Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2025; 60(03): 142-154
DOI: 10.1055/a-2292-8972
CME-Fortbildung
Topthema

Überwachung von Ernährungstherapie und Kalorienzufuhr

Herausforderungen und LösungsansätzeMonitoring of Medical Nutrition Therapy and Calorie IntakeChallenges and Solutions
David I. Radke
,
Sven Pulletz
,
Wolfgang Hartl
,
Gunnar Elke
Preview

Die medizinische Ernährungstherapie („medical nutrition therapy“, MNT) ist heute fester Bestandteil der adjuvanten Therapie kritisch kranker Patient*innen und beeinflusst das klinische Behandlungsergebnis. In den letzten Jahren hat sich die MNT weiter entwickelt von der einfachen „künstlichen Ernährung“ und häufig unreflektierten Zufuhr von Ernährungssubstraten zu einem zunehmend individualisierten Therapiekonzept. Dieser Beitrag beleuchtet das praktische Vorgehen unter dem Aspekt der Individualisierung vor dem aktuellen evidenzbasierten Hintergrund.

Abstract

The Section Metabolism and Nutrition of the German Interdisciplinary Association for Intensive Care and Emergency Medicine (DIVI) recently published two position papers specifying some aspects of the guideline on clinical nutrition for critically ill patients published by the German Society for Nutritional Medicine in 2018. This article provides a condensed overview for clinical practice; some key aspects of these position papers are presented focussing on the monitoring of energy expenditure and macronutrient administration.

Kernaussagen
  • Durch die demografische Entwicklung und die Zunahme von Polymorbidität ist auch mit einer zunehmenden Inzidenz von Protein-Energie-Mangelernährung bei kritisch kranken Patient*innen zu rechnen.

  • Der Ruheenergieumsatz (REU) ist nicht konstant, sondern dynamisch mit einer zeitlichen sowie inter- und intraindividuellen Variabilität.

  • Die indirekte Kaloriemetrie (IK) erlaubt – im Vergleich zu Schätzformeln – eine weitgehend zuverlässige Messung des REU, wenn entsprechende Störfaktoren berücksichtigt werden. Die Einbindung des mittels IK gemessenen REU (zusätzlich zur metabolischen Toleranz) in die Steuerung der medizinischen Ernährungstherapie (MNT) ermöglicht eine individuellere Ernährung (mit geringerem Risiko einer protrahierten Über- oder Unterernährung).

  • Patient*innenspezifische und geräteseitige Limitationen müssen bei der IK-Messung berücksichtigt werden.

  • Eine IK-Messung sollte gemäß Leitlinien täglich, also ab dem Zeitpunkt der Aufnahme, eingesetzt werden, insbesondere bei kritisch kranken Patient*innen mit vorbestehender Malnutrition, einer voraussichtlichen Behandlungsdauer ≥ 7 Tagen und bei Adipositas (BMI > 30 kg/m2). Diese Empfehlung beruht jedoch bisher nur auf Expertenmeinung und nicht auf belastbarer wissenschaftlicher Evidenz.

  • Ein protokollbasiertes glykämisches Management mit einem Blutzucker-Zielkorridor von 140–200 mg/dl wird empfohlen, um das Hypoglykämie-Risiko zu minimieren und um bei Blutzuckerspiegeln > 200 mg/dl eine kontinuierliche Insulintherapie zu initiieren.

  • Die Serum-Phosphatkonzentration gilt als zentraler Marker für ein mögliches Refeeding-Syndrom und sollte in der Akutphase ab Beginn der MNT 1-mal pro Tag bestimmt werden. Erst bei nicht mehr substitutionspflichtigen Phosphatkonzentrationen sollte die Makronährstoffzufuhr schrittweise täglich wieder gesteigert werden.

  • Niedrige Phosphatspiegel unter mechanischer Nierenersatztherapie/aggressiver Insulintherapie sind nicht beweisend für ein Refeeding-Syndrom, und normale Phosphatspiegel unter Phosphatsubstitution schließen ein Refeeding-Syndrom nicht aus.



Publication History

Article published online:
24 March 2025

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