in Gruppen- und Partnerarbeitsphasen
ihre Familiensprachen verwenden, auch wenn es offiziell nicht erwünscht oder verboten
ist: Beim Problemlösen, beim Aushandeln und beim Aufbau von Wissen nutzen sie – rezeptiv
und produktiv – alle ihnen zur Verfügung stehenden sprachlichen Ressourcen [18 ]. Dies geschieht zumeist unaufgefordert, unbemerkt und in aller Regel nicht systematisch.
Eine in der Praxis bewährte Möglichkeit, das Potenzial, das in der Mehrsprachigkeit
liegt, systematisch zu nutzen, ist es, den Schüler*innen in Gruppen- oder Partnerarbeitsphasen,
die Wahl der Arbeitssprache freizustellen [11 ]. Dafür finden sich die Schüler*innen für die Arbeitsphase in gleichsprachigen Tandems
oder Gruppen zusammen. Sie wissen, dass sie für die Erarbeitungsphase auf ihr gesamtes
sprachliches Repertoire zurückgreifen dürfen und können selbstständig entscheiden,
welche Sprache(n) sie zur inhaltlichen Erarbeitung nutzen.
(Bildungs-) Sprachliche Korrektheit spielt in Phasen der Erarbeitung neuer Ideen und
Informationen keine Rolle, da die inhaltliche Erschließung auch im Deutschen über
die Alltagssprache erfolgt. Insbesondere bei mehrsprachigen Lernenden, die in Deutschland
aufgewachsen sind, ist erwartbar, dass sie ihre Sprachen in mehrsprachigen Unterrichtsphasen
mischen. Dies ist kein Ausdruck eines Defizits, sondern funktional. Studien zeigen,
dass selbst wenn Schüler*innen ausschließlich über rezeptive Fähigkeiten in der Familiensprache
verfügen, ihnen die Nutzung des gesamten sprachlichen Repertoires in Partner- und
Gruppenarbeitsphasen dabei helfen kann, Aufgaben zu lösen und neue Inhalte oder Texte
zu verstehen [13 ].
Im Anschluss an mehrsprachige Arbeitsphasen erfolgt in der Regel eine Präsentation
der Gruppenarbeitsergebnisse oder die Zusammenführung der Ergebnisse in deutscher
Sprache. Um die Schüler*innen dann bei der Bewältigung der (bildungs-)sprachlichen
Anforderungen im Deutschen zu unterstützen, kann die Lehrkraft sprachliche Scaffolds
zur Verfügung stellen.
Die Befürchtung von Lehrkräften, dass die Schüler*innen ihre Familiensprachen ausschließlich
für private Gespräche oder zum Lästern nutzen würden, hat sich als unbegründet erwiesen.
Zwar kommt dies – wie auch bei Deutsch sprechenden Schüler*innen – vor, überwiegend
nutzen sie ihre Familiensprachen aber unterrichtsbezogen, um einander zu unterstützen,
sich neue Inhalte zu erschließen und Aufgaben zu bewältigen [19 ].
Anregung zur Nutzung mehrsprachiger Ressourcen
Ein dritter Schritt ist die explizite Anregung zur Nutzung mehrsprachiger Ressourcen.
Schüler*innen können beispielsweise dazu ermuntert werden, bei der Recherche und der
Erschließung von neuen Inhalten auch auf nicht deutschsprachige Lernmaterialien und
digitale Medien, Wörterbücher usw. zurückzugreifen. Dies kann insbesondere für Lernende
hilfreich sein, die über schriftsprachliche Kenntnisse in ihren Familiensprachen verfügen.
In einer zunehmend globalisierten Welt ist Mehrsprachigkeit für Kinder und Jugendliche
eine Lebensrealität und damit eine Grundvoraussetzung für die Gestaltung erfolgreicher
Lernprozesse – auch im Fachunterricht.
Das in diesem Beitrag vorgestellte Konzept der Durchgängigen Sprach(en)bildung erkennt
die individuelle Mehrsprachigkeit von Lernenden als Ressource an und fördert systematisch
die Entwicklung ihrer (bildungs-)sprachlichen Kompetenzen (im Deutschen), indem fachliches
und sprachliches Lernen miteinander verknüpft werden.
Beides ist nicht nur im Hinblick auf den schulischen Erfolg junger Menschen wichtig,
sondern ermächtigt sie zur aktiven gesellschaftlichen Partizipation und kann damit
zur Kohärenz unserer zunehmend polarisierten Gesellschaft beitragen.